L 34 AS 2245/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 197 AS 13315/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 AS 2245/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
  1. Die in Berlin von den Jobcentern ab 1. Juli 2015 angewandten Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II (AV-Wohnen 2015) stellen kein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft dar.

 

  1. Ein erhöhter Wohnraumbedarf wegen Ausübung des Umgangsrechts mit dem getrennt lebenden Kind kann auf der Ebene der konkreten Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht (mehr) anerkannt werden, wenn ein Umgang objektiv nicht mehr stattfindet und es auch gänzlich ungewiss ist, ob und ggf. in welchem Umfang es zukünftig wieder zu Treffen zwischen dem Elternteil und dem Kind kommen wird. 

 

  1. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ist auch in Fällen anwendbar, in denen ein zunächst bestehender erhöhter Wohnraumbedarf (hier: wegen Ausübung des Umgangsrechts mit dem Kind) später wieder wegfällt (hier: wegen der Beendigung der Wahrnehmung des Umgangsrechts).

 

 

 

Im Streit steht die Höhe der im Zeitraum vom 1. Juni bis 30. November 2015 zu berücksichtigenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung.

 

Der 1963 geborene Kläger ist Vater eines im Dezember 2001 geborenen Sohnes, des Herrn St G. Noch vor der Geburt des Kindes hatten er und die Kindsmutter vor dem zuständigen Bezirksamt eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Pankow/Weißensee (im Folgenden: Familiengericht) vom 17. Mai 2002 (Aktenzeichen: 23 F 2128/02) der Kindsmutter allein übertragen. Der Kläger lebt von der Kindsmutter seit geraumer Zeit getrennt.

 

Am 17. Oktober 2012 vereinbarten der Kläger und die Kindsmutter vor dem Familiengericht eine Umgangsregelung. Danach sollte der Umgang des Klägers mit seinem Sohn innerhalb der Schulzeit 14-tägig von Freitagnachmittag bis Dienstagfrüh stattfinden. Für die Ferienzeiten wurden gesonderte Regelungen vereinbart.

 

Bis Mitte Juni 2014 wohnte der Kläger in einer von ihm angemieteten Zwei-Zimmer-Wohnung in der Gstraße  (). Der Beklagte ging seinerzeit davon aus, dass der Sohn des Klägers seinen Lebensmittelpunkt ebenfalls in dieser Wohnung hatte, und gewährte beiden fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Kosten für Unterkunft und Heizung für diese Wohnung berücksichtigte er in tatsächlicher Höhe von zuletzt monatlich 454,17 € (Bruttowarmmiete) und teilte sie jeweils hälftig auf den Kläger und seinen Sohn auf.

 

Bereits im Februar 2012 hatte die damalige Vermieterin des Klägers die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses über die Wohnung Gstraße ausgesprochen. Im April 2014 wurde der Kläger verurteilt, die Wohnung zu räumen und geräumt an seine Vermieterin herauszugeben (Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. April 2014, Aktenzeichen: 67 S 393/13).

 

Am 8. Mai 2014 informierte der Kläger den Beklagten über das Räumungsurteil. Zugleich bat er um Mitteilung, bis zu welcher Höhe dieser die Miete für eine andere Wohnung übernehmen würde.

 

Der Beklagte übersandte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 27. Mai 2014 eine Übersicht, in der die Richtwerte für Bruttowarmmieten nach der Wohnaufwendungenverordnung (WAV) abgebildet waren. Er wies darauf hin, dass derzeit nicht geklärt sei, ob der Sohn des Klägers zur Bedarfsgemeinschaft gehöre. Der Kläger habe vor Unterzeichnung eines Mietvertrags die Zustimmung des Jobcenters für das jeweilige Wohnungsangebot einzuholen. 

 

Am 6. Juni 2014 schloss der Kläger einen Mietvertrag über eine neue Wohnung ab. Hierbei handelt es sich um die auch noch aktuell von ihm bewohnte, ca. 54,70 m² große Zwei-Zimmer-Wohnung in der B Straße  (), für die im streitbefangenen Zeitraum eine monatliche Bruttowarmmiete in Höhe von 540,- € (Nettokaltmiete: 348,55 €; Vorauszahlungen für kalte Betriebskosten: 91,90 €; Vorauszahlungen für Heizkosten: 99,55 €) zu entrichten war. Die Wohnung wurde bzw. wird mit Erdgas beheizt. Die Gebäudefläche beläuft sich auf 1.255 m².

 

Noch am selben Tag reichte der Kläger den Mietvertrag über diese Wohnung beim Beklagten ein und bat um „Genehmigung“.

 

Mit Beschluss des Familiengerichts vom 13. Juni 2014 (Aktenzeichen: 23 F 3431/12) wurden dem Kläger und der Kindsmutter zur Vermeidung einer Kindeswohlgefährdung die elterliche Sorge für den Sohn in den Teilbereichen Regelung des Schulbesuchs, Bestimmung des Umgangs und Kontakts mit den Elternteilen sowie Gesundheitsfürsorge entzogen und einem Pfleger, dem Zeugen B, übertragen. Ferner wurde der Kindsmutter in diesen Teilbereichen das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen.

 

Am 21. Juni 2014 zog der Kläger in die neue Wohnung (B Straße ) ein. Auf Nachfrage des Beklagten zu den Wohnverhältnissen teilte er unter dem 14. Juli 2014 mit, dass sein Sohn weiterhin Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sei. Er befinde sich an mindestens fünf von 14 Tagen bei ihm. Diese Tatsache ergebe sich bereits aus dem „Beschluss“ (gemeint: der Vereinbarung) vom 17. Oktober 2012.

 

Am 8. Oktober 2014 unterrichtete der Kläger den Zeugen B per E-Mail darüber, dass er auf den Umgang mit seinem Sohn „unter den genannten Bedingungen“ komplett verzichte, auch, damit das „Gezerre an dem Kind“ ein Ende finde. Sein Sohn könne sich jederzeit bei ihm melden, um eine Umgangsregelung mit ihm persönlich zu besprechen, „sobald er sich denn dazu eine eigene Meinung bilden konnte.“

 

Am 7. Dezember 2014 wandte sich der Kläger erneut an den Zeugen B. Er führte aus, dass er, nachdem er nun zwei Monate auf den Umgang mit seinem Sohn verzichtet habe, hoffe, dass sich die Situation etwas entspannt habe. Sein Sohn könne, „wenn er denn möchte, wieder zu den väterlichen Umgangszeiten kommen.“ Allerdings werde er „diese Umgänge erneut einstellen müssen“, sobald ihm „neue falsche Beschuldigungen und/oder Verhöre des Kindes nach den väterlichen Betreuungszeiten“ durch die Kindsmutter „in der bisher von ihr durchgeführten Art und Weise“ bekannt würden.

 

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2014 teilte der Zeuge B dem Beklagten – diesem waren die teilweise Entziehung des Sorgerechts und die Bestellung eines Pflegers bis dahin unbekannt – unter Vorlage der Bestallungsurkunde mit, dass der Kläger bis Ende September 2014 alle 14 Tage jeweils von Freitag bis Dienstag den Umgang mit seinem Sohn wahrgenommen habe. Seit Oktober 2014 finde auf Wunsch des Klägers kein Umgang mehr statt. Ob und wann die alte Umgangsvereinbarung wieder umgesetzt werden könne, hänge im Wesentlichen von der Bereitschaft des Klägers ab, sich mit den altersgemäßen Wünschen seines Sohns auseinanderzusetzen.

