Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 09.06.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Wege des Überprüfungsverfahrens die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 07.12.2000 und über den 31.12.2010 hinaus bis zur Gewährung der regulären Altersrente.
Der 1961 geborene Kläger schloss im Dezember 1988 eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer/Güterverkehr ab und war zuletzt auch als Berufskraftfahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Im Januar 2000 trat Arbeitsunfähigkeit ein. Den letzten Pflichtbeitrag entrichtete er im November 2011. Zu den Einzelheiten der zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nimmt der Senat auf den Versicherungsverlauf vom 28.12.2016 (Bl. 793 ff. VA) Bezug.
Der Kläger beantragte am 07.12.2000 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bei der Beklagten (s. Bl. 51 ff. Anlagenband I des Klägers) und erstmals am 18.12.2000 die Gewährung einer Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich die Beklagte) lehnte diesen Antrag zunächst ab. Im hiergegen geführten Klageverfahren verurteilte das Sozialgericht Mannheim (SG) die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.04.2002 bis 31.03.2005 ausgehend von einem am 18.09.2001 eingetretenen Versicherungsfall (S 11 RJ 2326/01, Bl. 8 ff. Verfahrensakte L 3 R 5032/03). Die dagegen eingelegte Berufung des Klägers, die auf die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer gerichtet war, wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Urteil vom 03.05.2006 zurück (L 3 R 5032/03). Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers verwarf das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 21.08.2006 (B 5 R 276/06 B, Bl. 29 f. VA).
Mit Bescheid vom 23.02.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.03.2005 hinaus bis zum 31.03.2008. Den Weitergewährungsantrag lehnte sie mit Bescheid vom 06.02.2008 (Bl. 518 ff. VA) und Widerspruchsbescheid vom 12.09.2008 (Bl. 31 ff. VA) ab. Am 27.04.2010 stellte der Kläger zudem wiederum einen Antrag auf Gewährung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation (s. Bl. 167 Anlageband I des Klägers, s. auch Bescheid vom 02.09.2011, Bl. 1141 ff. VA). Das gegen den Bescheid vom 06.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.09.2008 eingeleitete Klageverfahren (S 14 R 3190/08) wurde am 11.02.2010 durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs beendet (Bl. 35 ff. VA), in dem sich die Beklagte u.a. verpflichtete, dem Kläger eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme und eine Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.03.2008 hinaus, jedoch längstens bis zwei Monate nach Abschluss der stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme zu bewilligen sowie unmittelbar nach Abschluss der stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme die Weiterbewilligung der Rente wegen Erwerbsminderung von Amts wegen zu prüfen.
Vom 30.09.2010 bis 28.10.2010 befand sich der Kläger in stationärer medizinischer Rehabilitation in der R-Klinik in D, aus der er mit einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Kraftfahrer und von mindestens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde (Bl. 1338 ff. VA; Diagnosen: anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Dysthymia, Beschwerdenakzentuierung im Rahmen des Rentenbegehrens, akute Otitis media links, Schwerhörigkeit beidseits).
Mit Bescheid vom 25.01.2011 verfügte die Beklagte, dass die Erwerbsminderung zum 31.12.2010 ende. Den Weitergewährungsantrag des Klägers vom 04.02.2011 (Bl. 731 VA) lehnte sie mit Bescheid vom 09.03.2011 ab (Bl. 733 ff. VA). Mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2011 wies sie die dagegen erhobenen Widersprüche zurück (Bl. 38 ff. VA). Die hiergegen beim SG erhobene Klage (S 12 R 2942/11) wurde mit Urteil vom 18.11.2013 abgewiesen (Bl. 6 ff. der Verfahrensakte L 4 R 111/14) und die dagegen beim LSG eingelegte Berufung (L 4 R 111/14) nach schriftlicher Befragung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen (Bl. 32 und 75 f. der Verfahrensakte L 4 R 111/14) und Einholung eines Sachverständigengutachtens vom Amts wegen bei dem B vom 09.09.2014 (Bl. 35 ff. der Verfahrensakte L 4 R 111/14) mit Urteil vom 27.02.2015 zurückgewiesen (Bl. 84 ff. der Verfahrensakte). Die erhobene Nichtzulassungsbeschwerde (B 13 R 132/15 B) wurde am 09.06.2015 zurückgenommen (Bl. 114 f. der Verfahrensakte L 4 R 111/14).
