Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23. April 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer höheren Altersrente unter Anerkennung der in U zurückgelegten Beschäftigungszeiten vom 13. Juli 1960 bis 1. August 1961 und 1. August 1965 bis 14. August 2000 als Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG).
Die 1943 in B geborene Klägerin arbeitete in U vom 13. Juli 1960 bis 1. August 1961 in einem Zementwerk, vom 1. August 1965 bis August 1992 in der Gemeindeverwaltung bzw. als Grundschullehrerin und vom 1. August 1996 bis 14. August 2000 erneut als Grundschullehrerin.
Am 1. Februar 1990 reiste die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann auf der Grundlage einer am 12. Oktober 1989 von dem Beigeladenen erteilten Übernahmegenehmigung von U in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ein Antrag auf Einbeziehung als Aussiedler in die Verteilung nach der Verordnung über die Bereitstellung von Durchgangslagern und über die Verteilung der in das Bundesgebiet aufgenommenen deutschen Vertriebenen auf die Länder des Bundesgebietes - Verteilungsordnung - vom 28. März 1952 wurde vom Beigeladenen mit Bescheid vom 14. Februar 1990 zur weiteren Sachverhaltsermittlung ausgesetzt. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, es habe nicht eindeutig festgestellt werden können, ob und inwieweit sich die Eltern des Ehemannes der Klägerin und der Klägerin vor 1945 noch zum deutschen Volkstum bekannt hätten. Die Eheleute hätten vorerst ihre ungarische Staatsangehörigkeit nicht aufgeben wollen. Sie seien darauf hingewiesen worden, dass sie beim örtlich zuständigen Vertriebenenamt/Ausgleichsamt ein Feststellungsverfahren nach dem BVFG betreiben könnten. Im Bescheid wird außerdem u.a. erwähnt, die Klägerin und ihr Ehemann hätten sich schon früher unzählige Male in Deutschland und anderen westlichen Ländern aufgehalten und sich jetzt entschlossen, von dieser Reise ins Bundesgebiet nicht mehr nach U zurückzukehren, sondern hier ständigen Aufenthalt zu nehmen und hierfür humanitäre Gründe angegeben. Sie wollten sich zu einem alleinstehenden Verwandten begeben, der keine weiteren Verwandten mehr habe.
Im März 1990 reiste die Klägerin – ohne einen Antrag auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises zu stellen - mit ihrem Ehemann aufgrund einer Erkrankung ihres Vaters zurück nach U, wo sie im weiteren Verlauf – nach dem Tod ihres Vaters - ihre Mutter pflegte und weiterhin (ab April 1990) in der Gemeindeverwaltung bzw. als Grundschullehrerin beschäftigt war (zunächst bis Schuljahresende 1992). Ihr Ehemann war bereits seit 1992 in Deutschland erwerbstätig; der einzige Sohn studierte in Deutschland und ist seit 1995 mit einer Deutschen verheiratet. Mit Schreiben vom 30. Dezember 1996 teilte der Beigeladene dem Sohn der Klägerin mit, die Klägerin könne aus der Übernahmegenehmigung vom 12. Oktober 1989 keine Rechte mehr herleiten. Diese habe nur zur einmaligen Einreise nach Deutschland berechtigt, um die endgültige Feststellung der Aussiedlereigenschaft bei der örtlich zuständigen Behörde zu betreiben und sei 1990 mit der Vorsprache bei dem Beigeladenen bereits in Anspruch genommen worden.
Aufgrund eines Vergleichs im verwaltungsgerichtlichen Verfahren 10 K 5388/00 erteilte der Beigeladene der Mutter der Klägerin am 3. März 2004 einen Aufnahmebescheid nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Mit Bescheid vom 27. Dezember 2004 bezog der Beigeladene die Klägerin in den Aufnahmebescheid der Mutter ein, nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 16. Juli 2004 und 14. August 2004 erklärt hatte, sie begehre nicht die Aufnahme als Spätaussiedlerin. Am 12. September 2005 siedelte die Klägerin gemeinsam mit ihrer Mutter nach Deutschland über.
Mit Bescheinigung vom 14. Oktober 2005 erkannte der Beigeladene die Klägerin auf ihren Antrag nach § 15 Abs. 2 BVFG als Abkömmling eines Spätaussiedlers nach § 7 Abs. 2 BVG an.
Nachdem die Klägerin im März und Mai 2006 bei dem Beigeladenen - mit Verweis auf die erteilte Übernahmegenehmigung und die Übergangsvorschrift des § 100 Abs. 4 BVFG - die Anerkennung als Spätaussiedlerin gemäß § 4 BVFG und die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG beantragt hatte, teilte dieser mit Schreiben vom 11. Mai 2006 mit, die Voraussetzungen der Spätaussiedlereigenschaft seien bereits geprüft worden und die Klägerin sei als Abkömmling eines Spätaussiedlers anerkannt worden mit Erteilung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG. Damit liege eine endgültige Entscheidung über die Vertriebenenrechte der Klägerin vor.
Am 26. Juli 2015 beantragte die Klägerin die Gewährung von Altersrente unter Berücksichtigung des FRG. Sie habe Beitragszeiten im Vertreibungsgebiet zurückgelegt.
Mit Bescheid vom 26. Oktober 2016 bewilligte die Beklagte der Klägerin Regelaltersrente ab dem 1. Juli 2015 in Höhe von monatlich 6,49 €. Die Zeit vom 13. Juli 1961 bis 1. August 1961 und vom 1. August 1965 bis 14. August 2000 könne nicht als Beitragszeit oder Beschäftigungszeit anerkannt werden, weil die persönlichen Voraussetzungen des § 1 FRG nicht vorlägen. Die Anerkennung als Ehegatte/Abkömmling eines Spätaussiedlers nach § 7 Abs. 2 BVFG sei nicht ausreichend.