 

Unter dem 17. März 2015 forderte der Beklagte den Kläger zur Senkung der Kosten für Unterkunft und Heizung auf das aus seiner Sicht angemessene Maß von 421,- € (Bruttowarmmiete) auf. Ab dem 1. Oktober 2015 werde er nur noch einen Betrag in dieser Höhe als Bedarf anerkennen. Gründe, die es rechtfertigen würden, den Mietbetrag für zwei Personen zu berücksichtigen, seien nicht ersichtlich, da der Kläger seit Oktober 2014 keinen Umgang mehr mit seinem Sohn habe.

 

Mit Bescheid vom 27. Mai 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2015, und zwar in Höhe von monatlich 904,- € für Juni bis September 2015 und in Höhe von monatlich 820,- € für Oktober und November 2015. Bei der Berechnung der Leistungen berücksichtigte er neben dem Regelbedarf (399,- € pro Monat) Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 505,- € für Juni bis September 2015 und in Höhe von monatlich 421,- € für Oktober und November 2015. Zur Begründung verwies er auf sein Schreiben vom 17. März 2015 und gab an, dass die Unterkunftskosten ab dem 1. Oktober 2015 auf den Richtwert für eine Person in Höhe von 421,- € gesenkt würden.

 

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, dass der Beklagte die Mietkosten für einen Zwei-Personen-Haushalt zu übernehmen habe.

 

Unter dem 15. Juni 2015 teilte der Zeuge B dem Beklagten erneut mit, dass der Kläger seit Oktober 2014 auf eigenen Wunsch keinen Umgang mehr mit seinem Sohn habe. 

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Er führte aus, dass der Sohn des Klägers seit Oktober 2014 nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft gehöre. Die Leistungen, die der Kläger für Unterkunft und Heizung im Moment erhalte (505,- € pro Monat), seien nicht angemessen, weshalb die Aufforderung vom 17. März 2015 zur Kostensenkung folgerichtig ergangen und ab 1. Oktober 2015 nur noch ein Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe von 421,- € anzuerkennen sei. Die Umsetzung finde sich im angefochtenen Bescheid vom 27. Mai 2015 wieder.

 

Ende Juni 2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er die Gewährung weiterer Leistungen für die Zeit von Juni bis November 2015 unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen (540,- € pro Monat) begehrt hat.

 

Unter dem 3. Juli 2015 hat sich der Kläger an das Familiengericht gewandt und vorgetragen, dass wieder die Umgangs- und Aufenthaltsregelung aus „November“ (gemeint: Oktober) 2012 gelten solle; er habe seit dem 8. Oktober 2014 keinerlei Kontakt mehr zu seinem Sohn. Am 14. September 2015 hat ein Termin beim Familiengericht (dortiges Aktenzeichen: 23 F 4420/15) unter Anwesenheit des Klägers, seines Sohns, des Zeugen B sowie von Vertretern des Jugendamts stattgefunden. In diesem Termin ist laut Protokoll Einigkeit dahin erzielt worden, „dass begleitete Umgangskontakte installiert werden mit Kontakten des Kindes einmal im Monat von 2-3 Stunden“. In der Folge hat am 17. Dezember 2015 ein einzelner Umgangstermin zwischen dem Kläger und seinem Sohn stattgefunden. Der zunächst für den 21. Januar 2016 geplante zweite Termin ist abgesagt bzw. abgebrochen worden. Mit Beschluss des Familiengerichts vom 13. Juli 2017 (Aktenzeichen: 23 F 4645/16) ist den Eltern die elterliche Sorge für das Kind vollständig entzogen worden. Die hiergegen vom Kläger erhobene Beschwerde sowie die nachfolgende Verfassungsbeschwerde sind ohne Erfolg geblieben, ebenso wie der Antrag beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

 

Nachdem das Sozialgericht den Beklagten darauf hingewiesen hatte, dass dieser mit den angefochtenen Bescheiden Leistungen für Unterkunft und Heizung noch auf der Basis der WAV gewährt habe, obwohl bereits zum 1. Juli 2015 die Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 35 und 36 SGB XII (AV-Wohnen) in Kraft getreten seien, hat der Beklagte in der dortigen mündlichen Verhandlung am 22. Oktober 2018 ein Teilanerkenntnis abgegeben. Er hat sich bereit erklärt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli bis 30. November 2015 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu bewilligen, und zwar unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 525,- € für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 2015 und in Höhe von monatlich 437,50 € für die Zeit vom 1. Oktober bis 30. November 2015. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen. Zugleich hat der Kläger in Bezug auf die Monate Oktober und November 2015 auf die Auszahlung des sich wegen des Teilanerkenntnisses ergebenden Differenzbetrags von 33,- € (2 x 16,50 €) verzichtet, nachdem ihm vom Beklagten bereits zuvor ein Betrag in eben dieser Höhe ohne förmliche Bescheid-Erteilung überwiesen worden war.

 

Das Sozialgericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört. Außerdem hat es Beweis erhoben zu den Umständen der Ergänzungspflegschaft und zum Umgang des Klägers mit seinem Sohn St ab dem Jahr 2014 durch Vernehmung des Zeugen B. Wegen der Erklärungen des Klägers und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 22. Oktober 2018 Bezug genommen.

 

Mit Urteil vom 22. Oktober 2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass der Kläger für den Streitzeitraum vom 1. Juni bis 30. November 2015 keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II habe. Die Kosten für Unterkunft und Heizung seien zutreffend berücksichtigt worden. Der Beklagte habe vorliegend – mit Abgabe des Teilanerkenntnisses in der mündlichen Verhandlung – die Angemessenheitsgrenzen der AV-Wohnen vom 16. Juni 2015 zugrunde gelegt. Diese begegneten für die im hiesigen Rechtsstreit allein maßgeblichen Kosten für Unterkunft und Heizung für Ein- und Zwei-Personen-Haushalte keinen rechtlichen Bedenken. Für das streitgegenständliche Jahr 2015 ergebe sich nach dem schlüssigen Konzept des Beklagten eine abstrakt angemessene Bruttowarmmiete für eine Person in Höhe von monatlich 437,50 € (ausgehend von einer Wohnfläche bis höchstens 50 m², einer Nettokaltmiete von 5,71 € / m², kalten Betriebskosten von 1,58 € / m² und Heizkosten von insgesamt 73,- €) und für zwei Personen in Höhe von monatlich 525,- € (ausgehend von einer Wohnfläche bis höchstens 60 m², einer Nettokaltmiete von 5,71 € / m², kalten Betriebskosten von 1,58 € / m² und Heizkosten von insgesamt 87,60 €).

