L 18 SO 150/22 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 SO 17/22 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 SO 150/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. § 92 Abs. 1 SGG erfordert bei natürlichen Personen in der Regel die Angabe der Wohnungsanschrift und ihrer Änderung.
2. Die Pflicht zur Angabe der Wohnungsanschrift kann ausnahmsweise entfallen, wenn besondere Gründe dies rechtfertigen, etwa Obdachlosigkeit oder ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse. Ein erfolgsloses Gewaltschutzverfahren gegen eine am Verfahren nicht beteiligte Person begründet grundsätzlich kein besonderes Geheimhaltungsinteresse.
3. Bei einem Postfach handelt es sich nicht um eine Anschrift im Sinne des § 92 SGG, denn ein Postfach ist nicht geeignet einen Antragsteller/Kläger zu identifizieren oder im sozialgerichtlichen Verfahren die örtliche Zuständigkeit des Gerichts zu begründen.
4. Ein Postfach der Deutschen Post AG ist keine ähnliche Vorrichtung im Sinne des § 180 ZPO, denn die AGB Postfach schließen eine Einlage von Postzustellungsaufträgen in das Postfach aus. Teilt der Kläger auch gegenüber der Deutschen Post AG seine aktuelle Wohnanschrift nicht mit, scheidet eine Zustellung nach § 176 Abs. 2 ZPO aus.
5. Eine Zustellung an ein Postfach mittels Einschreiben mit Rückschein nach § 176 Abs. 1 ZPO gewährleistet keine wechselseitige, verlässliche Kommunikation zwischen Gericht und klagender Partei, denn die Zustellung ist stets von einer Mitwirkungshandlung des Klägers abhängig.
6. Auch im nach § 183 SGG grundsätzlich kostenfreien sozialgerichtlichen Verfahren besteht ein öffentliches Interesse an der Sicherung etwaiger gericht-licher Kostenforderungen, beispielsweise aus § 192 Abs. 1 SGG.

 

I. Der Antrag des Antragstellers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

II. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.04.2022 wird zurückgewiesen.

III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.


G r ü n d e :

I.

Im vorliegenden Eilverfahren - Beschwerdeverfahren - geht es um die Frage, ob der Antragsgegner (AG) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten ist, dem Antragsteller (AST) ab 01.01.2022 vorläufig aufstockende Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung und im Alter nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu gewähren und weitere Kosten bezüglich eines Umzugs zu erstatten.

Der 1955 geborene AST bezieht seit Januar 2021 eine Altersrente in Höhe von 702,88 € monatlich und befand sich seit Mai 2017 beim AG im Bezug von aufstockenden Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Zuletzt wurden dem AST mit Bescheid vom 16.04.2021 auf dessen Weiterbewilligungsantrag hin für den Zeitraum von 01.05.2021 bis 30.04.2022 aufstockende Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII gewährt.

Bis Anfang Dezember 2021 bewohnte der AST eine Wohnung unter der Adresse R Straße in R. Am 03.12.2021 fand eine Zwangsräumung nach dem "Berliner Modell (=Austausch des Türschlosses)" statt. Seit diesem Zeitpunkt ist dem Senat keine Wohnanschrift des AST mehr bekannt.

Unter dem 14.12.2021 teilte der AST dem AG schriftlich und auch telefonisch mit, dass er nicht mehr in seiner Wohnung in R wohne, und stellte einen Antrag auf Übernahme einer Mietkaution, Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten. Der AG teilte daraufhin mit, dass zunächst ein konkretes Wohnungsangebot benötigt werde und ohne Wohnungsangebot keine Aussage über den Antrag getroffen werden könne. Der AST erläuterte, dass er eine Postfachadresse mitteilen werde, an das der AG die Entscheidung schicken könne. Es sei ihm von der Polizei geraten worden, seinen Aufenthaltsort bzw. Wohnort niemandem, auch nicht der Sozialverwaltung mitzuteilen. Die Mitarbeiterin des AG teilte ihm daraufhin mit, dass der AG dann nicht wisse, ob er im Landkreis wohnhaft sei und ob er noch zuständig sei. Mit weiterem Schreiben vom 14.12.2021 erläuterte der AST, dass er seit dem 03.12.2021 in einem Hotel bzw. einer Pension wohne. Unter dem 20.12.2021 bat der AST darum, dass ihm sämtliche Briefpost an das im Rubrum angegebene Postfach gesandt werde.

Mit Bescheid vom 23.12.2021 hob der AG den Bewilligungsbescheid vom 16.04.2021 über Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 01.01.2022 auf. Zur Begründung führte er aus, dass der Ausgangsbescheid nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben werde. Denn nach Mitteilung des AST wohne dieser (seinerzeit) in einem Hotel bzw. in einer Pension. Die Kosten der Unterkunft und der Mehrbedarf für Warmwasseraufbereitung könnten daher nicht mehr im Rahmen der Bedarfsberechnung berücksichtigt werden. Das noch zur Verfügung stehende Einkommen in Form der monatlichen gesetzlichen Regelaltersrente übersteige nunmehr den nachgewiesenen Bedarf, so dass ab Januar 2022 keine aufstockenden Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII mehr gewährt würden. Überdies habe der AST nicht nachgewiesen, dass er sich überhaupt noch im Zuständigkeitsbereich des AG aufhalte. Die Leistungen würden daher ab dem 01.01.2022 abgelehnt. Sofortvollzug ordnete der AG im Bescheid vom 23.12.2021 oder später nicht an. Gegen den Bescheid vom 23.12.2021 legte der AST unter dem 08.01.2022 Widerspruch ein.

Unter dem 17.01.2022 teilte der AST dem AG mit, dass es ihm gelungen sei, eine Wohnung in L zu finden. Das Mietverhältnis habe am 16.01.2022 begonnen. Die Wohnung sei ca. 50 qm groß und werde mit Strom beheizt. Die Grundmiete betrage monatlich 520,00 €, die Nebenkosten beliefen sich auf monatlich 190,00 €. Am 21.01.2022 beantragte der AST die Erstattung diverser Kosten in Höhe von insgesamt 9.097,75 € wegen seines Umzugs und legte Unterlagen vor.

Ein Auszug aus dem Melderegister ergab am 24.01.2022 die Auskunft, dass der AST nach unbekannt verzogen sei.

Mit Schreiben vom 01.02.2022 wandte der AG sich nochmals an den AST und bat um Mitwirkung bis zum 23.02.2022. Es sei ihm bekannt geworden, dass der AST in den Jahren 2016 und 2018 insgesamt 39.500,- € aus dem Nachlass seiner im Jahr 2012 verstorbenen Mutter erhalten habe. Der Einkommenszufluss sei nicht mitgeteilt worden. Es bestehe für die Zeit ab September 2016 kein Anspruch mehr auf die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Sozialleistungen für die Zeit von September 2016 bis Dezember 2021 seien zu Unrecht gewährt worden. Der AST erhalte Gelegenheit sich schriftlich zum Sachverhalt zu äußern. Des Weiteren bitte der AG um Konkretisierung des Antrags vom 06.12.2021 auf zusätzliche Wohnkosten und um Angaben dazu aus welchen finanziellen Mitteln, die Kosten den Umzug betreffend beglichen worden seien.

Unter dem 16.02.2022 hat der AST einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nebst Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe beim Sozialgericht Nürnberg (SG) gestellt. Dem Schreiben vom 16.02.2022 ist zu entnehmen, dass er für die Zeit ab Januar 2022 weiterhin aufstockende Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII von Seiten des AG begehrt. Darüber hinaus geht es ihm um die Übernahme der beim AG geltend gemachten Kosten aufgrund seines Umzuges.

Das SG hat den AST mit gerichtlichem Schreiben vom 17.02.2022 unter Verweis auf § 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgefordert, die derzeitige ladungsfähige Anschrift mitzuteilen. Ferner hat das SG auf die Unzulässigkeit des Antrages bei fehlender Mitteilung hingewiesen und dieses Schreiben an das Postfach übersandt. Dort hat der AST das Schreiben abgeholt. Unter dem 16.04.2022 hat der AST im Verfahren S 4 SO 193/21 eine Bestätigung seines derzeitigen Vermieters vorgelegt, wonach der AST eine seiner Wohnungen in L bewohnen würde. Eine genaue Adresse hat er nach wie vor nicht benannt.