Ein weiterer Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung vom 20.10.2016 (Bl. 830 ff. VA) wurde - ausgehend von einem am 20.10.2016 eingetretenen Versicherungsfall - mangels Vorliegens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen mit Bescheid vom 28.12.2016 (Bl. 785 ff. VA) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.08.2017 abgelehnt (Bl. 1105 ff. VA). Die hiergegen erhobene Klage (S 12 R 2648/17) wurde mit Urteil des SG vom 04.07.2018 (Bl. 4 ff. Verfahrensakte L 2 R 2920/18) abgewiesen und die eingelegte Berufung (L 2 R 2920/18) am 22.10.2018 vom Kläger zurückgenommen (Bl. 19 Verfahrensakte L 2 R 2920/18).
Am 05.11.2018 beantragte der Kläger die Überprüfung der Bescheide vom 25.01.2011 und vom 06.03.2011 (gemeint: 09.03.2011, Bl. 979 VA) und die Umdeutung seines Antrages auf Leistungen zur Rehabilitation vom 27.04.2010 in einen Rentenantrag (Bl. 980 VA) sowie am 17.01.2019 die Überprüfung des Ablehnungsbescheides vom 06.02.2008 (Bl. 989 VA). Mit Bescheid vom 02.09.2019 (Bl. 1141 f. VA) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2020 (Bl. 1177 ff. VA) lehnte die Beklagte die Überprüfungsanträge vom 05.11.2018 und 17.01.2019 sowie die Umdeutung des Reha-Antrages vom 27.04.2010 in einen Rentenantrag ab.
Hiergegen hat der Kläger am 10.06.2020 u.a. mit dem Begehren (Klageantrag Nr. 1), die Beklagte im Rahmen der Überprüfung unter Aufhebung des Bescheides vom 02.09.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2020 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 06.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2008, der Bescheide vom 25.01.2011 und 09.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2011 zu verurteilen, seinen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation vom 27.04.2010 und auch seinen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 07.12.2000 gemäß § 116 Abs. 2 des Sechstens Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) umzudeuten und ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 07.12.2000 und über den 31.12.2010 hinaus bis zur regulären Altersrente zu gewähren, Klage beim SG erhoben. An den Klageanträgen Nrn. 2 bis 5 hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht (mehr) festgehalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 09.06.2021 hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen den ihm am 15.06.2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger - vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten - am 09.07.2021 Berufung beim LSG eingelegt. Er sei bereits seit dem 07.12.2000, zumindest jedoch seit dem 01.04.2002, durchgehend erwerbsgemindert, da sich sein Gesundheitszustand seither nicht gebessert, sondern zunehmend verschlechtert habe. Damals habe er bereits einen Antrag auf medizinische Rehabilitationsleistungen gestellt, so dass bereits ab diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Rente wegen Erwerbsminderung vorgelegen hätten. Die Weitergewährung der Rente über den 31.12.2010 hinaus sei zu Unrecht abgelehnt worden. Er leide als Folgen eines Hirntumors unter Schwindel, Konzentrationsstörungen, erheblichen Schlafstörungen und massiven Kreislaufstörungen. Auch habe er epileptische Anfälle erlitten, zuletzt im Jahr 2008. Dem Reha-Entlassungsbericht vom 28.10.2010, wonach er nicht erwerbsgemindert gewesen sein soll, habe er widersprochen. Auch habe er dem zugrundeliegenden Vergleich nicht zugestimmt, dies sei durch den damaligen Rentenberater erfolgt. H sei in seinem Gutachten aus dem Jahr 2003 von einer Erwerbsminderung ausgegangen, was S in seinem Gutachten aus dem Jahr 2013 bestätigt habe. Auch habe er eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nach damaligem Recht beantragt, so dass auch dies zu prüfen sei. Das Gutachten des S sei nicht verwertbar. Seit 2005 habe er einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 und der MDK habe bereits im Jahr 2000 festgestellt, dass eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit aus medizinischer Sicht vorliege.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 09.06.2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 02.09.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 06.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2008 und die Bescheide vom 25.01.2011 und vom 09.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2011 aufzuheben und ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 07.12.2000 und über den 31.12.2010 hinaus bis zur regulären Altersrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf ihre Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren und die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Prozessakten der Verfahren L 3 R 5032/03, L 4 R 111/14 und L 2 R 2920/18 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Abs.1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 02.09.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2020, mit dem sie die Abänderung des Bescheides vom 06.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2008 und der Bescheide vom 25.01.2011 und 09.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2011 und die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente über den 31.12.2010 hinaus im Wege des Überprüfungsverfahrens ablehnte.
