1. Mit der Anfechtungsklage angefochtene Bescheide des Rentenausschusses über (isolierte) Ablehnung einer Berufskrankheit oder von einmaligen Leistungen/Beihilfen sind auch bei bei richtiger Entscheidung in der Sache wegen sachlicher Unzuständigkeit nach § 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV aufzuheben und die damit kombinierte Verpflichtungs-, Feststellungs- oder Leistungsklage abzuweisen.
2. Für die Wahrscheinlichkeit eines naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhangs zwischen Einwirkungen i.S. der BK Nr. 1103 der Anl. 1 zur BKV und einer Lungenkrebserkrankung ist regelmäßig eine kumulative Chrom(VI)-Belastung von ca. 500 µg/m³ x Jahre (i.S. eines Orientierungswertes) erforderlich.
3. Zum Lungenkrebsrisiko bei Expositionen gegenüber Nickel und seine Verbindungen.
L 3 U 221/17 - S 15 U 42/14
Auf die Berufung der Klägerin werden die Urteile des Sozialgerichts Cottbus vom 11. Oktober 2017 zu den Aktenzeichen S 15 U 42/15, S 15 U 43/15 und S 15 U 44/15 wie folgt abgeändert:
a) Die Bescheide des Rentenausschusses der Beklagten über die Ablehnung einer Berufskrankheit vom 14. März 2013 und 21. November 2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27. März 2014 werden aufgehoben.
b) Der Bescheid des Rentenausschusses der Beklagten über die Ablehnung von Hinterbliebenenleistungen vom 21. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. April 2014 wird aufgehoben, soweit darin auch Hinterbliebenenleistungen in Form von Sterbegeld, Erstattung von Überführungskosten und einmaliger Witwenbeihilfen abgelehnt worden sind.
Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu einem Zehntel (1/10) zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit stehen die Anerkennung einer Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit (BK) nach den Nummern (Nr.) 1103 (Erkrankungen durch Chrom und seine Verbindungen), 4103 (Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Pleura), 4104 (Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs oder Eierstockkrebs in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren), 4109 (bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel und seine Verbindungen), 4113 (Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 100 Benzo[a]pyren-Jahren [(µg/m³) x Jahre]) und 4114 (Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis, die einer Verursachungswahrscheinlichkeit von mindestens 50 Prozent nach der Anlage 2 zur Berufskrankheitenverordnung <BKV> entspricht) der Anlage 1 zur BKV sowie Lebenszeit- und Hinterbliebenenleistungen.
Der 1958 geborene Ehemann der Klägerin (Versicherter) absolvierte von September 1974 bis Februar 1976 eine Ausbildung zum Metallurgen für Formgebung im VEB Stahl- und Walzwerk G (ab 1990 dann: G Stahlwerke GmbH, jetzt: Schmiedewerke G GmbH) und war dort anschließend bis Oktober 1976 als Stempler beschäftigt. Von November 1976 bis Oktober 1979 verrichtete er seinen Wehrdienst bei den Grenztruppen der DDR und war danach von November 1979 bis März 1980 erneut beim VEB Stahl- und Walzwerk G als Verkettungsmaschinist erwerbstätig. Von April 1980 an arbeitete er beim Forschungszentrum für Wassertechnik in D, zunächst als Instandhaltungsmechaniker, dann ab Januar 1984 bis März 1991 als technischer Assistent. Ab April 1991 übte der Versicherte im Nachfolgebetrieb, der EvU Entwicklung von Umwelttechnik GmbH (später in EvU Innovative Umwelttechnik GmbH umbenannt; im Folgenden: EvU GmbH), bis Februar 1992 eine Tätigkeit als Anlagenbauer aus. Ab Mai 1992 war er dann bei der EvU GmbH als Schlosser/Schweißer zunächst bis April 2000 in D und dann ab Juni 2000 bis zum Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit am 29. März 2012 in St mit Unterbrechungen in Vollzeit beschäftigt. So erfolgte in der Zeit von Dezember 2002 bis Mai 2003, März 2004 bis Juni 2004, April 2008 bis Mai 2008 und vom 01. bis zum 31. März 2011 jeweils nur eine geringfügige Beschäftigung bzw. im Mai 2000, Februar 2004, von Januar 2009 bis zum 17. Mai 2009 und von Januar bis Februar 2011 gar keine Beschäftigung (vgl. Eintragungen im Sozialversicherungsausweis <SVA>, Versicherungsverlauf des Rentenversicherungsträgers vom 09. Februar 2021, Auskünfte der EvU GmbH).
Am 29. März 2012 stellte sich der Versicherte u.a. wegen Schmerzen in der Lendenwirbelsäule (LWS) bei seinem Hausarzt, dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. W, vor, der Arbeitsunfähigkeit bescheinigte und eine Röntgen- sowie eine Computertomographie (CT)- Untersuchung der LWS vom 12. April 2012 veranlasste, die Knochenmetastasen in den Lendenwirbelkörpern (LWK) 3 und 4 mit Frakturgefahr ergaben. Die während der stationären Behandlung im Universitätsklinikum C G C in D vom 13. bis zum 23 April 2012 erfolgte weitere Diagnostik einschließlich einer Bronchoskopie mit histopathologischer Untersuchung ergab ein nichtkleinzelliges Bronchial-Karzinom, einem Adenokarzinom entsprechend, nebst einer pathologischen Fraktur in der Deckplatte von LWK 3, multiple Knochen- und Lebermetastasen sowie metastasenverdächtige Lymphknoten mediastinal, zudem nebenbefundlich einen Nikotinabusus von 25 Packungsjahren (py), vgl. Entlassungsbericht vom 23. April 2012. Es wurde zunächst vom 26. April bis zum 11. Mai 2012 eine symptomatische Strahlentherapie der unteren Brustwirbelsäule (BWS) sowie der LWK 2 bis 4 durchgeführt. Bei einem weiteren stationären Aufenthalt im Universitätsklinikum C G C wegen Lungenarterienembolie und malignen Pleuraergüssen wurde am 21. Mai 2012 mit der Chemotherapie begonnen sowie der Versicherte auf Schmerzmedikamente und Sauerstoffgabe eingestellt, vgl. Entlassungsbericht vom 25. Mai 2012. In der Folgezeit traten im Juli 2012 Hirnmetastasen und im August 2012 eine pathologische Humerusfraktur rechts auf, die jeweils eine palliative symptomatische Strahlentherapie im Universitätsklinikum C G C nach sich zogen (vgl. Berichte vom 23. August 2012, 29. August 2012 und 05. Oktober 2012). Der Gesundheitszustand des Versicherten verschlechterte sich zunehmend, sodass er sich vom 20. bis zum 23. September 2012 wegen einer schweren respiratorischen Insuffizienz rechts mit Totalatelektase (= kollabierter Lungenflügel) in die Behandlung des E-E-Klinikums in F begeben musste (vgl. Bericht vom 11. November 2012) und am 16. Oktober 2012 aufgrund der Folgen des Bronchial-Karzinoms verstarb (vgl. Totenschein, ausgestellt von Dr. W am 16. Oktober 2012).
Bereits im Juli 2012 ging bei der Beklagten eine ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit, ausgestellt am 19. Juli 2012 von dem Assistenzarzt Dr. P vom Universitätsklinikum C G C, nebst Berichten über die bisherige Diagnostik und Behandlung ein. Die Beklagte nahm ihre Ermittlungen auf und holte einen Befundbericht vom Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. W vom 17. August 2012 ein, dem weitere Behandlungsberichte des Universitätsklinikums C G C beigefügt waren. Am 23. August 2012 suchten zwei Mitarbeiterinnen der Beklagten (Frau H vom Präventionsdienst und Frau F von der Bezirksverwaltung) den Versicherten zu Hause auf, wo dieser im Beisein der Klägerin einen Antrag auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung stellte und Angaben zu seiner Erkrankung und seiner Berufstätigkeit machte. Hierbei gab der Versicherte u.a. an, von 1980 bis März 2012 20 Zigaretten täglich (= 32 py) geraucht zu haben. Zudem reichte er eine Kopie seines SVA zu den Akten.
Frau H vom Präventionsdienst der Beklagten kam in ihrer Stellungnahme vom 24. September 2012 zu dem Ergebnis, dass der Versicherte während seiner beruflichen Tätigkeit von September 1974 bis Ende Dezember 1990 sporadisch gegenüber Asbestfeinstäuben durch das Tragen von asbesthaltiger Hitzeschutzkleidung sowie durch den Umgang mit Asbestdichtungen und dem Zuschnitt von Wellasbestzementplatten mit einer Gesamtdosis von 2,2 Asbestfaserjahren exponiert gewesen sei. Hierbei legte sie die Angaben des Versicherten bei seiner persönlichen Befragung vom 23. August 2012 sowie des Zeugen R Koch, Hauptgesellschafter der EvU GmbH, aus einer telefonischen Befragung vom 11. September 2012 zugrunde und ging – irrtümlich - von einer durchgehenden Beschäftigung bei dem VEB Stahl- und Walzwerk G von September 1974 bis März 1980 aus.
Zu den Angaben des Versicherten wird in dem Bericht vom 24. September 2012 ausgeführt: Die Lehrzeit habe sich in ca. 1/3 theoretische und 2/3 praktische Ausbildung unterteilt, wobei letztere nur zu einem geringen Anteil in der Lehrwerkstatt und hauptsächlich im produktiven Bereich des Ringwalzwerkes durchgeführt worden sei. Die Lehrlinge seien an allen Arbeitsplätzen - Presse, Schmiedeablösung, Stempelmaschine, Verkettungsmaschine usw. - ausgebildet worden und hätten alle 20 bis 30 Minuten die Arbeitsplätze gewechselt. Im Bereich der Schmiedeablösung und an den Pressen seien Handschuhe und Schürzen aus asbesthaltigen Materialien zum Einsatz gekommen. Eine genaue Angabe zu Tragezeiten habe der Versicherte nicht machen könne, es sei aber anzunehmen, dass die Asbesthitzeschutzkleidung an ca. drei Tagen pro Woche für 1 Stunde getragen worden sei. Als Stempler und Verkettungsmaschinist sei der Versicherte nicht nur an diesen Maschinen eingesetzt gewesen, es sei regelmäßig im Abstand zwischen 20 bis 30 Minuten an allen Arbeitsplätzen rotiert worden und auch hier seien ca. 1 Stunde täglich Asbesthandschuhe und -schürzen getragen worden.
Als Schlosser sowie technischer Assistent sei der Versicherte in den Trinkwasserwerken und in der Werkstatt zur Instandhaltung und Neuanfertigung eingesetzt gewesen (je 50 % Werkstatt- und Baustellenanteil). Auf den Baustellen seien die vorgefertigten Bauteile ausgewechselt worden (De- und Montage). In der Werkstatt seien Vorfertigungsarbeiten erledigt und hierbei ca. 2 Stunden pro Woche Edelstähle nach dem Elektrodenhandschweißverfahren (ohne Absaugeinrichtungen) bei bestimmten Bauteilen verschweißt worden. Weiterhin seien Pumpen instandgesetzt worden; hierbei habe ca. 1 Stunde pro Monat Umgang mit Asbestdichtungen (Zuschnitt mit Messer, Schere) bestanden. Zudem seien am Dach der Werkstatt aus Wellasbestzementplatten bis Dezember 1990 an ca. vier Tagen pro Jahr Instandhaltungsarbeiten durchgeführt und die Platten mittels Flex zugeschnitten und verlegt worden. Die Exposition sei mit ca. 10 Stunden pro Jahr eingeschätzt worden.
Bei der EvU GmbH seien dann überwiegend nur Kläranlagen installiert worden. Die Tätigkeiten seien vergleichbar mit denen beim Forschungszentrum Wassertechnik gewesen, jedoch seien keine asbesthaltigen Materialien mehr zum Einsatz gekommen. Während der geringfügigen Beschäftigungszeit im Dezember 2002 bis April 2003 sei ca. 18 bis 22 Stunden pro Monat gearbeitet worden.
In einer weiteren Stellungnahme vom 01. Oktober 2012 ermittelte der Präventionsdienst der Beklagten für die Tätigkeit des Versicherten als Schweißer mit Lichtbogenhand-(LBH-)Schweißen und Schweißen im WIG-Verfahren (Wolfram-Inertgas-Schweißen) von April 1980 bis September 2011 bei Exposition gegenüber Schweißrauchen eine Chromatdosis von 225,0 µg/m³ x Jahre sowie eine Nickeldosis von 158,8 µg/m³ x Jahre.
Auf Anforderung der Beklagten vom 12. August 2012, alle Röntgen- und CT-Aufnahmen vom Thorax des Versicherten zu übersenden, übermittelte Frau Dr. S vom Institut für Arbeits- und Sozialhygiene (jetzt: ias Aktiengesellschaft – Betriebsmedizin) in E den einzig vorhandenen Befund über eine arbeitsmedizinisch veranlasste Thorax-Röntgenuntersuchung vom 15. September 2003 (kein Nachweis einer Lungengerüsterkrankung, frischer pulmonaler Infektionen oder einer pleuralen Reizung). Nach Beiziehung von Röntgen- und CT-Aufnahmen des Universitätsklinikums C G C holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme von dem Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie / Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. B vom 10. Januar 2013 ein. Dr. B führte aus, in der CT-Thorax/Abdomen vom 16. April 2012 fänden sich keine asbesttypischen Zeichen (Plaques, Verkalkungen der Pleura), sondern Zeichen eines metastasierenden Bronchial-Karzinoms. Ein nichtkleinzelliges Bronchial-Karzinom sei auch im Vollbeweis gesichert. Brückenbefunde, insbesondere an der Pleura oder dem Lungenparenchym, die eine relevante Asbestfeinstaubexposition im Sinne der BK Nr. 4103 beweisen würden, lägen nicht vor, sodass die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK Nr. 4104 nicht gegeben seien.
Nach Beiziehung der Sterbeurkunde und des Totenscheins sowie einer Stellungnahme der Gewerbeärztin S vom 01. März 2013 erließ der Rentenausschuss der Beklagten am 14. März 2013 einen „(Beschluss und) Bescheid über Ablehnung einer Berufskrankheit“, gerichtet an die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten nach § 56 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Darin heißt es:
„Wir haben geprüft, ob die Erkrankung ihres verstorbenen Ehemannes eine Berufskrankheit ist. Unsere Ermittlungen haben ergeben:
- Bei ihrem Ehemann bestand weder eine Berufskrankheit nach Nr. 4104 (Lungen- oder Kehlkopfkrebs in Verbindung mit Asbest) noch nach Nr. 1103 (Erkrankung durch Chrom und seine Verbindungen) oder nach Nr. 4109 (bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel und seine Verbindungen) der Berufskrankheiten-Liste.
- Ansprüche auf Leistungen bestehen nicht.“
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der Ermittlungen die festgestellte Erkrankung des Versicherten nicht ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sei. Bei Auswertung der medizinischen Befunde hätten keine asbeststaubbedingten Veränderungen der Lunge oder Pleura nachgewiesen werden können, sodass eine BK Nr. 4104 nicht anerkannt werden könne. Nach derzeitiger arbeitsmedizinischer Diskussion seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Lungenkrebserkrankung durch Chrom oder Nickel durch diese Stoffe erreicht, wenn eine Belastung von 2.000 µg/m³ x Jahre für Chrom-VI-Verbindungen bzw. von 5.000 µg/m³ x Jahre für Nickel vorgelegen hätte. Nach den Feststellungen der Präventionsabteilung sei der Versicherte in weit geringerem Umfang mit diesen Stoffen belastet gewesen, sodass die Anerkennung als BK Nr. 1103 oder 4109 nicht möglich sei.