Am 17.02.2022 hat der AST erneut einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII beim AG gestellt. Dort hat er ausgeführt, dass der Grund für die Angabe des Postfaches als Wohnanschrift darin bestehe, dass ihm von der Polizei geraten worden sei, seine neue Anschrift nicht beim Einwohnermeldeamt zu benennen. Mit Schreiben vom 23.02.2022 hat der AG den AST nochmals (wie bereits mit Schreiben vom 01.02.2022) zur Mitwirkung aufgefordert und erneut um Beantwortung von Fragen u.a. zu seinen finanziellen Verhältnissen sowie Vorlage von Unterlagen gebeten und darauf hingewiesen, dass bei fehlender Mitwirkung Sozialhilfe ganz oder teilweise versagt oder entzogen werden kann (§ 66 SGB I). Der AST hat am 24.02.2022 sein Schreiben vom 23.02.2022 an die Polizeiinspektion L mit der Bitte zu bestätigen, dass sich sein Wohnort in L befinde, und ein Schreiben vom 07.02.2022 an das Einwohnermeldeamt, dass er dem Einwohnermeldeamt nur seine Postfachadresse mitteilen könne, vorgelegt.

Unter dem 11.04.2022 hat der AST gegenüber dem AG erklärt, dass er schon seit 2016 Schulden in sechsstelliger Höhe habe und die Beträge, die er aus dem Nachlass seiner Mutter erhalten habe, zur Schuldentilgung verwendet habe. Auf das gerichtliche Schreiben vom 09.03.2022 mit der Anfrage, aus welchen finanziellen Mitteln insbesondere die 6.000,- € an seinen ehemaligen Vermieter und dessen Ehefrau bezahlt wurden und auf die Anfrage nach dem Verbleib der Mittel aus dem Erbschaftsstreit mit seinem Bruder, ist keine Reaktion erfolgt.

Mit Beschluss vom 21.04.2022 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt, da dieser unzulässig sei. Der AST habe bis zum Erlass dieser Entscheidung keine zustellungsgeeignete (Wohn-) Anschrift angegeben. Nach § 90 SGG sei eine Klage schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem zuständigen Gericht zu erheben. Das Ersuchen um Rechtsschutz solle gemäß § 92 Satz 1 und 2 SGG unter anderem die Beteiligten bezeichnen und von dem AST oder einer zu seiner Vertretung befugten Person mit Orts- und Tagesangabe unterzeichnet sein. Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren setze des Weiteren voraus, dass im Verfahren auch die Anschrift des Rechtsuchenden genannt werde. Diese allgemeinen Grundsätze für Hauptsacheklagen müssten erst recht für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gelten. Der Angabe des Wohnsitzes bzw. Aufenthalts- oder Beschäftigungsortes des Rechtsuchenden bedürfe es bereits deshalb, um die örtliche Zuständigkeit des Gerichts feststellen zu können und damit ein Tätigwerden des zuständigen gesetzlichen Richters zu gewährleisten, ferner, um die rechtswirksame Zustellung gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen bewirken zu können. Des Weiteren verlangten kostenrechtliche Gründe (§§ 192, 193 SGG) sowie die Notwendigkeit eines unmittelbaren Zugangs zum Rechtsschutzsuchenden wegen der Sachermittlung die genaue Kenntnis der Wohnanschrift. Denn der Rechtsschutzsuchende begebe sich mit der Einleitung eines sozialgerichtlichen Verfahrens in eine Rolle, die trotz des Amtsermittlungsprinzips regelmäßig ein Mindestmaß an aktiver Mitwirkung erfordere (vgl. § 103 Satz 1 Halbsatz 2, § 106 Abs. 1, § 111 Abs. 1 SGG); dies sei ohne sichere, auch für den Prozessgegner transparente Kommunikationsmöglichkeiten nicht gewährleistet. Nachdem die derzeitige Wohnadresse des AST bzw. dessen Aufenthaltsort nach dessen Zwangsräumung Anfang Dezember 2021 nicht bekannt sei (sowohl dem Gericht, als auch der Staatsanwaltschaft, dem Beklagten und dem Einwohnermeldeamt) und der AST sich beharrlich weigere, seine Adresse mitzuteilen, seien die Anträge unzulässig, worauf das Gericht den AST mit Schreiben vom 17.02.2022 hingewiesen habe. Ausnahmen von der Pflicht, die Anschrift zu nennen, könnten nach den Umständen des Einzelfalls nur anerkannt werden, wenn dem Betroffenen dies aus schwerwiegenden beachtenswerten Gründen unzumutbar ist. Solche Umstände habe der AST weder substantiiert vorgetragen, noch sind sie sonst ersichtlich bzw. objektiv nachvollziehbar. Schließlich reiche auch die Angabe des Postfaches nicht aus. Dies sei keine Anschrift im Sinne des § 92 Abs. 1 SGG. Denn nur eine Anschrift sei geeignet, den AST zu individualisieren. Der Wohnort des AST bestimme grundsätzlich die örtliche Zuständigkeit des Gerichts und der Behörde. Mit dem Sinn dieser Bestimmungen sei es nicht vereinbar, die bundesweit frei wählbare Anschrift eines Postfaches als Wohnungsangabe ausreichen zu lassen. Für die Zustellung sei das Postfach nicht im gleichen Maße geeignet wie eine Wohnungsanschrift. Es lasse nur die Zustellung mittels eingeschriebenen Briefes gegen Rückschein, nicht aber eine Zustellung mit Postzustellungsurkunde zu. Gerichte und auch Behörden müssten über einen zuverlässigen Nachweis darüber verfügen, ob und wann ihre Mitteilungen, Ladungen, Fristbestimmungen den Empfänger erreicht hätten. Darüber hinaus sei der Antrag, soweit der AST aufstockende Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII für die Zeit ab Mai 2022 begehre, auch unbegründet. Darüber hinaus wäre auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG unbegründet, soweit der ASt die Erstattung diverser Kosten für seinen Umzug und die Erstattung der 6.000,00 € aufgrund der "Übereinkommenserklärung" mit seinem ehemaligen Vermieter bzw. dessen Ehefrau begehre. Insoweit sei ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Der Beschluss ist dem AST mittels Einschreiben mit Rückschein zugestellt worden. Der AST hat den Beschluss am 23.04.2022 bei der Deutschen Post abgeholt und den Empfang bestätigt.

Mit Bescheid vom 28.04.2022 hat der AG die Anträge vom 06.12.2021 auf zusätzliche Wohnkosten, vom 14.12.2021 auf Übernahme von Mietkaution, Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten sowie vom 04.02.2022 auf Übernahme von Mietkosten für einen Bus bis zur vollständigen Nachholung der Mitwirkung versagt. Mit weiteren Bescheid vom 29.04.2022 hat der AG den Antrag vom 14.12.2021 auf Übernahme der Hotel- und Pensionskosten im Zeitraum vom 03.12.2021 bis 16.01.2022 bis zur vollständigen Nachholung der Mitwirkung versagt und aufgrund fehlender Hilfebedürftigkeit abgelehnt. Mit weiterem Bescheid vom 02.05.2022 hat der AG den Antrag vom 15.02.2022 auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung versagt und aufgrund fehlender Hilfebedürftigkeit abgelehnt.

Gegen den Beschluss des SG hat der AST mit Schreiben vom 22.05.2022, eingegangen am 23.05.2022, Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt.

Mit Schreiben vom 21.06.2022 hat das SG mitgeteilt, dass der AST am 30.05.2022 erneut einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim SG gestellt habe (S 11 SO 58/22 ER).