In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch brachte die Klägerin vor, sie erfülle die Voraussetzungen für die Anerkennung eines vertriebenenrechtlichen Status. Nachdem die Beklagte die Klägerin darauf hingewiesen hatte, dass sie nicht zum berechtigten Personenkreis nach § 1 FRG gehöre, weil sie weder durch Vorlage eines Vertriebenenausweises oder einer Spätaussiedlerbescheinigung ihre Zugehörigkeit zum Personenkreis der §§ 1, 4 BVFG nachgewiesen habe, noch zum Personenkreis heimatloser Ausländer im Sinne des § 1 HAuslG gehöre, teilte die Klägerin mit, die Beklagte müsse überprüfen, ob sie nicht zu dem nach dem FRG berechtigten Personenkreis gehöre.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2017 verzichtete die Klägerin auf ihre Regelaltersrente, teilte dann jedoch auf das Bestätigungsschreiben der Beklagten hin mit, sie habe nicht auf die Rente verzichten wollen.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2017 bewilligte die Beklagte erneut Regelaltersrente ab dem 1. Juli 2015, weiterhin ohne Berücksichtigung der ungarischen Beitragszeiten. Die Beklagte erklärte sich gleichzeitig bereit, die Rentenangelegenheit erneut zu überprüfen, sofern das Verfahren bei der Beigeladenen zu Gunsten der Klägerin ausgehe.
Bereits am 14. April 2015 hatte die Klägerin bei dem Beigeladenen erneut die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG beantragt und auf ihr Aufnahmeverfahren (September 2005) verwiesen.
Nachdem die Klägerin am 2. Dezember 2016 Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht (VG) Köln erhoben hatte (7 K 11164/16), lehnte der Beigeladene den Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG ab. Das Bescheinigungsverfahren sei bestandskräftig abgeschlossen und das Vorbringen zu § 100 Abs. 4 BVFG sei nach § 51 Abs. 2 VwVfG unbeachtlich, weil nicht ersichtlich sei, dass die Klägerin ohne grobes Verschulden gehindert gewesen sei, diesen Umstand, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen. Auch sei die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht gewahrt und schließlich habe sich die Sach- und Rechtslage nicht zugunsten der Klägerin geändert. Ein Wiederaufgreifen im Ermessenswege komme ebenfalls nicht in Betracht. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit rechtskräftigem Urteil vom 11. Dezember 2017 entschied das VG Köln, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 BVFG habe. Einem Anspruch stehe bereits § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG entgegen, wonach eine solche Spätaussiedlerbescheinigung nur ausgestellt werden könne, wenn die Erteilung eines Aufnahmebescheids beantragt und nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt worden sei. Daran fehle es, weil die Klägerin vor ihrer Einreise am 12. September 2005 unzweideutig erklärt habe, dass ein Aufnahmebescheid nicht beantragt, sondern die Übersiedlung aufgrund der Einbeziehung in den Aufnahmebescheid der Mutter vollzogen werden solle. Die Klägerin habe die Spätaussiedlereigenschaft auch nicht nach der Übergangsvorschrift des § 100 Abs. 4 BVFG erworben, weil sie im März 1990 nach U zurückgekehrt sei, dort dauerhaft Wohnsitz genommen und erst 2005 als einbezogene Person zurück nach Deutschland eingereist sei. Die 1989 erteilte Übernahmebescheinigung alten Rechts habe dadurch ihre Wirksamkeit verloren. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG Münster) lehnte mit Beschluss vom 13. April 2018 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG Köln vom 11. Dezember 2017 ab (11 A 378/18) und schloss sich in der Begründung der vom VG Köln vertretenen Rechtsansicht an.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2016 teilte die Klägerin mit, sie habe im Februar 1990 den Status als Vertriebene i.S.d. § 1 BVFG a.F. erlangt und über diese Eigenschaft liege noch keine Feststellung des Beigeladenen vor.
Hierzu teilte der Beigeladene auf Anfrage der Beklagten mit, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Prüfung ihres Vertriebenenstatus nach § 100 Abs. 2 S. 3 BVFG. Bei dem Beigeladenen liege kein Antrag einer Behörde auf Feststellung der Vertriebeneneigenschaft vor und die Klägerin selbst sei nicht antragsbefugt. Darüber hinaus falle sie nicht unter den von § 100 Abs. 2 BVFG begünstigten Personenkreis, da sie ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet unter Aufgabe ihres Wohnsitzes im Vertreibungsgebiet nicht vor dem 1. Januar 1993 begründet habe.
Auf erneute Anfrage bei dem Beigeladenen teilte dieser mit Schreiben vom 8. April 2019 mit, es lägen keine Anträge der Beklagten nach § 100 BVFG vor. Unabhängig davon zähle die Klägerin nicht zu dem von § 100 BVFG begünstigten Personenkreis. Hierzu wurde auf die Ausführungen des VG Köln im Urteil vom 11. Dezember 2017 und des OVG Münster im Beschluss vom 13. April 2018 verwiesen. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei ein Status als Vertriebene nicht 1990 kraft Gesetzes entstanden. Zwar sei der Status als Vertriebener/Aussiedler bei Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen mit Verlassen des Herkunftsgebiets entstanden. Anlässlich der Vorsprache der Klägerin und ihres Ehemannes in der Außenstelle N am 14. Februar 1989 (gemeint 1990) habe aber gerade nicht festgestellt werden können, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Aufnahme nach dem BVFG erfüllt seien und sie tatsächlich ihr Herkunftsgebiet verlassen hätten, weshalb sie nicht als Aussiedler registriert und verteilt worden seien, sondern das Verfahren ausgesetzt und den Eheleuten freigestellt worden sei, zur Durchführung der erforderlichen Ermittlungen einen Antrag auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises bei einer Kommune zu stellen. Die Eheleute seien aber nach Ablauf des befristeten Visums im März 1990 in das Herkunftsgebiet zurückgekehrt, ohne einen Antrag auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises zu stellen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei weder als Vertriebene nach § 1 BVFG noch als Spätaussiedlerin nach § 4 BVFG, sondern lediglich als Abkömmling eines Spätaussiedlers nach § 7 Abs. 2 BVFG anerkannt.