Ihren hiergegen am 30. März 2013 eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin durch Schriftsätze ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13. Juni und 09. September 2013 damit, dass es bei den BKen Nrn. 4109 und 1103 in der BKV keine Dosisgrenzwerte gebe und auch kein Schwellenwert existiere, unterhalb dessen eine Belastung gegenüber Chrom-VI oder Nickel keine kanzerogene Potenz mehr besäße. Es sei davon auszugehen, dass hier die Belastungen durch Chrom und Nickel bereits ausgereicht haben dürften, das Lungenkrebsleiden auszulösen, zumal der Versicherte auch noch dem Lungenkanzerogen Asbest ausgesetzt gewesen sei. Schließlich sei er daran bereits im Alter von 54 Jahren verstorben. Es fehle eine arbeitsmedizinische Begutachtung. Auch werde gebeten, rechtsbehelfsfähige Bescheide zur BK Nr. 4103 sowie zur Gewährung von Hinterbliebenenleistungen zu erteilen.
Der Präventionsdienst der Beklagten teilte in einer weiteren Stellungnahme vom 15. Oktober 2013 mit, der Zeuge R Koch, Hauptgesellschafter der EvU GmbH, habe bei seiner erneuten telefonischen Befragung vom 02. Oktober 2013 bekräftigt, dass außer bei den bereits genannten Verrichtungen kein weiterer Kontakt des Versicherten zu asbesthaltigen Materialien oder asbesthaltigen Filtern bestanden habe. Auch zu den Zeitanteilen seien keine neuen Aussagen zu verzeichnen, sodass es bei der bisherigen Berechnung der Belastung durch Asbestfaserjahre bleibe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2014 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 14. März 2013 als unbegründet zurück. Für eine Anerkennung als BK Nr. 4104 fehle es sowohl an der geforderten Belastung im Umfang von mindestens 25 Asbestfaserjahren als auch an einem asbesttypischen Erkrankungsbild. Unstreitig habe beim Versicherten ein Bronchialkarzinom vorgelegen. Asbestbedingte Veränderungen des Lungengewebes oder des Brustfells (Pleura), welche eine asbestbedingte Schädigung der genannten Organe darstellten, hätten nicht gefunden werden können. Nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen reiche die nur geringe Belastung gegenüber Chrom-VI-Verbindungen sowie Nickeloxid während der Tätigkeit als Schlosser und Schweißer nicht aus, ein Bronchial-Karzinom zu verursachen. Eine berufliche Verursachung der Lungenkrebserkrankung des Versicherten sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Eine Betrachtung im Sinne einer „Gesamtbelastung“ durch drei lungenkanzerogene Stoffe - Asbest, Chrom, Nickel - sei auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht zulässig.
Die Klägerin hat hiergegen am 24. April 2014 beim Sozialgericht Cottbus (SG) Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 15 U 43/14 geführt worden ist. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat schriftsätzlich den Antrag gestellt:
„Unter Abänderung der bezeichneten Bescheide wird die Beklagte verurteilt, eine Berufskrankheit Nr. 4104, 1103 und 4109 anzuerkennen und zu entschädigen, Entschädigung insbesondere in Form der Lebenszeitleistungen und der Hinterbliebenenleistungen.“
Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Versicherte habe regelmäßig Hitzeschutzkleidung aus Asbest getragen, womit exorbitante Belastungen verbunden gewesen seien. Zudem habe er auch Wellasbestzementplatten mit der Flex geschnitten, was 500 Fasern pro Kubikzentimeter Atemluft bedeute. Mangels Dosisgrenzwerten bei den Listen-BKen Nrn. 1103 und 4109 sei von einer wesentlichen Mitursächlichkeit auszugehen. Es sei ein arbeitsmedizinisches und lungenfachärztliches Sachverständigengutachten einzuholen.
Zwischenzeitlich hatte die Beklagte durch ihren Rentenausschuss am 21. November 2013 einen „(Beschluss und) Bescheid über Ablehnung einer Berufskrankheit“, gerichtet an die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten nach § 56 SGB I erlassen. Darin heißt es:
„Wir haben geprüft, ob die Erkrankung ihres verstorbenen Ehemannes eine Berufskrankheit ist. Unsere Ermittlungen haben ergeben:
- Bei ihrem Ehemann bestand keine Berufskrankheit nach Nr. 4103 (Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura).
- Ansprüche auf Leistungen bestehen nicht.“
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der Ermittlungen die festgestellte Erkrankung des Versicherten nicht ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sei. Bei Auswertung der medizinischen Befunde hätten keine asbeststaubbedingten Veränderungen der Lunge oder Pleura nachgewiesen werden können. Weiter heißt es: „Ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung besteht nicht, da der Tod ihres Ehemannes nicht Folge eines Arbeitsunfalles bzw. einer Berufskrankheit ist und ihr Ehemann im Zeitpunkt des Todes auch keinen Anspruch auf eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % hatte (§ 63 SGB VII)“.
Hiergegen hatte die Klägerin ebenfalls mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17. Dezember 2013 Widerspruch eingelegt. Der Versicherte habe an einer Asbeststaublungenerkrankung im Sinne der BK Nr. 4103 gelitten, bei der ein Nachweis von 25 Asbestfaserjahren nicht vorgesehen sei.
Mit einem weiteren Widerspruchsbescheid vom 27. März 2014 hatte die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 21. November 2013 als unbegründet zurückgewiesen. Es fehle an asbestotischen Brückenbefunden, so dass der Nachweis einer asbestbedingten Erkrankung im Sinne der BK Nr. 4103 nicht gelungen sei. Die Auffassung, ein Lungenkrebs nach Asbesteinwirkung sei bereits eine Asbeststaublungenerkrankung im Sinne dieses Tatbestandes, sei unzutreffend, da eine Asbestose einerseits eine Krebserkrankung nicht voraussetze, andererseits aber - ungeachtet der Krebserkrankung - nicht anerkannt werden könne, wenn asbesttypische Veränderungen im klinischen Sinne nicht vorlägen.
Die Klägerin hat auch hiergegen am 24. April 2014 beim SG Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 15 U 42/14 geführt worden ist. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat schriftsätzlich den Antrag gestellt:
„Unter Abänderung der bezeichneten Bescheide wird die Beklagte verurteilt, eine Berufskrankheit Lungenkrebs als Asbeststaublungenerkrankung nach beruflicher Asbesteinwirkung als Berufskrankheit Nr. 4103 1. Alternative anzuerkennen und zu entschädigen, Entschädigung in Form der Lebenszeitenleistungen und der Hinterbliebenenleistungen.“
Zur Begründung hat sie ausgeführt, ein Lungenkrebs stelle auch eine Asbeststaublungenerkrankung dar, wenn eine erhebliche Asbestbelastung beruflicher Art stattgefunden habe, was hier mit 2,2 Asbestfaserjahren der Fall sei. Es sei ein arbeitsmedizinisches onkologisches Sachverständigengutachten einzuholen.
Zwischenzeitlich hatte die Beklagte durch ihren Rentenausschuss mit weiterem Bescheid vom 21. November 2013 die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen mit der Begründung abgelehnt, der Tod des Versicherten sei keine Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit, und hierzu auf den Bescheid vom 14. März 2013 verwiesen.
Hiergegen hatte die Klägerin ebenfalls mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17. Dezember 2013 Widerspruch eingelegt. Der Versicherte habe an einer BK der Nrn. 4104, 1103, 4109 bzw. 4103 gelitten. Insbesondere sei der Fall unter die BK Nr. 4103 - Lungenkrebs als Asbeststaublungenerkrankung nach beruflicher Asbesteinwirkung - zu subsumieren. Diese BK kenne keine Beschränkung der Fälle auf den Nachweis von 25 Asbestfaserjahren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03. April 2014 hatte die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den weiteren Bescheid vom 21. November 2013 als unbegründet zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe nicht, da der Versicherte zu Lebzeiten nicht an einer BK gemäß § 9 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), insbesondere i.V.m. den Tatbeständen der Nrn. 4104, 4109 oder 1103 der Anl. 1 zur BKV erkrankt gewesen sei und daher auch nicht an den Folgen einer BK verstorben sei.
Die Klägerin hat auch hiergegen am 25. April 2014 beim SG Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 15 U 44/14 geführt worden ist. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat schriftsätzlich den Antrag gestellt:
„Unter Abänderung der bezeichneten Bescheide wird die Beklagte verurteilt, bei dem Versicherten den Lungenkrebs als Asbeststaublungenerkrankung im Sinne der 1. Alternative Nr. 4103 anzuerkennen und zu entschädigen, in Form der Lebenszeitenleistungen und der Hinterbliebenenleistungen.“
Zur Begründung hat sie ausgeführt, ein Lungenkrebs nach Asbesteinwirkung beruflicher Art sei gerade eine Asbeststaublungenerkrankung im Wort- und Sachsinne. Da die BK Nr. 4103 keine Beschränkung auf eine bestimmte Asbestfaserjahreszahl kenne, genüge hier eine einfache und schlichte Kausalitätsprüfung. Insoweit sei ein unabhängiges Sachverständigengutachten auf lungenfachärztlichem Fachgebiet eines Arbeitsmediziners einzuholen.
Mit Schreiben vom 17. August 2017 hat das SG hinsichtlich der Zulässigkeit und Begründetheit der zu den Aktenzeichen S 15 U 42/14, S 15 U 43/14 und S 15 U 44/ 14 erhobenen Klagen rechtliche Hinweise erteilt. Am 11. Oktober 2017 hat das SG in allen drei Verfahren eine mündliche Verhandlung durchgeführt und die Klagen durch Urteil abgewiesen.
In dem Urteil vom 11. Oktober 2017 zum Aktenzeichen S 15 U 43/14 hat das SG ausgeführt, das Klagebegehren habe bereits deshalb keine Aussicht auf Erfolg, da die gesonderte Feststellung einer BK nach dem Tode des Versicherten gesetzlich nicht vorgesehen sei. Mit dem Tode des Versicherten ende das bezüglich einer BK-Feststellung aufgenommene Verwaltungsverfahren, sodass ein Anspruch auf isolierte Feststellung einer BK nicht mehr bestehe (vgl. BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 – B 2 U 5/08 R). Zudem sei die Frage des Vorliegens einer BK im Rahmen des gesondert geführten Verwaltungsverfahrens über die Feststellung von Hinterbliebenenleistungen nach § 63 Abs. 1 SGB VII zu prüfen. Die Aufhebung des Bescheides vom 14. März 2013 sei nicht beantragt gewesen, sondern nur dessen Abänderung und Feststellung des Vorliegens der BK. Insofern sei das Verfahren mit dem Begehren, eine BK nach den Nrn. 4104,1103 und 4109 anzuerkennen, insgesamt unbegründet.
In dem Urteil vom 11. Oktober 2017 zum Aktenzeichen S 15 U 42/14 hat das SG ausgeführt, das Klagebegehren habe bereits deshalb keine Aussicht auf Erfolg, da die gesonderte Feststellung einer BK nach dem Tode des Versicherten gesetzlich nicht vorgesehen sei. Mit dem Tode des Versicherten ende das bezüglich einer BK-Feststellung aufgenommene Verwaltungsverfahren, sodass ein Anspruch auf isolierte Feststellung einer BK nicht mehr bestehe (vgl. BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 – B 2 U 5/08 R). Zudem sei die Frage des Vorliegens einer BK im Rahmen des gesondert geführten Verwaltungsverfahrens über die Feststellung von Hinterbliebenenleistungen nach § 63 Abs. 1 SGB VII zu prüfen. Die Aufhebung des Bescheides vom 21. November 2013 sei nicht beantragt gewesen, sondern nur dessen Abänderung und Feststellung des Vorliegens der BK. Insofern sei das Verfahren mit dem Begehren, eine BK nach der Nr. 4103 anzuerkennen, insgesamt unbegründet.
In dem Urteil vom 11. Oktober 2017 zum Aktenzeichen S 15 U 44/14 hat das SG ausgeführt, zu Gunsten der Klägerin sei der von ihrer Prozessbevollmächtigten gestellte Antrag dahingehend auszulegen, dass die Klägerin in diesem Verfahren die Zuerkennung von Hinterbliebenenleistungen begehre und nicht die Feststellung, dass bei dem verstorbenen Ehemann eine BK vorlag. Die Klägerin mache ein abgeleitetes, eigenständiges Recht aus § 63 Abs. 1 SGB VII gegenüber der Beklagten geltend. Hierbei sei die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen habe und welcher es genau gewesen sei, kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen Anspruchs. Nur in diesem Verfahren sei daher zu prüfen, ob bzw. welche BK bei dem verstorbenen Ehemann der Klägerin vorgelegen habe. Bezüglich der BK Nr. 4103 sei bereits die geforderte Erkrankung nicht nachgewiesen worden. Ebenso verhalte es sich bei der BK Nr. 4104. Weder habe eine Asbestose, noch eine i.V.m. Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura noch eine Einwirkungsdosis von 25 Faserjahren nachgewiesen werden können. Bezüglich der BKen Nrn. 1103 und 4109 seien ebenfalls keine Erfolgsaussichten zu erkennen. So habe das BSG als für die monokausale Anerkennung erforderliche Belastungsdosis bei der BK Nr. 1103 eine Dosis von 2.000 µg/m³ x Jahre und bei der BK Nr. 4109 eine Dosis von 5.000 µg/m³ x Jahre angenommen. Diese Werte seien bei dem verstorbenen Ehemann der Klägerin mit 225 µg/m³ x Jahre für Chromate und mit 158,8 µg/m³ x Jahre für Nickel bei weitem unterschritten. In einem neueren Urteil vom 14. Februar 2014 (L 3 U 150/09) habe das Hessische Landessozialgericht (LSG) den wissenschaftlichen Stand bezüglich der BK Nr. 1103 dahingehend festgestellt, dass eine Dosis von unter 1.000 µg/m³ x Jahre zur Verdoppelung des Lungenkrebserkrankungsrisikos durch Chromat-Einwirkungen auch nach den neuesten Erkenntnissen der arbeitsmedizinischen Wissenschaft nicht gesichert sei.
In den Urteilen vom 12. Januar 2010 und 29. November 2011 (B 2 U 26/10 R) habe das BSG ausgeführt, dass eine Listen-BK nicht nur dann vorliege, wenn die in ihrem Tatbestand genannten Einwirkungen durch einen bestimmten Stoff auf die Gesundheit schon monokausal die dort bestimmten Voraussetzungen erfüllten. Denn selbst wenn diese Einwirkungen bei isolierter Betrachtung nicht die Voraussetzungen an die Einwirkungsdauer, -intensität, -häufigkeit oder -weise erfüllten, könnten sie dennoch eine wesentliche Teilursache der als BK anerkannten Krankheit nach der Theorie der wesentlichen Bedingung sein. Dabei könne dem Zusammenwirken einzelner Mitbedingungen in einer Gruppe, die als Kollektiv für einen Erfolg wesentlich sei, soviel Eigenbedeutung zukommen, dass auch dem einzelnen Listenstoff des Einwirkungsgemisches wesentliche Bedeutung für den Erfolg im Sinne eines BK-Tatbestandes zukomme. Bei dieser Beurteilung sei aber weiterhin zwischen den einzelnen BKen zu unterscheiden. Eine sogenannte Gesamt-BK gebe es nicht. Bezüglich des Zusammenwirkens von Asbest, Chrom und Nickel habe auch das Hessische LSG in der genannten Entscheidung dargelegt, dass nach derzeit bestehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen ein Synergismus nicht in Betracht komme. Darüber hinausgehende neuere wissenschaftliche Erkenntnisse seien auch dem Gericht nicht bekannt.
