Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 17.06.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung eines Gründungszuschusses.
Der 1979 geborene Kläger war zunächst bei der D AG beschäftigt, das Beschäftigungsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag und gegen Zahlung einer Abfindung von 219.048,23 € zum 31.12.2018. In seiner Arbeitslosmeldung vom 25.11.2019 gab der Kläger an, seine Arbeitszeit sei auf wöchentlich höchstens 20 Stunden pro Woche eingeschränkt. Mit Bescheid vom 21.01.2020 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosgengeld mit einem täglichen Leistungsbetrag von 91,27 € (entsprechend einer Vollzeittätigkeit) mit einem Anspruchsbeginn am 01.01.2020 und einer Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen, mithin vom 01.01.2020 bis 30.12.2020. Mit Änderungsbescheid vom 25.09.2020 verfügte die Beklagte auch für die Zeit vom 30.12.2020 bis 30.03.2021 einen Arbeitslosengeldanspruch mit einem täglichen Leistungsbetrag von 91,27 €, da der Kläger eine Erhöhung der Anspruchsdauer um einmalig insgesamt 90 Tage im Rahmen des Gesetzes zu sozialen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona Pandemie (Sozialschutz-Paket II, § 421d SGB III, § 32 Abs. 1 zweite Alternative SGB X) erhalte. Die Bewilligung erfolgte unter der Bedingung, dass sich die ursprüngliche Anspruchsdauer in der Zeit vom 01.05.2020 bis 31.12.2020 auf einen Tag gemindert habe.
Am 05.02.2020 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses für eine Tätigkeit als Energieberater. Am selben Tag schloss der Kläger eine Eingliederungsvereinbarung, in der die Vorbereitung der Selbstständigkeit thematisiert wurde und in der sich die Beklagte verpflichtete, bei Vorliegen aller Voraussetzungen einen Gründungszuschuss zu gewähren, wenn der Kläger bis zum 15.07.2020 die Selbstständigkeit aufnehme.
Bei einem Telefonat am 15.06.2020 wurde thematisiert, dass sich aufgrund der pandemischen Lage der Start der Selbstständigkeit möglicherweise verzögere. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger am 16.06.2020 per E-Mail mit, dass er einen Anspruch auf weitere 90 Tage Arbeitslosengeld habe, was bedeute, dass er sich bis spätestens 29.10.2020 selbstständig machen müsse.
Zum 23.10.2020 meldete der Kläger ein selbstständiges Gewerbe im Bereich Vertrieb und Installation von Photovoltaikanlagen, Gebäudeenergieberatung, Beratung zur Einrichtung von Elektromobilität und Vermittlung von Systembausätzen an.
Mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 23.10.2020 hob die Beklagte die Arbeitslosengeldbewilligung ab 23.10.2020 wegen Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit auf. Bescheid vom 02.12.2020 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses ab, da der Kläger keine 150 Tage Anspruch auf Arbeitslosengeld (mehr) habe.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, dass er in Vorbereitung seiner Selbstständigkeit von der Arbeitsvermittlerin Frau B dahingehend beraten worden sei, dass er seine Selbstständigkeit bis 29.10.2020 aufnehmen müsse, um einen Gründungszuschuss erhalten zu können. Dies wurde von der Arbeitsvermittlerin in ihrer Stellungnahme vom 21.12.2020 bestätigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da der Kläger zum Zeitpunkt der Erfüllung der Grundanspruchsvoraussetzungen auf Arbeitslosengeld am 01.01.2020 einen Anspruch auf Leistungen für insgesamt 360 Tage gehabt habe. Am 25.09.2020 sei der Bescheid betreffend die Anspruchsdauerverlängerung bis 30.03.2021 ergangen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger weder das Gewerbe angemeldet noch förmlich und endgültig den Antrag gestellt. Die Gewerbeanmeldung und Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit habe erst am 23.10.2020 stattgefunden. Die Anspruchsverlängerung könne deswegen nicht zur Anwendung kommen.
Dagegen hat der Kläger am 05.02.2021 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Die Arbeitsvermittlerin habe ihm Juni mitgeteilt, dass er sich bis spätestens 29.10.2020 selbstständig machen müsse, um den Gründungszuschuss zu erhalten.