Die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 100 BVFG seien nicht erfüllt. Hierzu hat die Beklagte auf die Ausführungen des Beigeladenen im Schreiben vom 8. April 2019 Bezug genommen.
Dagegen hat die Klägerin am 24. Juli 2019 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und daran festgehalten, dass sie Berechtigte nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG sei.
Die Beklagte hat dargelegt, sie sei an die Entscheidung der Behörde, die über den Spätaussiedlerstatus bzw. die Vertriebeneneigenschaft entscheide (Beigeladener) gebunden und angeregt, den Beigeladenen zur Stellungnahme zum Vorbringen der Klägerin aufzufordern.
Mit Beschluss vom 9. September 2019 hat das SG das Bundesverwaltungsamt zum Verfahren beigeladen.
Der Beigeladene hat mitgeteilt, ein Aussiedler, der sein Vertreibungsgebiet unter Wohnsitzaufgabe verlassen habe, habe nach altem Recht bis 30. Juni 1990 beim Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen bereits vor Eintreffen im Bundesgebiet den Vertriebenenstatus gehabt. Ab Inkrafttreten des Aussiedleraufnahmegesetzes zum 1. Juli 1990 habe das Gesetz nicht nur das Verlassen des Vertreibungsgebiets, sondern ein Verlassen im Wege des Aufnahmeverfahrens verlangt und erst mit der ständigen Aufenthaltsnahme im Bundesgebiet habe der vertriebenenrechtliche Status entstehen können. Die Klägerin habe entgegen ihrer Angaben in der Klagebegründung und ungeachtet der Zweifel am Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine vertriebenenrechtliche Anerkennung das Herkunftsgebiet U im Februar 1990 nicht verlassen, sondern sei – nachdem der Antrag auf Einbeziehung in die Verteilung ausgesetzt worden sei - ohne ein Feststellungsverfahren nach dem BVFG beim zuständigen Vertriebenenamt/Ausgleichsamt zu stellen - an ihren bisherigen Wohnsitz in U zurückgekehrt und habe in der Folge ihre bis dahin ausgeübten Berufe beibehalten. Sie habe erst im Jahr 2004 einen Antrag auf Aufnahme nach dem BVFG gestellt und die Einbeziehung in einen ihrer Mutter zu erteilenden Aufnahmebescheid beantragt. Zu den Verwaltungsvorgängen des Aufnahmeverfahrens hat die Beigeladene auf ihre Akten und die Ausführungen im Urteil des VG Köln vom 11. Dezember 2017 sowie im Beschluss des OVG Münster vom 13. April 2018 verwiesen.
Soweit die Klägerin vorgetragen habe, in Absprache mit dem Vertriebenenamt der Stadt F die Rückreise nach U angetreten zu haben, seien die Ermittlungen ergebnislos geblieben. Die Stadt F habe auf Anfrage mitgeteilt, dass eine Akte bzw. ein Antrag auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises der Klägerin bzw. deren Ehemann nicht zu finden sei. Nur der Sohn der Klägerin habe am 13. März 1990 einen Antrag auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises gestellt.
Hierzu hat sich die Klägerin kritisch geäußert und an ihrer Auffassung festgehalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 23. April 2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente unter Berücksichtigung der streitgegenständlichen, in U zurückgelegten Beschäftigungszeiten. Die Klägerin sei nach der rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln vom 11. Dezember 2017, mit der die Erteilung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG und damit die Anerkennung als Spätaussiedlerin abgelehnt worden sei, nicht als Spätaussiedlerin im Sinne des § 4 BVFG anerkannt, sondern lediglich als Abkömmling eines Spätaussiedlers nach § 15 Abs. 2 BVFG. Sie sei auch nicht Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG. Sie sei zwar am 1. Februar 1990 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, jedoch bereits im März 1990 wieder nach U zurückgekehrt, wo sie bis zur Einreise nach Deutschland im September 2005 gelebt und in ihrem ursprünglichen Beruf tätig gewesen sei. Sie habe erst mit der Einreise am 12. September 2005 ihren Wohnsitz in U aufgegeben und könne somit keinen Vertriebenenstatus nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG geltend machen. Die in U zurückgelegten Beschäftigungszeiten könnten daher nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG nicht anerkannt werden. Die Übernahmegenehmigung vom 12. Oktober 1989 berechtige nur zur Einleitung eines entsprechenden Verfahrens zur Anerkennung der Spätaussiedlereigenschaft und stelle diese nicht fest. Einen Antrag auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises habe die Klägerin 1990 nicht gestellt.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten (ihrem Ehemann) am 30. April 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27. Mai 2020 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.