Gegen das ihr am 03. November 2017 zugestellte Urteil des SG vom 11. Oktober 2017 zum Aktenzeichen S 15 U 43/14 hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte am 29. November 2017 beim LSG Berlin-Brandenburg zum Aktenzeichen L 3 U 219/17 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt die Klägerin aus, der Vorderrichter verkenne, dass hier auch Lebenszeitleistungen in Rede stünden, die eingeklagt werden dürften, unter Anerkennung einer BK. Es hätte hier die Frage geprüft werden müssen, ob nicht ein multiplikativer Effekt der einzelnen Kanzerogene feststellbar sei, die jeweils aus den einzelnen BK-Bildern die BK belegten. Bei Asbest wisse man, dass mit anderen Noxen zusammen das relative Lungenkrebsrisiko vom 10- auf das 53-fache steige. Auch sei nicht glaubhaft, dass nur 2,25 Asbestfaserjahre vorliegen sollten. Beim Tragen von asbesthaltiger Hitzeschutzkleidung würden 40 Millionen Fasern pro Kubikmeter Atemluft relevant. Bei der Beweiswürdigung seien auch die Regeln nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 287 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) analog bzw. § 286 Abs. 2 ZPO analog zu berücksichtigen. Auch eine verhältnismäßig niedriger zu bewertende Bedingung beruflicher Art könne als wesentlich beurteilt werden. Dies gelte insbesondere für die Werte von Chrom-VI und Nickel. Insoweit sei weiter Beweis zu erheben.
Die Klägerin beantragt (Schriftsatz vom 29. November 2017):
„Unter Abänderung/ Aufhebung des am 03. November 2017 zugestellten Urteils des Sozialgerichts Cottbus, S 15 U 43/14, vom 11. Oktober 2017 wird nach den Anträgen aus der 1. Instanz erkannt, d.h. auf die Verurteilung der Beklagten, eine Berufskrankheit Nr. 4104, 1103 und 4109 anzuerkennen und zu entschädigen, Entschädigung insbesondere in Form der Lebzeitenleistungen und der Hinterbliebenenleistungen.“
Des Weiteren hat die Klägerin gegen das ihr am 03. November 2017 zugestellte Urteil des SG vom 11. Oktober 2017 zum Aktenzeichen S 15 U 44/14 durch ihre Prozessbevollmächtigte am 29. November 2017 beim LSG Berlin-Brandenburg zum Aktenzeichen L 3 U 220/17 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt die Klägerin aus, der Antrag auf Anerkennung der BK Nr. 4103 und auf deren Entschädigung sei absolut zulässig. Da hier auch Hinterbliebenenleistungen geltend gemacht würden, seien auch die anderen beiden BKen durch Chrom-VI und durch Nickel mit zu berücksichtigen. Nicht auszuschließen sei eine multiplikative Verstärkung der einzelnen Mitursachen, sodass jede davon für sich wesentlich sei im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Es sei ein Sachverständigengutachten eines Arbeitsmediziners und Lungenfacharztes einzuholen. Auch werde hilfsweise die Revisionszulassung beantragt, da zu der Frage, ob ein Lungenkrebs nicht zugleich eine Asbeststaublungenerkrankung im Sinne der ersten Alternative der BK Nr. 4103 sein könne, bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliege.
Die Klägerin beantragt (Schriftsatz vom 29. November 2017):
„Unter Abänderung/ Aufhebung des am 03. November 2017 zugestellten Urteils des Sozialgerichts Cottbus, S 15 U 44/14, vom 11. Oktober 2017 wird nach den Anträgen aus der 1. Instanz erkannt, d.h. auf die Verurteilung der Beklagten, bei dem Versicherten den Lungenkrebs als Asbeststaublungenerkrankung im Sinne der ersten Alternative Nr. 4103 anzuerkennen und zu entschädigen, in Form der Lebzeitenleistungen und der Hinterbliebenenleistungen.“
Zudem hat die Klägerin gegen das ihr am 03. November 2017 zugestellte Urteil des SG vom 11. Oktober 2017 zum Aktenzeichen S 15 U 42/14 durch ihre Prozessbevollmächtigte am 29. November 2017 beim LSG Berlin-Brandenburg zum Aktenzeichen L 3 U 221/17 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt die Klägerin aus, es bestehe eine echte Anspruchskonkurrenz zwischen der BK Nr. 4104 und der BK Nr. 4103, was den Lungenkrebs betreffe und die Abschneidekriterien. Selbst eine Asbestbelastung kanzerogener Art von 2,2 Asbestfaserjahren sei wesentlich mitursächlich für einen entstandenen Lungenkrebs, erst recht dann, wenn noch weitere berufliche Noxen einwirkten. Es sei ein unabhängiges Sachverständigengutachten einzuholen.
Die Klägerin beantragt (Schriftsatz vom 29. November 2017):
„Unter Abänderung/ Aufhebung des am 03. November 2017 zugestellten Urteils des Sozialgerichts Cottbus, S 15 U 42/14, vom 11. Oktober 2017 wird nach den Anträgen aus der 1. Instanz erkannt, d.h. auf die Verurteilung der Beklagten, eine Berufskrankheit Lungenkrebs als Asbeststaublungenerkrankung nach beruflicher Asbesteinwirkung als BK Nr. 4103, erste Alternative, anzuerkennen und zu entschädigen, Entschädigung in Form der Lebzeitenleistungen und der Hinterbliebenenleistungen.“
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidungen des SG für zutreffend. Der Lungenkrebs des Versicherten sei nicht wesentlich durch die ermittelten beruflichen Belastungen mit Asbest, Chrom, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) verursacht worden. Asbeststaubbedingte Veränderungen der Lunge und des Rippenfells seien nicht erwiesen.
Die Vorsitzende des Senats hat in den Verfahren L 3 U 219/17, L 3 U 220/17 und L 3 U 221/17 mit Schreiben vom 30. März 2020 den Beteiligten rechtliche Hinweise zu den von der Klägerin weiterverfolgten erstinstanzlichen Klagen betreffend deren Zulässigkeit erteilt sowie zu der Absicht, die Verfahren nach § 113 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verbinden, angehört.
Mit Beschluss vom 11. Mai 2020 hat der Senat die Verfahren L 3 U 220/17 und L 3 U 221/17 gemäß §§ 153 Abs.1, 113 Abs. 1 SGG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zum Aktenzeichen L 3 U 219/17 verbunden.
Auf Anforderung des Senats hat der Präventionsdienst der Beklagten am 06. April 2020 eine Neuberechnung der Asbestfaserjahre unter Außerachtlassung der Armeezeit des Versicherten vom 01. November 1976 bis zum 31. Oktober 1979 vorgenommen, die (nur noch) eine kumulative Dosis von 1,1 Asbestfaserjahren ergeben hat.
Die Vorsitzende des Senats hat am 06. August 2020 einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem bei Anwesenheit einer Mitarbeiterin des Präventionsdienstes der Beklagten (Frau L) der Zeuge R K, Hauptgesellschafter und ehemaliger Geschäftsführer der EvU GmbH, zur Tätigkeit des Versicherten beim Forschungszentrum Wassertechnik in D und der EvU GmbH und dessen Umgang mit asbesthaltigen Materialien sowie zur Belastung mit Schweißrauchen vernommen wurde; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift (Blatt 100 f. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Auf Anforderung des Senats haben die EvU GmbH mit Schreiben vom 25. August 2020 und 15. September 2020 Auskünfte zu den Vollbeschäftigungszeiten (40 Stunden wöchentlich), Zeiten der geringfügigen Beschäftigung sowie Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten ab Juli 2004 erteilt und die Deutsche Rentenversicherung Berlin-B (DRV) den Versicherungsverlauf des Versicherten vom 09. Februar 2021 übersandt.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 09. Oktober 2010 eine im Hinblick auf die Angaben des Zeugen R K und der EvU GmbH vom Präventionsdienst vorgenommene Neuberechnung der beruflichen Belastung des Versicherten vom 01. Oktober 2010 zur Akte gereicht. Darin wird ausgeführt, nach telefonischer Rücksprache mit dem Zeugen K am 01. Oktober 2020 und Auskunft der EvU GmbH vom 25. August 2020 sowie neuen Bewertungsgrundlagen durch den BK-Report „Chrom und seine Verbindungen - UVT-interner Report“ von März 2013 (im Folgenden: BK-Report Chrom 2013) sei die Dosisberechnung neu erstellt worden. Die sich danach ergebende Belastung von 246 Chromjahren sei jedoch als maximale Einwirkung zu sehen, da für den Zeitraum von 1991 bis 2005 die Ausfalltage fehlen würden und somit nicht hätten berücksichtigt werden können. Für eine Neubetrachtung der Asbest– sowie der Nickelbelastung hätten sich keine neuen Anhaltspunkte ergeben. Der Präventionsdienst hat hierbei eine Expositionshöhe für das LBH-Schweißen von 238,00 µg/m³ (zuvor 220,00 µg/m³) und für das WIG-Schweißen von 5,00 µg/m³ (zuvor 10,00 µg/m³) gemäß dem BK-Report Chrom 2013 eingesetzt. Zudem ist er – wie zuvor - davon ausgegangen, dass der Versicherte jeweils zu 50 % mit dem LBH-Schweißverfahren und zu 50% mit dem WiG-Schweißverfahren gearbeitet hatte.
Mit Schreiben vom 20. Januar 2021 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, aus den Angaben des Zeugen ergebe sich auch eine Belastung durch PAK, da Asbestzementplatten seinerzeit mit einem Bitumenanstrich versehen und abgedichtet worden seien. Bei den Schweißarbeiten dürfte zu DDR-Zeiten mit Sicherheit asbesthaltige Hitzeschutzkleidung zum Einsatz gekommen sein. Diese Belastungen würden in der Berechnung der Beklagten fehlen.
Hierzu hat die Beklagte eine Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 24. Februar 2021 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, dass eine Neuberechnung der Asbest- sowie PAK-Belastung mangels neuer relevanter Aspekte nicht erforderlich sei. Eine hohe PAK-Exposition durch Bitumen, wie von der Klägerin angegeben, sei nicht nachvollziehbar. Dies sei darauf zurückzuführen, dass laut Angaben des Versicherten die Dachinstandsetzungen an ca. vier Tagen im Jahr erfolgt seien und außerdem beim Einsatz von Heißbitumen eine geringfügige Belastung laut BK-Report 2/2013 BaP-Jahre (Tab. 4) von 0,02 - 0,1 µg/m³ auftrete. Dies ergebe ein rechnerisches Resultat der Dosis von < 0,1 BaP (Benzo[a]pyren)-Jahren. Zum anderen seien die vom Versicherten erwähnten Dachinstandsetzungen mit dem Umgang asbesthaltiger Platten nach seinen Angaben regelmäßig jährlich erfolgt, wohingegen der Zeuge von einem einmaligen Kontakt durch Abriss selbiger gesprochen habe. Daher werde auf eine Neuberechnung verzichtet, da sich im Vergleich zu der auf den Angaben des Versicherten basierenden Berechnung nun eine deutlich geringere Dosis von < 0,1 Asbestfaserjahren ergeben würde. Soweit von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nunmehr angeführt werde, dass eine gesundheitliche Gefährdung beim Verlegen von Asbestrohren zur Trinkwasserversorgung vorgelegen habe, sei sich der Zeuge nicht sicher gewesen, ob der Versicherte überhaupt bei diesen Arbeiten dabei gewesen sei. Auch habe der Zeuge angegeben, dass diese Art von Rohren nur hin und wieder eingesetzt worden sei. Auch sei die Installation außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt worden, sodass unklar sei, ob es sich dabei überhaupt um eine versicherungsrechtliche Tätigkeit gehandelt habe. Bei Einsichtnahme in die relevanten Betriebsakten aus DDR-Zeiten am 17. Februar 2021 in den Räumen der Landesdirektion D, Abteilung 1/ Zentrale Angelegenheiten/Referat 11 hätten sich keine Hinweise dafür ergeben, dass das Forschungszentrum Asbestrohre verbaut habe, da dazu eine Ausnahmegenehmigung erforderlich gewesen wäre. In den Akten hätten sich jedoch nur Ausnahmegenehmigungen zur Verwendung von asbesthaltigen Dichtungen und Dichtungsplatten ergeben. Die neuen Ausführungen der Klägerin seien weder plausibel noch nachweisbar.
Die Klägerin hat nach zwischenzeitlicher Durchführung eines weiteren Erörterungstermins am 13. Januar 2021 eine Schweigepflichtentbindungserklärung gegenüber den behandelnden Ärzten ihres Ehemannes abgegeben sowie den vom Amtsgericht Bad L ausgestellten Erbschein vom 22. Dezember 2013 (Alleinerbin des Versicherten) zur Akte gereicht.
Auf Anforderung des Senats haben der Hausarzt des Versicherten, Dr. Weber, die Patientenunterlagen in Kopie und das Universitätsklinikum C G C die digitalisierte Patientenakte des Versicherten nebst bildgebenden Befunden auf 2 CD‘s zur Akte gereicht.
Mit Beweisanordnung vom 30. März 2021 hat der Senat gemäß § 106 SGG die Fachärztin für Arbeitsmedizin, Dr. A B, [Oberärztin im Universitätsklinikum H (S) Bereich Arbeitsmedizin] mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens nach Aktenlage beauftragt; hinsichtlich der Fragestellung wird auf die Beweisanordnung verwiesen. Die Sachverständige ist in ihrem Gutachten vom 12. August 2021 zu dem Ergebnis gelangt, es liege weder eine BK nach Nr. 1103, 4103, 4104 und 4109 noch nach Nr. 4113 vor. Die BK Nr. 4113 erfasse Lungenkrebs durch PAK bei Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 100 BaP-Jahren. Der Versicherte sei nur im Falle der Dacharbeiten mit Heißbitumen gegenüber PAK ausgesetzt gewesen und dies auch nur in minimalem Umfang von < 0,1 BaP-Jahren, d.h. einer Dosis, die nicht ausreichend sei, ein Bronchial-Karzinom zu verursachen.
Für die Bejahung einer BK Nr. 4104 (Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs i.V.m. Asbeststaublungenerkrankung) fehle es beim Versicherten sowohl an den asbesttypischen Veränderungen der Lunge oder am Rippenfell, als auch an einer Expositionsdosis von 25 Faserjahren.
