L 13 AL 1983/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AL 356/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 1983/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Klage auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens L 13 AL 943/06 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens sind nicht zu erstatten.



Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens L 13 AL 943/06.

Der Kläger bezog bis zur Erschöpfung seines Anspruchs am 13.10.1998 von der Beklagten Arbeitslosengeld sowie im Anschluss Arbeitslosenhilfe. Durch eine Mitteilung des Hauptzollamtes L erlangte die Beklagte im Juli 2004 Kenntnis, dass der Kläger Eigentum von Immobilien erworben hatte. Mit Bescheid vom 06.10.2004 nahm die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 14.10.1998 bis 07.09.2000 zurück und forderte die Erstattung der für diesen Zeitraum gewährten Arbeitslosenhilfe i.H.v. 29.662,54 € nebst hierauf gezahlter Beiträge zur Kranken-und Pflegeversicherung. Mit Bescheid gleichen Datums nahm die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe auch für die Zeit vom 30.08.2001 bis 09.10.2004 zurück und machte die Erstattung zu Unrecht gezahlter Arbeitslosenhilfe i.H.v. 40.092, 84 € sowie hierauf entrichtete Beiträge zur Kranken-und Pflegeversicherung geltend. Gegen diese Bescheide erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2005 zurückwies. Der Kläger hat hiergegen Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Die beiden Grundstücke stünden nicht in seinem Eigentum, auch wenn dies auf den ersten Blick so erscheine. Er habe diese lediglich als Treuhänder erworben. Mit Urteil vom 04.11.2005 hat das SG die Klage abgewiesen.

Die hiergegen zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG; L 13 AL 943/06) erhobene Berufung hat der erkennende Senat nach Beiziehung der Akten der Staatsanwaltschaft Freiburg (200 Js 20509/04) mit Beschluss vom 23.11.2010 zurückgewiesen. Es könne offen bleiben, ob das im Eigentum des Klägers stehende Hausgrundstück am M1 in L1 als Vermögen zu werten sei. Denn der Kläger habe am 21.06.2001 das Gasthaus A in V zum Preis von 220.000 DM ersteigert und zur Herkunft des hierfür verwendeten Geldes keinerlei nachvollziehbare Angaben gemacht, weshalb der Senat davon überzeugt sei, dass er bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung am 7. September 1998 über nicht angegebenes Vermögen in dieser Höhe verfügt habe. Der Senat sei davon überzeugt, dass der Kläger dieses nicht nur als Treuhänder verwaltet, sondern lediglich versucht habe, durch eine weitgehend frei erfundene Geschichte eine Berücksichtigung seines Vermögens zu verhindern bzw. sich gegen die von der Beklagten geltend gemachte Erstattungsforderung zu erwehren. Es liege bereits fernab jeder Lebenserfahrung, dass eine Person, die in Europa ihr beträchtliches Vermögen anlegen wolle, um es auf diese Weise vor Bankenkrisen in Südamerika in Sicherheit zu bringen, gerade einen Langzeitarbeitslosen mit der Vermögensverwaltung beauftrage, der das Geld dann in nach eigenem Vortrag wertlose Schrott-Immobilien investiere. Gänzlich unglaubwürdig werde der Vortrag, wenn der Kläger behaupte, das Geld sei von M in bar in M2 übergeben und von ihm auf das Konto eines nicht näher bezeichneten Dritten, dessen Identität er angeblich zu dessen Schutz nicht preisgeben wolle, eingezahlt worden. Da schriftliche Nachweise offenbar nicht existierten, hätte M, die ihr Geld angeblich in Sicherheit habe bringen wollen, jede Kontrolle verloren. Auch die abweichenden Angaben des Klägers gegenüber den Finanzbehörden spreche gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers. Dort habe er angegeben, von M ein Darlehen zur Finanzierung des Kaufes bekommen zu haben. Erst auf den Vorhalt in der Sitzung am 16.10.2006 habe der Kläger gegenüber dem Berichterstatter dann vorgetragen, die gegenüber dem Finanzamt gemachten Angaben seien unzutreffend bei gleichzeitiger Behauptung, es habe wohl doch eine Zwischenfinanzierung gegeben, was allerdings wiederum im Widerspruch zu seinem bisherigen Vortrag stehe. Für all diese Geldtransaktionen in zumindest 5-stelligen Umfang müssten entsprechende Belege vorgelegt werden können, was nicht geschehen sei; der Kläger habe nur bruchstückhafte Angaben gemacht und nur selektiv Belege vorgelegt. Der Gesamtumfang der behaupteten Geldverschiebungen werde in keiner Weise belegt. Dies lasse nur den Schluss zu, dass der Vortrag des Klägers insgesamt nicht der Wahrheit entspreche. Nachdem der Kläger ausweislich der Ermittlungen des Hauptzollamtes über mindestens 33 Konten verfügungsberechtigt sei, den kontoführenden Bankinstituten eine Befreiung vom Bankgeheimnis aber nicht erteilt habe, liege die Vermutung nahe, dass noch weitere Vermögenswerte vorhanden seien. Im Übrigen wäre selbst dann, wenn man den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellte, das behauptete verdeckte Treuhandverhältnis unbeachtlich. Das BSG habe auf die verwaltungs- und finanzgerichtliche Rechtsprechung verwiesen, wonach der Vertrag und seine tatsächliche Durchführung in allen wesentlichen Punkten einem Fremdvergleich standhalten müsse. Diese Rechtsprechung sei auch auf die Frage, ob eine stille Abtretung bzw. ein verdecktes Treuhandverhältnis im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung Berücksichtigung finden müsse, zu übertragen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.09.2007, 12 S 2539/06). Hiernach sei das gesamte vom Kläger für die Immobilienkäufe verwendete Geld bzw. das später erworbene Eigentum an den Immobilien zu berücksichtigen, da die vom Kläger behauptete Vereinbarung mit M nicht dem entspreche, was unter Fremden üblich sei. Dies zeige sich bereits daran, dass die vom Kläger lediglich in Fotokopie vorgelegte schriftliche Treuhandvereinbarung keine konkreten Angaben zu den Summen enthalte. Ungewöhnlich wäre ferner, dass eine Treuhandvereinbarung erstmals 1997/1998 geschlossen worden sein solle, obgleich der Kläger nach seinem Vortrag Gelder bereits 1986 erhalten habe.