Mit dienstlicher Stellungnahme vom 21.06.2022 hat die dem 18. Senat zugewiesene Richterin am Landessozialgericht N (N) angezeigt, dass sie sich gegenüber dem AST als befangen ansehe und um Entscheidung über das Selbstablehnungsgesuch gebeten. Dem AST wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Senat versuchte zunächst das Anhörungsschreiben im Wege der Postzustellungsurkunde an die Postfachadresse des AST zuzustellen. Da die Deutsche Post den AST unter dieser Adresse nicht ermitteln konnte, hat sie die Postzustellungsurkunde als unzustellbar an das LSG zurückgesandt. Auf der Zustellungsurkunde hat der zuständige Mitarbeiter der Deutschen Post die Postfachadresse des AST durchgestrichen und durch eine "alte" Adresse des AST in der D Straße in L ersetzt. Der Senat hat das Anhörungsschreiben nachfolgend als Einschreiben mit Rückschein an das Postfach zugestellt. Dieses Schreiben hat der AST am 18.07.2022 bei der Deutschen Post abgeholt und den Empfang quittiert. Nach Ablauf der Stellungnahmefrist hat der Senat ohne Mitwirkung der N mit Beschluss vom 02.09.2022 (L 18 SF 119/22 AB) entschieden, dass ihre Selbstablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit begründet sei. Auch dieser Beschluss konnte mittels Postzustellungsurkunde nicht an die Postfach-Adresse zugestellt werden und wurde am 22.09.2022 als unzustellbar an das LSG zurückgeschickt. Letztendlich ist der Beschluss mittels Einschreiben mit Rückschein erneut zugestellt worden. Der AST hat den Beschluss am 28.09.2022 abgeholt. Der Rückschein ging am 30.09.2022 beim LSG ein.

Am 06.10.2022 hat der AST Verzögerungsrüge erhoben und beantragt, dass das Verfahren sobald wie möglich "fortgefahren" werde. Mit weiterem Schreiben vom 31.10.2022 hat der AST darauf hingewiesen, dass er Schadensersatz geltend machen werde. Es möge darüber entschieden werden, wie man sich die Abwicklung dieses Schadensersatzes vorstelle und/oder ob dieser Schadensersatz gleich mit der Entscheidung über dieses ER-Verfahren entschieden werden könne.

Mit Schreiben vom 03.11.2022 hat der Senat den AST darauf hingewiesen, dass der Antrag wegen fehlender Wohnadresse als unzulässig anzusehen sei und unter Hinweis auf § 92 Abs. 2 Satz 2 SGG unter Setzung einer Frist mit ausschließender Wirkung bis 16.11.2022 um Angabe einer Wohnanschrift gebeten bzw. mitzuteilen aus welchen Gründen der AST die Wohnadresse nicht angeben könne.

Mit (teils unleserlichem) Schreiben vom 05.11.2022 hat der AST geantwortet, dass der Bundesgerichtshof am 14.06.2012 entschieden habe, dass eine Zustellung an ein Postfach zulässig sei. Unter dem 16.11.2022 hat der AST eine (bereits aus dem Verfahren L 18 SO 211/22 B ER bekannte) eidesstattliche Versicherung vom 11.11.2022 vorgelegt. In dieser Erklärung hat er versichert, dass er von seinem ehemaligen Vermieter Herrn F mehrfach tätlich und verbal angegriffen worden sei. Derzeit seien unter den Aktenzeichen 05 F 3/21 und 05 F 924/22 beim Amtsgericht (AG) Hersbruck und unter dem Aktenzeichen 11 UF 399/22 bei dem Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg Gewaltschutzverfahren wegen dieser Umstände anhängig. Es sei in seiner früheren Wohnung mehrfach Post verschwunden. Von einem Polizeibeamten der Polizeiinspektion L, W, und einem Mitarbeiter des Ordnungsamtes im Landratsamt N, L, sei ihm geraten und empfohlen worden, zur Vermeidung weiterer Ärgernisse und Unzumutbarkeiten niemandem, auch nicht dem künftig für ihn zuständigen Einwohnermeldeamt gegenüber, seine vollständige Wohnadresse zu benennen, woran sich W am 10.11.2022 auch habe erinnern können, wie er ihm am 10.11.2022 am Telefon gesagt habe. Die Empfehlung sei ausgesprochen worden, da Herr F die Adresse ansonsten in Erfahrung bringen könne. L sei jetzt angeblich nicht mehr im Ordnungsamt dieses Landratsamts beschäftigt. Auch die damalige Kollegin des L, S, habe sich am 10.11.2022, nachdem er sie angerufen habe, an die Problematik mit F erinnern können.

Am 01.12.2022 hat der Senat die Akte L 18 SO 211/22 B ER beigezogen und dies dem AST mitgeteilt.

In dem Verfahren L 18 SO 211/22 B ER hat der Senat - nachdem der AST entsprechende Entbindungserklärungen erteilt hatte - die Akten 05 F 3/21 und 05 F 924/22 des AG Hersbruck und 11 UF 399/22 des OLG Nürnberg beigezogen. Des Weiteren hat der Senat Herrn W der Polizeiinspektion L unter Darstellung des Sachverhalts schriftlich als Zeugen vernommen.

Die schriftliche Zeugenaussage der Herrn W ist am 28.11.2022 eingegangen. Der Zeuge hat sich darin wie folgt geäußert: "Ich hatte am 07.07.2020 das erste Mal mit Herrn A zu tun. Er kam in die Wache der PI L um eine Anzeige zu erstatten. Bereits zu diesem Zeitpunkt waren die Aussagen von Herrn A sehr verwirrend. Er sah hinter allem, dass sich in seinem Umfeld abspielt und was nach seiner Meinung vom Alltäglichen abweicht, eine Verschwörung gegen sich. Verantwortlicher dafür sei sein ehemaliger Vermieter, Herr F.

Bereits im Rahmen dieser Anzeigenerstattung wollte Herr A lediglich sein Postfach und nicht seine Wohnadresse angeben, da er Angst hatte, Herr F würde sonst diese neue Wohnadresse herausbekommen.

Herrn A habe ich damals schon gesagt, dass, wenn er nicht möchte, dass seine Adresse angegeben wird, er sich über das Einwohnermeldeamt darum bemühen müsse. Eine Aussage, dass er seine Adresse gegenüber anderen Institutionen nicht angeben müsse, wurde von meiner Seite aus nicht getätigt.

Bis zum Telefonat am 10.11.2022 kam es zu mehreren Einsätzen mit Herrn A in dessen Verläufen auch Meldungen an das Gesundheitsamt aufgrund seiner wirren Schilderungen und Verschwörungstheorien geschrieben wurden. Im Gespräch vom 10.11.2022 wollte Herr A nochmals von mir die Bestätigung haben, seine Adresse nirgends angeben zu müssen. Ich habe ihm nochmals gesagt, dass eine Verschleierung der Wohnadresse nur nach Genehmigung über das Einwohnermeldeamt möglich ist. Das muss jedoch beantragt werden. Ich habe ihm auch gesagt, dass ich jedoch stark bezweifle, dass die Stadt L in so einem Fall, dem Ganzen zustimmen wird. Herrn A wurde immer dargelegt, dass er gegenüber den zuständigen Stellen seinen aktuellen Wohnort angeben muss. Bezüglich seiner Belange gegenüber der Polizei wurde er immer darauf hingewiesen, dass der Gegenpartei seine Adresse bekannt wird, falls Akteneinsicht beantragt wird. Dies kann nicht geändert werden.

Über die Notwendigkeit der Ummeldung und die Darlegung der Adresse gegenüber anderen Behörden wurde Herr A auch durch einen anderen Kollegen hingewiesen, da eine Anzeige bzgl. des Meldegesetzes am 10.12.2021 von Seiten der Polizei im Rahmen eines anderen Einsatzes aufgenommen wurde.

Es entsteht der Eindruck als würde Herr A nur das hören was er hören möchte und sich die getätigten Aussagen so hindreht, dass sie in seine Anschauung passen. In allen Gesprächen war eine komplette zusammenhängende Schilderung der Formalitäten bezüglich seiner Adressproblematik nicht möglich, da er mich meist unterbrach um wieder mit dem Thema "F" anzufangen."