Hinsichtlich der BK Nr. 1103 (Erkrankungen durch Chrom und seine Verbindungen) bestehe in der nationalen und internationalen Literatur Konsens darüber, dass das Einatmen von Chromverbindungen zu einer Erhöhung des Lungenkrebsrisikos führe. Dass in der BK Nr. 1103 weder eine Mindestdosis noch eine Mindestdauer der Chromexposition festgelegt worden sei, beruhe darauf, dass es kein ausreichendes Wissen über die Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen einer Chrom (VI)-Exposition und dem Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, existiere. Nach den wenigen hierzu vorhandenen Studien habe der zunächst angenommene Orientierungswert für die lebenslange Exposition bei 1.000 µg/m³ x Jahre gelegen, in den letzten Jahren sei ein Orientierungswert von 500 µg/m³ x Jahre diskutiert worden und habe auch in der Rechtsprechung Anwendung gefunden. Hierbei sei jedoch zu berücksichtigen, dass dieser Wert im Wesentlichen auf den Ergebnissen von vier größeren epidemiologischen Kohortenstudien aus der Chromatproduktion beruhe. Diese Studien hätten teilweise Qualitätsmängel, z.B. kurze Expositionszeiten, geringe Fallzahlen, unzureichend sichere Abschätzung der Chromexposition. Es fände sich eine Erhöhung des Lungenkrebsrisikos nur in den höchsten Expositionsgruppen. Eine valide Aussage für den Niedrigdosisbereich oder gar für einen Grenzwert könne deshalb anhand dieser Daten leider nicht getroffen werden. Eine ausführliche Diskussion dieser Problematik sei 2015 in der Publikation von Brüning et al. erfolgt. Die zwölf Autoren führten aus, dass die vorliegenden Daten in ihrer Gesamtheit darauf hindeuteten, dass im Bereich um 500 µg/m³ x Jahre von einer Risikoverdopplung ausgegangen werden könne. Bei anderen Berufskrankheiten werde ein Grenzwert auf der Grundlage der Verdopplungsdosis festgelegt (z.B. 25 Faserjahre bei der BK Nr. 4104). Das BK-Recht und insbesondere die BK Nr. 1103 verlangten aber nicht eine Risikoverdopplung für die Anerkennung, sondern, dass der Erkrankte durch seine Arbeit den Einwirkungen in erheblich höherem Grade ausgesetzt sei als die übrige Bevölkerung. Da kein Grenzwert existiere, könne aber hilfsweise der zuvor genannte Orientierungswert für die Begutachtung herangezogen werden. Der Versicherte habe von 1980 bis 2011 Schweißarbeiten an Edelstahl 2 Stunden pro Woche ausgeführt und dabei eine Exposition gegenüber Chromat und Nickel aus Schweißrauch gehabt. Hieraus sei eine Exposition von 246 Chrom-Jahren ermittelt worden, die sie für nachvollziehbar und plausibel halte. Dieser Wert liege bei der Hälfte des Orientierungswertes. Auch wenn der Orientierungswert mit erheblichen Unsicherheiten belastet sei, so liege doch die Exposition des Versicherten deutlich darunter, sodass sich ein kausaler Zusammenhang zwischen der Chromexposition und dem Bronchial-Karzinom nicht ausreichend sicher ableiten lasse.
Hinsichtlich der BK Nr. 4109 (bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel und seine Verbindungen) bestehe die gleiche Problematik wie bei der BK Nr. 1103. Zwar seien 1990 auf der Grundlage von Studien aus Nickelraffinerien Nickel und seine Verbindungen als Kanzerogene für den Menschen eingestuft worden. In den Studien hätte sich zwar ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko gezeigt, eine Dosis-Wirkungs-Beziehung oder ein Grenzwert habe nicht ermittelt werden können. Bei den 2006 und 2009 von Ambroise und Balindt durchgeführten Literaturrecherchen zur Häufigkeit von Krebs unter Schweißern habe es sich um Mischexpositionen gehandelt, sodass auch hier weder ein Grenzwert noch ein Orientierungswert für den Einzelstoff Nickel habe abgeleitet werden können. Norpoth und Popp hätten sich in ihrer arbeitsmedizinischen Stellungnahme von 1994 am damals gültigen Arbeitsplatzgrenzwert (TRK) für Nickel von 0,5 mg/m³ orientiert und eine Expositionsdauer von mindestens zehn Jahren angesetzt. Hieraus habe sich der Wert von 5.000 µg/m³ x Jahre ergeben. Hierbei handele es sich nicht - wie bei Chrom - um einen Orientierungswert auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien, sondern um eine Konvention, die in der Rechtsprechung Berücksichtigung gefunden habe. Auch wenn der Wert von 5.000 Nickel-Jahren eine unsichere Konvention darstelle, sei die für den Versicherten ermittelte Exposition von 158 Nickel-Jahren als sehr niedrig zu bewerten, sodass aus diesem Grund die Nickelexposition des Versicherten nicht als ausreichend für die Verursachung einer BK Nr. 4109 bzw. des Bronchial-Karzinoms angesehen werden könne.
Als außerberufliche Ursache für die Lungenkrebserkrankung sei hier der Nikotinkonsum des Versicherten von mindestens 25 py zu berücksichtigen. Rauchen sei die häufigste Ursache von Lungenkrebs. Aufgrund des Rauchens habe der Versicherte im Vergleich mit einem Nichtraucher ein fünf- bis zehnfach erhöhtes Risiko gehabt, an Lungenkrebs zu erkranken.
Vorliegend stelle sich die Frage, ob möglicherweise durch das Zusammenwirken der beruflichen Schadstoffe das berufliche Risiko so erhöht worden sei, dass doch eine BK angenommen werden könne. Für andere Lungenkarzinogene (Asbest und PAK) habe anhand epidemiologischer Daten nachgewiesen werden können, dass bei gemeinsamer Einwirkung eine überadditive Wirkung auftrete (Synkanzerogenese) und es habe eine Dosis-Wirkungs-Beziehung abgeleitet werden können, anhand der das individuelle Risiko abgeschätzt werden könne. In Deutschland werde seit einigen Jahren das Forschungsvorhaben SYNERGY durchgeführt. So werde anhand von Daten aus internationalen Fall-Kontroll-Studien das Zusammenwirken von ausgewählten beruflichen Karzinogenen und Rauchen untersucht. Bisher habe jedoch keine anwendungsfähige Berechnung zur Synkanzerogenese abgeleitet werden können. Als Grund hierfür gäben die Autoren an, dass eine solche Berechnung aufgrund der Komplexität der Expositionsbedingungen an ihre Grenzen stoße. Dies habe dazu geführt, dass bisher keine Interaktion zwischen den fünf Modellkarzinogenen (Chrom-VI, Nickel, Asbest, PAK, Quarz) habe abgeleitet werden können. Der Versicherte habe eine sehr niedrige Exposition gegenüber Asbest, Nickel und PAK sowie eine Exposition gegenüber Chrom nur in Höhe der Hälfte des Orientierungswertes gehabt. Selbst wenn man von einer additiven Wirkung ausgehen würde (was wissenschaftlich nicht nachgewiesen sei), wäre die Exposition gegenüber Nickel, Asbest und PAK nach ihrer Einschätzung nicht gleichwertig mit der „fehlenden Hälfte“ der Chromexposition. Die Frage, ob bei dem Versicherten durch Synkanzerogenese eine ausreichende berufliche Risikoerhöhung vorliege, könne nicht beantwortet werden, da hierfür keine ausreichende wissenschaftliche Datenlage bestehe. Es bestehe jedoch ein relevantes außerberufliches Risiko durch das Rauchen.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 21. September 2021 Kritik am Gutachten geübt. Sie hat u.a. ausgeführt, es treffe zu, dass das Risiko, an einem Lungenkrebs zu erkranken, beim Raucher bei 5 bis10 liege. Komme jedoch zu der Rauchgewohnheit noch eine Asbestlastbelastung hinzu, liege das Risiko bei 52, was mehr als multiplikativ sei.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat der Senat den Facharzt für Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Prof. Dr. X B mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens nach Aktenlage beauftragt. Prof. Dr. B hat in seinem Gutachten vom 24. November 2021 ausgeführt, dass radiologisch und/oder pathoanatomisch bzw. histopathologisch festgestellte Veränderungen, die eine Fibrosierung des Lungengewebes oder der Pleura infolge vorausgegangener Asbest-Einwirkung belegen könnten, nicht vorlägen. Das Vorliegen einer BK Nr. 4103 entsprechend der in der BKV geforderten Kriterien sei daher nicht wahrscheinlich zu machen. Auch liege die von Seiten der Beklagten ermittelte kumulative Asbestdosis von 1,1 Asbestfaserjahren mit knapp 5 % weit unterhalb der vom Verordnungsgeber bei fehlenden Brückenbefunden (Asbestose, asbestbedingte Pleuraveränderungen) bei der BK Nr. 4104 festgelegten Grenzdosis von 25 Faserjahren. Selbst wenn anstelle von 25 Faserjahren die sich aus neueren Studien ergebende Verdopplungsdosis für den asbestbedingten Lungenkrebs von etwa vier Faserjahren angewendet würde, werde der Grenzwert nicht erreicht. Ebenso wenig könne vom Vorliegen der Expositionskausalität für eine BK Nr. 4113 ausgegangen werden, da für den Versicherten auf Basis der dargestellten Tätigkeiten (Verwendung von Heißbitumen bei der Dachreparatur) nur eine kumulative BaP-Belastung von < 0,1 BaP-Jahren statt der von der BKV geforderten 100 BaP-Jahren zu ermitteln waren. Auch die BK Nr. 4114 (Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und PAK) scheide aus, da bei der ermittelten Asbestdosis von 1,1 Faserjahren und einer PAK-Belastung von < 0,1 BaP-Jahren die für die Einwirkungskausalität geforderte Verursachungswahrscheinlichkeit von 50 % weit unterschritten werde.
Der Zigarettenabusus von 25 Packungsjahren stelle zweifelsohne für einen primären Lungentumor, wie er im vorliegenden Falle gesichert sei, einen erheblichen Risikofaktor dar, schließe aber im BK-Recht eine wesentliche (Teil-)Ursache durch berufliche karzinogene Schadstoffe nicht aus, sofern die vom Verordnungsgeber festgelegten Voraussetzungen für eine BK gegeben seien.
Hinsichtlich der beruflichen Belastung durch Schweißrauche mit den darin feststellbaren Karzinogenen Chrom und Nickel sei die vom Präventionsdienst vorgenommene Abschätzung der kumulativen Belastungen nur eingeschränkt überprüfbar, da die in der Dosisermittlung jeweils angeführten Expositionsanteile und die Expositionsdauer nicht begründet und die zugrundeliegende Literatur nicht näher bezeichnet werde. Der Präventionsdienst habe für Chrom eine Expositionshöhe von 220 µg/m³ bzw. 10 µg/m³ zu Grunde gelegt. Dabei seien die bis 1990 fehlenden Absauganlagen wie auch die Bearbeitung von Containern nicht hinreichend berücksichtigt worden. Bei Zugrundelegung der im BK-Report Chrom 2013 genannten Expositionswerte von 238 µg/m³ für das LBH-Schweißen ohne Absaugung und 6 µg/m³ für das WIG-Schweißen ohne Absaugung müsste bei unverändert übernommenen Expositionsanteilen und –dauer die Gesamtdosis etwa 270 µg/m³ x Jahre erreichen. Bei den BK Nrn. 1103 und 4109 handele es sich um sogenannte offene Tatbestände ohne eine normative Vorgabe in Form einer Mindestdosis. So gebe es für Nickel und seine Verbindungen keine validen Daten über einen Schwellenwert und eine Dosis-Wirkungs-Beziehung. Vorliegend sei eine kumulative Nickelbelastung von 158,8 µg/m³ x Jahre ermittelt worden. Eine BK Nr. 4109 könne anhand der vorgenannten Datenlage unter alleiniger Zugrundelegung dieser kumulativen Nickel-Belastung nicht mit der geforderten Wahrscheinlichkeit begründet werden.
Nach einer Entscheidung des BSG vom 30. März 2017 (B 2 U 6/15 R) werde bei der BK Nr. 1103 auf Basis der aktuellen Literatur bei alleiniger Betrachtung der kumulativen Chrombelastung für eine Verdoppelung des Lungenkrebsrisikos von einer kumulativen Verdopplungsdosis von 300 µg/m³ x Jahre ausgegangen. Vorliegend habe die Chrom-Gesamtdosis mit etwa 270 µg/m³ x Jahre nur unwesentlich unterhalb dieses Grenzwertes von 300 µg/m³ x Jahre gelegen. In einer 2015 erschienenen Literaturübersicht hätten sich Brüning et al. von den BG-lichen Einrichtungen IPA, IFA und DGUV für eine Chrom (VI) Dosis von 500 µg/m³ x Jahre als Orientierungsmaß für die Verdoppelung des Lungenkrebsrisikos im Sinne der BK Nr. 1103 ausgesprochen. Hierbei würden neuere Arbeiten nicht bzw. nicht gebührend berücksichtigt. So zeige Gibb et al. (2000) in einer Kohorten-Studie, dass das Lungenkrebsrisiko bei den untersuchten 2357 Beschäftigten in der Chromat-herstellenden Industrie eine Dosis-Häufigkeit-Beziehung aufweise und das Verdoppelungsrisiko für Lungenkrebserkrankungen (RR = 2,0) bei einer Chrom (VI)-Dosis von bereits etwa 300 µg/m³ x Jahre liege. Zu weitgehend gleichlautenden Ergebnissen seien Crump et al. (2003) und Park et al. (2006) gekommen, während Mancuso (1997) eine niedrigere Verdopplungsdosis gefunden habe, dagegen Luippold et al. (2005) bei einer nichtlinearen Beziehung eine SMR von 3,65 nach einer kumulativen Chrom-Einwirkung von 1.050 – 2.690 µg/m³ beschrieben hätten. Die OSHA (Occupational Safety and Health Administration) habe in ihren Veröffentlichungen von 2006 erwähnt, dass Beschäftigte sogar nach kurzer Beschäftigungsdauer und Konzentrationen unterhalb der Grenzwerte ein substantielles Lungenkrebsrisiko aufwiesen. Es sei deshalb ein neuer Grenzwert von 5 µg/m³ Chrom (VI) vorgeschlagen und mitgeteilt worden, dass bei diesem neuen Grenzwert das Lebensrisiko immer noch signifikant erhöht sei. Auch Metaanalysen zur Chrom-Exposition hätten nach Wilbur, Abadin et al. (2012) eine signifikant erhöhte Lungenkrebsmortalität ergeben.