Am 07.07.2022 hat der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens beim LSG beantragt. Das LSG habe ohne gründliche Beweiserhebung und in Kenntnis zumindest einer BSG-Entscheidung zu den Treuhandverhältnissen falsch entschieden. Es habe weder die Treugeberin als Zeugin vernommen noch die Bank-Überweisungsbelege überprüft, die die Rückübertragung der Erträge aus den Immobilien unwiderlegbar bewiesen hätten. Die schriftliche Bestätigung über das Treuhandverhältnis sei als nichtig abgetan worden. Hiermit sei eine Restitutionsklage zumindest nach § 580 Nr. 6 ZPO gegeben. Die Urteile des SG und LSG gründeten sich auf Urteile, die durch andere rechtskräftige Urteile aufgehoben worden seien. Zudem beanstande er die wucherischen Zinsen auf die Zwangsbelastung.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das durch rechtskräftigen Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23.11.2010 abgeschlossene Verfahren L 13 AL 943 / 06 wieder aufzunehmen, den Beschluss vom 23.11.2010 sowie das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 04.11.2005 aufzuheben und die Bescheide vom 06.10.2004 sowie die Arrestanordnung vom 07.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Wiederaufnahmeklage als unzulässig abzuweisen.

Die Klage sei nicht zulässig, da ein Wiederaufnahme- bzw. Restitutionsgrund nicht schlüssig behauptet worden sei. Insbesondere stelle die Nichtberücksichtigung neuer Rechtsprechung keinen Grund für eine Wiederaufnahme dar.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 24.08.2022 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass der Senat beabsichtige, die Wiederaufnahmeklage gemäß § 158 SGG analog durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen. Hierauf hat der Kläger mitgeteilt, dass er weiterhin die Wiederaufnahme des Verfahrens beantrage.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten ergänzend verwiesen.


II.

Die Wiederaufnahmeklage ist unzulässig, da ein Wiederaufnahmegrund nicht schlüssig behauptet worden ist.