 

Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die abstrakt angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung im Fall des Klägers anhand eines Ein- oder Zwei-Personen-Haushalts zu bestimmen seien, beantworte die Kammer dahingehend, dass die Werte für einen Ein-Personen-Haushalt maßgeblich seien. Der Sohn habe während des Streitzeitraums weder dauerhaft in der Wohnung des Klägers gelebt noch habe der Kläger mit ihm in irgendeiner Weise sein Umgangsrecht innerhalb der Wohnung ausgeübt. Auch die konkrete Angemessenheit der für einen Ein-Personen-Haushalt vorgesehenen Wohnfläche von 50 m² und der sich daraus rechnerisch ergebenden Bruttowarmmiete von monatlich 437,50 € sei vorliegend zu bejahen. Zwar verkenne die Kammer nicht das Dilemma, in dem sich der Kläger angesichts der parallel laufenden familiengerichtlichen Verfahren befunden habe. Gleichwohl stehe für die Kammer nach dem Inhalt der familiengerichtlichen Akten, dem eigenen Vorbringen des Klägers sowie der Zeugenaussage des Pflegers fest, dass während des Streitzeitraums nicht nur kein Umgang des Klägers mit dem Sohn stattgefunden habe, sondern dass ein Wiederaufleben des Umgangs in der bis Oktober 2014 praktizierten Form auch (noch) völlig ungewiss gewesen sei. Praktisch habe der Umgang schon zu Beginn des Streitzeitraums seit acht Monaten gar nicht mehr stattgefunden, und zwar maßgeblich auf Wunsch des Klägers. Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen B sei eine Wiederaufnahme des seit Oktober 2014 zum Erliegen gekommenen Umgangs auch durch den Sohn zum damaligen Zeitpunkt unter den vorherigen Bedingungen gar nicht gewollt gewesen. Ob dies ein eigener Wunsch des Sohns gewesen oder, wie der Kläger meine, auf „Einflüsterungen“ der Kindsmutter zurückzuführen gewesen sei, sei für den hiesigen Rechtsstreit irrelevant, da es für die Beurteilung der konkret angemessenen Wohnungsgröße nur auf die tatsächliche Situation ankomme und nicht auf Verschuldensgesichtspunkte. Während des familiengerichtlichen Verfahrens zum Aktenzeichen 23 F 4420/15 habe sich an der Situation nichts geändert. Eine derart beschränkte Umgangspraxis, wie sie dort vereinbart worden sei, eigne sich nicht für die Annahme, dass alsbald auch nur mit einem regulären privaten oder gar mehrtätigen Umgang in der eigenen Wohnung zu rechnen gewesen wäre.

 

Ein weitergehender Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung ergebe sich schließlich nicht aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II. Der Anspruch des Klägers sei mangels Einholung einer Zusicherung vor dem Umzug in seine jetzige Wohnung von vornherein auf die Berücksichtigung der angemessenen Kosten begrenzt gewesen. Offen bleiben könne, ob es vor einer Änderung der Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nur noch für einen Ein- statt für einen Zwei-Personen-Haushalt – wie tatsächlich geschehen – eines Kostensenkungsverfahrens bedurfte. Denn praktisch habe der Beklagte die Kosten des Klägers bis einschließlich September 2015 und damit für nahezu ein Jahr nach der tatsächlichen Beendigung des Umgangs weiterhin für einen Zwei-Personen-Haushalt übernommen, weshalb der Kläger insoweit jedenfalls nicht beschwert sei. Die ab Oktober 2015 erfolgte Absenkung der dem Kläger gewährten Leistungen für Unterkunft und Heizung auf den Angemessenheitswert für einen Ein-Personen-Haushalt sei mit Blick auf die unter dem 17. März 2015 ergangene Kostensenkungsaufforderung nicht zu beanstanden. Dem Kläger sei eine Kostensenkung auch möglich und zumutbar gewesen, jedenfalls durch zeitlich befristete Untervermietung des zweiten Zimmers der Wohnung.

 

Gegen das ihm am 6. November 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 4. Dezember 2018 eingelegte und vom Sozialgericht zugelassene Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er macht geltend, dass ihm für den streitbefangenen Zeitraum höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zustünden. Zur Bestimmung seines Bedarfs sei von einem Zwei-Personen-Haushalt auszugehen. Er habe zwecks Ermöglichung des Umgangs mit seinem Sohn eine größere Wohnung vorhalten müssen und sei hierzu im Hinblick auf Art. 6 Grundgesetz (GG) auch berechtigt gewesen. Zwar habe während des Streitzeitraums kein Umgang stattgefunden. Andererseits hätte im Falle des Umzugs in eine kleinere und damit kostengünstigere Wohnung die Gefahr bestanden, dass ihm familienrechtlich vorgehalten würde, er könnte mangels Platzes seinem Sohn keinen altersangemessenen Umgang innerhalb der Wohnung bieten. Eine Kostensenkung sei ihm daher nicht zumutbar gewesen. Er habe davon ausgehen dürfen, dass der Umgang mit seinem Sohn in absehbarer Zeit wiederhergestellt werde. Mit der E-Mail vom 8. Oktober 2014 habe er u. a. deswegen auf den Umgang mit ihm verzichtet, um das vom Zeugen B wahrgenommene „Gezerre“ an dem Kind zunächst einmal zu beenden. Als sich dann nach etwa zwei Monaten die Lage etwas entspannt habe, habe er den Umgang mit seinem Sohn wieder angeboten. Dass es dem Zeugen B nicht gelungen sei, den Einfluss der Kindsmutter auf den Sohn zu unterbinden oder jedenfalls abzumildern, habe nicht in seinem Verantwortungsbereich gelegen. Im Hinblick auf seinen Antrag beim Familiengericht vom 3. Juli 2015, die Installation begleiteter Umgangskontakte und den am 17. Dezember 2015 auch erfolgten begleiteten Umgang habe die mehr als nur durch Hoffnung begründete Aussicht bestanden, dass es in nächster Zeit wieder zu einem Umgang mit seinem Sohn kommen würde. Eine zeitlich befristete Untervermietung des zweiten Zimmers der Wohnung sei ihm – anders als das Sozialgericht annehme – nicht möglich gewesen. Für ein solches Mietverhältnis hätte es keinen Markt gegeben. Auch hätte der Vermieter seine Zustimmung zur Untervermietung nicht erteilt. Die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung seien nicht auf der Grundlage der AV-Wohnen zu bestimmen. Vielmehr sei der Beklagte verpflichtet, die Bruttokaltmiete bis zum Tabellenwert nach § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10% zu übernehmen. Die AV-Wohnen stelle entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitswerte dar.

 

Der Beklagte hat im Laufe des Berufungsverfahrens das erstinstanzlich abgegebene (und vom Kläger angenommene) Teilanerkenntnis umgesetzt (Bescheid vom 4. Januar 2019).

 

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Oktober 2018 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2015 in der Fassung des das Teilanerkenntnis ausführenden Bescheids vom 4. Januar 2019 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Anerkennung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 540,- € für die Zeit vom 1. Juni 2015 bis 30. November 2015 höheres Arbeitslosengeld II zu gewähren.

 

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend, insbesondere geht er (weiterhin) davon aus, dass die AV-Wohnen in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung ein schlüssiges Konzept nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts darstellt.

 

Dem Beklagten ist vom Senat Gelegenheit eingeräumt worden, Nachbesserungen bezüglich des von ihm angewandten Konzepts zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung vorzunehmen. Er hat daraufhin erklärt, dass er derzeit keine Möglichkeit zur Durchführung von Nachermittlungen bzw. Nachbesserungen sehe. Des Weiteren hat er einen Vermerk der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales vorgelegt, in dem sich diese ausführlich mit einer Entscheidung des Sozialgerichts Berlin vom 6. Juli 2021 (Aktenzeichen: S 179 AS 1083/19) zur Bestimmung der abstrakten Angemessenheitswerte auseinandersetzt.