Im vorliegenden Erkrankungsfall hätten unzweifelhaft und unstrittig im Rahmen der versicherten Tätigkeit Belastungen durch mehrere, potentiell einen Lungenkrebs auslösende Schadstoffe vorgelegen, nämlich Chrom, in geringerem Umfang auch Nickel, Asbest und minimal PAK. Die im Fall des Versicherten ganz im Vordergrund stehende Chrom-Belastung in Höhe von etwa 270 µg/m³ x Jahre könne nicht isoliert gesehen werden, sondern nur im Zusammenhang mit den am selben Zielorgan (Lunge) gewirkt habenden Karzinogenen Nickel, Asbest sowie PAK, so dass insgesamt die vorgelegene Chrom-Belastung eine wesentliche Teilursache des Lungenkrebses darstelle. Nach der Rechtsprechung des BSG sei jede BK für sich und nicht alle zusammen als Gesamt-BK zu prüfen. Jedoch könne nach dem BSG dem Zusammenwirken einzelner Mitbedingungen in einer Gruppe, die als Kollektiv für einen Erfolg wesentlich seien, so viel Eigenbedeutung zukommen, dass auch dem einzelnen Stoff des Einwirkungsgemisches wesentliche Bedeutung für den Erfolg im Sinne eines BK-Tatbestandes zukomme. Zulässig und notwendig sei demnach die Prüfung, ob ein Listenstoff, auch wenn er nicht monokausal die Erkrankung verursacht habe, im Zusammenwirken mit anderen Listenstoffen eine wesentliche Teilursache gewesen sei. Daher handele es sich nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand um eine BK Nr. 1103, wobei im Sinne einer wesentlichen Teilursache die hohe Chrom-Belastung von 270 µg/m³ x Jahre ursächlich zusammengewirkt habe mit den Belastungen durch Nickel, Asbest und PAK. Eine durch das Zusammenwirken der vorgenannten Karzinogene am selben Zielorgan (Lunge) bedingte Risikoerhöhung werde durch die neuere Literatur gestützt (Steenland and Stayner 1997, Sogl, Taeger et al. 2012). Vorliegend sei bei vergleichbar hohen Risikoerhöhungen durch den außerberuflichen Faktor Rauchen (25 Packungsjahre) und der beruflichen Schadstoffbelastungen davon auszugehen, dass neben den beruflichen Belastungen auch dem erheblichen Zigarettenrauchen eine wesentliche teilursächliche Bedeutung für die Entstehung des Lungenkrebses zukomme. Das relativ frühe Auftreten des Lungenkrebses (beim Raucher ohne zusätzliche karzinogene Belastungen im Mittel deutlich über 60 Jahre, im vorliegenden Fall 54 Jahre) spreche dafür, dass die Erkrankung durch die gleichzeitig vorliegenden beruflichen Belastungen und das Zigarettenrauchen hervorgerufen worden sei. Die berufliche Belastung mit Chrom in Kombination mit Nickel, Asbest und PAK als auch die außerberufliche Belastung durch Zigarettenrauchen seien jeweils für sich prinzipiell in der Lage, das Krankheitsbild zu verursachen, jedoch habe im vorliegenden Fall deren Zusammenwirken zu einer relativ frühen Krankheitsentstehung geführt, die bei Vorliegen nur der beruflichen oder nur der außerberuflichen Faktoren mit Wahrscheinlichkeit nicht zu einem so frühen Zeitpunkt (54. Lebensjahr) zu erwarten gewesen wäre.
Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 10. Januar 2022 zur Akte gereicht. Darin wird ausgeführt, dass der Versicherte selbst Angaben zu Schweißtätigkeiten von Chrom-Nickel-Stählen (Edelstahl) gemacht habe und zwar mit 2 Stunden pro Woche im Elektroden-Handschweißverfahren. Der Zeuge K habe angegeben, dass überwiegend Edelstahl-Schweißverfahren einzusetzen waren und der Stahl hauptsächlich mit der Elektrode verschweißt worden sei. Daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Edelstahlmaterialien ausschließlich mit Handelektrode (Lichtbogen) geschweißt worden seien, wie von Prof. B angeführt. Außerdem sei dessen Dosisberechnung nicht im Gutachten enthalten und auch nicht nachvollziehbar. Eine Berücksichtigung des WIG-Schweißverfahrens (Edelstahl-Schweißverfahren lt. Zeuge) fehle komplett. In der Berechnung vom 01. Oktober 2020 seien beide Schweißverfahren ohne Einwirkung einer Absaugung einbezogen worden und habe man sich bezüglich der Expositionszeit an den Angaben des Versicherten orientiert. Zudem seien die im Gutachten angeführten WIG-Schweißarbeiten im Container nur bedingt relevant, da hier zum einen in geringerem Umfang Chrom-Nickel-Materialien verarbeitet worden seien und zum anderen laut IFA-Ringbuch 9120 beim WIG-Verfahren nur gering partikelförmige Emissionen aufträten. Zudem habe der Korpus der Container aus unlegiertem Stahl und nur die Rohrleitungen aus Edelstahl bestanden, wobei diese teilweise außerhalb des Containers in der Werkhalle vorgeschweißt bzw. geschraubt worden seien. Der ehemalige Vorgesetzte, der Zeuge K, habe außerdem am 10. Januar 2022 telefonisch angegeben, dass der Schweißanteil an den Containern max. 15 % der Gesamtschweißungen mit WIG von Chrom-Nickel-Stählen betragen habe. Die Container hätten minimal Abmessungen von ca. 2 m x 6 m x 3,2 m und maximal von 12,4 m x 2,7 m x 3,6 m mit natürlicher Belüftung gehabt. Der in der Berechnung vom 01. Oktober 2020 genutzte Wert für WIG-Schweißen im BK-Report beinhalte zwar den Vorgang mit Absaugung, jedoch sei diese Belastung höher als ohne Absaugung.
Zudem hat die Sachverständige Dr. B auf Anforderung des Senats am 22. Februar 2022 eine ergänzende Stellungnahme abgegeben. Sie hat dargelegt, dass es sich bei der von Prof. Dr. B zur Begründung der von ihm postulierten Chrom-Gesamtdosis von 300 µg/m³ x Jahre für eine Verdopplung des Lungenkrebsrisikos herangezogenen neueren Literatur - Gibb et al. (2000), Mancuso (1997) und Luippold et al. (2005) etc. - letztlich um die bereits von ihr zitierte Literatur handele. Aus diesen Studien ließe sich aufgrund methodischer Mängel kein valider Grenzwert und auch keine Verdopplungsdosis von 300 µg/m³ x Jahre ableiten. Auch das BSG habe in seinem Urteil ausgeführt, dass aus diesen Studien eine zuverlässige und allgemein akzeptierte Dosis-Wirkungs-Beziehung bei Chromat-Einwirkung bisher nicht habe ermittelt werden können. Es lasse sich aber eine Tendenz entnehmen, bei immer geringeren Einwirkungsmengen eine naturwissenschaftliche Ursächlichkeit zu bejahen. Für das BSG sei deshalb nicht erkennbar gewesen, dass die vorangegangene LSG-Entscheidung, dass ein Kausalzusammenhang bei einer Belastung mit Chrom von bereits 300 µg/m³ x Jahre vorliegen könne, grundsätzlich falsch sei. Sie selbst habe sich in ihrem Gutachten der ausführlichen Diskussion dieser Problematik in der Publikation von Brüning et al. (2015) angeschlossen. Auch sie sei davon ausgegangen, dass alle betrachteten Schadstoffe (Chrom, Nickel, Asbest, PAK) ein Bronchial-Karzinom verursachen könnten und es medizinisch plausibel sei, dass es durch das Zusammenwirken der Schadstoffe zu einer Risikoerhöhung gegenüber der Einzelbetrachtung der Stoffe komme. Jedoch gebe es kein belastbares Modell für diese Berechnung. Hinzu komme, dass die Exposition gegenüber Nickel, Asbest und PAK sehr gering gewesen sei. Lege man die wissenschaftliche Bewertung der Autoren um Brüning zugrunde, die nach ihrer Einschätzung aktuell die Mehrheitsmeinung der Fachexperten darstelle, reiche die berufliche Exposition des Versicherten nicht aus, um mit ausreichender Wahrscheinlichkeit einen Kausalzusammenhang zwischen der Chrom-Exposition und der Erkrankung anzunehmen. Sehe man bereits eine Chrom-Belastung von 300 µg/m³ x Jahre als ausreichend an, könne man der Argumentation von Prof. B folgen, dass im vorliegenden Fall sich gegenseitig verstärkende Belastungen für den Erfolg des BK-Tatbestandes plausibel und ausreichend seien. Für keine der beiden Argumentationen fände sich aktuell eine sichere wissenschaftliche Begründung.
Auf Anforderung des Senats (Schreiben vom 23. Juni 2022) und die hierbei erteilten Hinweise zu Zeiten der Nicht- bzw. der geringfügigen Beschäftigung des Versicherten hat der Präventionsdienst der Beklagten am 30. Juni 2022 und 02. September 2022 unter Vorlage einer Neuberechnung der Chrom- und Nickel-Belastung vom 29. Juni 2022 bzw. (korrigiert) vom 30. August 2022 Stellung genommen. Unter Berücksichtigung der fehlenden Zeiten sowie Zeiten der geringfügigen bzw. Nicht-Beschäftigung ergebe sich für die Tätigkeit des Versicherten als Schweißer mit LBH-Schweißen und Schweißen im WIG-Verfahren vom 01. April 1980 bis zum 28. März 2012 (Beginn der Arbeitsunfähigkeit) bei Exposition gegenüber Schweißrauchen eine Chromat-Dosis von 245 µg/m³ x Jahre sowie eine Nickel-Dosis von 187 µg/m³ x Jahre. Die Berechnungen seien bzgl. der Chrom-Belastung auf der Grundlage des BK-Reports Chrom 2013, Tab. 18 bzw. 22, und bzgl. der Nickel-Belastung nunmehr nach dem BK-Report 1/2021 Nickel und seine Verbindungen (im Folgenden: BK-Report 1/2021 Nickel), Tab. 40, 41 und 50, erfolgt. Die Einstufung der unterschiedlichen Belastung beim WIG-Schweißen folge aus dem BK-Report Chrom 2013. Die dort aufgeführten Werte seien aufgrund technologischer und messtechnischer Erkenntnisse durch die DGUV und auch mit Hilfe diverser Berufsgenossenschaften festgelegt worden. Speziell bei diesem Schweißverfahren beruhten die Angaben zur Qualität der Messdaten in Form der Validitätskennung VK mit VK1 auf einem umfangreichen Datenpool, denn bei einer VK1 liege eine Vielzahl gesicherter Messwerte aus MEGA (Datenbank: Messdaten zur Exposition gegenüber Gefahrstoffen am Arbeitsplatz) oder von Institutionen mit vergleichbaren Qualitätsstandards vor. Der 50-%- und der 90-%-Wert seien aus dem Datenkollektiv ermittelt worden. Die Werte für das LBH-Schweißen von 238 und für das WIG-Schweißen mit 5 bzw. 3 seien aus der Tab. 18 bzw. 22 bezogen und wären Angaben ohne bzw. mit Absaugung, da es sich um die höheren Belastungen handele.
Den Berechnungen lägen als Bewertungsgrundlage für eine Vollbeschäftigung durchschnittlich ca. 160 Stunden/Monat und für eine geringfügige Beschäftigung durchschnittlich ca. 20 Stunden/Monat zugrunde. Dies bedeute, dass der Edelstahlschweißanteil bei der Vollbeschäftigung im Monat ca. 8 Stunden betragen habe und bei der geringfügigen Beschäftigung im Monat ca. 1 Stunde, da der Versicherte nur noch ein Achtel der Vollzeit tätig gewesen sei und dies dann entsprechend auf die Expositionszeit Auswirkungen gehabt habe. Hieraus ergebe sich für die geringfügige Beschäftigung ca. 0,5 Stunden Schweißen mit Handelektrode und ca. 0,5 Stunden Schweißen im WIG-Verfahren. Der Versicherte selbst habe das Schweißen von Edelstahl mit durchschnittlich ca. 2 Stunden in der Woche mit Handelektrode, also im LBH-Schweißverfahren angegeben. Der Zeuge Koch habe dann die Schweißarbeiten insgesamt mit höchstens 1 Stunde am Tag im Durchschnitt angegeben, sodass von einer geringeren Expositionszeit auszugehen sei, wobei hier nicht nur die Verarbeitung von Edelstahl gemeint gewesen sei, sondern auch das Schweißen von unlegierten Stählen.
Prof. Dr. B hat auf Anforderung des Senats den BK-Report Chrom 2013 zur Akte gereicht, der in Kopie der Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandt worden ist. Des Weiteren hat der Senat den Aufsatz „Wissenschaftliche Datenlage zur BK-Nr. 1103 im Hinblick auf die kanzerogene Wirkung von Chrom (VI)-Verbindungen“ von T. Brüning et al. (ASUMed 2015; 50: 666-676) zur Akte genommen und hiervon den Beteiligten Kopien übersandt sowie mit dem weiteren Schreiben vom 23. Juni 2022 aktuelle prozessrechtliche Hinweise erteilt.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (L 3 U 219/17, L 3 U 220/17 und L 3 U 221/17) sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung und bei Entscheidungsfindung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegten Berufungen sind zulässig, jedoch zum größten Teil unbegründet.
Vorliegend verfolgt die Klägerin mit ihren Berufungsanträgen ihre bereits erstinstanzlich zu den Aktenzeichen S 15 U 42/14, S 15 U 43/14 und S 15 U 44/14 jeweils im Wege der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und 4 SGG) erhobenen Klagebegehren weiter.
Entgegen der vom SG in den Verfahren zu den Aktenzeichen S 15 U 42/14 und S 15 U 43/14 vertretenen Auffassung war die Klägerin, soweit sie als Sonderrechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten die Aufhebung bzw. Abänderung des eine BK nach den Nrn. 1103, 4104 und 4109 ablehnenden Bescheides des Rentenausschusses der Beklagten vom 14. März 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2014 sowie des eine BK nach Nr. 4103 ablehnenden Bescheides des Rentenausschusses der Beklagten vom 21. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2014 begehrt und die Verurteilung (Verpflichtung) der Beklagten zur Anerkennung einer BK nach den Nrn. 1103, 4104 und 4109 bzw. einer BK Nr. 4103 beantragt hat, in diesen Verfahren auch zur Klage befugt (I.). Soweit die Klägerin darüber hinaus in den Verfahren zu den Aktenzeichen S 15 U 42/14 und S 15 U 43/14 auch beantragt hat, die Beklagte zur Gewährung von Lebzeiten- und Hinterbliebenenleistungen zu verurteilen, sind die Leistungsklagen jedoch unzulässig (II.). Die Anfechtungsklagen zu den Aktenzeichen S 15 U 42/14 und S 15 U 43/14 gegen die vom Rentenausschuss der Beklagten erlassenen Bescheide über Ablehnung einer Berufskrankheit vom 14. März 2013 und 21. November 2013 jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27. März 2014 erweisen sich als begründet (III.). Die Anfechtungsklage zum Aktenzeichen S 15 U 44/14 gegen den vom Rentenausschuss der Beklagten erlassenen Bescheid über Ablehnung von Hinterbliebenenleistungen vom 21. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. April 2014 erweist sich teilweise als begründet (IV.) Die von der Klägerin zu den Aktenzeichen S 15 U 42/14 und S 15 U 43/14 verfolgten Klagebegehren auf Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung einer BK beim Versicherten sowie das von ihr zum Aktenzeichen S 15 U 44/14 verfolgte Klagebegehren auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Hinterbliebenenleistungen sind jedoch unbegründet (V.).