Aus den beigezogenen Akten hinsichtlich der Gewaltschutzverfahren ergibt sich, dass der AST am 02.01.2021 beim AG Hersbruck - Familiengericht - einen Antrag auf ein Kontaktverbot und/oder Antrag auf Einleitung eines Verfahrens nach § 1 Gewaltschutzgesetz (GewSchG) gestellt hat. Das Verfahren ist zunächst unter dem Aktenzeichen 05 F 3/21 geführt worden. Der AST hat darin ausgeführt, dass Herr F ihm nachstelle und ihn mehrfach nicht nur verbal belästigt habe. Dem Antrag lag eine Strafanzeige gegen Herrn F wegen des Verdachts des Stalking vom 27.12.2020 bei. Der AST hat darin auf zahlreiche weitere Aktenzeichen bei der Staatsanwaltschaft, beim OLG Nürnberg, beim AG Hersbruck, bei der Generalstaatsanwaltschaft und beim Landgericht Nürnberg-Fürth verwiesen. Grund für die Strafanzeige seien die Vorfälle vom 18.11.2020 und vom 25.12.2020 gewesen. Er sei am 18.11.2020 gegen 14:00 Uhr in einem Bürocenter belästigt worden, als Herr F im besagten Bürocenter laut gesagt habe: "Na, Herr A, wann werden Sie jetzt nach E eingeliefert?". Am 25.12.2020 habe er gegen 17:20 Uhr den Bahnsteig L links der P betreten. Gleich nach dem Treppenaufgang habe er etwa vier junge Männer mit Rucksack gesehen. Aus deren Verhalten ihm gegenüber habe er geschlossen, dass diese eine weitere Attacke auf ihn ausüben wollten oder sollten. Zu einem Angriff sei es jedoch nicht gekommen. Er könne es nicht beweisen, meine aber, dass das Verhalten der vier jungen Männer auf Anweisung des Herrn F erfolgt sei, um ihm nachzustellen. Es bestehe der dringende Verdacht, dass durch Bekannte des Herrn F weitere Angriffe gegen ihn verübt werden sollten. Mit Beschluss vom 18.01.2021 hat das AG Hersbruck den Antrag des AST auf Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz zurückgewiesen. Tathandlungen, die ein wiederholtes Nachstellen im Sinne des § 1 Absatz 1 Nr. 2b GewSchG darstellen würden, seien nicht dargetan worden. Ehrverletzende Äußerungen genügten nicht, da die Ehre kein Schutzgut des Gewaltschutzgesetzes sei. Der Beschluss sei nicht anfechtbar, auf Antrag sei gemäß § 54 Abs. 2 FamFG jedoch eine mündliche Verhandlung durchzuführen und aufgrund der mündlichen Verhandlung erneut zu entscheiden. Dagegen hat der AST mit Schreiben vom 28.02.2021 u.a. beim OLG Nürnberg Beschwerde eingelegt, die unter dem AZ 11 Uf 179/21 geführt und mit Beschluss vom 01.04.2021 verworfen wurde. Die beantragte "Überprüfung" hat das OLG Nürnberg zurück an das AG Hersbruck geleitet, damit dort die nach § 54 Abs. 2 FamFG mögliche mündliche Verhandlung durchgeführt werde. Mit Schreiben vom 20.12.2021 hat der AST mitgeteilt, dass die Post nur noch an seine Postfachadresse zugestellt werden möge. Die Ladung zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.03.2022 hat das AG Hersbruck mittels Postzustellungsurkunde an das Postfach des AST zuzustellen versucht, die Zustellungsurkunde wurde jedoch an das AG Hersbruck zurückgeschickt. Die Postfachadresse war durchgestrichen und durch die Adresse "D Strasse in L" ersetzt worden. Auf der Ladung war ein Zettel mit dem Hinweis angebracht: "Postfach besteht, aber keine Zustellung über Postfach möglich. Nicht AGB konform!". Mit Beschluss vom 23.03.2022 hat das AG Hersbruck entschieden, dass der Beschluss vom 18.01.2021 aufrechterhalten bleibt. Um den Beschluss zuzustellen, sind weitere Ermittlungen zu der Anschrift des AST erfolgt. Diese haben eine - bislang noch nicht bekannte - Adresse in L ergeben. Das AG Hersbruck hat daraufhin eine Überprüfung durch die Polizei beauftragt, ob der AST dort wohnhaft sei und ob er über einen Briefkasten mit Namen verfüge, ferner, ob eine Sperre im Melderegister eingetragen ist. Die Polizei hat am 28.03.2022 mitgeteilt, dass an der Adresse drei Wohnparteien verzeichnet seien und namentlich belegt seien. Der AST sei nicht dabei. Die Befragung einer Bewohnerin habe ergeben, dass diese den AST nicht kenne. Mit Beschluss vom 06.09.2022 hat das OLG Nürnberg die Beschwerde gegen den Beschluss des AG Hersbruck zurückgewiesen. Mit weiterem Beschluss vom 18.10.2022 hat das OLG Nürnberg die Gehörsrügen vom 07.09.2022, 25.09.2022 und 03.10.2022 zurückgewiesen. Die Akte wurde an das AG Hersbruck zurückgeschickt. Auf erneute Einwendungen des AST hin, hat das OLG Nürnberg dem AST mitgeteilt, dass das Verfahren der einstweiligen Anordnung abgeschlossen sei. Unter dem Aktenzeichen 05 F 924/22 wird nunmehr das Hauptsacheverfahren vor dem AG Hersbruck geführt.

Ein letztmaliger Abruf des Melderegisters am 07.12.2022 hat keine aktuelle Adresse ergeben.

Der AST beantragt sinngemäß,
dem AST für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen sowie
den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.04.2022 aufzuheben und
1) den AG im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung und im Alter ab Oktober 2021 weiter zu gewähren,
2) den AG im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm folgende Kosten zu erstatten
a. Übernachtungskosten (03.12.2021 bis zum 16.01.2022) in Höhe von 1.050,00 €
b. Übernachtungskosten gemäß Schreiben vom 27.01.2022 in Höhe von 240,00 €
c. Einlagerungskosten bei der Firma M in Höhe von 369,08 €
d. Beschaffungskosten für Kartons (u.a.), M in Höhe von 63,12 €
e. Umzugskosten gemäß Rechnung der Firma "P" in Höhe von 600,00 €
f. Rechnung des Pannendienstes "D" in Höhe von 583,10 €
g. Tankkosten in Höhe von 105,71 €
h. Bußgeld in Höhe von 55,00 €
i. Transportmittelabrechnung Firma O in Höhe von 120,00 €
j. Reparaturkosten in Höhe von 206,74 €
k. Kosten aus der "Übereinkommenserklärung" in Höhe von 6.000,00 €

Der AG beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhaltes auf die beigezogenen Akten des OLG Nürnberg und des AG Hersbruck, die beigezogenen Akte L 18 SO 211/22 B ER, die Akte L 18 SF 119/22 AB sowie auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.


II.

Die Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft. Sie ist nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz als unzulässig angesehen und abgelehnt.

Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist das Begehren des AST, ab 01.01.2022 weiterhin Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung und im Alter zu erhalten sowie diverse im Rahmen des Umzugs angefallene Kosten erstattet zu erhalten. Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren angibt, dass er Schadensersatz geltend machen werde und Frage zur Abwicklung stellt, handelt es sich nicht um einen konkreten und bestimmten Antrag, über den entschieden werden könnte, sondern allenfalls um eine Ankündigung.

Die Beschwerde des AST ist zulässig sowie form- und fristgerecht erhoben. Dass der AST auch im Beschwerdeverfahren keine Anschrift genannt hat, hindert die Zulässigkeit der Beschwerde nicht. Dem Kläger muss es nach den Grundsätzen eines fairen Verfahrens möglich sein, die vom SG verneinte Frage der ordnungsgemäßen Klageerhebung durch die höhere Instanz überprüfen zu lassen, ohne durch die Mitteilung seiner Anschrift in der Beschwerdeschrift seinen eigenen Rechtsstandpunkt von vornherein gleichsam aufzugeben (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 4/87 -, BGHZ 102, 332-338, Rn. 6).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, denn der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist - wie das SG zu Recht entschieden hat - bereits unzulässig. Es fehlt an einem formal-ordnungsgemäßen prozessualen Begehren, da der AST bereits in dem erstinstanzlichen Verfahren bewusst keine Wohnanschrift genannt hat und diese - trotz erneuten Hinweises im Beschwerdeverfahren - weiterhin bewusst nicht nennt. Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren setzt nach § 92 Abs. 1 SGG grundsätzlich die Angabe einer Anschrift voraus (vgl. dazu unter 1.). Eine aktuelle Adresse des AST ließ sich nicht ermitteln (vgl. dazu unter 2.). Der AST hat auch keinen überzeugenden Grund dafür genannt, weshalb in seinem Fall die aktuelle Adresse nicht angegeben werden kann (vgl. dazu unter 3.) und nach Sinn und Zweck des § 92 Abs. 1 SGG handelt es sich bei dem Postfach nicht um eine Anschrift im Sinne des § 92 Abs. 1 SGG (vgl. dazu unter 4.).