 

Die Beteiligten haben sich unter dem 5. Juli 2022 (Beklagter) bzw. 7. Juli 2022 (Kläger) mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der hiesigen Gerichtsakten, der beigezogenen Gerichtsakten des Sozialgerichts Berlin zu den Aktenzeichen S 191 AS 449/16 und S 183 AS 21864/14 und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat konnte über die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben. Die Berufung hat teilweise Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Juni 2015 bis 30. November 2015 unter Anerkennung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

 

A. Streitgegenstand ist allein die Höhe der zu berücksichtigenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 42/13 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 78, juris Rn. 10 f.). Der Kläger verfolgt sein Begehren zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG), gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs. 1 Satz 1 SGG; vgl. zur Zulässigkeit eines Grundurteils beim Streit um die Höhe der anzuerkennenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung BSG, Urteil vom 12. Dezember 2019 – B 14 AS 26/18 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 106, juris Rn. 12). Angefochten ist der Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2015 in der Fassung des – das erstinstanzlich abgegebene Teilanerkenntnis umsetzenden – Bescheids vom 4. Januar 2019. Der Beklagte hat dem Kläger für den streitbefangenen Zeitraum Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 505,- € (für Juni 2015), monatlich 525,- € (für Juli bis September 2015) und monatlich 437,50 € (für Oktober und November 2015) gewährt. Die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung beliefen sich in dieser Zeit auf monatlich 540,- € (Bruttokaltmiete: 440,45 €; Heizkosten: 99,55 €). Der Kläger begehrt die Übernahme der tatsächlichen Kosten.

 

B. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie nach §§ 143, 144 SGG statthaft. Die Berufung bedurfte der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750,- € nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Das Sozialgericht hat die Zulassung der Berufung ausgesprochen. Hieran ist der Senat gemäß § 144 Abs. 3 SGG gebunden.

 

C. Die Berufung ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 527,95 € (Bruttokaltmiete: 440,45 €; Heizkosten: 87,50 €) für die Zeit vom 1. Juni bis 30. September 2015 sowie in Höhe von 466,72 € (Bruttokaltmiete: 393,80 €; Heizkosten: 72,92 €) für die Zeit vom 1. Oktober bis 30. November 2015.

 

I. Rechtliche Grundlage des geltend gemachten Anspruchs sind § 19 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 7 ff. und § 22 Abs. 1 SGB II. Anzuwenden sind diese Vorschriften in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (Geltungszeitraumprinzip; vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 53/15 R –, SozR 4-4200 § 11 Nr. 78, juris Rn. 14). Der Kläger erfüllte die Grundvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, um Leistungen nach dem SGB II zu erhalten. Er hatte die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht, war erwerbsfähig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Ferner war er hilfebedürftig.

 

Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden im Rahmen der Bewilligung von Arbeitslosengeld II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

 

II. Die im Streit stehenden tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft (440,45 €) und Heizung (99,55 €) sind im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II allein dem Kläger zuzuordnen. Eine lediglich kopfteilige Zuordnung (auf ihn und seinen Sohn) kommt nicht in Betracht.

 

Nutzen Leistungsberechtigte eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, sind die Kosten für Unterkunft und Heizung nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, grundsätzlich anteilig pro Kopf aufzuteilen – unabhängig davon, wer schuldrechtlich zur Zahlung der Miete verpflichtet ist (sog. Kopfteilprinzip, vgl. z. B. BSG, Urteil vom 14. Februar 2018 – B 14 AS 17/17 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 94). Hierdurch soll für alle wohnungsnutzenden Personen die Zuweisung eines individuellen Bedarfs für Unterkunft und Heizung in grundsätzlich gleicher Höhe erreicht werden.

 

Ein eigener Unterkunftsbedarf ist nach Sinn und Zweck des § 22 Abs. 1 SGB II allerdings nur für solche Leistungsberechtigten anzuerkennen, die ihren Lebensmittelpunkt in dieser Wohnung haben (BSG, Urteil vom 17. Februar 2016 – B 4 AS 2/15 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 89, juris Rn. 16 ff.; BSG, Urteil vom 14. Dezember 2021 – B 14 AS 73/20 R –, SozR 4-4200 § 41a Nr. 3, juris Rn. 34). Bei einem Kind, dessen Eltern getrennt leben, liegt der Lebensmittelpunkt des Kindes in der Wohnung des Elternteils, bei dem es sich überwiegend aufhält. Durch die Sicherstellung des Wohnbedarfs bei diesem Elternteil wird sein Grundbedürfnis auf Wohnen bereits vollständig befriedigt. Eine Aufteilung des Wohnbedarfs je nach dem Umfang des Aufenthalts bei dem einen oder anderen Elternteil kommt in solchen Fällen nicht in Betracht (BSG, Urteil vom 17. Februar 2016 – B 4 AS 2/15 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 89, juris Rn. 18; BSG, Urteil vom 14. Dezember 2021 – B 14 AS 73/20 R –, SozR 4-4200 § 41a Nr. 3, juris Rn. 34). Nur soweit getrennt lebende Eltern ihr Kind gleichmäßig im Sinne eines familienrechtlichen Wechselmodells betreuen, hat das Kind einen grundsicherungsrechtlich anzuerkennenden Wohnbedarf in den Wohnungen beider Eltern, weil sich ein Lebensmittelpunkt des Kindes bei dieser Ausgestaltung des Umgangs tatsächlich nicht bestimmen lässt (BSG, Urteil vom 11. Juli 2019 – B 14 AS 23/18 R –, SozR 4-4200 § 21 Nr. 33, juris Rn. 19 ff.).

 

Der Kläger sollte nach der mit der Kindsmutter getroffenen Vereinbarung vom 17. Oktober 2012 lediglich 14-tägig von Freitagnachmittag bis Dienstagfrüh Umgang mit seinem Sohn haben. Schon nach dieser Umgangsregelung bildete die Wohnung in der B Straße  nicht den Lebensmittelpunkt seines Sohns; dieser lag vielmehr in der Wohnung der Kindsmutter. Tatsächlich fand dann im streitbefangenen Zeitraum ein Umgang des Klägers mit seinem Sohn überhaupt nicht statt und bewohnte der Sohn die Wohnung in der B Straße  nicht einmal zeitweise. Insofern diente die Wohnung allein der Deckung des Unterkunftsbedarfs des Klägers und kommt eine Aufteilung der alleine ihn treffenden Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietvertrag nicht in Betracht.

 

III. Die zu berücksichtigenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die Wohnung in der BStraße sind nicht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf den bisherigen Bedarf – so wie er in der Wohnung Gstraße  bestand – begrenzt. Die Vorschrift kommt nur bei einem „nicht erforderlichen Umzug“ zur Anwendung. Der Kläger mag zwar durch sein Verhalten Anlass dafür gegeben haben, dass seine damalige Vermieterin im Februar 2012 die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses über die Wohnung Gstraße  ausgesprochen hat. Dies ändert aber nichts daran, dass er, nachdem im April 2014 das Räumungsurteil des Landgerichts Berlin ergangen war, objektiv gezwungen war, die alte Wohnung zu verlassen und sich eine neue Unterkunft zu suchen. Dieser Umzug war ohne Zweifel „erforderlich“.

 

IV. Die Prüfung der Angemessenheit hat hinsichtlich des Bedarfs für die Unterkunft einerseits und des Bedarfs für die Heizung andererseits getrennt voneinander zu erfolgen (BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 – B 14 AS 36/08 RSozR 4-4200 § 22 Nr. 23, juris Rn. 18).

 

1. Die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für die Unterkunft wiederum hat in zwei größeren Schritten zu erfolgen: Zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (= Bruttokaltmiete), zu ermitteln; sodann ist die konkrete (= subjektive) Angemessenheit dieser Aufwendungen zu prüfen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 101, juris Rn. 19 m. w. N.).

 

a) Die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, unter Anwendung der Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 101, juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 37/19 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 112, juris Rn. 18; BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 11/20 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 109, juris Rn. 17): (1) Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en) (2) Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards (3) Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum (hier: gesamtes Stadtgebiet Berlin) nach einem schlüssigen Konzept (4) Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten. Nur soweit es kein schlüssiges Konzept des Jobcenters gibt, ist es Sache der Gerichte, selbst die Angemessenheitswerte zu bestimmen.