Soweit der Kläger auch die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bereits ab dem 07.12.2000 begehrt, ist die Klage unzulässig, da kein entsprechendes Vorverfahren gem. § 78 SGG durchgeführt wurde. Der Kläger beantragte am 05.11.2018 die Überprüfung der Bescheide vom 25.01.2011 und vom 06.03.2011 (gemeint: 09.03.2011) und die Umdeutung seines Rehabilitationsantrages vom 27.04.2010 in einen Rentenantrag. Am 17.01.2019 beantragte er außerdem die Überprüfung des Bescheides vom 06.02.2008. Gegenstand dieser Bescheide war jedoch nicht eine Rentengewährung ab dem 07.12.2000, sondern über den 31.03.2008 (Bl. 518 ff. VA) bzw. über den 31.12.2010 (Bl. 729 ff. VA) hinaus. Zwar verwies der Kläger in seiner Widerspruchsbegründung vom 19.03.2020 (Bl. 1172 ff. VA) auch darauf, dass er am 07.12.2000 einen Rehabilitationsantrag gestellt habe, der in einen Rentenantrag umzudeuten sei. Die Beklagte griff diesen Vortrag in ihrem Widerspruchsbescheid vom 22.05.2020 jedoch nicht auf und traf somit auch keine entsprechende Entscheidung über eine Rentengewährung ab dem 07.12.2000. Eine anfechtbare bzw. überprüfbare behördliche Entscheidung über eine Rentengewährung ab dem 07.12.2000 liegt somit nicht vor. Dennoch weist der Senat darauf hin, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger bereits im Dezember 2000 erwerbsgemindert gewesen ist, da das SG die Beklagte in dem Verfahren S 11 RJ 2326/01 auf seinen Rentenantrag vom 18.12.2000 hin zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.04.2002 bis 31.03.2005 ausgehend von einem (erst) am 18.09.2001 eingetretenen Versicherungsfall verurteilte (Bl. 2 ff. VA). Diese erstinstanzliche Entscheidung wurde auch durch das LSG in seinem Urteil vom 03.05.2006 (L 3 R 5032/03, Bl. 16 ff. VA) bestätigt.
Soweit der Kläger im Wege des Überprüfungsverfahrens eine Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.12.2010 hinaus begehrt, ist die Klage unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 02.09.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte. Nach § 44 Abs. 4 SGB X werden im Falle der Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme bzw. Antragstellung erbracht. Der Zeitpunkt der Rücknahme wird dabei von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Bei einer Rücknahme auf Antrag tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den die Leistungen rückwirkend zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).
Die Rechtmäßigkeit eines Bescheides ist dabei nach der im Zeitpunkt seines Erlasses bestehenden Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht zu beurteilen (BSG, Urteil vom 14.11.2002,
B 13 RJ 47/01 R, zitiert - wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris).
Die Voraussetzungen für die Rücknahme der Bescheide vom 25.01.2011 und 09.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2011 und Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.12.2010 hinaus liegen nicht vor. Zu diesem Ergebnis kam bereits das SG in seinem Urteil vom 18.11.2013 (S 12 R 2942/11, Bl. 46 ff. VA), das seitens des 4. Senats des LSG mit dem die Berufung nach weiterer Sachaufklärung - in Form von Einholung schriftlicher Zeugenauskünfte der behandelnden V (Bl. 32 der Verfahrensakte L 4 R 111/14) und des L (Bl. 75 f. der Verfahrensakte L 4 R 111/14) sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem B (Bl. 35 ff. der Verfahrensakte L 4 R 111/14, Untersuchungstag: 16.07.2014) - zurückweisenden Urteil vom 27.02.2015 (Bl. 84 ff. der Verfahrensakte L 4 R 111/14) bestätigt wurde. Anhaltspunkte für die seitens des Klägers behauptete Unverwertbarkeit des Sachverständigengutachtens des S liegen nicht vor und wurden auch von ihm nicht konkretisiert. Eine andere Leistungseinschätzung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass - wie vom Kläger vorgetragen - der MDK bereits im Jahr 2000 von dauerhafter Arbeitsunfähigkeit und H im Jahr 2003 von einer Erwerbsminderung ausgingen. Denn zum einen ist Arbeitsunfähigkeit nicht mit Erwerbsminderung gleichzusetzen, zum anderen ist unbeachtlich, ob der Kläger im Zeitraum vom 01.04.2002 bis 31.12.2010 erwerbsgemindert war. Denn bei einem Antrag, eine befristet bewilligte Rente wegen Erwerbsminderung weiterzuzahlen - dies begehrt der Kläger gerade im Wege des Zugunstenverfahrens -, bedarf es keines Nachweises (durch die Beklagte), dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen i.S.d. § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gegenüber denen, die der (seinerzeitigen) Bewilligung zu Grunde lagen, eingetreten ist. Die Entscheidung, ob dem Versicherten nach