Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vorm 28. Januar 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Zugunstenverfahrens die Gewährung einer höheren Rente.
Der 1951 in der ehemaligen S geborene Kläger siedelte im Jahr 1975 aus dem heutigen E kommend in die Bundesrepublik Deutschland über.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 1978 entschied die L (LVA), dass die (im beigefügten Zuordnungsblatt) eingetragenen Versicherungszeiten in dem angegebenen Umfang anerkannt würden. Beitragszeiten und als Beitragszeiten geltende Beschäftigungszeiten würden mit der eingetragenen Beitragsklasse bzw. Entgelten angerechnet. Sie stufte dabei die vom Kläger im Ausland zurückgelegten Rentenzeiten vom 23. Oktober 1967 - 14. Mai 1975 nach Leistungsgruppen gemäß der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) ein.
Mit weiterem Bescheid vom 4. März 2002 stellte die LVA die in dem beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, also die Zeiten bis 31. Dezember 1995, als für die Beteiligten verbindlich fest, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden sind. Sie stufte die im Ausland zurückgelegten Zeiten wiederum nach Leistungsgruppen ein.
Mit Bescheid vom 12. März 2004 stellte die LVA abermals Versicherungszeiten fest und stufte die im Ausland zurückgelegten Zeiten nunmehr nach Qualifikationsgruppen nach der Anlage 13 zum SGB VI ein. Die Bestimmung des maßgebenden Bereichs der Anlage 14 zum SGB VI sei nach der Art des Betriebes vorgenommen worden. Die zuzuordnenden Werte seien durch Gesetz bzw. Rechtsverordnung festgelegt. Die Zeit vom 23. Oktober 1967 – 14. Mai 1975 stufte sie der Qualifikationsgruppe 5, Bereich 22 Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften ein und rechnete die Zeiträume als glaubhaft gemachte Zeiten zu 5/6 an.
Am 30. Juni 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, die ihm mit Bescheid vom 12. März 2009 ab dem 1. Dezember 2008 bis längstens zum 31. März 2017 (Monat des Erreichens der Regelaltersrente) bewilligt worden ist. Die Beklagte berücksichtigte bei der Rentengewährung insg. 40,0126 persönliche Entgeltpunkte, wobei sie den Zeitraum vom 23. Oktober 1967 – 14. Mai 1975 als glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten berücksichtigte und die Zeiten der Qualifikationsgruppe 5 der Anlage 13 zum SGB VI und dem Bereich 22 (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften) der Anlage 14 zum SGB VI zuordnete.
Unter dem 15. Dezember 2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung der Berechnung der Rente und die Zahlung einer höheren Rente. Er führte aus, die Beklagte habe bei der Berechnung der Rente die Zeiten, die in der ehemaligen UdSSR zurückgelegt worden seien, mit den Werten aus den Qualifikationsgruppen berücksichtigt, es seien jedoch seinerzeit Leistungsgruppen anerkannt worden. Eine rechtswirksame Aufhebung der alten Bescheide sei nicht erkennbar.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2015 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheids vom 12. März 2009 ab. Eine Neuberechnung der Rente wegen Erwerbsminderung unter Berücksichtigung der mit Bescheid vom 14. Dezember 1978 anerkannten Zeiten könne nicht beansprucht werden. Grundlage für die Berechnung einer Rente bilde nur das zum Zeitpunkt der Rentenbewilligung geltende Recht. Die im Herkunftsland zurückgelegten Zeiten seien daher nach § 256b Abs. 1 SGB VI i.V.m. § 22 Fremdrentengesetz (FRG) zu berücksichtigen und zu bewerten. Der Kläger habe unter dem 4. März 2002, dem 12. März 2004 und dem 11. März 2009 einen Feststellungsbescheid und unter dem 19. März 2004, dem 23. September 2005 und dem 25. November 2005 eine Rentenauskunft erhalten. Der Feststellungsbescheid vom 11. März 2009 sei sodann Grundlage der Rentenberechnung geworden. Mit dem Bescheid vom 4. März 2002 seien auch die Feststellungen im Bescheid vom 14. Dezember 1978 aufgehoben worden.