I. Die Klagebefugnis sowie das berechtigte Interesse an der Feststellung eines Versicherungsfalls entfällt beim Eintritt einer Sonderrechtsnachfolge nicht deshalb, weil das von der Sonderrechtsnachfolgerin fortgeführte Klageverfahren ursprünglich lediglich eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw. Feststellungsklage zum Gegenstand hatte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es möglich erscheint, dass auf die Sonderrechtsnachfolgerin fällige laufende Geldleistungsansprüche des Verstorbenen, die bei Vorliegen einer BK zu dessen Lebzeiten entstanden sind, übergegangen sind (vgl. BSG, Urteile vom 16. März 2021 – B 2 U 17/19 R und B 2 U 7/19 R -, in juris Rn. 15 ff. bzw. 9 ff.). Nichts anderes gilt für das hier von der Klägerin fortgeführte Verwaltungsverfahren und die daran anschließenden Klageverfahren, mit denen sie im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen das Begehren des Versicherten auf Anerkennung seiner Lungenkrebserkrankung als BK nach den Nrn. 1103, 4103, 4104 und 4109 weiterverfolgt hat. Die Klägerin konnte das noch zu Lebzeiten des Versicherten mit der ärztlichen Anzeige des Verdachts einer BK im Juli 2012 eingeleitete und mit dem Antrag des Versicherten vom 23. August 2012 auf die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung erweiterte Verwaltungsverfahren (§ 8 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch <SGB X>) nach dem Ableben des Versicherten als dessen Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 Abs. 1 S. 1 SGB I) bzw. hier auch als dessen Gesamtrechtsnachfolgerin im Sinne von § 58 Satz 1 SGB I fortführen. Nach § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB I stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tode des Berechtigten nacheinander 1. dem Ehegatten, 1a. dem Lebenspartner, 2. den Kindern, 3. den Eltern, 4. dem Haushaltsführer zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Ausweislich der vorgelegten Sterbeurkunde war die Klägerin mit dem Versicherten verheiratet und lebte zum Zeitpunkt seines Todes mit ihm in einem Haushalt. Gemäß § 58 Satz 1 SGB I werden fällige Ansprüche auf Geldleistungen, soweit sie nicht nach den §§ 56 und 57 einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vererbt. Nach dem vorgelegten Erbschein, ausgestellt vom Amtsgericht B L am 22. Februar 2013, ist die Klägerin auch gemäß § 1922 BGB Alleinerbin des am 16. Oktober 2012 verstorbenen Versicherten geworden. Gemäß § 59 SGB I erlöschen zwar Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen mit dem Tod des Berechtigten, jedoch Ansprüche auf Geldleistungen nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist. Hier hatte die Beklagte bis zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten bzw. hat bis heute über dessen Antrag vom 23. August 2012 auf Leistungen (u.a. Geldleistungen in Form von Verletztengeld, Verletztenrente, Pflegegeld etc.) noch keine Entscheidung im Sinne des § 31 SGB X getroffen, sodass das Verwaltungsverfahren hierzu nach wie vor anhängig ist (vgl. § 8 SGB X).
II. Die zu den Aktenzeichen S 15 U 42/14 und S 15 U 43/14 jeweils mit den Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen verbundenen Leistungsklagen auf „Lebzeitenleistungen und Hinterbliebenenleistungen“ sind bereits unzulässig, da der Rentenausschuss der Beklagten in den Bescheiden über Ablehnung einer BK vom 14. März 2013 und 21. November 2013 keine Regelung im Sinne des § 31 SGB X betreffend konkrete (Geld-) Leistungen getroffen hatte. Zwar hat es der Rentenausschuss im ersten Teil der angefochtenen Bescheide vom 14. März 2013 und 21. November 2013 unter Ziff. 1 nicht nur abgelehnt, eine BK Nr. 4104,1103 oder 4109 bzw. eine BK Nr. 4103 festzustellen, sondern unter Ziff. 2 auch angeführt „Ansprüche auf Leistungen bestehen nicht“. Mit der pauschalen Leistungsablehnung sollten aber ersichtlich nur allgemein die Folgerungen beschrieben werden, die sich aus der Nichtanerkennung einer BK ergeben. Insoweit handelte es sich nicht um eine Entscheidung über einzelne konkrete Leistungsansprüche (wie z.B. Verletztengeld nach § 45 SGB VII, Verletztenrente nach § 56 SGB VII etc.), sondern um einen bloßen Textbaustein ohne Regelungsgehalt, im Sinne einer Leerformel (vgl. ständige Rechtsprechung des BSG, zuletzt Urteile vom 16. März 2021 – B 2 U 7 /19 R -, Rn. 11 ff., und - B 2 U 17/19 R - , Rn. 21 ff., Urteile vom 17. Februar 2009 – B 2 U 26/07 R - und 02. April 2009 – B 2 U 30/07 R -; jeweils zitiert nach juris). Dies ergibt sich auch nach den für die Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB). Danach ist Maßstab der Auslegung der „Empfängerhorizont“ eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat. Ausschlaggebend ist der objektive Sinngehalt der Erklärung nach dem objektivierten Empfängerverständnis. Dass der Rentenausschuss der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden nicht nur nach deren Bezeichnung ausschließlich ablehnende Entscheidungen über das Vorliegen einer BK getroffen hatte, zeigen auch die weiteren Ausführungen des Renten- und später auch des Widerspruchsausschusses, die sich sämtlich mit den arbeitsmedizinischen bzw. arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Lungenkrebserkrankung als BK nach den Nrn. 4104, 1103, 4109 und 4103 beschäftigen. Zu den konkreten tatbestandlichen Voraussetzungen einzelner Leistungen äußern sie sich überhaupt nicht. Soweit im Bescheid über Ablehnung einer BK vom 21. November 2013 im Rahmen der Begründung zuletzt auch auf das Nichtbestehen eines Anspruchs auf Hinterbliebenenleistungen hingewiesen worden ist, vermag der Senat im Hinblick auf die Bezeichnung des Bescheides keine eigenständige Regelung zu einer Hinterbliebenenleistung zu erblicken. Schließlich hat der Rentenausschuss der Beklagten in einem am gleichen Tag ergangenen weiteren Bescheid vom 21. November 2013 explizit eine (ablehnende) Regelung im Sinne von § 31 SGB X über Ansprüche der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen gemäß § 63 SGB VII nach dem Tod des Versicherten getroffen.
Die jeweils in Kombination mit den Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen erhobenen Leistungsklagen sind daher im Hinblick auf die fehlenden Verwaltungsentscheidungen und Vorverfahren (§ 78 SGG) zu den - nur pauschal - begehrten Leistungen unzulässig.
III. Soweit sich die Klägerin jeweils mit der Anfechtungsklage gegen die vom Rentenausschuss der Beklagten erlassenen Bescheide über Ablehnung einer BK vom 14. März 2013 und 21. November 2013, jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27. März 2014, wendet, sind diese im Hinblick auf die sachliche Unzuständigkeit des Rentenausschusses begründet.
Nach der abschließenden Aufzählung in § 36a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) können in der Unfallversicherung durch Satzung (§ 34 SGB IV) nur die erstmalige Entscheidung über Renten, Entscheidungen über Rentenerhöhungen, Rentenherabsetzungen und Rentenentziehungen wegen Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse (Buchstabe a) sowie Entscheidungen über Abfindungen mit Gesamtvergütungen, Renten als vorläufige Entschädigungen, laufende Beihilfen und Leistungen bei Pflegebedürftigkeit (Buchstabe b) besonderen Ausschüssen übertragen werden. Wird - wie hier durch die Vertreterversammlung der Beklagten (§ 33 SGB IV) – von der Satzungsermächtigung Gebrauch gemacht (vgl. § 21 Abs. 1 der Satzung der Beklagten vom 29. Oktober 2010 in der Fassung des Nachtrags vom 21. November 2012 <im Folgenden: Satzung>), erfolgt eine trägerinterne Zuständigkeitsverlagerung: Aus der Menge der laufenden Verwaltungsgeschäfte, für die die hauptamtlichen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer (§ 36 Abs. 1. HS. 1 SGB IV) als monokratische Behörde (§ 31 Abs. 3 S. 1 SGB IV i.V.m. § 1 Abs. 2 SGB X) prinzipiell zuständig sind, wird die Entscheidungskompetenz für bestimmte Leistungen den kollegial verfassten Rentenausschüssen zugewiesen. Diese sind dann ebenfalls Behörden i.S. des § 1 Abs. 2 SGB X, weil sie anstelle der Behörde „Geschäftsführer“ mit ihren Entscheidungen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (sieh hierzu: Spellbrink/Karmanski, Die gesetzliche Unfallversicherung in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Teil I), SGb 2021, 461 ff, 466). Der in § 36a Abs.1 S. 1 Nr. 2 SGB IV (und § 21 der Satzung) aufgeführte Kompetenzkatalog erfasst die isolierte Ablehnung eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit; § 7 Abs. 1 SGB VII) nicht, auch wenn sie im Einzelfall die Entscheidung über die (Nicht-) Gewährung einer Verletztenrente präjudizierend vorwegnimmt (vgl. mit ausführlicher Begründung und weiteren Nachweisen: BSG, Urteil vom 30. Januar 2020 – B 2 U 2/18 R -, Rn. 13 ff., juris). Die Kompetenzüberschreitung durch den Rentenausschuss führt indessen nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nach § 40 SGB X. Eine Nichtigkeit im Sinne von § 40 Abs. 1 SGB X kommt nur im Falle der sogenannten absoluten Unzuständigkeit in Betracht, wobei die mit dem Verwaltungsakt geregelte Angelegenheit keinen sachlichen Bezug zum Aufgabenbereich der handelnden Behörde haben darf und dies offenkundig sein muss. Dies ist vorliegend nicht gegeben, denn die (Nicht-) Feststellung eines Versicherungsfalls (§ 7 Abs. 1 SGB VII) ist Vorfrage für Entscheidungen über Renten und die (Nicht-) Gewährung von Verletztengeld und unfallversicherungsrechtlicher Heilbehandlung. Daher gehört sie zum Aufgabenbereich des Unfallversicherungsträgers, in dessen Hauptverwaltung und / oder jeder Bezirksverwaltung ein Rentenausschuss zu bilden ist (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 der Satzung), der aufgrund spezieller Rechtsvorschriften in Teilbereichen eigenverantwortlich für den Versicherungsträger handelt (BSG, Urteil vom 30. Januar 2020 – B 2 U 2/18 R -, Rn. 14 ff., juris). Nach § 41 Abs. 1 SGB X ist zwar die Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften in bestimmten Fällen unbeachtlich, Verstöße gegen die sachliche Zuständigkeit werden aber von den abschließend in § 41 Abs. 1 SGB X genannten Tatbeständen nicht erfasst (vgl. Spellbrink/Karmansk, a.a.O., S. 466). Insbesondere kann hier die Geschäftsführung, indem sie sich den Beschluss des sachlich unzuständigen Rentenausschusses nachträglich – durch rechtswidriges Treffen der Nichtabhilfeentscheidung (§ 85 Abs. 1 SGG) anstelle der Ausgangs- und deshalb allein zuständigen (Abhilfe-)Behörde „Rentenausschuss“ oder durch Beantragung der Klageabweisung in zuständiger Weise im Gerichtsverfahren - zu eigen macht, auch keine Nachholung der „Mitwirkung einer anderen Behörde“ i.S.v. § 41 Abs.1 Nr. 5 SGB X bewirken (vgl. Spellbrink/Karmansk, a.a.O., S. 466). Ebenso wenig ist eine Aufhebung der vom unzuständigen Rentenausschuss erlassenen Bescheide nach § 42 SGB X ausgeschlossen. Gemäß § 42 SGB X kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Aus der expliziten Nennung der örtlichen Unzuständigkeit folgt im Umkehrschluss, dass § 42 S. 1 SGB X keine - auch keine analoge - Anwendung findet auf Fehler, die aus einem Verstoß gegen die Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit, die Verbandszuständigkeit, die funktionelle oder die instanzielle Zuständigkeit resultieren. Verwaltungsakte, die unter Verstoß gegen die Zuständigkeitsordnung - mit Ausnahme der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit - ergangen sind, unterliegen daher grundsätzlich der Aufhebbarkeit (vgl. Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 42 SGB X (Stand: 04. Januar 2021) Rn. 44; Steinwedel in: Kasseler Kommentar, SGB X § 42 (Stand: Dezember 2021) Rn.7; Schütze in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 42 Rn. 5; Littmann in: Hauck/Noftz, SGB X, § 42 (Stand Dezember 2008) Rn. 14; BSG, Urteile vom 20. Juli 2010 – B 2 U 1/(09 R - <Unzuständigkeit der Widerspruchsstelle des Unfallversicherungsträgers für erstmalige Sachentscheidung>, und 26. September 1984 – 6 RKa 40/82 -, jeweils in juris; Spellbrink/Karmanski, a.a.O., S. 466). Zudem scheidet eine Umdeutung nach § 43 Abs. 1 SGB X aus. Nach dieser Regelung kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Vorliegend hätte jedoch der andere, aus der Konversion hervorgehende neue (Ziel-) Verwaltungsakt gerade nicht „von der erlassenden Behörde“ (dem sachlich unzuständigen Rentenausschuss) „rechtmäßig“ erlassen werden können, sondern nur durch die sachlich (allein-) zuständige Behörde „Geschäftsführer“.
Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Aufhebung der von ihr angefochtenen Bescheide des Rentenausschusses der Beklagten über Ablehnung einer BK vom 14. März 2013 und 21. November 2013, jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27. März 2014, obwohl sich (wie unter V. näher ausgeführt wird) die Bescheide in der Sache als zutreffend erweisen. Hierfür spricht schon, dass rechtswidrige Verwaltungsakte den rechtsschutzsuchenden Bürger beschweren (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG) und er deren Aufhebung deshalb „durch Klage“ verlangen kann (§ 54 Abs. 1 S. 1 Var. 1 SGG). Handelt die Behörde verfahrensfehlerhaft, wandelt sich der Anspruch auf ein gesetzmäßiges Verwaltungshandeln in einen Anspruch auf Beseitigung des fehlerhaften Akts, soweit der Verfahrensmangel - anders als hier - nicht unbeachtlich oder geheilt und deswegen ausnahmsweise hinzunehmen ist. Die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Var. 1 SGG) hat somit auch dann Erfolg, wenn die mit ihr verbundene (§ 56 SGG) Verpflichtungs- oder Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Var. 3, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) abweisungsreif ist, weil materiell-rechtlich kein Versicherungsfall vorliegt. Der angefochtene Verwaltungsakt in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) ist aufzuheben und die Klage im Übrigen abzuweisen. Die Klageabweisung kann aus Sachgründen erfolgen, weil eine behördliche Sachentscheidung vorliegt, auch wenn sie – uno actu - aus formellen Gründen aufgehoben worden ist (Spellbrink/Karmanski, a.a.O., S. 467; für eine Zulässigkeit der Feststellungsklage, wenn VA wegen sachlicher Unzuständigkeit aufzuheben ist: BSG, Urteil vom 03. September 1998 – B 12 KR 23/97 R –, juris).
Die vom Rentenausschuss der Beklagten erlassenen Bescheide über Ablehnung einer BK vom 14. März 2013 und 21. November 2013, jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27. März 2014, waren daher aufzuheben.
IV. Soweit sich die Klägerin mit der zum Aktenzeichen S 15 U 44/14 erhobenen Anfechtungsklage gegen den vom Rentenausschuss der Beklagten erlassenen Bescheid über Ablehnung von Hinterbliebenenleistungen vom 21. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. April 2014 wendet, ist diese im Hinblick auf die sachliche Unzuständigkeit des Rentenausschusses bzgl. einzelner Hinterbliebenenleistungen teilweise begründet.