Ablauf des Bewilligungszeitraums (weiterhin) eine Rente wegen Erwerbsminderung zusteht, ist nämlich nicht bloß die Verlängerung einer früher bereits dem Grunde nach anerkannten Sozialleistung - insbesondere auch nicht die bloße Fortschreibung einer einmal anerkannten Erwerbsminderung -, sondern stellt eine eigenständige und inhaltlich vollständige erneute Bewilligung der beantragten Rente dar (s. nur Senatsurteil vom 14.11.2019, L 10 R 3973/16, m.w.N., auch zur Rspr. des BSG). Auch kommt es für die Frage einer (fortbestehenden) Erwerbsminderung nicht darauf an, ob wegen Krankheit oder Behinderung (weiter) Behandlungsbedürftigkeit oder - auch häufige - Arbeitsunfähigkeit besteht (BSG, Beschluss vom 31.10.2002, B 13 R 107/12 B). Denn Maßstab für eine rentenrelevante Leistungseinschränkung ist die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen (BSG, Beschluss vom 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH), also die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen. Derartige Funktionsstörungen, die ein Ausmaß erreichen, dass zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Beachtung qualitativer Einschränkungen des Klägers nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich möglich sind, liegen jedoch nicht vor. Soweit der Kläger auf die Leistungseinschätzung des S in seinem für das SG in dem Verfahren S 12 R 2942/11 erstellten Gutachten verweist, setzte sich damit auch der 4. Senat in seinem Urteil vom 27.02.2015 im Verfahren L 4 R 111/14 ausführlich auseinander und verneinte eine Erwerbsminderung. Dieser Beurteilung schließt sich auch der erkennende Senat an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich auf die Entscheidungsgründe im Urteils des 4. Senats.
Eine Umdeutung des Rehabilitationsantrages vom 27.04.2010 in einen Rentenantrag gem. § 116 Abs. 2 SGB VI kommt daher mangels Vorliegens von Erwerbsminderung nicht in Betracht. Im Übrigen bewirkt § 116 Abs. 2 SGB VI die gesetzliche Fiktion eines Rentenantrags und will für den Versicherten vor allem rentenrechtliche Nachteile ausschließen, welche sich daraus ergeben können, dass er - entsprechend dem Grundsatz Rehabilitation vor Rente - zunächst nur Reha-Leistungen, nicht aber auch Rente beantragt. § 116 Abs. 2 SGG vermittelt dem Versicherten grundsätzlich kein eigenständiges, subjektiv einklagbares Recht auf „Umdeutung“ (s. Senatsbeschluss vom 21.10.2016, L 10 R 319/16, juris; KassKomm/Kater, 117. EL Dezember 2021, SGB VI § 116 Rdnr. 3).
Soweit der Kläger außerdem im Wege des Zugunstenverfahrens die Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2008 begehrt, scheitert dies bereits daran, dass sich dieser Bescheid durch den Vergleichsabschluss am 11.02.2010 in dem Verfahren S 14 R 3190/08 und der darin geregelten Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsminderung über den 31.03.2008 hinaus erledigte (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X). Ein überprüfungsfähiger Bescheid existiert somit nicht (mehr). Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der damalige prozessbevollmächtigte Rentenberater des Klägers nicht zum Vergleichsabschluss berechtigt war.
Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung darauf verweist, dass er auch eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nach „damaligem“ Recht - gemeint wohl eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) - beantragt habe, war eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI a.F. weder Regelungsgegenstand der Bescheide vom 25.01.2011 und 09.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2011 und somit auch nicht Streitgegenstand des vorliegenden Zugunstenverfahrens, noch ist die Gewährung einer Rente vor dem 01.04.2002 Streitgegenstand (s. hierzu oben). Der Vortrag des Klägers geht somit ins Leere.
Eine weitere Sachaufklärung durch Befragung der den Kläger aktuell behandelnden Ärzte ist vor diesem Hintergrund nicht angezeigt. Insbesondere kann auch dahinstehen, ob beim Kläger - wie von ihm vorgetragen - noch weitere gesundheitliche Einschränkungen in Form von Arthrose sowie Schulter- und Hüftschmerzen „hinzugekommen“ sind. Denn selbst wenn der Kläger zwischenzeitlich wieder erwerbsgemindert ist - wovon die Beklagte ausgeht -, liegen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht mehr vor (s. auch bestandskräftiger Bescheid vom 20.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2017).
Nach alledem hat der Kläger weder einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 07.12.2000 noch über den 31.12.2010 hinaus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.