Hiergegen erhob der Kläger am 19. Januar 2016 Widerspruch, zu dessen Begründung er u.a. ausführte, dass die Beklagte im angegriffenen Bescheid nicht angebe, ob die früheren Verfügungen aufgehoben worden seien.
Auf Anforderung der Beklagten übersandte die D, die Rechtsnachfolgerin der LVA, ihre Bescheide vom 4. März 2002 und vom 12. März 2004.
Mit Bescheid vom 3. April 2017 nahm die Beklagte den Bescheid vom 21. Dezember 2015 „hinsichtlich der rechtlichen Begründung“ nach § 41 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurück und ersetzte ihn dahingehend, dass vorliegend die Überprüfung der Rentengewährung nach § 44 SGB X und die Rentengewährung unter Berücksichtigung der mit Bescheid vom 14. Dezember 1978 vorgemerkten fremdrentenrechtlichen Zeiten begehrt werde. Das Bundessozialgericht (BSG) habe jedoch entschieden, dass die Voraussetzungen hierfür nur erfüllt seien, wenn Sozialleistungen nach Maßgabe der für sie geltenden materiell-rechtlichen Vorschriften zu Unrecht nicht erbracht worden seien. Der Kläger begehre indes Rentenleistungen, die über den gesetzlich vorgeschriebenen Umfang hinausgingen. Einem Begehren, mit dem über die Gesetzeslage hinaus Leistungen begehrt würden, könne nicht entsprochen werden. Dies gelte auch dann, wenn in einem früheren Bescheid Zeiten vorgemerkt worden seien, die einen höheren Anspruch begründeten und dieser Bescheid nicht mit hinreichender Sicherheit aufgehoben worden sei. Der Bescheid werde, so die Beklagte, nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens.
Mit Bescheid vom 13. Januar 2017 bewilligte die Beklagte dem Kläger sodann ab dem 1. April 2017 anstelle der bisherigen Rente eine Regelaltersrente.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers sodann als unbegründet zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 21. November 2017 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Zu deren Begründung hat er vorgetragen, der Bescheid vom 14. Dezember 1978 sei nicht aufgehoben worden und deswegen noch wirksam. Die Anerkennung und Bewertung von FRG- Zeiten habe somit nach Leistungsgruppen nach der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung zu erfolgen. Soweit die Beklagte meine, allein die Anerkennung nach neuen Recht führe zu einer Aufhebung des alten Bescheides, könne dem nicht gefolgt werden. Unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 30. August 2001 (- B 4 RA 114/00 R -, in juris) hat er ausgeführt, eine Aufhebung sei nur dann hinreichend bestimmt, wenn der Aufhebungsbescheid selbst benenne, welche Tatbestände für welchen Zeitraum nicht mehr vorgemerkt seien. Dies habe die Beklagte bis dato nicht unternommen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, die Rentenberechnung sei auf Grundlage der späteren Feststellungsbescheide, zuletzt dem vom 11. März 2009, erfolgt. Die Aufhebung früherer Feststellungsbescheide könne in einem späteren Feststellungsbescheid erfolge, sie müsse jedoch spätestens im ersten Rentenbescheid erfolgen. Da der erste Rentenbescheid vorliegend bestandskräftig geworden sei, komme eine Aufhebung des Bescheides nach § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI nicht mehr in Betracht. Das BSG habe schließlich entschieden (Urteil vom 24. April 2014 - B 13 R 3/13 R -, in juris), dass allein die fehlerhafte oder fehlerhaft unterbliebene Aufhebung eines Vormerkungsbescheides nicht genüge, um einen Anspruch auf Korrektur eines bestandskräftigen Rentenbescheides und die Gewährung einer höheren Rente begründen zu können.
Mit Bescheid vom 11. Januar 2019 hat die Beklagte die dem Kläger bewilligte Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1.Januar 2011, mit Bescheid vom 22. Januar 2019 die Regelaltersrente ab dem 1. Februar 2019 neu berechnet und die Tätigkeit des Klägers dem Wirtschaftsbereich 14 zugeordnet.