Sie habe den Vertriebenenstatus mit der Einreise nach Deutschland am 1. Februar 1990 auf Grundlage eines Besucher-Visums (ausgestellt in B) und im Besitz einer bestandskräftigen Übernahmegenehmigung (als Aufnahmeakt i. S. des Art. 116 GG) der Beigeladenen erworben. Hierfür sei nicht relevant, dass sie keinen Antrag auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises gestellt habe. Auch sei der Vertriebeneneigenschaft begründende Umstand, der darin liege, dass die Klägerin wegen ihres Deutschtums ihre Heimat verlassen musste, durch die Rückkehr und vorübergehende Aufenthaltsverlegung nach U nicht einfach wieder aus der Welt geschafft. Nach dem Gesetzeszweck solle nur derjenige mit dem Verlust eines vertriebenenrechtlichen Status sanktioniert werden, der sich nachdrücklich und endgültig von Deutschland wieder gelöst habe, was bei ihr, trotz der Zwangslage nach ihrer Rückkehr 1990, nicht der Fall gewesen sei. Der Beigeladene habe nicht den Nachweis führen können, dass sie ab März 1990 bzw. in der Folgezeit bis zur erneuten Einreise 2005 einen dauernden Aufenthalt in ihrem Herkunftsland U begründet habe. Es komme nicht allein auf die zeitliche Dauer der Aufenthaltsverlegung an, sondern auch auf die bestehende Absicht, für grundsätzlich unbeschränkte Dauer einen neuen Schwerpunkt der eigenen Lebensverhältnisse am neue Aufenthaltsort zu begründen. Die Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit sei wenig aussagekräftig und daraus lasse sich nicht herleiten, dass dieser Aufenthalt auf unbeschränkte Zeit beabsichtigt gewesen sei. Sie habe sich in U mehrfach um eine Ausreise nach Deutschland bemüht. Sie habe auch auf ihre genehmigte Übernahme vertraut und vor der Ausreise 1990 Vermögensdispositionen unternommen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Vor der Einreise nach Deutschland habe sie ohne Mietverhältnis zusammen mit den Schwiegereltern unter der Adresse M, H T gewohnt und dieses Haus seit März 1990 nicht mehr genutzt. Nach der Rückkehr nach U Mitte März 1990 habe sie im Haus ihrer Eltern (O, H S) gelebt. Vom Senat sei erstmalig (im Beschluss über die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe) die Wohnsitzaufgabe und der subjektive Wille zur Wohnsitzaufgabe in U bemängelt worden, wobei die faktische Wohnsitzaufgabe unstreitig sei. Es sei unverhältnismäßig, eine evtl. statuserwerbsbetreffende Entscheidung nur auf den subjektiven Wohnsitzaufgabewillen zu stützen. Sie habe nicht die Absicht gehabt, nach U zurückzukehren. Mit der Einleitung des Übernahmeverfahrens, der Registrierung und dem Antrag auf Aufnahme als Aussiedler in dem Grenzdurchgangslager N sei ihr Wille zur endgültigen Wohnsitzaufgabe in U nach außen als auch für die betroffenen deutschen Amtsstellen als mit der Sache vertrauten Beobachter offensichtlich erkennbar gewesen. Streitig sei nur die von der Gegenseite behauptete statusvernichtende Rechtswirkung ihrer Rückkehr ins Vertreibungsgebiet im März 1990.
Da die im Januar 1990 beantragte Entlassung aus dem Angestelltenverhältnis während des laufenden Schuljahres nicht möglich gewesen sei, sei die Entscheidung bis zum Ende des Schuljahres hinausgeschoben worden. Es sei im Februar und März 1990 eine unbezahlte Freistellung erfolgt, weil während des Schuljahres kein Urlaub möglich sei. Im April 1990 habe sie einen Halbtagsjob im Schulhort aufgenommen. Mit Schuljahresende 1992 habe sie ihr Arbeitsverhältnis als Angestellte wieder gekündigt und ausweislich auch aufgegeben. Noch im Sommer und Herbst 1992 und in der Folgezeit habe sie sich mit ihrer Mutter mehrmals im Jahr kürzere Zeit in Deutschland aufgehalten, um ihren Ehemann und einzigen Sohn, sowie den Bruder ihrer Mutter zu besuchen und die Wirkung der zwangsläufigen Familientrennung zu lindern. Diese kurzfristigen Reisen seien mit ungarischem Reisepass visafrei erfolgt. Die bemängelte Aufgabe des Angestelltenverhältnisses der Klägerin sei somit im Juni 1992, auf jeden Fall vor dem 1. Januar 1993, erfolgt. Der vom Senat in Zweifel gezogene Tatbestand „Verlassen des Vertreibungsgebiets" sei aus diesem Aspekt vollkommen erfüllt. Der Erwerb des Vertriebenenstatus habe keinen Aufenthalt im Bundesgebiet vorausgesetzt. Die Klägerin hat ferner Bezug genommen auf das Urteil des LSG vom 22. Januar 2008, Az.: L 11 R 4603/06, bei dem es sich um einen ähnlich gelagerten Fall mit „mehrmaligen Rückkehr und Verbleib“ handele.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23. April 2020 aufzuheben sowie den Bescheid vom 26. Oktober 2016 in der Fassung des Bescheids vom 30. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juni 2019 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr höhere Altersrente unter Berücksichtigung der in U zurückgelegten Beschäftigungszeiten vom 13. Juli 1960 bis 1. August 1961 und 1. August 1965 bis 14. August 2000 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat an ihrem Rechtsstandpunkt festgehalten und auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids verwiesen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und die ihm vorliegenden Akten der Klägerin und ihres Ehemannes sowie ihres Sohnes vorgelegt.
Es bestünden erhebliche Zweifel an den Angaben der Klägerin, sie habe bis Februar 1990 bei ihren Schwiegereltern (M, H T) gelebt und diesen Wohnsitz wegen der Ausreise in das Bundesgebiet aufgegeben, sowie nach der unfreiwilligen Rückkehr nach U in der Wohnung ihrer Eltern (O, H S) gelebt.