1.
§ 92 Abs. 1 SGG, der in Antragsverfahren entsprechend gilt (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 16. Mai 2013 - L 10 AL 129/13 B ER -, Rn. 8, juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 92, Rn. 2; Föllmer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 92 SGG (Stand: 05.09.2022), Rn. 9), setzt für ein zulässiges Rechtsschutzbegehren grundsätzlich die Angabe einer Anschrift voraus.

Nach § 92 Abs. 1 S. 1 SGG gilt, dass die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen muss. Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende den Kläger gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 SGG zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger nach § 92 Abs. 2 Satz 2 SGG für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt.

Bei dem Erfordernis der Anschriftenangabe des Rechtsuchenden handelt es sich um eine wesentliche, ungeschriebene Sachurteilsvoraussetzung eines jeden Rechtsschutzbegehrens. Die in Deutschland geltenden Prozessvorschriften und damit auch das Sozialgerichtsgesetz setzen als selbstverständlich voraus, dass jede in Deutschland lebende natürliche Person im Regelfall über eine Wohnung verfügt, die sich mit Hilfe einer Anschrift eindeutig bestimmen lässt. Jeder Einwohner ist verpflichtet, sich bei der Meldebehörde unter Angabe seiner Wohnung an- und bei einem Wohnungswechsel umzumelden (§ 17 Abs. 1 und 2 Bundesmeldegesetz - BMG - in der Fassung vom 20.11.2014), was der AST jedoch nicht getan hat. Eine natürliche Person wird daher im Rechtsverkehr normalerweise durch die Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift individualisiert. Unter der Anschrift ist die Angabe der Wohnung nach Ort, Straße, Hausnummer und gegebenenfalls weiteren Unterscheidungsmerkmalen (z.B. Gebäudeteil wie etwa Stockwerk oder Gartenhaus) zu verstehen. Wohnung ist ohne Rücksicht auf den Wohnsitz im Rechtssinne jeder Raum, den die Person tatsächlich für eine gewisse Zeit bewohnt (BVerwG, Urteil vom 13. April 1999 - 1 C 24/97 -, Rn. 28, juris). Dieses Verständnis liegt zahlreichen prozessualen Vorschriften - auch des SGG - zugrunde. So bestimmt beispielsweise § 136 Abs. 1 Nr. 1 SGG, dass das Urteil "die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren" zu enthalten hat. Dementsprechend muss die Klage den Kläger nicht nur namentlich nennen, sondern "bezeichnen" (§ 92 Abs. 1 Satz 1 SGG), also eindeutig identifizierbar und ohne möglich Verwechslungen darlegen. In Literatur und Rechtsprechung besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass eine das Verfahren als natürliche Person betreibende Partei ihre "ladungsfähige Anschrift" anzugeben hat (vgl. dazu Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 06. November 2009 - 2 BvL 4/07 -, Rn. 27, juris zu einer finanzgerichtlichen Entscheidung; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. April 1999 - 1 C 24/97 -, Rn. 27, juris (die Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung wurde nicht angenommen, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. November 1999 - 1 BvR 1203/99 -, Rn. 1, juris); Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 4/87 -, BGHZ 102, 332-338, Rn. 7; Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 18. November 2003, B 1 KR 1/02 S, juris, Rn. 4 m.w.N.; BSG, Beschluss vom 31. Mai 2017 - B 5 R 29/16 BH -, Rn. 13, juris; so auch Hessisches LSG, Beschluss vom 21. Juni 2021 - L 7 AL 58/21 B ER -, Rn. 8, juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 15. Juli 2021 - L 15 AS 260/20 -, Rn. 25, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juni 2016 - L 7 SO 4619/15 -, Rn. 20, juris; SG Duisburg, Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2018 - S 49 AS 1276/15 -, Rn. 41, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. November 2015 - L 19 AS 1912/15 B -, Rn. 8, juris; Bayerisches LSG, Urteil vom 24. April 2012 - L 8 SO 182/11 -, Rn. 27, juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 1. März 2012 - L 8 SO 3/12 B ER -, Rn. 19, juris; Hessisches LSG, Beschluss vom 21. Juni 2021 - L 7 AL 58/21 B ER -, Rn. 7 - 8, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. November 2019, L 31 AS 2127/18, juris, Rn. 11; Bayerisches LSG, Urteil vom 2. August 2017, L 9 AL 212/14, juris, Rn. 43 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juni 2016, L 7 SO 46/19/15, juris, Rn. 20; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 25. Oktober 2022 - 19 ZB 22.1643 -, Rn. 2, juris; Bayerischer VGH, Beschluss vom 5. Dezember 2007 - 19 ZB 06.2329 -, Rn. 6, juris).

Unterlässt der Kläger die Angabe seiner (aktuellen) Anschrift und ergibt sich diese auch nicht aus den Akten oder durch weitere Ermittlungen, ist das Rechtsschutzbegehren grundsätzlich unzulässig. Mit fruchtlosem Ablauf der Frist nach § 92 Abs. 2 SGG kann die Klage daher als unzulässig abgewiesen werden. Ermessen ist insoweit nicht auszuüben. Dies ergibt sich bereits aus den gesetzgeberischen Erwägungen zur Neufassung des § 92 SGG (vgl. BR-Drucks. 820/07, S. 22; "Eine Verletzung der in § 92 genannten Erfordernisse macht die Klage unzulässig, soweit es sich nicht nur um Soll-Bestimmungen handelt oder der Mangel jedenfalls bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung bzw. - wenn dem Kläger dafür nach Abs. 2 Satz 2 eine Ausschlussfrist gesetzt wurde - bis zu deren Ablauf beseitigt wird [...]"). Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren setzt dementsprechend nach § 92 Abs. 1 S. 1 SGG im Regelfall mindestens voraus, dass im Verfahren auch die Anschrift des Rechtsuchenden (Klägers, Antragstellers, usw.) genannt wird.

2.
Der AST hat trotz Hinweises des Senats vom 03.11.2022, dass er eine Wohnanschrift mitzuteilen habe, keine Anschrift mitgeteilt. Die Ausschlussfrist des § 92 Abs. 2 Satz 2 SGG ist am 16.11.2022 abgelaufen. Dem Senat ist weiterhin keine Wohnanschrift des AST bekannt.

Die aktuelle Adresse des AST ließ sich im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auch nicht ermitteln, da der AST laut Melderegister bzw. Auskunft der Stadt L vom 24.01.2022 und Auszug aus dem Melderegister vom 07.12.2022, nachdem er zuvor unter der Anschrift R Strasse in R gemeldet gewesen war, unbekannt verzogen bzw. von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet worden ist. Die seitens des Sozialgerichts eingeholten Auskünfte bei der Staatsanwaltschaft und der Rentenversicherung blieben ebenfalls erfolglos. Auch dem AG ist eine aktuelle Anschrift nicht bekannt. Aus den beigezogenen Akten hinsichtlich des Gewaltschutzverfahrens ergab sich zwar eine weitere Adresse des AST, es fand sich dort jedoch kein Briefkasten, der dem AST zuzuordnen war. Auch einer Nachbarin war der AST nicht bekannt. Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht geboten.

3.
Im Hinblick auf den aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) fließenden Anspruch auf effektiven Rechtsschutz kann die Pflicht zur Angabe einer Anschrift ausnahmsweise entfallen, wenn besondere Gründe dies rechtfertigen, etwa ein fehlender Wohnort wegen Obdachlosigkeit oder ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Februar 2012 - 9 B 79/11 -, Rn. 11, juris, m.w.Nachw.; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. September 2020 - L 2 AS 306/16 -, Rn. 29, juris). In diesen Fällen müssen dem Gericht aber die insoweit maßgebenden Gründe unterbreitet werden, damit es prüfen kann, ob ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift des AST verzichtet werden kann. Wird die Angabe der Anschrift hingegen schlechthin oder ohne zureichenden Grund verweigert, liegt keine ordnungsgemäße Klageerhebung vor.
Der AST hat zur Begründung, weshalb er seine Anschrift nicht angebe, insbesondere darauf verwiesen, dass ihm das von der Polizei so geraten worden sei. Ebenfalls hat er auf ein Gewaltschutzverfahren verwiesen und die einschlägigen Aktenzeichen benannt.