Mit Urteil vom 28. Januar 2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2015 in der Fassung des Bescheids vom 3. April 2017 (Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2017) sei rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 12. März 2009. Das Begehren des Klägers könne nicht auf § 44 Abs. 1 SGB X gestützt werden. Hiernach sei ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. Diese Voraussetzungen lägen im Hinblick auf den Rentenbescheid vom 12. März 2009 jedoch nicht vor. Zwar sei bei Erlass des Rentenbescheids vom 12. März 2009 das Recht insoweit unrichtig angewandt worden, als die Beklagte es unterlassen habe, die ergangenen Vormerkungsbescheide vom 14. Dezember 1978, vom 4. März 2002 und vom 12. März 2004 nach § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI spätestens im Rentenbescheid aufzuheben. Diese Vormerkungsbescheide stellten rechtserhebliche Tatbestände, u.a. rentenrechtliche Zeiten, verbindlich fest, was zur Folge habe, dass diese Zeiten im Leistungsfall grundsätzlich zu berücksichtigen seien. Hingegen sei die abschließende Entscheidung über die Anrechnung und Bewertung dieser Zeiten nicht Gegenstand des Vormerkungsbescheids. Da die Vormerkungsbescheide nicht aufgehoben worden seien und sich auch nicht durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt hätten (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X), seien die dort enthaltenen Regelungen im Hinblick auf ihren Rechtscharakter und den zeitlichen Umfang für die Beteiligten bindend geworden (§ 77 SGG). Das BSG habe jedoch entschieden (Urteil vom 24. April 2014, a.a.O.), dass die fehlerhaft unterbliebene Aufhebung des Vormerkungsbescheids allein nicht ausreiche, um einen Anspruch auf die Rücknahme des Rentenbescheids und Gewährung einer höheren Rente unter Berücksichtigung der in den Vormerkungsbescheiden festgestellten Zeiten begründen zu können. Nach dem Willen des Gesetzgebers komme eine Rücknahme nur dann in Betracht, soweit eine erneute Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergebe, dass die Behörde zu Ungunsten des Antragstellers falsch gehandelt habe (vgl. BT-Drucks. 8/4022 S. 82). Ansonsten solle der Verwaltungsakt bestehen bleiben. Nicht Sinn und Zweck des Zugunstenverfahrens sei es hingegen, dem Antragsteller mehr zu gewähren, als ihm nach materiellem Recht zustehe. Im Zeitpunkt der Erteilung des Rentenbescheids vom 12. März 2009 sei dieser materiell rechtmäßig ergangen. Die vom Kläger im Herkunftsgebiet zurückgelegten Zeiten seien von der Beklagten zutreffend nach Qualifikationsgruppen berücksichtigt worden (§ 56b Abs. 1 SGB VI i.V.m. § 22 Abs. 1 und 2 FRG). Die Beklagte habe folglich zu Recht den Überprüfungsantrag des Klägers abgelehnt.
Gegen das ihm am 2. März 2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. März 2020 beim SG Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, der Bescheid vom 14. Dezember 1978 sei nicht wirksam aufgehoben worden, weswegen die Rentengewährung nach der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Rechtslage zu erfolgen habe. Dies habe in mehreren vergleichbaren Fällen durchgesetzt werden können. Die Aufhebung früherer Feststellungsbescheide im Aufhebungsbescheid erfordere grundsätzlich die Benennung der Rechtsgrundlage für die Aufhebung sowie, dass das jeweilige Datum des aufzuhebenden Feststellungsbescheides genannt werde. Es müsse für den Bescheidsempfänger erkennbar sein, welche Entscheidungen aufgehoben würden und in welchem Umfang die Aufhebung eine Schlechterstellung bewirke. Zuletzt hat der Kläger angeregt, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Der Kläger beantragt (zweckdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vorm 28. Januar 2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21. Dezember 2015 in der Fassung des Bescheids vom 3. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2017 zu verurteilen, den Bescheid vom 12. März 2009 in der Fassung des Bescheides vom 11. Januar 2019 zurückzunehmen und die Rente des Klägers unter Zugrundelegung der Zuordnung von Versicherungszeiten nach dem FRG gemäß den Feststellungen in den Bescheiden vom 14. Dezember 1978 und 4. März 2002 ab dem 1. Dezember 2008 neu zu berechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages verweist sie auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil, insb. den dortigen Verweis auf die Entscheidung des BSG vom 24. April 2014 (a.a.O.).