In dem durch den Onkel der Klägerin am 20. Juli 1989 gestellten Antrag auf Erteilung einer Übernahmegenehmigung sei die Anschrift der Eheleute B1 mit „M1, H T“ angegeben worden. Der Sohn der Klägerin habe im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Erteilung eines Vertriebenenausweises am 13. März 1990 gegenüber der Stadt F angegeben, seine Eltern hielten sich zwar zeitweise in H1 bei A (Bruder der Großmutter mütterlicherseits) auf, ihren Wohnsitz in U hätten sie aber beibehalten. Sie würden pendeln, weil sie in U ein eigenes Haus hätten.
In einer schriftlichen Erklärung gegenüber der Stadt F hätten die Klägerin und ihr Ehemann am 6. Dezember 1991 im Verfahren ihres Sohnes ihre Adresse in U mit M1, H T angegeben.
Auch im Antrag auf Erteilung eines Einbeziehungsbescheides vom 16. Juli 2004 habe die Klägerin ihre Anschrift im Herkunftsgebiet mit M1, H T angegeben. Es könne daher kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass es sich bei der Anschrift M1, H T um das „eigene Haus" der Klägerin und ihres Ehemannes handele oder gehandelt habe und dieser Wohnsitz vor der Einreise in das Bundesgebiet im Februar 1990 definitiv nicht aufgegeben worden sei. Es sei davon auszugehen, dass die Eheleute B1 an eben diesen Wohnsitz im März 1990 zurückgekehrt seien.
Außerdem habe auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin fortbestanden.
Da die Klägerin U im Februar 1990 nicht unter Aufgabe ihres Wohnsitzes verlassen habe, sei ein Vertriebenenstatus - unabhängig vom Vorliegen der materiell rechtlichen Voraussetzungen - schon deshalb gar nicht entstanden. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in diesem Zusammenhang „von der Behauptung einer statusvernichtenden Rückkehr" ausgehe, liege er daher falsch. Seine Ausführungen im Zusammenhang mit der Aufgabe der Berufstätigkeit seiner Ehefrau im Jahr 1992 lägen neben der Sache. Denn der Vertriebenenstatus sei nur bis zum 30. Juni 1990 beim Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen bereits mit Verlassen des Herkunftsgebietes entstanden, ab dem 1. Juli 1990 - Inkrafttreten des Aussiedleraufnahmegesetzes - aber erst mit Verlassen des Herkunftsgebietes und der Begründung eines ständigen Aufenthaltes im Bundesgebiet im Wege des Aufnahmeverfahrens.
Da die Übernahmegenehmigung der Klägerin nach der Einreise im Februar 1990 verbraucht, ein Vertriebenenstatus aber nicht entstanden war, hätte sie für eine vertriebenenrechtliche Aufnahme und Anerkennung nach dem 1. Juli 1990 einen Aufnahmeantrag stellen müssen und dessen Genehmigung im Herkunftsgebiet abwarten müssen.
Die Klägerin hat hierzu ergänzend vorgebracht, ihr Ehemann und sie hätten ihre frühere Niederlassung im Wohnhaus T, M1 im Zuge ihres Übernahmeverfahrens Mitte 1989 aufgehoben und seien zu den Eltern/Schwiegereltern unter T, M umgezogen und hätten ihren Lebensmittelpunkt hierhin verlegt, wo sie auch bereits früher nach ihrer Eheschließung gewohnt hätten. Diese Wohnung hätten sie im Februar 1990 endgültig verlassen.
Der Grund des freiwilligen Umzugs habe darin gelegen, dass viele Sachen und kleinere Hausratsgegenstände zu dieser Zeit nach H1 am Rhein genommen und einige Dinge verschenkt worden seien, zudem sei das Versorgungssystem des Hauses (Strom, Wasser, Heizung) außer Betrieb genommen und auch die erforderliche vorsorgliche Frostschutzmaßnahme durchgeführt worden. Das Haus sei demnach zum Wohnen und Übernachten nicht mehr geeignet gewesen. Der Grundbuchstand der Immobilie habe sich nicht geändert. Die Adresse sei nur als Postanschrift beibehalten worden. Nach der unausweichlichen Rückkehr nach U im März 1990 hätten sie pflichtgemäß die häusliche Pflege und Betreuung für die volksdeutsche Mutter der Klägerin in ihrem von T ca. 15-16 km entfernten Haus, S, O. geleistet, wo sie auch schon früher, in der sog. Erziehungszeit der Klägerin von 1969-1971 gewohnt hätten.
Es sei Folge des vorliegenden atypischen Falls dass sie zwischen H1 und U gependelt seien und dies sei unabhängig von der früher definitiv vollzogenen Wohnsitzaufgabe. Auch sei das Urteil des VG Köln vom 11. Dezember 2017 falsch und könne den Senat nicht binden.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und des Beigeladenen sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist statthaft und zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung höherer Altersrente unter Berücksichtigung von in U zurückgelegten Beschäftigungszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG), weil sie nicht unter den Anwendungsbereich des FRG fällt.
Gemäß § 1 a) FRG findet das Fremdrentengesetz Anwendung auf Vertriebene im Sinne des § 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 BVFG, die als solche in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt sind.
Die Klägerin ist jedoch weder als Vertriebene noch als Spätaussiedlerin in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt worden. Sie ist – wie das SG zutreffend dargelegt hat – lediglich als Abkömmling eines Spätaussiedlers nach § 15 Abs. 2 BVFG anerkannt und nicht als Spätaussiedlerin gemäß § 4 BVFG. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG und damit die Anerkennung als Spätaussiedlerin liegen nach rechtskräftiger Entscheidung des VG Köln vom 11. Dezember 2017 nicht vor, weil dem § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG (in der am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Fassung) entgegensteht und auch die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des § 100 Abs. 4 BVFG nicht erfüllt sind. Hierzu wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des VG Köln vom 11. Dezember 2017 und des Beschlusses des OVG Münster vom 13. April 2018 verwiesen.