 

aa) Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße für den Kläger beträgt 50 m². Auszugehen ist von einem Ein-Personen-Haushalt. Der Sohn des Klägers kann auf der Ebene der abstrakten Angemessenheit nicht als weiteres Haushaltsmitglied berücksichtigt werden. Wie bereits oben dargelegt, lag sein Lebensmittelpunkt nicht in der Wohnung des Klägers; er hat sich vielmehr im streitigen Zeitraum überhaupt nicht in dieser Wohnung aufgehalten. Die Frage, ob beim Kläger wegen der potentiellen Wahrnehmung seines Umgangsrechts ein zusätzlicher Wohnraumbedarf anzuerkennen ist, betrifft nicht die abstrakte Angemessenheit, sondern die konkrete Angemessenheit der Wohnkosten (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2019 – B 14 AS 43/18 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 103, juris Rn. 26 ff.; BSG, Urteil vom 21. Juli 2021 – B 14 AS 31/20 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 118, juris Rn. 35 ff.).

 

Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannten Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (ständige Rechtsprechung seit BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 3, juris Rn. 19). Der Beklagte hat in Anlage 1 zu den Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 35 und 36 SGB XII (AV-Wohnen) vom 16. Juni 2015 (ABl. S. 1339) in der geänderten Fassung vom 24. November 2015 (ABl. S. 2558) (im Folgenden: AV-Wohnen 2015) zutreffend dargelegt, dass sich für einen Ein-Personen-Haushalt in Berlin eine maßgebliche Wohnungsgröße von 50 m² ergibt (vgl. auch BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 65/09 R –, juris Rn. 22). Hierauf nimmt der Senat Bezug.

 

bb) Was den angemessenen Wohnungsstandard angeht, muss die Wohnung hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen und keinen gehobenen Standard aufweisen (vgl. BSG, Urteil vom 6. August 2014 – B 4 AS 37/13 R –, juris Rn. 22; vgl. auch § 22a Abs. 3 Satz 1 SGB II). Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören damit von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete heranzuziehen ist (BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 4 AS 9/14 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 81, juris Rn. 18). Solche Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad sind insbesondere Wohnungen mit Ofenheizung und Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC), in denen sich die Bewohner nur mit fließendem Wasser am Waschbecken (sei es in WC oder Küche) waschen, aber nicht duschen können (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 2/10 R –, juris Rn. 24), Wohnungen ohne Heizung, ohne Bad, ohne Warmwasser im Bad (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2011 – B 4 AS 19/11 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 51, juris Rn. 28), Wohnungen, deren Toilette, Küche oder Bad von anderen Mietparteien mitbenutzt werden, die nicht über Küche und Toilette verfügen und Wohnungen im Untergeschoss (BSG, Urteil vom 10. September 2013 – B 4 AS 77/12 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 70, juris Rn. 21).

 

cc) Der Beklagte hat für den streitigen Zeitraum kein schlüssiges Konzept für die Bestimmung der abstrakten Angemessenheitswerte für die Nettokaltmiete vorgelegt und sieht sich auch nicht in der Lage, dies nachzuholen.

 

Die gerichtliche Kontrolle von Konzepten zu den Wohnungskosten ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, als nachvollziehende Kontrolle im Sinne einer Verfahrenskontrolle ausgestaltet (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 101, juris Rn. 26). Die gerichtliche Verpflichtung zur Amtsermittlung findet ihre Grenze in der Mitwirkungslast der Beteiligten (§ 103 Satz 1 SGG), die vorliegend dadurch geprägt ist, dass die Methodenauswahl dem Jobcenter vorbehalten ist und es nicht Aufgabe des Gerichts ist, ein unschlüssiges Konzept mit sachverständiger Hilfe schlüssig zu machen (BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 11/20 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 109, juris Rn. 22). Wenn also das (Tatsachen-)Gericht sich keine Überzeugung von der Schlüssigkeit bilden kann und es dem Jobcenter nicht gelingt, die Beanstandungen durch Stellungnahmen, ggf. nach weiteren eigenen Ermittlungen, auszuräumen, besteht für das Gericht regelmäßig kein Anlass, sachverständige Hilfe in Anspruch zu nehmen (BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 11/20 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 109, juris Rn. 22).

 

Ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Netto- oder Bruttokaltmiete erfordert ein planmäßiges Vorgehen im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum unter Beachtung mehrerer, in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelter Mindestvoraussetzungen, die auch die Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung betreffen (BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 22/20 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 111, juris Rn. 27 m. w. N.). Das schlüssige Konzept soll die Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarkts im Vergleichsraum dem Angemessenheitswert zugrunde liegen und dieser realitätsgerecht ermittelt wird. Schlüssig ist ein Konzept, wenn es neben rechtlichen bestimmte methodische Voraussetzungen erfüllt und nachvollziehbar ist. Dies erfordert trotz Methodenvielfalt insbesondere eine Definition der untersuchten Wohnungen nach Größe und Standard, Angaben über die Art und Weise der Datenerhebung, Angaben über den Zeitraum, auf den sich die Datenerhebung bezieht, Repräsentativität und Validität der Datenerhebung, Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung, Vermeidung von „Brennpunkten“ durch soziale Segregation sowie eine Begründung, in der die Ermittlung der Angemessenheitswerte aus den Daten dargelegt wird (grundlegend BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 18/09 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 30, juris Rn. 18 f.; zuletzt BSG, Urteil vom 5. August 2021 – B 4 AS 82/20 R –, juris Rn. 32).

 

Ausgehend hiervon lag ein schlüssiges Konzept des Beklagten für den streitigen Zeitraum vom 1. Juni bis 30. November 2015 nicht vor.

 

Der Beklagte hat dem Kläger für diesen Zeitraum (zunächst) Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Rückgriff auf die Werte nach der WAV gewährt (Bescheid vom 27. Mai 2015, Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2015). Bereits zuvor war die WAV im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens nach § 55a SGG für unwirksam erklärt worden (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. September 2013 – L 36 AS 1987/13 NK –, juris; bestätigt durch Urteil des BSG vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 53/13 R – SozR 4-4200 § 22a Nr. 2). Diese gerichtlichen Entscheidungen, die gemäß § 55a Abs. 5 Satz 2 SGG allgemein verbindlich sind, bezogen sich zwar formal lediglich auf die WAV in der Fassung vom 3. April 2012 (Geltungszeitraum: 1. Mai 2012 bis 31. Juli 2013). Sie führten jedoch dazu, dass der Verordnungsgeber wenig später auch die entsprechenden WAV-Fortschreibungsverordnungen – WAV-Fortschreibungsverordnung 2013 vom 16. Juli 2013 (GVBl. 348) und WAV-Fortschreibungsverordnung 2014 vom 11. Februar 2014 (GVBl. 63) – aufhob (WAV-Aufhebungsverordnung vom 16. Juni 2015, GVBl. 275). Die WAV bot schon deshalb keine tragfähige Grundlage für die Bestimmung der Angemessenheitswerte.

 

Durch das erstinstanzlich abgegebene (und vom Kläger angenommene) Teilanerkenntnis hat sich der Beklagte zur Gewährung höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Juli bis 30. November 2015 verpflichtet. Er hat dieses Teilanerkenntnis mittlerweile auch umgesetzt (Bescheid vom 4. Januar 2019). Dem Teilanerkenntnis liegen die Angemessenheitswerte aus der AV-Wohnen 2015 zugrunde.