Zuletzt mit Schriftsatz vom hat der Kläger mit Schriftsatz vom 18. August 2022 die Beklagte mit solchem vom 18. Juli 2022 das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die statthafte (vgl. § 143 SGG), form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) erhobene und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), führt für diesen inhaltlich nicht zum Erfolg.
Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2015 in der Fassung des Bescheids vom 3. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2017, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, den Rentenbescheid vom 12. März 2009 zurückzunehmen und dem Kläger eine höhere Rente zu gewähren.
Der Bescheid vom 21. Dezember 2015 in der Fassung des Bescheids vom 3. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht keine höhere Rente zu, als ihm mit Bescheid vom 12. März 2009 bewilligt worden ist.
Nachdem die Rentenbewilligung im Bescheid vom 12. März 2009 bestandskräftig und damit bindend geworden ist (vgl. § 77 SGG), findet sich die einzig denkbare Rechtsgrundlage für das geltend gemachte Begehren einer höheren Rentengewährung in § 44 Abs. 1 SGB X.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Der in Abs. 1 (S § 44 SGB X) nicht ausdrücklich geregelte Anspruch auf eine Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft ergibt sich aus § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X.
§ 44 SGB X dient der Korrektur rechtswidrigen Verwaltungshandelns im Wege eines sog. Überprüfungsverfahrens mit dem Ziel, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten letzterer aufzulösen (BSG, Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 16/08 R -, in juris). Er stellt eine Anspruchsgrundlage für die von einem rechtswidrigen Verwaltungsakt Betroffenen dar und vermittelt einen Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes.
Der bestandskräftige Bewilligungsbescheid vom 12. März 2009 ist insofern ein nicht begünstigender Verwaltungsakt, als er nicht die nunmehr begehrte höhere Rente unter Zugrundelegung der Zuordnung von Versicherungszeiten nach dem FRG gemäß den Feststellungen in den Bescheiden vom 14. Dezember 1978 und 4. März 2002 ab dem 1. Dezember 2008 gewährt hat. In dieser Hinsicht verlangt der Kläger die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts, durch den Sozialleistungen i.S.d. § 44 Abs. 1 SGB X zu Unrecht nicht in der begehrten Höhe erbracht worden seien.
Die Voraussetzung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, dass bei Erlass des Altersrentenbescheids das Recht unrichtig angewandt worden ist, ist jedoch nicht erfüllt. Dies ist anzunehmen, wenn der Verwaltungsakt bei seinem Erlass gegen Recht verstoßen hat oder die im Verwaltungsakt enthaltene Regelung später gegen das Recht verstößt. Dies ist grds. anhand einer „rückschauenden Betrachtungsweise der Sach- und Rechtslage bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsakts, bewertet aus heutiger Sicht“ zu beurteilen (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - B 2 U 6/16 R -, in juris, dort Rn. 17). Von einem unrichtigen Sachverhalt i.S.d. § 44 Abs. 1 SGB X ist ausgegangen worden, wenn sich der Sachverhalt, auf den die Behörde ihre Entscheidung gestützt hat, zu einem späteren Zeitpunkt als unrichtig erweist.
Selbst wenn der Rentenbescheid allein wegen der unterbliebenen Aufhebung des bindenden Vormerkungsbescheids objektiv rechtswidrig ergangen ist, kann der Kläger die Rücknahme des Bescheides vom 12. März 2009 weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft beanspruchen, weil dieser bei seinem Erlass der materiellen Rechtslage entsprach und auch aus Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes keine abweichende Beurteilung bedingt ist.