Da die Entscheidung über die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG nach § 15 Abs. 1 Satz 2 für alle Behörden und Stellen verbindlich ist, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach diesem oder einem anderen Gesetz zuständig sind, kann der Nachweis der Spätaussiedlereigenschaft aber allein durch eine solche, auch den Senat bindende Bescheinigung erbracht werden (vgl. LSG, Urteil vom 17. September 2009 – L 10 R 3223/07 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 5 RJ 21/05 R und Urteil vom 26. Januar 2000 – B 13 RJ 39/98 R).
Die Klägerin ist auch weder als Vertriebene gemäß § 1 BVFG anerkannt, noch liegen die Voraussetzungen für eine solche Anerkennung vor.
Im Fall der Klägerin kommt allenfalls eine Anerkennung nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG (in der hier maßgebenden Fassung bis 30. Juni 1990 (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG a.F.) in Betracht. Danach ist Vertriebener auch, wer als deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen vor dem 1. Juli 1990 oder danach im Wege des Aufnahmeverfahrens vor dem 1. Januar 1993 die ehemals unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete, Danzig, Estland, Lettland, Litauen, die ehemalige Sowjetunion, Polen, die Tschechoslowakei, U, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien, Albanien oder China verlassen hat oder verlässt, es sei denn, dass er, ohne aus diesen Gebieten vertrieben und bis zum 31. März 1952 dorthin zurückgekehrt zu sein, nach dem 8. Mai 1945 einen Wohnsitz in diesen Gebieten begründet hat (Aussiedler).
Der kraft Gesetzes eintretende Vertriebenenstatus konnte früher ausschließlich durch feststellenden Verwaltungsakt bestätigt werden, indem die Vertriebenenbehörde einen Vertriebenenausweis i.S. des § 15 BVFG in der bis einschließlich 31. Dezember 1992 geltenden Fassung vom 3. September 1971 ( BGBl I 1565, nachfolgend: alter Fassung – a.F.) erteilte ( BVerwGE 78, 139, 144 = Buchholz 412.3 § 18 BVFG Nr. 11 S. 7 ). Einen solchen Vertriebenenausweis gemäß § 15 BVFG a.F. besitzt die Klägerin nicht. Ob sie über sonstige Bescheinigungen, wie hier z.B. eine Übernahmegenehmigung, verfügt, ist – unabhängig von der Frage, ob die Übernahmegenehmigung von 1989 noch wirksam ist, was im rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Köln ausdrücklich verneint wurde - unerheblich, da diese Dokumente den Nachweis der Anerkennung als Vertriebene nicht erbringen (vgl. BVerwGE 95, 311 = Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 72 zum Aufnahmebescheid, der im neuen Recht ähnliche Funktionen hat wie die Übernahmegenehmigung im früheren – vgl. § 100 Abs. 4 BVFG neuer Fassung – n.F. -; BVerwG Buchholz 130 § 39 RuStAG Nr. 1 zum Verhältnis von Registrierschein und Staatsangehörigkeitsausweis) .
Da die Klägerin einen Antrag auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises nach altem Recht (§ 15 BVFG a.F.) nicht bis spätestens 31. Dezember 1992 gestellt hat, könnte die Vertriebenen- oder Flüchtlingseigenschaft nur auf Ersuchen einer Behörde, die für die Gewährung von Rechten und Vergünstigungen an Vertriebene oder Flüchtlinge zuständig ist, vom Beigeladenen festgestellt werden (§ 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F.). Damit entfällt jegliche unmittelbare Rechtsbeziehung des Betroffenen zur Vertriebenenbehörde; die Feststellung erfolgt vielmehr auf Ersuchen der Leistungsbehörde als verwaltungsinterne Mitwirkungshandlung ausschließlich dieser gegenüber und stellt mangels unmittelbarer Rechtswirkung im Verhältnis zum Bürger keinen Verwaltungsakt i.S. des § 31 Satz 1 SGB X dar. Die Entscheidung über die Anerkennung als Vertriebener ist nach neuem Recht ein unselbständiger Teil des Verfahrens bei der Leistungsbehörde (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2006 – B 5 RJ 54/04 R – juris, m.w.N.). Eine ausdrückliche Entscheidung in einem solchen Feststellungsverfahren liegt nicht vor; allerdings hat der Beigeladene in seinem Schreiben an die Beklagte vom 8. April 2019, dessen Inhalt der Klägerin mit Schreiben vom 9. Mai 2019 von der Beklagten bekanntgegeben wurde, seine Rechtsauffassung deutlich gemacht, dass die Klägerin nicht zu dem von § 100 BVFG begünstigten Personenkreis zähle und von falschen Voraussetzungen ausgehe, soweit sie darauf abstelle, ihr Status als Vertriebene sei 1990 kraft Gesetzes entstanden. Dieses Schreiben ist daher jedenfalls sinngemäß als ablehnende Entscheidung im Hinblick auf den streitigen Vertriebenenstatus der Klägerin aufgrund der von der Beklagten gestellten Anträge vom 20. Januar 2017 und 20. Juni 2017 zu interpretieren.
Zwar kann aus einer möglichen Bindung der Beklagten an die Feststellung der Beigeladenen nicht auf deren Verbindlichkeit im sozialgerichtlichen Verfahren geschlossen werden, so dass das Gericht die Voraussetzungen der Vertriebeneneigenschaft materiell-rechtlich zu prüfen hat (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2006 – B 5 RJ 54/04 R - juris).
Der Senat hat jedoch keine Zweifel daran, dass die Rechtsauffassung des Beigeladenen zutreffend ist. Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVfG a.F., weil nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen ist, dass sie ihr Herkunftsgebiet U im Februar 1990 endgültig verlassen hat.