Der Senat ist für die Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag des Klägers nach §  179 Abs. 1 und Abs. 2 SGG zuständig, nachdem sich dieser Antrag gegen einen Beschluss des Senates richtet, in dem über die Berufung des Klägers in der Sache entschieden worden ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl., § 179 SGG Rdnr. 8).

Der Senat konnte über die Wiederaufnahmeklage des Klägers durch Beschluss gemäß § 158 SGG analog entscheiden, da die Wiederaufnahmeklage unzulässig ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a. a. O., § 179 SGG Rdnr. 9, § 153 SGG Rdnr. 14, § 158 SGG Rdnr. 6a). Die Wiederaufnahmeklage ist unzulässig, da ein Wiederaufnahmegrund nicht schlüssig behauptet worden ist.

Nach § 179 Abs. 1 SGG kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren entsprechend den Vorschriften des Vierten Buchs der ZPO (§§ 578 ff. ZPO) wieder aufgenommen werden. Somit gelten für eine Klage bzw. einen Antrag auf Wiederaufnahme eines rechtskräftig beendeten Verfahrens die Vorschriften der ZPO über die Nichtigkeits- und die Restitutionsklage. Insoweit ist ein Wiederaufnahmebegehren nur statthaft, wenn ein Nichtigkeits- oder Restitutionsgrund schlüssig behauptet und dargelegt wird und sich aus dem Vorbringen die Möglichkeit ergibt, dass ein solcher Grund vorliegt. Im vorliegenden Fall hat der Kläger keinen gesetzlichen Nichtigkeits- oder Restitutionsgrund schlüssig geltend gemacht.

Nach § 579 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; 2. wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist; 3. wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; 4. wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach der Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat, sofern in den Fällen der Nr. 1 und Nr. 3 die Nichtigkeit nicht mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.
Nach § 580 ZPO findet die Restitutionsklage statt, 1. wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat; 2. wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war; 3. in einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat; 4. wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist; 5. wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat; 6. wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist; 7. wenn die Partei a) ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder b) eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde; 8. der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht. Ergänzend bestimmt § 581 Abs.1 ZPO, dass in den Fällen des § 580 Nr. 1 bis 5 die Restitutionsklage nur stattfindet, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann.
§ 179 Abs. 2 SGG gibt vor, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens ferner zulässig ist, wenn ein Beteiligter strafgerichtlich verurteilt worden ist, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen hat.
Nach § 180 Abs. 1 SGG ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch zulässig, wenn 1. mehrere Versicherungsträger denselben Anspruch endgültig anerkannt haben oder wegen desselben Anspruchs rechtskräftig zur Leistung verurteilt worden sind, 2. ein oder mehrere Versicherungsträger denselben Anspruch endgültig abgelehnt haben oder wegen desselben Anspruchs rechtskräftig von der Leistungspflicht befreit worden sind, weil ein anderer Versicherungsträger leistungspflichtig sei, der seine Leistung bereits endgültig abgelehnt hat oder von ihr rechtskräftig befreit worden ist. Das gleiche gilt nach § 180 Abs. 2 SGG im Verhältnis zwischen Versicherungsträgern und einem Land, wenn streitig ist, ob eine Leistung aus der Sozialversicherung oder nach dem sozialen Entschädigungsrecht zu gewähren ist.

Keinen dieser gesetzlich vorgesehenen Nichtigkeits- oder Restitutionsgründe hat der Kläger hier schlüssig geltend gemacht. Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den damaligen Berichterstatter hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 28.03.2007 als unbegründet zurückgewiesen, weshalb § 579 Abs. 1 Z. 2 ZPO nicht einschlägig ist. Schließlich hat der Kläger nicht konkret und schlüssig geltend gemacht, dass der Beschluss des Senates vom 23.11.2010 auf einem aufgehobenen Urteil eines anderen Gerichts gründet (§ 580 Nr. 6 ZPO). Die vom Kläger gerügte unterlassene Beweisaufnahme sowie die Nichtberücksichtigung neuerer Rechtsprechung und nicht streitgegenständlicher Wucherzinsen stellen keinen Wiederaufnahmegrund dar. Zudem ist nicht ansatzweise erkennbar, inwiefern der Kläger die Klagefrist gemäß § 586 ZPO eingehalten haben könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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