Mit Bescheiden der LVA vom 14. Dezember 1978 und vom 4. März 2002 sind die vom Kläger in der ehemaligen UdSSR zurückgelegten versicherungsrechtlichen Beitragszeiten entsprechend der damaligen Rechtslage auf Grundlage einer Zuordnung in Leistungsgruppen berücksichtigt worden. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG in der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung des Gesetzes zur Beseitigung von Härten in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zur Änderung anderer sozialrechtlicher Vorschriften vom 9. Juni 1965 (BGBl. I S. 476) waren, wenn Zeiten der in §§ 15 und 16 FRG genannten Art (Beitrags- oder Beschäftigungszeiten) anzurechnen gewesen sind, die Versicherten bei der Ermittlung der für den Versicherten maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage nach Maßgabe der Anlage 1 bestimmten Leistungsgruppen zuzuordnen, denen sodann nach Anlage 13 bestimmt Durchschnittsverdienste zugeordnet worden sind.
Dies hat die Beklagte nicht in die Rentengewährung übernommen und stattdessen die in der ehemaligen UdSSR zurückgelegten Zeiten anhand von Qualifikationsgruppen eingestellt. § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI bestimmt insofern, dass bei Änderung der dem Feststellungsbescheid zu Grunde liegenden Vorschriften der Feststellungsbescheid durch einen neuen Feststellungsbescheid oder im Rentenbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben ist. Eine, die Feststellungen in den Bescheiden vom 14. Dezember 1978 und vom 4. März 2002 aufhebende, den Anforderungen des BSG (vgl. hierzu Urteil vom 30. August 2001 - B 4 RA 114/00 R -, a.a.O.) entsprechende Aufhebungsentscheidung ist jedoch weder im Bescheid vom 12. März 2009 noch im Bescheid vom 12. März 2004 enthalten. Unerheblich ist i.d. Zusammenhang, dass der Vormerkungsbescheid vom 14. Dezember 1978 nach § 1325 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) vor Inkrafttreten des SGB VI am 1. Januar 1992 ergangen ist, da dieser Regelung im Wesentlichen § 149 Abs. 5 SGB VI entspricht.
Mit den Vormerkungsbescheiden vom 14. Dezember 1978 und vom 4. März 2002 sind rechtserhebliche Tatbestände verbindlich mit der Folge festgestellt worden, dass diese Zeiten im Leistungsfall grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Hingegen ist die abschließende Entscheidung über die Anrechnung und Bewertung dieser Zeiten nicht Gegenstand des Vormerkungsbescheids (vgl. § 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI). Da die Vormerkungsbescheide nicht aufgehoben worden sind und sich auch nicht durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt haben (§ 39 Abs. 2 SGB X), waren die dort enthaltenen Regelungen im Hinblick auf ihren Rechtscharakter und den zeitlichen Umfang für die Beteiligten bindend (§ 77 SGG) geworden
Die Beklagte hat jedoch bei der Rentenbewilligung die aktuelle materielle Gesetzeslage zutreffend umgesetzt. Nach § 256b Abs. 1 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung werden für glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten nach dem 31. Dezember 1949 zur Ermittlung von Entgeltpunkten als Beitragsbemessungsgrundlage für ein Kalenderjahr einer Vollzeitbeschäftigung die Durchschnittsverdienste berücksichtigt, die sich nach Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 genannten Qualifikationsgruppen (Nr. 1) und nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 genannten Bereiche (Nr. 2) für dieses Kalenderjahr ergeben, höchstens jedoch fünf Sechstel der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze. Die Beklagte hat diese Vorgaben (Berücksichtigung von Zeiten in der ehemaligen UdSSR anhand von Qualifikationsgruppen) in der Rentengewährung zutreffend vorgenommen. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berücksichtigung innerhalb dieser „Grundentscheidung“ sind dem Senat nicht ersichtlich und sind klägerseits auch nicht geltend gemacht.