Die Ermittlungen des Senats zu den Gründen des AST haben ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse nicht bestätigen können.

Der durch den Senat schriftlich als Zeuge vernommene Polizeiobermeister W gab an, dass er dem AST mitgeteilt habe, dass er sich für eine Auskunftssperre an das Einwohnermeldeamt wenden müsse. Eine Aussage, dass er seine Adresse gegenüber anderen Institutionen nicht angeben müsse, ist von Seiten des Zeugen nicht getätigt worden. Der Senat hat keinen Anlass an diesen Aussagen zu zweifeln. Ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse aufgrund einer polizeilichen Empfehlung konnte damit nicht nachgewiesen werden.

Auch aus den beigezogenen Akten bezüglich des Gewaltschutzverfahrens gegen den ehemaligen Vermieter lässt sich ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse nicht herleiten. Die Anträge des AST auf ein Kontaktverbot und weitere Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz sind zurückgewiesen worden. Der AST konnte in diesen Verfahren nicht glaubhaft machen, dass die Voraussetzungen für die begehrte Unterlassungsanordnung vorliegen. Die Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz sind mittlerweile abgeschlossen. Aus einem erfolglosen Gewaltschutzverfahren kann kein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse abgeleitet werden. Dies gilt hier im Besonderen, da der ehemalige Vermieter des AST, gegen den das Gewaltschutzverfahren gerichtet war, nicht Beteiligter des hiesigen Verfahrens ist.

4.
Die Angabe der Postfachadresse ist nicht ausreichend. Nach Sinn und Zweck des § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG handelt es sich bei einem Postfach nicht um eine Anschrift im Sinne des § 92 Abs. 1 SGG (so auch BVerwG, Urteil vom 13. April 1999 - 1 C 24/97 -, Rn. 27, juris; Hessisches LSG, Beschluss vom 21. Juni 2021 - L 7 AL 58/21 B ER -, Rn. 9, juris¸ Bayerisches LSG, Urteil vom 24. April 2012 - L 8 SO 182/11 -, Rn. 27, juris¸ LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. November 2015 - L 19 AS 1912/15 B -, Rn. 8, juris; Bayerisches LSG, Urteil vom 28. Januar 2016 - L 7 AS 24/15 -, Rn. 38, juris; SG Düsseldorf, Urteil vom 30. März 2016 - S 33 SV 26/15 -, Rn. 14, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 3. Januar 2011 - 5 U 94/09 -, Rn. 25, juris; aus der Literatur: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 92 Rn. 4; Kühl in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 92 SGG [Klageinhalt], Rn. 1; Föllmer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 92 SGG (Stand: 05.09.2022), Rn. 17).

Sinn und Zweck der Mitteilung der Anschrift nach § 92 SGG (vgl. dazu Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 15. Mai 1995 - 7 UE 2052/94 -, Rn. 19, juris) im gerichtlichen Verfahren ist die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit, die Individualisierung des Klägers, insbesondere wichtig bei Namensgleichheit, die Sicherung der wechselseitigen Kommunikation, insbesondere die Zustellung von Entscheidungen mit Folgewirkungen für die Rechtskraft und Rechtssicherheit sowie für gerichtliche Anordnungen, denen der Kläger im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nachzukommen hat, die Sicherung der Einstandspflicht des Klägers für nachteilige Folgen seiner Prozessführung und die Sicherung der Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten, bspw. Missbrauchskosten/Ordnungsgeld, die Verhinderung einer Verzögerung des Rechtsstreits durch aufwendige Suche nach Kontaktdaten, Zustellungen etc. Darüber hinaus ermöglicht nur die Kenntnis der Wohnadresse eine Entscheidung über persönliches Erscheinen und Tageszeit möglicher Verhandlungstermine.

Ausgehend von diesem Sinn und Zweck des § 92 SGG genügt die Angabe des Postfaches nicht zur Bezeichnung des Klägers. Notwendig ist vielmehr die Angabe einer Anschrift mit Wohnungsangabe nach Ort, Straße, Hausnummer aufgeschlüsselt und ggf. weiteren Unterscheidungsmerkmalen.

a)
Die Postfachadresse des AST ist nicht geeignet, die örtliche Zuständigkeit des Gerichts zu bestimmen.

Im Sozialgerichtsgesetz bestimmt der Sitz oder Wohnsitz, in Ermangelung dessen der Aufenthaltsort des Klägers, die örtliche Zuständigkeit des Gerichts (§ 57 SGG) und sichert damit ein Tätigwerden des zuständigen "gesetzlichen Richters" im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die örtliche Zuständigkeit ist nicht disponibel (vgl. § 59 SGG). Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er im Sinne des § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I (vgl. BSG, Beschluss vom 10. März 2010 - B 12 SF 2/10 S -, Rn. 10, juris) eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Hat jemand keinen Wohnsitz, wird auf den Aufenthaltsort abgestellt. Entscheidend ist, dass der Kläger in der Wohnung zumindest einen Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat. Dabei ist maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen (BSG, Urteil vom 31. Januar 1980 - 8b RKg 4/79 -, BSGE 49, 254-256, SozR 5870 § 1 Nr 6, Rn. 15; Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 57 SGG (Stand: 15.06.2022), Rn. 33). Nach dem tatsächlichen Aufenthalt bestimmt sich auch die Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers (§ 98 Abs. 1 SGB XII).

Ein Postfach kann nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG für die Vermietung von Postfächern (AGB Postfach) unabhängig vom Wohnsitz überall in Deutschland eingerichtet werden. Von dem Standort des Postfachs kann daher nicht auf den Wohnort oder Aufenthaltsort geschlossen werden. Konkrete Angaben zu seinem Wohnsitz hat der AST nicht gemacht. Er hat zwar grundsätzlich eine Wohnung angemietet. Der AST hat auch eine Bestätigung seines (neuen) Vermieters vorgelegt, dass er in einer seiner Wohnungen in L wohne. Des Weiteren hat er einen (teils geschwärzten) Mietvertrag über eine Wohnung in L vorgelegt, wobei er die genaue Anschrift geschwärzt hat. Seiner Verpflichtung zur Ummeldung ist er jedoch nicht nachgekommen. Es bestehen damit zwar Anhaltspunkte für einen Wohnsitz in L. Diese Angaben des AST sind jedoch mangels genauer Wohnanschrift und mangels Ummeldung gegenüber dem Einwohnermeldeamt nicht überprüfbar und nicht nachweisbar. Unter diesen Voraussetzungen kann auch ein Rückgriff auf den letzten Wohnsitz nach § 202 SGG i.V.m. § 16 Zivilprozessordnung - ZPO - (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 2. April 2009 - B 12 SF 8/08 S -, SozR 4-1500 § 58 Nr 8, SozR 4-1500 § 57 Nr 3, Rn. 6) nicht erfolgen, denn im Gegensatz zu dem durch das BSG entschiedenen Fall, in dem der Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort objektiv nicht zu bestimmen waren, ist es vorliegend allein der nicht schutzbedürftige Wille des AST, seine Adresse zu verschweigen.

Diese Unsicherheiten sind nicht hinnehmbar. Es besteht ein Bedürfnis der Rechtspflege nach Offenlegung einer Anschrift. Die Regelungen zur Zuständigkeit im SGG sind nach § 59 SGG nicht disponibel. Mit der Einleitung eines sozialgerichtlichen Verfahrens begibt sich der Rechtsuchende in eine Rolle, die trotz des hier geltenden Amtsermittlungsprinzips regelmäßig ein Mindestmaß an aktiver Mitwirkung erfordert (vgl. § 103 Satz 1 Halbsatz 2, § 106 Abs. 1, § 111 Abs. 1 SGG). Ohne Mitwirkung des AST kann die örtliche Zuständigkeit und damit auch die Frage des gesetzlichen Richters - wie hier - nicht abschließend geklärt werden.


b)
Die Postfachadresse ist - im Gegensatz zu einer Anschrift - nicht geeignet, den AST zweifelsfrei zu identifizieren. Der Schutz des Rechtsuchenden erfordert die Offenlegung der Anschrift zu seiner einwandfreien Identifizierung. So muss im gerichtlichen Verfahren feststehen, dass es sich bei einem zur Erlangung von Rechtsschutz eingereichten Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es dem Spruchkörper mit Wissen und Willen eines identifizierbaren Berechtigten zur Entscheidungsfindung im konkreten Fall zugeleitet worden ist.