Unter „Verlassen“ i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVfG a.F. a.F. ist die Aufgabe des bisherigen Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet zu verstehen (BVerwG, Urteil vom 2. November 2000, a.a.O.). Der Wohnsitzbegriff des BVFG ist entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BVerwG der Gleiche wie in § 7 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), nicht etwa derjenige des § 30 Abs. 3 SGB I (BVerwG, Beschluss vom 24. Januar 1989, 9 B 356/88, juris; Urteil vom 27. Juni 1989, 9 C 6/89, BVerwGE 82, 177, 179 m.w.N.). Er ist vom bloßen Aufenthalt abzugrenzen. Erforderlich ist danach zunächst - objektiv - eine Niederlassung, d.h. eine eigene Unterkunft, für die auch ein möbliertes Zimmer oder eine behelfsmäßige Unterkunft, z. B. bei Verwandten und Freunden, ausreicht (von Schenkendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, Anm. 3 a) aa) zu § 1 Abs. 1 BVFG a. F.; Saenger in: Erman, BGB, 12. Aufl. 2008, § 7 Rdnr. 5 m.w.N.). Verlangt wird die damit verbundene Bildung eines Lebensmittelpunkts (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 1989, a.a.O.). Nicht erforderlich ist, dass der Ort zum Mittelpunkt der gesamten Lebensverhältnisse gemacht wird, doch ist ein Verweilen für längere Zeit erforderlich (Saenger, a.a.O.). Hierbei handelt es sich um objektive Umstände, die von einer bestimmten Dauer ihres Bestehens nicht abhängig sind.
Hinzutreten muss als subjektives Element weiterhin der Wille, diesen Zustand auf Dauer aufrechtzuerhalten. Hierauf kann aus den Umständen geschlossen werden (von Schenkendorff, a.a.O., Anm. 3 a) bb) zu § 1 Abs. 1 BVFG a. F.). Dem Merkmal der Dauerhaftigkeit steht die Ungewissheit darüber, ob die Niederlassung für immer beibehalten werden kann oder bei Gelegenheit in unbestimmter Zeit wieder aufgegeben werden muss, nicht entgegen. Die Ungewissheit, wie lange ein Aufenthalt dauern wird, kann deshalb kein Abgrenzungsmerkmal zwischen Wohnsitz und bloßem Aufenthalt sein. Deshalb steht der Begründung eines Wohnsitzes nicht schon der Umstand entgegen, dass die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt etwa von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 1989, a.a.O.).
Ob die Klägerin nach der Einreise in das Bundesgebiet im Februar 1990 einen neuen Wohnsitz begründet hat, ist schon aufgrund des sehr kurzen Aufenthalts in Deutschland zweifelhaft. Jedoch kann eine Entscheidung darüber dahinstehen. Denn selbst die Begründung eines neuen Wohnsitzes außerhalb des Aussiedlungsgebietes führt nicht ohne Weiteres zur Aufgabe des bisherigen Wohnsitzes im Vertreibungsgebiet. Nach § 7 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann der Wohnsitz gleichzeitig an mehreren Orten bestehen. Abzugrenzen ist dies von der nach Aufgabe des Wohnsitzes im Vertreibungsgebiet erfolgten Rückkehr in dieses, welche regelmäßig nicht dazu führt, dass der durch die Einreise gegebenenfalls begründete Status wieder verloren geht (BSG, Urteil vom 21. März 2006, a.a.O.).
Aufgehoben wird der Wohnsitz, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, sie aufzugeben (§ 7 Abs. 3 BGB). Dies ist eine geschäftsähnliche Handlung, die nach außen hervortreten und jedenfalls für einen mit den Gegebenheiten vertrauten Beobachter erkennbar sein muss (vgl. BayObLG, Beschluss vom 4. November 1994, 1Z AR 61/94). Die polizeiliche Abmeldung am bisherigen und die Anmeldung an einem anderen Ort sind für die Aufhebung eines Wohnsitzes weder erforderlich noch ausreichend (BayObLG, Beschluss vom 4. November 1994, aaO m. w. Nachw.), sie können allerdings ein Beweisanzeichen hierfür sein (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. Juni 1990, 2 BvR 116/90, NJW 1990, 2193/2194; BGH, Beschluss vom 7. Februar 1990, XII ARZ 1/90, NJW-RR 1990, 506; BayObLG, Beschluss vom 4. November 1994, a.a.O.). Der Aufhebungswille bedarf keiner ausdrücklichen Erklärung, sondern kann sich aus den Umständen ergeben (BGH, Beschluss vom 14. Juli 1952, IV ZB 21/52, BGHZ 7, 105; zum Ganzen OLG Hamm, Beschluss vom 4. April 2006, FamRZ 2006, 1460).
Im vorliegenden Fall konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die Klägerin im Februar 1990 ihren Wohnsitz in U aufgegeben und damit dieses Land i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG a.F. verlassen hat. Denn der Wille, den Wohnsitz in U endgültig aufzugeben, war nach außen nicht erkennbar. Selbst nach eigenen Angaben der Klägerin war zur Aufgabe des Wohnsitzes in U keine Kündigung oder ein Verkauf nötig, sondern die Klägerin wohnte nach ihren Angaben zuletzt ohne Mietverhältnis im Haus der Schwiegereltern, das in deren Eigentum stand und von diesen seit Jahren und auch nach der Ausreise der Klägerin nach Deutschland weiterhin bewohnt wurde. Eine Rückkehr in diese Wohnung wäre demnach zur Überzeugung des Senats jederzeit möglich gewesen. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin nach ihren Angaben tatsächlich ab Mitte März 1990 im – wenige Kilometer entfernten – Haus ihrer Eltern wohnte, was wohl wegen der Pflege der Mutter erforderlich war, zumal die Klägerin und ihr Ehemann nach ihren Angaben auch schon zuvor zeitweise dort gewohnt hatten.