Der hiernach bestehende Konflikt zwischen einer bindenden, nicht aufgehobenen rentenrechtlich relevanten Feststellung in einem Vormerkungsbescheid nach § 149 SGB VI bzw. § 1325 RVO und einer, diese Feststellung nicht übernehmenden Rentenbewilligung ist, vor dem Hintergrund, dass vorliegend im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X um die Rentenhöhe gestritten wird, ist nach der Rspr. des BSG (Urteil vom 24. April 2014 - B 13 R 3/13 R -, a.a.O.) dahingehend aufzulösen, dass die fehlerhaft unterbliebene Aufhebung des Vormerkungsbescheids allein nicht ausreicht, um einen Anspruch des Klägers auf Rücknahme des Rentenbescheides vom 12. März 2009 und Gewährung einer höheren Erwerbsminderungsrente unter Berücksichtigung der der Beitragszeiten nach Maßgabe einer Zuordnung zu Leistungsgruppen begründen zu können. § 44 SGB X soll dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns Geltung verschaffen und der Verwaltungsbehörde zur Herstellung materieller Gerechtigkeit die Möglichkeit eröffnen, Fehler, die im Zusammenhang mit dem Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, zu berichtigen. Hierbei soll nach dem Willen des Gesetzgebers dessen Rücknahme nur dann in Betracht kommen, soweit eine erneute Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Behörde zu Ungunsten des Antragstellers falsch gehandelt hat (vgl. BT-Drucks 8/4022 S 82). Ansonsten soll der Verwaltungsakt bestehen bleiben. Nicht Sinn und Zweck des Zugunstenverfahrens kann es daher sein, dem Antragsteller mehr zu gewähren, als ihm nach materiellem Recht zusteht. Diese werde, so das BSG, auch aus dem Restitutionsgedanken, der § 44 SGB X allgemein zugrunde liege, ersichtlich. Schließlich zeige auch die Gesetzessystematik, insb. § 48 Abs. 3 SGB X, dass im System der Korrekturvorschriften des SGB X materielles Unrecht nicht weiterwachsen solle (BSG, Urteil vom 24. April 2014, a.a.O., Rn. 21 der juris-Veröffentlichung). Dem schließt sich der Senat vollumfänglich an. Die klägerseits angeführte Rechtsprechung vermag hieran nichts zu ändern, da diese durchgängig vor der einschlägigen Entscheidung des BSG ergangen ist.
Mithin führt der Umstand, dass die Feststellungen in den Bescheiden vom 14. Dezember 1978 und vom 4. März 2002 nicht aufgehoben worden sind, nicht dazu, dass der Rentenbescheid vom 12. März 2009 nach § 44 SGB X zurückzunehmen und dem Kläger eine höhere Rente unter Zugrundelegung der Zuordnung von Versicherungszeiten nach dem FRG gemäß den Feststellungen in den Bescheiden vom 14. Dezember 1978 und 4. März 2002 ab dem 1. Dezember 2008 zu gewähren ist.
Auch Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes begründen keinen Anspruch auf eine höhere Rente. Ungeachtet davon, ob § 149 Abs. 5 SGB VI in Ansehung des Umstandes, dass dessen Satz 2 eine vereinfachte Aufhebung erlaubt, einen entsprechenden Vertrauensschutz bedingt, kann der Kläger jedenfalls nach Eintritt der Bestandskraft (§ 77 SGG) des Rentenbescheides vom 12. März 2009 keinen Vertrauensschutz aus der Bindungswirkung der Feststellungsbescheide vom 14. Dezember 1978 und vom 4. März 2002 mehr herleiten. Denn spätestens bei Erlass des Rentenbescheides musste er davon ausgehen, dass die hierin getroffenen Feststellungen rechtsverbindlich werden, wenn er sich nicht mit dem zulässigen Rechtsbehelf des Widerspruchs dagegen zur Wehr setzt. Hiervon hat der Kläger allerdings keinen Gebrauch gemacht. Selbst dann aber hätte die Beklagte, wie oben erörtert, den entgegenstehenden Feststellungsbescheid noch im Widerspruchsbescheid aufheben können (§ 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI). Der Kläger kann jedoch im Verfahren nach § 44 SGB X nicht besser gestellt werden, als hätte er fristgerecht Widerspruch eingelegt (BSG, Urteil vom 24. April 2014, a.a.O., Rn. 27 f. der juris-Veröffentlichung).
Der Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2015 in der Fassung des Bescheids vom 3. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2017ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 28. Januar 2020 ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Der Sache kommt insb. keine grundlegende Bedeutung zu, da die Rechtslage nach der Rspr. des BSG geklärt ist.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 2809/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 1471/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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