Wie vom SG bereits in zutreffender Weise dargelegt, ist hier – entsprechend der Bezeichnung des angefochtenen Bescheides - der von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin erstinstanzlich gestellte und im Berufungsverfahren fortgeführte Klageantrag gemäß § 123 SGG dahingehend auszulegen, dass mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) die Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 21. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. April 2014 und die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen nach § 63 SGB VII begehrt wird. Gemäß § 63 Abs. 1 SGB VII sind Hinterbliebenenleistungen: 1. Sterbegeld, 2. Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Beisetzung, 3. Hinterbliebenenrenten und 4. Beihilfen.
Wie bereits zuvor unter Zif. III. dargelegt, war der Rentenausschuss der Beklagten nach § 36a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB IV (i.V.m. § 21 Abs. 1 der Satzung) sachlich nur zuständig für die Entscheidung über einen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen in Form einer Witwenrente nach § 63 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 65 SGB VII bzw. ausnahmsweise einer laufenden Witwenbeihilfe nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII i.V.m. § 71 Abs. 4 SGB VII. Ihm fehlte nach § 36a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB IV die Kompetenz für eine Entscheidung über einen Anspruch auf Sterbegeld und Überführungskosten (§ 63 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGB VII i.V.m. § 64 SGB VII) oder einmalige Witwenbeihilfe (§ 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII i.V.m. § 71 Abs. 1 SGB VII). Insoweit war der Bescheid des Rentenausschusses über Ablehnung von Hinterbliebenenleistungen vom 21. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. April 2014 wegen formeller Rechtswidrigkeit aus den bereits unter III. genannten Gründen ebenfalls – wie tenoriert – teilweise aufzuheben.
V. Die von der Klägerin zu den Aktenzeichen S 15 U 42/14 und S 15 U 43/14 jeweils erhobenen Verpflichtungsklagen wie auch die zum Aktenzeichen S 15 U 44/14 erhobene Leistungsklage sind unbegründet.
Zu Recht hat es der Rentenausschuss der Beklagten mit Bescheid vom 21. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. April 2014 abgelehnt, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen (§ 63 Abs. 1 SGB VII) in Form von Witwenrente (§ 65 SGB VII) oder laufender Witwenbeihilfe (§ 71 SGB VII) zu gewähren.
Gemäß § 63 Abs. 1 S. 2 SGB VII besteht ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen nach S. 1 Nrn. 1 bis 3 nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Dem Tod infolge eines Versicherungsfalls steht der Tod von Versicherten gleich, deren Erwerbsfähigkeit durch die Folgen einer BK nach den Nrn. 4101 bis 4104 der Anl. 1 zur BKV um 50 v.H. oder mehr gemindert war (§ 63 Abs. 2 SGB VII). Nach § 71 Abs. 1 SGB VII erhalten Witwen oder Witwer von Versicherten eine einmalige Beihilfe von 40 v.H. des Jahresarbeitsverdienstes, wenn 1. ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht besteht, weil der Tod des Versicherten nicht Folge eines Versicherungsfalls war, und 2. die Versicherten zur Zeit ihres Todes Anspruch auf eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v.H. oder mehr oder auf mehrere Renten hatten, deren Vomhundertsätze zusammen mindestens die Zahl 50 erreichen.
Vorliegend ist die in §§ 63 Abs. 1 und 2, 71 SGB VII für einen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen genannte Grundvoraussetzung, dass ein Versicherungsfall im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB VII – hier in Verbindung mit § 9 SGB VII - beim verstorbenen Ehemann der Klägerin vorlag, schon nicht erfüllt. Da der Versicherte offensichtlich keine Verletztenrentenansprüche aus Arbeitsunfällen hatte, kommt hier als Versicherungsfall nur eine BK in Betracht.
BKen sind gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als BKen bezeichnet (sogen. Listen-BKen) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VI begründenden Tätigkeit erleiden. Insoweit ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als bekannt zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Absatz 1 Satz 2 SGB VII). Aus diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggfs. bei einzelnen BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen o.ä. auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die „versicherte Tätigkeit“, die „Verrichtung“, die „Einwirkungen“ und die „Krankheit“ im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt demgegenüber die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings eine bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 30. März 2017 – B 2 U 6/15 R -, Rn. 12, 17. Dezember 2015 – B 2 U 11/14 R -, Rn. 10 m.w.N., und vom 02. April 2009 – B 2 U 33/07 R -, Rn. 11, jeweils in juris). Dabei ist der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 – B 2 U 17/15 R -, Rn. 13 m.w.N., juris). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggfs. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK, wohl aber für eine Leistung (Leistungsfall).
Die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung maßgebliche Theorie der wesentlichen Bedingung beruht zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie. Danach ist jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst wenn auf dieser sogenannten ersten Stufe feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier die Einwirkung durch einen Arbeitsstoff - eine naturphilosophische Ursache der Krankheit ist, stellt sich auf der sogenannten zweiten Stufe die Frage, ob die Einwirkung auch rechtlich die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr ist, also eine wesentliche Ursache darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2017, a.a.O., Rn. 16, juris).
Nach diesen Maßgaben handelte es sich zur Überzeugung des Senats bei der zum Tode führenden, metastasierenden Lungenkrebserkrankung des Versicherten nicht um eine BK nach den allein in Betracht kommenden Nrn. 4103, 4104, 4113, 4114, 4109 oder 1103 der Anl. 1 zur BKV.
1. Nach Nr. 4103 der Anl. 1 zur BKV sind als BK anzuerkennen eine Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Pleura. Gemäß Nr. 4104 der Anl. 1 zur BKV sind als BK anzuerkennen Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs oder Eierstockkrebs in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren.
Zur Überzeugung des Senats erfüllte der Versicherte nicht die zuvor genannten tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anerkennung seiner Lungenkrebserkrankung als BK nach Nr. 4103 oder Nr. 4104 der Anl. 1 zur BKV.
Zwar ist nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten davon auszugehen, dass der Versicherte bei seinen gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO; anwendbar bis zum 31. Dezember 1996) bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII (anwendbar ab dem 01. Januar 1997) versicherten Tätigkeiten während seiner Ausbildung zum Metallurgen für Formgebung von September 1974 bis Februar 1976 als auch bei seiner Tätigkeit als Stempler von März bis Oktober 1976 und als Verkettungsmaschinist von November 1979 bis März 1980 im VEB Stahl- und Walzwerk G asbesthaltige Hitzeschutzkleidung (Schürzen und Handschuhe) verwendet hatte sowie während seiner Tätigkeit als Instandhaltungsmechaniker bzw. technischer Assistent beim Forschungszentrum für Wassertechnik in D von April 1980 bis März 1991 durch den Umgang mit Asbestdichtungen und dem Zuschnitt von Wellasbestzementplatten zeitweise gesundheitsschädigenden Konzentrationen asbesthaltiger Stäube ausgesetzt gewesen war. Ferner ist vollbeweislich gesichert, dass er an einem Lungenkrebs in Form eines nichtkleinzelligen Bronchial-Karzinoms (Adenokarzinom) erkrankt und an dessen Folgen verstorben war, womit auch eine Erkrankung im Sinne der BK Nr. 4104 nachgewiesen ist.
a) Jedoch kann sich der Senat nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon überzeugen, dass – wie bei den BK Nrn. 4103 und 4104 tatbestandlich gefordert - bei dem Versicherten bis zum Zeitpunkt seines Todes eine Asbestose oder eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura vorgelegen hat.
Eine Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) im Sinne des 1. Spiegelstrichs der BK Nr. 4104 muss entgegen der Auffassung der Klägerin im Vollbeweis, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gesichert sein. Die Auffassung der Klägerin, wonach lediglich die Einwirkung von Asbest und das Vorliegen eines Lungenkarzinoms im Vollbeweis festzustellen sind, ist rechtlich nicht haltbar. Der erste und der zweite Spiegelstrich der BK Nr. 4104 wiederholen als tatbestandliche Voraussetzung dieser BK die in der BK Nr. 4103 erfassten Erkrankungen. Im Rahmen der BK Nr. 4103 müssen aber nach allgemeinen Grundsätzen die dort genannten Erkrankungen (Asbeststaublungenerkrankung <Asbestose> oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura) im Vollbeweis festgestellt werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. März 2021 - L 15 U 193/17 -, Rn. 56 ff. m.w.N.; Bayerisches LSG, Urteil vom 22. Mai 2019 - L 17 U 2 139/15 -, Rn. 54 ff.; BSG, Urteil vom 07. September 2004 - B 2 U 25/03 R -, Rn. 13; jeweils in juris). Wenn, wie hier mit Asbestose, ein fachmedizinischer Diagnosebegriff im Tatbestand einer BK genannt wird, kommt es auf den medizinischen Diagnosebegriff und die dazu entwickelten Kriterien an, die die überwiegende Mehrheit der Fachmediziner, die auf dem jeweils in Betracht kommenden Gebiet über spezielle Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, wissenschaftlich fundiert vertreten (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 – B 2 U 17/15 R -, Rn. 16 juris).
Pathologisch-anatomisch ist die Asbestose durch eine diffuse interstitielle irreversible, zunächst peribronchial betonte Fibrose (Vermehrung des Bindegewebes) charakterisiert, bevorzugt im Mittel– und Untergeschoss der Lunge. Histologisch sind Asbestkörperchen (= Asbestnadeln, die infolge der Reaktion des Lungengewebes mit einem Eiweißmantel umschlossen sind) und insbesondere auch elektronenmikroskopisch Asbestfasern (= reine Fasern der entsprechenden Asbestart) sichtbar. Die bloße Anwesenheit von Asbestfasern und Asbestkörperchen ohne fibrogene Gewebereaktion im Lungengewebe ist nicht als Asbestose zu bezeichnen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Abschn. 17.6.2, S. 1076; vgl. auch Merkblatt zur BK Nr. 4103 des damaligen Bundesministeriums für Arbeit vom 01. Juni 1988, BArbBl. 1988, 122). Die Diagnose einer Asbestose bzw. einer asbestassoziierten Erkrankung der Pleura basiert vor allem auf dem radiologischen und histopathologischen Befund. Insbesondere wird auf die gut charakterisierten typischen pleuralen und pulmonalen Veränderungen, die im CT/HRCT nachweisbar sind, sowie die Analyse von Lungengewebe unter Einsatz von histologischen und staubanalytischen Verfahren abgestellt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Abschnitt 17.6.3 Seite 1077 ff.; DGUV Empfehlung zur Begutachtung asbestbedingter Erkrankungen - Falkensteiner Empfehlung - von 2011, Abschnitt 3.1.2. Seite 20 ff.; AWMF-Leitlinie Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten <Interdisziplinäre S2k-Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. vom 23. Oktober 2020 - S2k-Leitlinie>, Abschnitte 4.3 und 4.4 (Seite 28 ff.) und 5.2. (Seite 50 ff.)).
Vorliegend fehlt es schon an einem histopathologischen und faserstaubanalytischen Nachweis von Asbestkörperchen und Asbestfasern im Gewebe von Lunge und/oder Pleura des Versicherten. Entsprechende Gewebeproben sind weder zu Lebzeiten des Versicherten, z.B. bei einer operativen Entfernung von krankhaftem Lungen- und Pleuragewebe, noch nach dessen Tod im Rahmen einer Obduktion gesichert sowie histopathologisch und faserstaubanalytisch untersucht worden. Lediglich bei der Bronchoskopie vom 19. April 2012 ist zur Klärung der Verdachtsdiagnose ein Stückchen Tumorgewebe entnommen und histopathologisch untersucht worden, mit dem Ergebnis eines nichtkleinzelligen Bronchial-Karzinoms in Form eines Adenokarzinoms (siehe Entlassungsberichte des Universitätsklinikums C G C vom 23. April und 25. Mai 2012). Bei den weiteren Bronchoskopien vom 18. Mai und 29. Mai 2012 sind ausschließlich Punktionen der Pleuraergüsse durch- und einer histopathologischen Beurteilung zugeführt worden, die einen positiven (malignen) zytologischen Befund ergaben und dem diagnostizierten Adenokarzinom zugeordnet wurden (siehe Entlassungsbericht des Universitätsklinikums C G C vom 25. Mai 2012). Mangels Sicherung von Lungen- und Rippen-/ Brustfellgewebe des Versicherten im Rahmen operativer Eingriffe bzw. einer Obduktion bestanden für den Senat auch keine weiteren Ermittlungsmöglichkeiten auf histopathologischem und faserstaubanalytischem Gebiet.
Aber auch nach den vorliegenden radiologischen Befunden bzw. Röntgen- und CT-Aufnahmen lassen sich asbestassoziierte Erkrankungen der Lunge und der Pleura nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen. So führt die vom Senat beauftragte Sachverständige Dr. B in ihrem Gutachten vom 12. August 2021 nach Auswertung der beigezogenen medizinischen Unterlagen nachvollziehbar aus, in den CT-Aufnahmen der Lunge des Versicherten vom 16. April, 15. Mai, 23. Mai und 26. Juni 2012 sehe man das Bronchialkarzinom zentral in der rechten Lunge. Im Verlauf breite sich der Tumor sowohl in der rechten als auch in der linken Lunge aus. Es fänden sich zwar Verdickungen am Rippenfell und strangartige Veränderungen, allesamt jedoch ausschließlich in Umgebung des Tumorgewebes. Es handele sich um typische Befunde einer Umgebungsreaktion um ein Bronchialkarzinom. In den vom Tumor nicht befallenen Lungenabschnitten fänden sich keinerlei asbesttypische Veränderungen, insbesondere fänden sich in der gesamten Lunge keine verkalkten Pleuraplaques. Solche Plaques entstünden über einen Zeitraum von ca. 20 Jahren und würden auf eine Schädigung aus der Zeit vor dem Tumor hinweisen. Eine Asbestose der Lunge oder des Rippenfells könne daher nicht nachgewiesen werden. Bereits der Beratungsarzt der Beklagten, der Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie / Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. B hatte nach Sichtung der beigezogenen Röntgen- und CT-Aufnahmen in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 10. Januar 2013 dargelegt, dass sich in dem CT-Thorax/Abdomen vom 16. April 2012 keine asbesttypischen Zeichen (Plaques, Verkalkungen der Pleura), sondern Zeichen eines metastasierenden Bronchial-Karzinoms fänden. Ein nichtkleinzelliges Bronchial-Karzinom sei auch im Vollbeweis gesichert. Brückenbefunde, insbesondere an der Pleura oder dem Lungenparenchym, die eine relevante Asbestfeinstaubexposition im Sinne der BK Nr. 4103 beweisen würden, lägen nicht vor. Schließlich hat auch der auf Antrag der Klägerin gehörte Sachverständige Prof. Dr. B in seinem Gutachten vom 24. November 2021 ausgeführt, dass radiologisch und/oder pathoanatomisch bzw. histopathologisch festgestellte Veränderungen, die eine Fibrosierung des Lungengewebes oder der Pleura infolge vorausgegangener Asbest-Einwirkung belegen könnten, nicht vorlägen. Zudem lagen für die Zeit vor Entdeckung des Lungentumors im April 2012 nach dem einzig ermittelbaren Befund über eine arbeitsmedizinisch veranlasste Thorax-Röntgenuntersuchung vom 15. September 2003 keine Anhaltspunkte für asbesttypische Veränderungen an Lunge und Pleura vor. So wird in dem Röntgenbefund ausgeführt, dass die Untersuchung keinen Nachweis für eine Lungengerüsterkrankung, frische pulmonale Infektionen oder eine pleurale Reizung ergeben habe. Weitere - als die bereits von der Beklagten und dem Gericht beigezogenen - bildgebende Befunde bzw. Röntgen- und CT-Aufnahmen vom Thorax des Versicherten, liegen nicht vor und konnten von der Klägerin auf Nachfrage des Senats auch nicht beigebracht werden. Die Betriebsmedizinerin Dr. S vom Institut für Arbeits- und Sozialhygiene in E vermochte trotz Anforderung der Beklagten nur den Röntgenbefund vom 15. September 2003 vorzulegen.
b) Ebenso wenig ist die von der BK Nr. 4104 unter dem 3. Spiegelstrich genannte - arbeitstechnische - Voraussetzung einer Mindestexposition von 25 Faserjahren erfüllt. Der Versicherte war während seines Berufslebens weit unterhalb der Schwellendosis von 25 Faserjahren asbestbelastet, die nach den Vorgaben des Verordnungsgebers erforderlich ist, um die Häufigkeit des Auftretens eines Bronchial-Karzinoms zu verdoppeln, wobei Bezugspunkt eine aus Rauchern sowie Nichtrauchern bestehende Population war.