Unter Berücksichtigung der Angaben der Klägerin und ihres Sohnes im Rahmen verschiedener Anträge gegenüber der Beigeladenen bzw. der Beklagten ist ferner davon auszugehen, dass die Klägerin und ihr Ehemann eine Unterkunft in U mit der Adresse „M1, H T“ hatten, die sie auch nach Februar 1990 genutzt haben. Denn jedenfalls bis 2004 wurde diese Adresse im Rahmen von Anträgen der Klägerin bzw. ihres Sohnes angegeben und dieser hat am 13. März 1990 gegenüber der Stadt F sogar ausdrücklich angegeben, dass es sich dabei um das eigene Haus der Klägerin und ihres Ehemannes handele und sie deshalb zwischen Deutschland und U pendelten.
Selbst wenn die Angaben der Klägerin zutreffen, dass sie mit ihrem Ehemann vor der Einreise nach Deutschland im Februar 1990 bei den Schwiegereltern gewohnt haben und die Unterkunft
mit der Adresse „M1, H T“ zu dieser Zeit über keine Strom- und Wasserversorgung und keine Heizung verfügte, belegt dies nicht den Willen, den Wohnsitz in U endgültig aufzugeben. Vielmehr hat die Klägerin zuletzt ausdrücklich bestätigt, dass sich der Grundbuchstand der Immobilie nicht geändert hat und die Adresse als Postanschrift weiterbestand.
Die Unterkunft wurde demnach nicht vollständig aufgegeben und es ist davon auszugehen, dass sie ohne größere Umstände jederzeit wieder genutzt werden konnte und auch – zumindest zeitweise - genutzt wurde.
Darüber hinaus hat die Klägerin im Zusammenhang mit der Einreise nach Deutschland im Februar 1990 nicht ihre (endgültige) Entlassung aus dem Angestelltenverhältnis im öffentlichen Dienst beantragt, was einen Anhaltspunkt dafür geben könnte, dass sie ihren Lebensmittelpunkt in U aufgeben wollte. Sie hat nur Unterlagen vorgelegt, wonach eine unbezahlte Freistellung erfolgte. Bereits im April 1990 war sie jedoch wieder in U als Lehrerin bzw. in einem Kinderhort tätig, so dass unklar bleibt, ob die Klägerin im Januar 1990 tatsächlich beabsichtigte, das Angestelltenverhältnis endgültig zu beenden. Nach eigenen Angaben der Klägerin können diesbezüglich keine weiteren Unterlagen mehr beigezogen werden, weil die Aufbewahrungsfrist längst abgelaufen ist. Gegen den Willen, das Angestelltenverhältnis bereits im Februar 1990 zu kündigen, spricht auch die Angabe im Rahmen des Antrags auf Einbeziehung auf die Verteilung, dass der Entschluss, in Deutschland zu bleiben, erst während des Aufenthalts in Deutschland gefasst wurde (vgl. Bescheid vom 14. Februar 1990). Erst zum Ende des Schuljahres 1992 wurde das Angestelltenverhältnis dann tatsächlich beendet, was aber für die Frage, ob die Klägerin bei der Einreise nach Deutschland im Februar 1990 den Willen hatte, ihren Wohnsitz in U aufzugeben, keine Bedeutung mehr hat.
Soweit die Klägerin sinngemäß vorgebracht hat, der Beigeladene müsse erst nachweisen, dass sie von März 1990 bis zur Einreise nach Deutschland 2005 in U einen dauerhaften Aufenthalt gehabt habe bzw. hierauf könne auch aufgrund der langen Dauer des Aufenthalts nicht einfach geschlossen werden, weil es auch auf die Absicht ankomme, für grundsätzlich unbeschränkte Dauer einen neuen Schwerpunkt der eigenen Lebensverhältnisse am neue Aufenthaltsort zu begründen, ergibt sich keine Änderung in der Beurteilung. Denn es liegen – wie bereits dargelegt – schon keine ausreichenden Nachweise dafür vor, dass die Klägerin ihr Herkunftsland U im Februar 1990 unter Aufgabe des Wohnsitzes verlassen hat, um in die Bundesrepublik Deutschland überzusiedeln. Aus diesem Grund wurde durch die Einreise nach Deutschland im Februar 1990 bereits kein Status als Vertriebene begründet, so dass es – anders als die Klägerin meint - nicht darauf ankommt, ob der (hier nicht vorliegende) Vertriebenenstatus durch die Rückkehr nach U wieder verloren gegangen ist. Soweit sich die Klägerin auf das Urteil des LSG vom 22. Januar 2008 (L 11 R 4603/06) bezogen hat, bei dem es sich um einen ähnlich gelagerten Fall handele, weist der Senat darauf hin, dass es sich hierbei um eine Entscheidung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles handelt, die auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragen werden kann.
Die Klägerin unterfällt auch nicht dem Anwendungsbereich des FRG gemäß § 1 d) FRG. Danach findet das Fremdrentengesetz auch Anwendung auf heimatlose Ausländer im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet vom 25. April 1951 (BGBl. I S. 269 - HAuslG), auch wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben oder erwerben. Die Klägerin ist jedoch keine heimatlose Ausländerin im Sinne von § 1 HAuslG, weil sie die dort genannten Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt.
Der Senat weist deshalb die Berufung zurück.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.
Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 193 SGG Rn. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Auflage, § 193 SGG Rn. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rn. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rn. 4).
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 R 2996/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 1669/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
Saved