 

Die AV-Wohnen 2015 stellt jedoch ihrerseits kein schlüssiges Konzept für die Bestimmung der abstrakten Angemessenheitswerte dar (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. März 2022 – L 1 AS 456/21 WA –, juris Rn. 68).

 

Die AV-Wohnen 2015 legt die zu berücksichtigenden Aufwendungen für Unterkunft anhand des Berliner Mietspiegels 2015 fest. Für die Bestimmung der Nettokaltmiete wird auf alle Wohnungen der einfachen Wohnlage zurückgegriffen. Ausgenommen sind lediglich Wohnungen mit Minderausstattung. Zugrunde gelegt wird der Mittelwert und nicht der obere oder untere Spannenwert. Ausgehend hiervon wird der Quadratmeterpreis errechnet, der sich als anhand des Wohnungsbestands gewichteter Mittelwert – nach Wohnungsgrößen differenziert – ergibt (siehe näher zur Ermittlung der gewichteten Mittelwerte Anlage 1 zur AV-Wohnen 2015). Der so ermittelte Wert wird als angemessene Nettokaltmiete pro m² ausgewiesen.

 

Der Beklagte hat damit lediglich Wohnungen der einfachen Lage berücksichtigt. Der Leistungsträger ist zwar befugt, bei der Datenerhebung nur die Wohnungen einfachen Standards zugrunde zu legen. Er muss als Angemessenheitsgrenze dann aber die obere Preisgrenze dieses Segments wählen (BSG, Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 91/10 R –, juris Rn. 24; BSG, Urteil vom 20. Dezember 2011 – B 4 AS 19/11 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 51, juris Rn. 33) bzw. offen legen, nach welchen Gesichtspunkten er die Auswahl getroffen hat (BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 18/09 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 30, juris Rn. 21). Der Beklagte hat jedoch den Mittelwert und nicht den oberen Spannenwert herangezogen, ohne seine Auswahlgesichtspunkte aufzuzeigen. Schon deshalb genügt die AV-Wohnen 2015 nicht den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept.

 

Der Beklagte hat ferner ausdrücklich erklärt, dass er keine Möglichkeit sehe, Nachbesserungen bezüglich des von ihm angewandten Konzepts vorzunehmen bzw. Nachermittlungen durchzuführen.

 

dd) Der Senat sieht sich nicht in der Lage, selbst die abstrakt angemessenen Unterkunftsaufwendungen zu bestimmen.

 

Gerichte sind zwar zur Herstellung der Spruchreife der Sache verpflichtet, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, aber nicht befugt, ihrerseits ein schlüssiges Konzept – ggf. mit Hilfe von Sachverständigen – zu erstellen (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 101, juris Rn. 29, 31; BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 37/19 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 112, juris Rn. 23).

 

Zur Herstellung der Spruchreife bei der Bestimmung der abstrakt angemessenen Aufwendungen für Unterkunft kann das Gericht nur auf schon vorhandene Datengrundlagen zurückgreifen (BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 37/19 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 112, juris Rn. 24 ff.). Zugleich hat sich das Gericht davon zu überzeugen (§ 128 Abs. 1 SGG), dass für den von ihm festgelegten Angemessenheitswert Wohnraum in hinreichender Anzahl tatsächlich verfügbar war. Erforderlich ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts insoweit, dass Wohnraum „tatsächlich in nennenswerter Zahl auf dem Markt allgemein zugänglich angeboten wird … und damit generell verfügbar“ ist (BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 37/19 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 112, juris Rn. 29).

 

Der Senat sieht sich nicht imstande, selbst einen Angemessenheitswert für die grundsicherungsrechtlich zu berücksichtigenden Unterkunftsaufwendungen im streitigen Zeitraum zu bestimmen, der zugleich die Gewähr bietet, dass Wohnraum zu diesem Betrag in hinreichender Anzahl tatsächlich verfügbar war. Insbesondere lässt sich eine solche Feststellung nicht durch Rückgriff auf den Berliner Mietspiegel 2015 treffen. Die Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht verringern sich hier ohnedies, weil der Beklagte seiner Mitwirkungspflicht aus § 103 Satz 1 SGG nicht nachgekommen ist (vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 103 Rn. 16), denn er hat die ihm zuvörderst obliegende Pflicht, ein schlüssiges Konzept vorzulegen, nicht erfüllt.

 

Liegt – wie hier mit dem Berliner Mietspiegel 2015 – ein qualifizierter Mietspiegel im Sinne von § 558d Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor, so wird vermutet, dass die darin bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben (§ 558d Abs. 3 BGB). Für die grundsicherungsrechtliche Wertung bleibt indes zu beachten, dass der Mietspiegel in erheblichem Umfang die Mietpreise von Bestandswohnungen dokumentiert. Bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 2 BGB (in der im streitbefangenen Zeitraum geltenden Fassung) dürfen nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren (seit 1. Januar 2020: in den letzten sechs Jahren) neu vereinbart oder, von Änderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Der Mietspiegel gibt somit keine Auskunft darüber, inwieweit jeweils aktuell Wohnungen zur Neuvermietung zur Verfügung stehen, also tatsächlich verfügbar sind (so zutreffend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2022 – L 32 AS 2845/16 –, juris Rn. 99). Soweit der erkennende Senat in seiner früheren Rechtsprechung zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft auf die Grundlagendaten des Berliner Mietspiegels zurückgegriffen hat (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. März 2018 – L 34 AS 724/15 –, juris Rn. 41 unter Bezugnahme auf den Aufsatz von Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28 ff.), hält er hieran nicht fest, nachdem ihm vom Bundessozialgericht aufgezeigt worden ist, dass diese Methodik der revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhält (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 37/19 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 112, juris Rn. 31 ff.).

 

ee) Liegt nach allem ein behördliches schlüssiges Konzept zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft nicht vor und ist auch der Senat selbst nicht imstande, abstrakte Angemessenheitswerte unter Wahrung der in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aufgestellten Anforderungen festzulegen, so sind mangels eines in rechtlich zulässiger Weise bestimmten Angemessenheitswerts die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft zugrunde zu legen, begrenzt durch die Werte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % (vgl. BSG, Urteil vom 20. August 2009 – B 14 AS 65/08 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 26, juris Rn. 21; BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 101, juris Rn. 30). Dadurch soll den Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarkts zumindest ansatzweise gemäß gesetzgeberischer Entscheidung – wenn auch für einen anderen Personenkreis – durch eine „Angemessenheitsobergrenze“ Rechnung getragen werden, die die Finanzierung extrem hoher und per se unangemessener Mieten verhindert.

 

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass abstrakt angemessene Aufwendungen für die Unterkunft in Höhe von monatlich 393,80 € zugrunde zu legen sind. Gemäß § 12 Abs. 1 WoGG in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes vom 9. Oktober 2010 (BGBl. I, S. 1885), gültig vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2015, lag der Höchstbetrag für die Bruttokaltmiete (vgl. § 9 WoGG) unter Zugrundelegung der für die Stadt Berlin einschlägigen Mietenstufe IV für einen Ein-Personen-Haushalt bei 358,- €. Zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % (= 35,80 €) ergibt sich ein Betrag in Höhe von 393,80 €.

 

b) Die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft (Bruttokaltmiete in Höhe von 393,80 €) erweisen sich im vorliegenden Fall auch als konkret angemessen. 