Daran fehlt es bei der Angabe einer Postfachadresse. Ein Postfach kann jederzeit an jedem Ort eingerichtet werden. Ob und wer das Postfach eingerichtet hat, ist weder nachvollziehbar noch überprüfbar, noch wird es in einem Register hinterlegt. Anderes hingegen gilt für eine Anschrift. Eine Anschrift kann über das Melderegister beim Einwohnermeldeamt überprüft werden. Bei der Ummeldung einer Wohnung (vgl. § 17 BMG) ist zur Identifizierung die Vorlage eines Ausweisdokuments beim Einwohnermeldeamt erforderlich, so dass im Rahmen der Ummeldung die Identität geprüft wird. Die Angabe einer Wohnanschrift ist daher geeignet einen Antragsteller/Kläger zu identifizieren. Derartige Möglichkeiten bestehen bei einem Postfach nicht.

c)
Vorliegend wird eine wechselseitige, verlässliche Kommunikation zwischen Gericht und klagender Partei durch das Postfach nicht ermöglicht. Dies beinhaltet, dass es dem Gericht möglich sein muss, an den Kläger auch Zustellungen, z.B. Ladungen, vorzunehmen. Ein sicherer Kommunikationsweg ist für ein gerichtliches Verfahren unverzichtbar. Denn der nach Art. 19 Abs. 4 GG garantierte Rechtsschutz dient keinem Selbstzweck, sondern soll sicherstellen, dass der Betroffene mit gerichtlicher Hilfe die ihm zustehenden Ansprüche durchsetzen bzw. rechtswidrige Eingriffe abwehren kann. Dies ist ohne sichere, auch für den Prozessgegner transparente, Kommunikationsmöglichkeiten (vgl. § 128 Abs. 2 SGG) nicht gewährleistet (Hessisches LSG, Beschluss vom 21. Juni 2021 - L 7 AL 58/21 B ER -, Rn. 10, juris).

Die Angabe eines Postfaches ist nicht geeignet, einen handhabbaren und sicheren Kommunikationsweg des Gerichts mit dem AST zu gewährleisten, auch wenn nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 182/11) - worauf der AST richtig hinweist - Zustellungen an ein Postfach grundsätzlich möglich sind. Im Fall des AST ist eine Zustellung an das Postfach nur mittels Einschreiben mit Rückschein möglich, eine Zustellung kraft Zustellungsauftrags § 176 Abs. 2 ZPO scheidet bei dem Kläger aus. Die Zustellung mittels Einschreiben mit Rückschein stellt keine sichere Kommunikationsmöglichkeit dar, denn sie ist von einer Mitwirkungshandlung des AST abhängig.

Zugestellt wird gem. § 63 Abs. 2 SGG nach den Vorschriften der ZPO (§§ 166 ff. ZPO). Gem. § 168 ZPO hat der Urkundsbeamte nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wie das Dokument zugestellt wird. Bei einem Postfach kommen nur eine Zustellung kraft Zustellungsauftrags gemäß § 176 Abs. 2 ZPO und eine Zustellung mittels Einschreiben und Rückschein gemäß § 176 Abs. 1 ZPO in Betracht.

Eine Zustellung kraft Zustellungsauftrag nach § 176 Abs. 2 ZPO ist in das Postfach des AST jedoch nicht möglich. Die Zustellung mittels Zustellungsauftrag ist geregelt in § 176 Abs. 2 ZPO und sieht auch eine Ersatzzustellung nach den §§ 177 bis 181 ZPO vor. Da bei einem Postfach keine persönliche Übergabe erfolgen kann, kommt nur eine Ersatzzustellung nach § 180 ZPO in Betracht. Ein Postfach ist nach der Rechtsprechung des BGH, auf die der AST sich beruft, eine "ähnliche Vorrichtung" im Sinne des § 180 ZPO, so dass grundsätzlich eine Ersatzzustellung in ein Postfach möglich erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 182/11 -, juris: "Ein Postfach ist jedenfalls dann eine ähnliche Vorrichtung im Sinne von § 180 Satz 1 ZPO, wenn eine Wohnanschrift desjenigen, dem zugestellt werden soll, unbekannt oder nicht vorhanden ist.; BFH, Beschluss vom 15. September 2004 - I B 173/03 -, Rn. 7, juris; a.A Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 180 Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten, Rn. 2; SG Trier, Gerichtsbescheid vom 26. August 2014 - S 3 SO 12/14 -, Rn. 16, juris).

Im konkreten Fall des AST ist eine Ersatzzustellung an das Postfach nach § 180 ZPO jedoch nicht möglich. Die AGB Postfach verbieten eine Einlage von Postzustellungsaufträgen in das Postfach. Nach den AGB Postfach gilt unter anderem Folgendes: "3. Rechte und Pflichten der Deutschen Post (...) (5) Postzustellungsaufträge, DHL-Pakete, Telegramme, Express-Sendungen, DHL-Päckchen und DHL Infopost Sendungen sowie Blindensendungen werden nicht in das Postfach, sondern unter der Hausanschrift zugestellt". Ein Postzustellungsauftrag an das Postfach wird nach den AGB Postfach also nicht in das Postfach eingelegt (und gilt damit bereits als zugestellt), sondern unter der Hausanschrift zugestellt. Eine Ersatzzustellung nach § 180 ZPO durch Einlage in das Postfach ist daher nicht möglich.

Auch eine Ersatzzustellung nach § 180 ZPO in den zu der Wohnung des AST gehörenden Briefkasten (wie in den AGB Postfach für Postzustellungsaufträge vorgesehen) ist bei dem AST tatsächlich nicht möglich. Der Senat hat in dem Verfahren L 18 SF 119/22 AB zweifach versucht, den Beschluss mittels Postzustellungsurkunde an das Postfach des AST zuzustellen. Auch das AG Hersbruck versuchte eine Zustellung nach § 176 Abs. 2 ZPO an das Postfach. Alle drei Zustellungsversuche scheiterten jedoch. Der Zustellauftrag wurde jeweils als unzustellbar zurückgesandt. Die Deutsche Post hatte auf der Postzustellungsurkunde lediglich die alte Anschrift des AST notiert und versucht dort die Zustellung vorzunehmen, was scheiterte. Eine Zustellung mittels Zustellungsauftrags ist zusammenfassend nicht möglich.

Möglich bleibt die Zustellung mittels Einschreiben mit Rückschein (§ 176 Abs. 1 ZPO), die jedoch stets eine Mitwirkungshandlung des AST voraussetzt und daher gegen dessen Willen nicht durchgeführt werden kann. Es handelt sich damit nicht um einen sicheren Kommunikationsweg. Bei der Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein gelten gemäß § 176 Abs. 2 ZPO - im Gegensatz zur Zustellung mittels Zustellungsauftrags - die §§ 177-181 ZPO nicht (vgl. BSG, Beschluss vom 7. Oktober 2004 - B 3 KR 14/04 R - 7, SozR 4-1750 § 175 Nr 1, SozR 4-1500 § 63 Nr 1, SozR 4-1500 § 67 Nr 3, Rn. 7; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 04.08.2010 - L 2 SO 18/10 - veröffentlicht in juris; LSG Bayern Beschl. v. 6.2.2018 - L 11 AS 92/18 NZB, BeckRS 2018, 1710 Rn. 6, BAYERN.RECHT; MüKoZPO/Häublein/Müller, 6. Aufl. 2020, ZPO § 175). Dies führt insbesondere dazu, dass auch § 179 ZPO nicht anwendbar ist, sondern bei verweigerter Annahme oder wenn ein in das Postfach eingelegtes Schreiben nicht abgeholt wird, das Schreiben nicht als zugestellt gilt. Die Zustellung mittels Einschreiben mit Rückschein ist daher erst dann erfolgt, wenn die Übergabe des Einschreibebriefs an den Adressaten wirksam vollzogen ist. Für das Postfach bedeutet dies: Nimmt das Gericht eine Zustellung mittels Einschreiben mit Rückschein vor, so wird in das Postfach lediglich ein sogenannter Auslieferungsbeleg gelegt. Aus diesem ist zu entnehmen, dass ein Schreiben in der Postdienststelle abgeholt werden kann. Erst wenn der Empfänger die Sendung tatsächlich abgeholt hat, ist diese zugestellt, und der unterschriebene Rückschein wird an das Gericht übersendet. Holt der Empfänger das Schreiben nicht ab, wird es nach sieben Tagen wieder an den Absender zurückgesandt. Eine Zustellung ist bei dieser Vorgehensweise daher von einer Mitwirkungshandlung des AST abhängig und stellt keinen handhabbaren und sicheren Kommunikationsweg dar. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch auf das verfahrensrechtliche Mittel einer öffentlichen Zustellung wegen unbekannten Aufenthalts des Betroffenen (§ 185 Nr. 1 ZPO) nicht zurückgegriffen werden kann. Diese Zustellungsart kommt nach ihren strengen Voraussetzungen wegen der Gefahr der möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur in atypischen Ausnahmefällen in Betracht; als Regelzustellung bei planmäßigem, nicht gerechtfertigtem Schweigen eines Betroffenen über seinen Aufenthalt ist sie nicht vorgesehen.