Mit Urteil vom 17.06.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Gründungszuschusses lägen nicht vor, da der Kläger bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit lediglich einen Restanspruch von 68 Tagen gehabt habe. Eine Verlängerung erfolge auch nicht aufgrund des Sozialschutzpakets II, § 421 a Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Danach komme eine Verlängerung der Anspruchsdauer erst dann in Betracht, wenn sich die Anspruchsdauer durch Erfüllung oder unter Berücksichtigung der sonstigen, in § 148 Abs. 1 SGB III genannten Tatbestände faktisch auf einen Tag gemindert habe, vor diesem Zeitpunkt erfolge keine Verlängerung. Der Bescheid vom 25.09.2020, der unter der Bedingung erlassen worden sei, dass sich die ursprüngliche Anspruchsdauer in der Zeit von 01.05.2020 bis 31.12.2020 auf einen Tag gemindert habe, begründe keinen Anspruch, da die Bedingung nicht eingetreten sei. Die Arbeitsvermittlerin habe auch keine Zusage erteilt. Zwar liege zur Überzeugung des SG eine Falschberatung vor, ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheide jedoch aus, da die (frühere) Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht hergestellt werden könne.
Gegen das am 25.06.2021 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am Montag, den 26.07.2021 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Zwar sei zutreffend, dass die Verlängerung der Anspruchsdauer tatsächlich nicht eingetreten sei, jedoch sei zu prognostizieren gewesen, wie lange bei Aufnahme der Selbstständigkeit der Anspruch noch bestanden hätte, bei ihm also bis März 2021. Ausgehend hiervon hätte der sozialrechtliche Herstellungsanspruch nicht verneint werden dürfen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Heilbronn vom 17.06.2021 den Bescheid der Beklagten vom 02.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, seinen Antrag auf Gewährung des Gründungszuschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend. Außerdem habe der Kläger zu viel Arbeitslosengeld bezogen, da bei der Bewilligung das eingeschränkte Leistungsvermögen nicht beachtet worden sei.
Mit Schreiben vom 19.01.2022 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten beider Instanzen sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben, da die Frist zur Berufungseinlegung gegen das am 25.06.2021 zugestellte Urteil nach § 64 Abs. 3 SGG erst am Montag, den 26.07.2021 endete. Sie ist jedoch unbegründet.
Streitgegenständlich ist das Urteil des SG vom 17.06.2021, mit welchem die auf die Gewährung von Gründungszuschuss und gegen den dies ablehnenden Bescheid vom 02.12.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2021 gerichtete Klage des Klägers abgewiesen worden ist. Die Berufung bleibt aber ohne Erfolg. Die Beklagte hat zu Recht den Antrag auf Gründungsausschuss abgelehnt und das SG zu Recht die Klage abgewiesen. Das SG hat zutreffend dargelegt, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung eines Gründungszuschusses nach § 93 SGB III im streitgegenständlichen Zeitraum nicht erfüllt; deshalb verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese zutreffenden Ausführungen und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren vorträgt, es müsse berücksichtigt werden, dass er bei einem Bezug von Arbeitslosengeld über den 23.10.2020 hinaus, einen Anspruch auf Gründungszuschuss gehabt hätte, da § 421 d Abs. 1 SGB III zur Anwendung gekommen wäre, findet dies keine Stütze in §§ 93, 421 d Abs. 1 SGB III. Der Anspruch auf weitere 90 Tage kann erst entstehen, wenn der Restanspruch auf einen Tag gemindert ist, worauf das SG in seiner Entscheidung unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung zutreffend hingewiesen hat. Erst bei einem Restanspruch von einem Tag wird der Anspruch am darauffolgenden Tag um 90 Tage erhöht. Es kann folglich in keinem Fall – auch nicht hypothetisch – nach dem 23.10.2020 eine Anspruchsdauer von insgesamt 150 Tagen bestehen.
Auch über das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs lässt sich ein Anspruch des Klägers auf den begehrten Gründungszuschuss nicht herleiten. Zwar geht der Senat wie das SG (und letztlich auch die Beklagte) davon aus, dass eine Falschberatung vorgelegen hat. Der von der Rechtsprechung entwickelte Herstellungsanspruch setzt jedoch neben dem Erfordernis einer fehlerhaften oder unvollständigen Beratung durch die Beklagte voraus, dass der erlittene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgeglichen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1993, 7 RAr 80/92, juris). Mit Hilfe des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs lassen sich zwar bestimmte sozialrechtliche Voraussetzungen, zum Beispiel verspätete Anträge, als erfüllt ansehen, wenn sie wegen einer Pflichtverletzung des Versicherungsträgers bisher fehlen (BSG, a.a.O.). Die Gewährung des Gründungszuschusses scheitert jedoch nicht an der verspäteten Antragstellung, sondern daran, dass der Kläger die Tätigkeit erst am 23.10.2020, als nur noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld von 68 Tagen bestand, aufgenommen hat. Diese fehlende Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit, stellt wie auch die persönliche Arbeitslosmeldung – worauf das SG zutreffend hingewiesen hat – +einen rechtserheblichen Tatbestand dar, den herzustellen nicht in die Verfügungsmacht der Beklagten fällt, sondern vom Verhalten des Klägers anhängt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2009, L 13 AL 6044/08, juris). Folglich kommt ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 1 AL 348/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 2451/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
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