 

Bei Abschluss des Mietvertrags über die Wohnung B Straße  am 6. Juni 2014 war beim Kläger wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seinem Sohn allerdings noch ein zusätzlicher Wohnraumbedarf anzuerkennen. Nach den Umständen des Einzelfalls, auf die es insoweit ankommt (vgl. zu den Kriterien für die Berücksichtigung eines zusätzlichen Wohnraumbedarfs BSG, Urteil vom 29. August 2019 – B 14 AS 43/18 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 103, juris Rn. 32 ff.), war es geboten, dass der Kläger ein eigenes Zimmer für seinen Sohn bereithält. Der Sohn stand kurz vor der Vollendung des 13. Lebensjahres. Nach der seinerzeit geltenden Umgangsregelung waren regelmäßige Kontakte in der Wohnung des Klägers, jeweils an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen in der Woche sowie an Wochenenden, und zwar sowohl in der Schulzeit als auch in den Schulferien, vorgesehen. Ein solcher Umgang konnte in einer nur den individuellen Wohnraumbedarf des Klägers abdeckenden Wohnung ohne Rückzugsraum für den Sohn nicht angemessen verwirklicht werden. Deshalb war es zunächst gerechtfertigt, einen an einem Zwei-Personen-Haushalt orientierten Raumbedarf als konkret angemessen zu veranschlagen. Hinsichtlich der zu berücksichtigenden Unterkunftsaufwendungen ist auch insoweit auf die Werte nach § 12 Abs. 1 WoGG zurückzugreifen. Danach war seinerzeit für die Mietenstufe IV für zwei Personen ein Höchstbetrag von monatlich 435,- € vorgesehen. Unter Berücksichtigung des Sicherheitszuschlags von 10 % lag die tatsächliche Bruttokaltmiete von monatlich 440,45 € somit zunächst noch im Rahmen des (konkret) Angemessenen.

 

Der Wohnraumbedarf änderte sich jedoch ab Oktober 2014. Ab diesem Monat fand ein Umgang des Klägers mit seinem Sohn objektiv nicht mehr statt. Nach den Gesamtumständen war es auch gänzlich ungewiss, ob und ggf. in welchem Umfang es zukünftig wieder zu Treffen zwischen den beiden kommen würde. Die bloße Hoffnung, es könnte sich irgendwann wieder ein regelmäßiger Kontakt – etwa gemäß der Umgangsregelung vom 17. Oktober 2012 – einstellen, vermag einen erhöhten Raumbedarf nicht zu begründen. Bereits mit Beschluss vom 13. Juni 2014 hatte das Familiengericht dem Kläger – ebenso wie der Kindsmutter – die elterliche Sorge in verschiedenen Teilbereichen entzogen und einem Pfleger – dem Zeugen B – übertragen; die Entziehung betraf u. a. den Umgang und Kontakt. Der Kläger selbst teilte am 8. Oktober 2014 dem Zeugen B mit, dass er auf den Umgang mit seinem Sohn „unter den genannten Bedingungen“ komplett verzichte. Rund zwei Monate später bemühte sich der Kläger zwar wieder um Annäherung, jedoch stellte er die (Wieder-)Ausübung des Umgangsrechts unter die Bedingung, dass die Kindsmutter keinen negativen Einfluss auf seinen Sohn nehmen möge (siehe E-Mail an den Zeugen B vom 7. Dezember 2014). Da weder der Zeuge B noch der Sohn des Klägers imstande waren, das Verhalten der Kindsmutter wirksam zu steuern, war das Angebot des Klägers, sein Sohn könne, „wenn er denn möchte, wieder zu den väterlichen Umgangszeiten kommen“ nicht belastbar. Hinzu kommt, dass der Sohn des Klägers nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen B selbst wiederholt geäußert hatte, dass er keinen Umgang mehr mit dem Kläger wünsche, weshalb auch eine zwangsweise Durchsetzung des Umgangsrechts bzw. der Umgangspflicht (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 1. April 2008 – 1 BvR 1620/04 –, BVerfGE 121, 69 ff.) nicht zur Debatte stand. Insofern bestand seinerzeit keine reale Chance, dass es wieder zu regelmäßigen, mit längeren Aufenthalten in der Wohnung des Klägers einhergehenden Kontakten kommen würde. Die am 14. September 2015 vor dem Familiengericht erzielte Einigung, wonach „begleitete Umgangskontakte“ einmal im Monat für zwei bis drei Stunden installiert werden sollten, rechtfertigt keine andere Bewertung. Angesichts des geringen Umfangs der in Aussicht gestellten Kontaktaufnahme wurde kein erhöhter Raumbedarf des Klägers begründet. Tatsächlich fanden in der Zeit von Oktober 2014 bis zur Beendigung des streitgegenständlichen Zeitraums am 30. November 2015 auch keinerlei Treffen zwischen dem Kläger und seinem Sohn statt. Anschließend kam es lediglich zu einem einzelnen Umgangstermin; dieser fand im Dezember 2015 statt.

 

Wie bereits das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt es für die Beurteilung der konkret angemessenen Wohnungsgröße nur auf die tatsächliche Situation an, nicht auf Verantwortungs- und Verschuldensgesichtspunkte. Es bedarf hier daher keiner Klärung, welche Motive der Kläger mit dem von ihm im Oktober 2014 erklärten Verzicht auf den Umgang mit seinem Sohn verfolgt hat und ggf. wie stark der Sohn unter dem negativen Einfluss der Kindsmutter stand. Fest steht jedenfalls, dass ein zusätzlicher Wohnraumbedarf schon ab Oktober 2014 objektiv nicht mehr bestand und sich diese neue, „verringerte“ Bedarfslage in der Folgezeit immer weiter verfestigte. Soweit der Kläger die weitere Vorhaltung eines Zimmers mit der Befürchtung begründet, dass ihm andernfalls familienrechtlich hätte entgegengehalten werden können, er könnte seinem Sohn mangels Platzes einen altersangemessenen Umgang innerhalb der Wohnung gar nicht bieten, verfängt diese Argumentation nicht. Denn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, so wie sie oben bereits dargestellt worden sind, war das Wiederaufleben des Umgangs schon aus anderen Gründen nicht zu erwarten.

 

c) Obgleich der erhöhte Wohnraumbedarf des Klägers nach dem zuvor Gesagten bereits ab Oktober 2014 weggefallen war, kann er sich mit Erfolg darauf berufen, dass für die Zeit von Juni bis einschließlich September 2015 noch die tatsächliche Bruttokaltmiete in Höhe von monatlich 440,45 € vom Beklagten zu übernehmen ist, nicht mehr allerdings für Oktober und November 2015.

 

Dies ergibt sich aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II, wonach unangemessene Aufwendungen als Bedarf so lange – in der Regel jedoch längstens für sechs Monate – zu berücksichtigen sind, wie es nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, die Aufwendungen zu senken. Diese Regelung greift nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch bei Änderungen in der Bewohnerzahl, wie z. B. beim Auszug eines Mitbewohners (vgl. BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 28/12 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 67, juris Rn. 18). Nach Auffassung des Senats ist sie ferner anwendbar, wenn ein zunächst bestehender erhöhter Wohnraumbedarf (hier: wegen Ausübung des Umgangsrechts mit dem Kind) später wieder wegfällt (hier: wegen der Beendigung der Wahrnehmung des Umgangsrechts). Die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II bezweckt, dass eine leistungsberechtigte Person nicht sofort (z. B. bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit) gezwungen ist, ihre bisherige Wohnung aufzugeben (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 2, juris Rn. 23). Dieser Zweck greift ebenso bei Veränderungen hinsichtlich des Wohnraumbedarfs.