Diese mit der Angabe lediglich eines Postfaches verbundenen Unsicherheiten bei der Zustellung lassen sich auch nicht mit dem Gebot der Rechtssicherheit vereinbaren. Gerichte - dasselbe gilt für Behörden - müssen über einen zuverlässigen Nachweis darüber verfügen, ob und wann ihre Mitteilungen, Ladungen, Fristbestimmungen und Schreiben ähnlichen Inhalts den Empfänger erreicht haben. Es liegt im Interesse einer geordneten Rechtspflege, jederzeit den Nachweis führen zu können, dass dem Anspruch auf rechtliches Gehör genügt worden ist. Das Gericht muss in der Lage sein, von den in der Zivilprozessordnung und im Verwaltungszustellungsgesetz geregelten Zustellungsmöglichkeiten nach eigenem Ermessen Gebrauch zu machen. Dem widerspricht es, einer Prozesspartei zu gestatten, die Vielfalt der gesetzlich zulässigen Zustellungsmöglichkeiten ohne zwingenden Grund einzuschränken. Insbesondere ist kein Grund zu erkennen, weshalb es einer Partei erlaubt sein sollte, willkürlich die besonders sichere Art der Zustellung gegen Postzustellungsurkunde auszuschließen. Dasselbe gilt für die eine Wohnungsanschrift des Empfängers voraussetzende Möglichkeit, an Ersatzempfänger oder durch Niederlegung zuzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. April 1999 - 1 C 24/97 -, Rn. 35 - 36, juris).

d)
Die Angabe eines Postfaches statt der vollständigen Wohnungsanschrift des AST ist des Weiteren auch nicht geeignet, dem öffentlichen Interesse an der Sicherung durch den Prozess entstehender gerichtlicher Kostenforderungen zu genügen.

Das sozialgerichtliche Verfahren ist zwar für eine natürliche Person grundsätzlich kostenfrei und in der Regel auch nicht mit der Pflicht zur Erstattung außergerichtlicher Kosten des Prozessgegners verbunden (vgl. §§ 183, 184 SGG). Als Ausnahme vom Grundsatz der Kostenfreiheit können jedoch nach § 192 SGG einem uneinsichtigen Rechtsuchenden die durch das Betreiben eines aussichtslosen Rechtsstreits entstandenen Kosten ganz oder teilweise auferlegt werden. Ebenso ist es möglich ein Ordnungsgeld aufzuerlegen (z.B. bei Anordnung des persönlichen Erscheinens und Ausbleiben in einem Termin, vgl. § 202 SGG i.V.m. § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Diese Mittel liefen leer, wenn die Vollstreckung der auf dieser Grundlage festgesetzten Kosten gefährdet wäre, nur weil der Rechtsuchende sich durch bloßes Verschweigen seiner Anschrift der Durchsetzung einer ihn treffenden Kostenlast entziehen könnte.

Es besteht kein Anlass den AST im Vergleich zu anderen Klägern, die ihrer Verpflichtung nach § 92 Abs. 1 SGG entsprechen, zu privilegieren und sich diese prozessuale Möglichkeit zu nehmen. Dies gilt im Besonderen vor dem Hintergrund, dass die Zulässigkeit einer Klage oder eines Antrags bereits im Zeitpunkt des Eingangs bei Gericht geprüft werden muss. Zu diesem Zeitpunkt können die Erfolgsaussichten des Antrags bzw. der Klage noch gar nicht abschließend geprüft werden, so dass noch gar nicht entschieden werden kann, ob die Voraussetzungen des § 192 SGG erfüllt sind. Im Übrigen können die Voraussetzungen des § 192 SGG bzw. eines Ordnungsgeldes auch erst im L des Verfahrens erfüllt werden. Dieser Kostenlast könnte ein Antragsteller, der seine Anschrift verschweigt, sich entziehen und damit die nach dem SGG vorgesehenen prozessualen Möglichkeiten des Gerichts leerlaufen lassen.

e)
Darüber hinaus muss zur bloßen postalischen Erreichbarkeit in einem gerichtlichen Verfahren eine persönliche Erreichbarkeit hinzukommen, wie sie typischerweise am Wohnsitz oder an der ständigen Arbeitsstätte besteht (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 3. Januar 2011 - 5 U 94/09 -, Rn. 25, juris). Die Vorschriften über den notwendigen Inhalt der Klageschrift dienen nicht nur der Erleichterung der Zustellung (BVerwG, Urteil vom 13. April 1999 - 1 C 24/97 -, Rn. 32, juris). Zum einen führt die aufwendige Suche nach Kontaktdaten, vergebliche Zustellungen etc. zu einer vermeidbaren Verzögerung des Rechtsstreits, wie hier am Beispiel des Verfahrens L 18 SF 119/22 AB deutlich erkennbar ist. Daneben dient die Wohnungsanschrift einer sinnvollen Unterrichtung des Gerichts über die Erreichbarkeit des Klägers. Das Gericht muss in manchen Fällen wissen, wo der Kläger tatsächlich wohnt, etwa, wenn zu entscheiden ist, zu welcher Uhrzeit er geladen werden soll, ob man einem nicht am Gerichtssitz wohnenden Kläger persönliches Erscheinen zumuten kann oder ob die Beauftragung eines auswärtigen Anwalts angemessen ist und die dadurch ausgelösten Kosten erstattungsfähig sind (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 13. April 1999 - 1 C 24/97 -, Rn. 32 - 38, juris). Bei der Prüfung der Frage, ob das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden soll, kann das Gericht sein Ermessen nur sachgerecht ausüben, wenn ihm auch der Aufenthalt des Klägers bekannt ist. Kein Kläger hat Anspruch darauf, dass das Gericht in seinem Falle diese Möglichkeit von vornherein nicht in Betracht zieht. Auch unter diesem Aspekt besteht kein Anlass den AST in Gegensatz zu anderen Antragstellern zu privilegieren.
Vorliegend ist zusätzlich bedeutsam, dass zwischen den Beteiligten Grundsicherungsleistungen im Streit stehen, die grundsätzlich auch die Kosten der Unterkunft umfassen. Die Prüfung derartiger Leistungen wird durch die Nichtangabe des Wohnsitzes zumindest erheblich erschwert. Etwaig notwendige Ermittlungen vor Ort wären dem AG bzw. dem Gericht verwehrt.

Zusammengefasst stellt ein Postfach keine Anschrift im Sinne des § 92 SGG dar. Trotz Fristsetzung im sozialgerichtlichen Verfahren und weiterer Fristsetzung im Beschwerdeverfahren unter Festsetzung einer Ausschlussfrist nach § 92 Abs. 2 Satz 2 SGG, hat der AST keine Anschrift benannt, so dass das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht als unzulässig angesehen und den Antrag abgelehnt hat.

Die Beschwerde hat danach insgesamt keinen Erfolg.

Prozesskostenhilfe war mangels hinreichender Erfolgsaussicht für dieses Beschwerdeverfahren nicht zu bewilligen (§ 73a SGG iVm § 114 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.

 

Rechtskraft
Aus
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