 

Maßgeblich für den Beginn einer möglichen Absenkung der zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung gewährten Leistungen ist der Zeitpunkt, zu dem die Maßnahmen des Leistungsberechtigten zur Senkung seiner Aufwendungen wirksam werden könnten (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 19, juris Rn. 31). Will das Jobcenter nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkennen, weil es sie für unangemessen hoch hält, muss es grundsätzlich ein Kostensenkungsverfahren durchführen und der leistungsberechtigten Person den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang der Aufwendungen mitteilen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 101, juris Rn. 15 m. w. N.).

 

Der Kläger ist vom Beklagten mit Schreiben vom 17. März 2015 zur Senkung der Kosten für Unterkunft und Heizung aufgefordert worden. Ihm sind die nach Auffassung des Beklagten angemessenen Aufwendungen mitgeteilt worden. Zugleich ist er darauf hingewiesen worden, dass ein erhöhter Wohnraumbedarf mangels Ausübung des Umgangsrechts nicht mehr berücksichtigt werden könne. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hatte der Kläger Kenntnis von der Unangemessenheit seiner Unterkunftsaufwendungen und wurde in die Lage versetzt, geeignete Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen. Unter Zugrundelegung der in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II genannten regelmäßigen Frist von sechs Monaten war der Beklagte somit nur noch bis einschließlich September 2015 verpflichtet, die Aufwendungen für Unterkunft (und Heizung) unter Berücksichtigung des erhöhten Wohnraumbedarfs zu übernehmen.

 

Gründe für ein Abweichen von dieser Sechs-Monatsfrist sind vorliegend nicht gegeben. Es ist nicht ersichtlich, dass es dem Kläger objektiv unmöglich oder subjektiv unzumutbar gewesen wäre, die Kosten für Unterkunft (und Heizung) zu senken. Offen bleiben kann dabei, ob eine Untervermietung des eigentlich für den Sohn vorgesehenen Zimmers an Dritte in Betracht kam oder ob eine Absenkung der Aufwendungen auf andere Weise, z. B. durch einen Wohnungswechsel, hätte erfolgen müssen.  

 

Die regelmäßige Frist von sechs Monaten nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ist auch nicht im Hinblick darauf zu verlängern, dass das Umgangsrecht unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG steht. Insbesondere für den nicht mit dem Kind zusammenlebenden Elternteil ist der Umgang mit seinem Kind eine maßgebliche Voraussetzung für einen persönlichen Kontakt, welcher es ihm ermöglicht, eine nähere Beziehung zu seinem Kind aufzubauen oder aufrechtzuerhalten, an seiner Entwicklung teilzuhaben und seiner Elternverantwortung nachkommen zu können (vgl. BVerfG, Urteil vom 1. April 2008 – 1 BvR 1620/04 –, BVerfGE 121, 69, 94). Die Regelungen des SGB II haben den Umgang zu ermöglichen, vermitteln aber keinen Anspruch auf optimale Umgangsbedingungen. Der grundrechtlich geschützte Umgang wird ermöglicht, wenn die Unterkunftssituation keinen Umstand darstellt, der das Kind vom Umgang abhält (BSG, Urteil vom 29. August 2019 – B 14 AS 43/18 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 103, juris Rn. 31).

 

Im vorliegenden Fall rechtfertigt die Grundrechtsposition des Klägers keine andere Entscheidung. Der Umgang zwischen dem Kläger und seinem Sohn kam – wie bereits oben dargelegt – durch Faktoren zum Erliegen, die keinen Bezug zur Unterkunftssituation aufweisen und durch diese auch nicht beeinflussbar waren.

 

2. Zur Bestimmung der abstrakt angemessenen Heizkosten sind, solange der jeweils örtlich zuständige Träger der Grundsicherung – wie hier – keine differenzierte Datenermittlung für den konkreten Vergleichsraum durchgeführt hat, aus Gründen der Praktikabilität die Werte des „Bundesweiten Heizspiegels“ heranzuziehen (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 19. Mai 2021 – B 14 AS 57/19 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 115, juris Rn. 20 m. w. N.). Dabei kommt dem daraus ermittelten Wert jedoch nicht die Funktion einer Quadratmeterhöchstgrenze zu mit der Folge, dass Heizkosten in jedem Fall nur bis zu dieser Höhe übernahmefähig wären. Erforderlich ist eine Prüfung, orientiert an den Verhältnissen des Einzelfalls (konkrete Angemessenheit). Die Überschreitung des jeweiligen rechnerischen Grenzwerts nach dem Heizkostenspiegel ist jedoch Indiz dafür, dass die entstandenen Kosten nicht mehr angemessen sind, führt also zu einem Anscheinsbeweis zulasten des Leistungsberechtigten.

 

Der Grenzwert errechnet sich aus der abstrakt angemessenen Wohnfläche (und nicht aus der Wohnfläche der konkret innegehabten Wohnung) und den entsprechenden Werten der Spalte „zu hoch“ für Heizöl, Erdgas bzw. Fernwärme des „Bundesweiten Heizspiegels“, der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlicht war. Maßgebend ist danach vorliegend der „Bundesweite Heizspiegel“ 2014 (Datum der Veröffentlichung: 13. Oktober 2014), nach dem der Grenzwert bei der Beheizung einer Wohnung mit Erdgas bei einer Gebäudefläche von mehr als 1.000 m² bei jährlich 17,50 € / m² liegt. Daraus errechnen sich bei einer Wohnfläche von 50 m² (Ein-Personen-Haushalt) 875,- € im Jahr und mithin 72,92 € pro Monat sowie bei einer Wohnfläche von 60 m² (Zwei-Personen-Haushalt) 1.050,- € im Jahr und somit 87,50 € pro Monat. Die für die Wohnung des Klägers im streitbefangenen Zeitraum angefallenen Heizkosten lagen mit monatlich 99,55 € deutlich über diesen Grenzwerten, ohne dass der Kläger Gründe vorgebracht hätte, die die damit verbundene Indizwirkung erschüttert hätten.

 

Der Senat legt ausgehend hiervon Heizkosten in Höhe von monatlich 87,50 € für die Zeit von Juni bis September 2015 sowie in Höhe von monatlich 72,92 € für die Zeit von Oktober bis November 2015 zugrunde, die jeweils als Bedarf anzuerkennen sind. Das oben zum Wohnraumbedarf und zu § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II Gesagte gilt sinngemäß auch hier.

 

Zur Verdeutlichung weist der Senat noch auf Folgendes hin: Die Anerkennung der vollen Heizkosten in Höhe von monatlich 99,55 € als Bedarf kommt vorliegend auch in Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht in Betracht. Der Leistungsanspruch ist begrenzt, weil der Kläger vor Abschluss des Mietvertrags über die neue Unterkunft (B Straße ) keine Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II eingeholt hatte. Das Fehlen einer solchen Zusicherung bewirkt, dass von vornherein nur die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zu übernehmen sind (Berlit, in: Münder/Geiger, SGB II, § 22 Rn. 183 m. w. N.). Anders als die Bruttokaltmiete, die sich – wie oben dargelegt – unter Berücksichtigung des erhöhten Wohnraumbedarfs im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags über die Wohnung B Straße  zunächst noch als (konkret) angemessen erwies, waren die Heizkosten von vornherein selbst für einen Zwei-Personen-Haushalt unangemessen hoch. Deshalb führt die Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II bei den Unterkunftskosten dazu, dass diese für Juni bis September 2015 in tatsächlicher Höhe als Bedarf anzuerkennen sind, während die Heizkosten für diesen Zeitraum lediglich in Höhe des Grenzwerts für einen Zwei-Personen-Haushalt (87,50 € pro Monat) zu berücksichtigen sind.

 

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Rechtsstreits.

 

E. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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