Ausgehend von den Angaben des Versicherten bei seiner persönlichen Anhörung durch eine Mitarbeiterin des Präventionsdienstes der Beklagten am 23. August 2003 und unter Zugrundelegung der im BK-Report 1/2013 Faserjahre enthaltenen Expositionswerte ließ sich für den Umgang des Versicherten mit asbesthaltigen Materialien während seiner versicherten Tätigkeiten, konkret der Ausbildung zum Metallurgen für Formgebung von September 1974 bis Februar 1976, seiner Tätigkeit als Stempler von März bis Oktober 1976 und als Verkettungsmaschinist von November 1979 bis März 1980 im VEB Stahl- und Walzwerk G sowie seiner Tätigkeit als Instandhaltungsmechaniker bzw. technischer Assistent beim Forschungszentrum für Wassertechnik in D von April 1980 bis März 1991, insgesamt nur eine kumulative Dosis von 1,1 Faserjahren ermitteln (siehe Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 06. April 2020). Ein Faserjahr im Sinne der BK Nr. 4104 entspricht einer einjährigen arbeitstäglich achtstündigen Einwirkung von 1 x 106 Fasern pro m³ (= 1 Faser pro cm³) der kritischen Abmessung (Länge) 5 µm, Durchmesser (3 µm, Länge-Durchmesser-Verhältnis mindestens 3:1) bei 240 Arbeitstagen bzw. Schichten im Jahr (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O, Abschn. 18.6.1.1.1, Seite 1154; BK-Report 1/2013 Faserjahre). Der Nachweis einer höheren Asbestexposition lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht führen.
Für die Tätigkeiten im VEB Stahl- und Walzwerk G liegen einzig die Angaben des Versicherten gegenüber dem Präventionsdienst vor (vgl. Bericht vom 24. September 2012). Danach war er nur zu 2/3 seiner Lehrzeit in der praktischen Ausbildung, dann aber überwiegend im Betrieb und kaum in der Lehrwerkstatt eingesetzt gewesen. Sowohl während der praktischen Ausbildung als auch später als Stempler und Verkettungsmaschinist wechselte er mit den anderen Lehrlingen bzw. Arbeitern alle 20 bis 30 Minuten die Arbeitsplätze. Lediglich im Bereich der Schmiedeablösung und an den Pressen kamen Handschuhe und Schürzen aus asbesthaltigen Materialien zum Einsatz. Eine genaue Angabe zur Tragezeit konnte der Versicherte nicht machen; es wurde daher mit ihm abgeschätzt, dass die Asbesthitzeschutzkleidung ca. 1 Stunde täglich getragen wurde. Unter Zugrundelegung dieser Angaben sowie der für das Tragen von asbesthaltigen Handschuhen und Schürzen/Jacken in Tab. 7.3 des BK-Reports 1/2013 Faserjahre eingetragenen (Höchst-) Wertes einer Faserkonzentration (90-%-Wert in F/cm³) von 3,00 ermittelte der Präventionsdienst für den Senat nachvollziehbar insgesamt 0,75 Faserjahre.
Zu seiner Tätigkeit als Instandhaltungsmechaniker bzw. technischer Assistent beim Forschungszentrum für Wassertechnik in D von April 1980 bis März 1991 hatte der Versicherte gegenüber dem Präventionsdienst (vgl. Bericht des Präventionsdienstes vom 24. September 2012) angegeben, bei der Instandsetzung von Pumpen habe er ca. 1 Stunde pro Monat Umgang mit Asbestdichtungen (Zuschnitt mit Messer, Schere) gehabt. Zudem seien am Werkstattdach aus Wellasbestzementplatten bis Dezember 1990 an ca. vier Tagen pro Jahr Instandhaltungsarbeiten durchgeführt und die Platten mittels Flex zugeschnitten und verlegt worden. Die Exposition sei mit ca. 10 Stunden pro Jahr einzuschätzen. Bei der EvU GmbH seien keine asbesthaltigen Materialien mehr zum Einsatz gekommen. Hiervon ausgehend hat der Präventionsdienst für das Wechseln von asbesthaltigen Dichtungen unter Zugrundelegung der in Tabelle 7.4 bzw. Tabelle 4.5 des BK-Reports 1/2013 Faserjahre eingetragenen (Höchst-) Wertes einer Faserkonzentration (90-%-Wert in F/cm³) von 1,50 insgesamt 0,10 Faserjahre errechnet. Für das Auswechseln der Wellasbestzementplatten hat der Präventionsdienst unter Zugrundelegung der in Tabelle 7.10 des BK-Reports 1/2013 Faserjahre eingetragenen (Höchst-) Wertes einer Faserkonzentration (90-%-Wert in F/cm³) von 4 insgesamt 0,22 Faserjahre errechnet, so dass sich eine kumulative (Lebens-) Dosis von 1,07 (gerundet 1,1) Faserjahren ergab.
Eine höhere Belastung lässt sich auch nach den Angaben des Zeugen K, der seit Januar 1986 als Leiter der Abteilung Entwicklung im Forschungszentrum Wassertechnik D tätig war und im Februar 1991 die EvU GmbH gegründet hatte, nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen. Der Zeuge hat bei seiner Anhörung am 06. August 2020 bekundet, dass die EvU GmbH unter nahtloser Übernahme der 27 Mitarbeiter der Entwicklungswerkstatt des – aufgelösten - Forschungszentrums Wassertechnik D, einschließlich des Versicherten, im April 1991 die Arbeit aufgenommen habe. In der Entwicklungswerkstatt des Forschungszentrums Wassertechnik hätten sie Stahl-, Holz- und Kunststoffarbeiten auszuführen gehabt. Hauptsächlich seien Versuchsanlagen für Trinkwasser- und Abwasseraufbereitung erstellt und in der DDR montiert worden. Die EvU GmbH habe nur noch Abwasseraufbereitungsanlagen zum Gegenstand gehabt. Hinsichtlich des Umgangs mit Asbest hat der Zeuge K bei seiner gerichtlichen Anhörung am 06. August 2020 angegeben, dass der Versicherte nach seiner Erinnerung nur einmalig für eine Woche bei der Dachinstandsetzung eingesetzt worden sei. Bei der Demontage seien 5 bis 6 Mann eingesetzt worden und als Schutzkleidung habe es Masken und Handschuhe gegeben. Zu DDR-Zeiten seien in S bei der Trinkwasserversorgung teilweise asbesthaltige Rohre verwendet worden. Ob der Versicherte bei der Verlegung asbesthaltiger Rohre eingesetzt gewesen sei, was außerhalb der Dienstzeiten stattgefunden habe, wisse er nicht. Gegen einen Einsatz des Versicherten bei der Verlegung von Asbestrohren spricht nach den überzeugenden Darlegungen des Präventionsdienstes der Beklagten in der Stellungnahme vom 24. Februar 2021 schon, dass zu DDR-Zeiten die Verbauung asbesthaltiger Rohre genehmigungsbedürftig war. Der Präventionsdienst hatte bei seiner am 17. Februar 2021 erfolgten Einsichtnahme bei der Landesdirektion D in die relevanten Betriebsakten des Forschungszentrums Wassertechnik D jedoch nur Ausnahmegenehmigungen zur Verwendung von asbesthaltigen Dichtungen und Dichtungsplatten gefunden. Soweit die Prozessbevollmächtigte der Klägerin meint, es sei noch das Tragen asbesthaltiger Schutzkleidung beim Schweißen zu DDR-Zeiten zu berücksichtigen, fehlt es hierfür an jeglichem Nachweis. Weder der Versicherte bei seiner persönlichen Befragung durch den Präventionsdienst am 23. August 2012 noch der Zeuge K bei seiner gerichtlichen Anhörung am 06. August 2020 haben dies geschildert. Abgesehen davon handelt es sich bei den im BK-Report 1/2013 Faserjahre genannten Expositionshöhen (90-%-Wert in F/cm³) um „Worst-Case“-Berechnungen zugunsten der Versicherten (vgl. BK-Report 1/2013 Faserjahre, Abschnitt 2.4, Seite 29). Im Übrigen stehen dem Senat weitere Erkenntnisquellen nicht zur Verfügung, da nach Bekunden des Zeugen K bei seiner gerichtlichen Anhörung, der ehemalige Werkstattleiter schon längst verstorben ist.
2. Als BK nach Nr. 4113 können anerkannt werden, Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 100 Benzo[a]pyren-Jahren [(µg/m³) x Jahre].
Der Versicherte litt zwar an einem malignen Lungentumor, jedoch fehlt es hier an den von dieser BK geforderten arbeitstechnischen Voraussetzungen, d.h. dem Nachweis einer Einwirkung von PAK mit einer kumulativen Dosis von mindestens 100 BaP-Jahren. Der Präventionsdienst der Beklagten hat in seiner im gerichtlichen Verfahren abgegebenen Stellungnahme vom 24. Februar 2021 für die im Zeitraum von April 1980 bis 1990 wegen der angegebenen Verwendung von (Heiß-)Bitumen bei Dachreparaturarbeiten eine minimale Einwirkung von PAK während des Berufslebens des Versicherten von < 0,1 µg/m³ x Jahre ermittelt. Eine höhere Einwirkung von PAK kann zur Überzeugung des Senats nicht festgestellt werden. Bei seinen Berechnungen ist der Präventionsdienst der Beklagten zugunsten des Versicherten von dessen Angaben bei seiner persönlichen Anhörung am 23. August 2012 ausgegangen, wonach Dachinstandsetzungsarbeiten jeweils an ca. vier Tagen im Jahr bis Ende 1990 erfolgt seien. Demgegenüber hatte der Zeuge K bei seiner gerichtlichen Anhörung am 06. August 2020 angegeben, dass es nur einmalig einen Abriss der Wellasbestzementplatten am Dach und dessen Abdichtung mittels Bitumenanstrich gegeben habe. In nicht zu beanstandender Weise hat der Präventionsdienst hier anhand der (günstigeren) Angaben des Versicherten eine retrospektive Berechnung nach den Vorgaben des BK-Reports 2/2013 BaP-Jahre und unter Heranziehung der darin zusammengefassten branchenspezifischen Expositionswerte, hier für Dachabdichtungsarbeiten, vorgenommen. Ausgehend von einer Gesamtbeschäftigungsdauer von 10,753 Jahren (01. April 1980 bis 31. Dezember 1990) und eines Expositionsanteils von 0,0167 (4 Tage pro Jahr = 4 : 240 Schichten, vgl. BK-Reports 2/2013 BaP-Jahre Seite 81 ff.) ergibt sich hieraus eine Expositionsdauer von 0,18 Jahren (10,753 Jahre x 0,0167). Unter Zugrundelegung der in der Tabelle 4 des BK-Reports 2/2013 BaP-Jahre genannten Expositionshöhe für das Verlegen von Polymerbitumen-Schweißbahnen und die Verarbeitung von Heißbitumen von 0,02 bis 0,1 µg/m³ pro Schicht, dh. gemittelt 0,06 µg/m³ pro Schicht, ergibt sich in Multiplikation mit der Expositionsdauer von 0,18 Jahren nur eine äußerst minimale Gesamtbelastung von 0,01 BaP-Jahren.
3. Bei dem Versicherten lag auch keine BK nach Nr. 4114 der Anl. 1 zur BKV vor. Die BK Nr. 4114 erfasst Lungenkrebs im Sinne einer Synkanzerogenese durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und PAK bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis, die einer Verursachungswahrscheinlichkeit von mindestens 50 Prozent nach der Anl. 2 zur BKV entspricht. Bei Anwendung der vom Verordnungsgeber als Anl. 2 in die BKV aufgenommenen Tabelle zur Ermittlung der Verursachungswahrscheinlichkeit ergibt sich vorliegend bei einer Exposition gegenüber Asbest von 1,07 Faserjahren und gegenüber PAK von < 0,1 BaP-Jahren für den Lungenkrebs des Versicherten eine äußerst geringe Verursachungswahrscheinlichkeit von maximal 5 Prozent. Von daher vermag der Senat schon keine Ursächlichkeit im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne selbst bei einem synergetischen Zusammenwirken der geringen Asbestbelastung und der äußerst minimalen PaK-Belastung für die beim Versicherten aufgetretene Lungenkrebserkrankung festzustellen.
4. Zudem kann nach den oben genannten Maßgaben auch nicht festgestellt werden, dass bei dem Versicherten eine BK Nr. 1103 (Erkrankungen durch Chrom und seine Verbindungen) oder eine BK Nr. 4109 (bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel und seine Verbindungen) vorgelegen hat.
Beim Versicherten war im April 2012 ein nichtkleinzelliges Bronchial-Karzinom (Adenokarzinom) im rechten Lungenlappen nebst multiplen Knochen- und Lebermetastasen festgestellt worden (vgl. Bericht des Universitätsklinikums C G C vom 23 April 2012, Gutachten von Dr. B vom 12. August 2021), welches nur noch palliativ behandelt werden konnte und unstreitig zu seinem Tode am 16. Oktober 2012 führte. Es lag daher eine Lungenkrebserkrankung vor, die grundsätzlich sowohl eine Erkrankung im Sinne der BK Nr. 1103 (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, a.a.O., S. 1175; Mertens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung (BKV), Stand März 2022, M 1103, Anmerk. 4) als auch eine solche im Sinne der BK Nr. 4109 (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin; a.a.O., S. 1179; Mertens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung (BKV), Stand März 2022, M 4109, Anmerk. 3) sein kann.
Der Versicherte war während seiner gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigungen als Instandhaltungsmechaniker bzw. technischer Assistent beim Forschungszentrum für Wassertechnik in D von April 1980 bis März 1991 sowie als Anlagenbauer bzw. Schlosser/Schweißer bei der EvU GmbH mit Unterbrechungen von April 1991 bis März 2012 gegenüber Chrom (VI)-Verbindungen mit einer kumulativen Belastungsdosis von 245 µg/m³ x Jahre sowie Nickeloxid mit einer kumulativen Belastungsdosis von (maximal) 187 µg/m³ x Jahre exponiert gewesen.
Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den nachvollziehbaren retrospektiven Berechnungen des Präventionsdienstes in seiner letzten Stellungnahme vom 02. September 2022, die nunmehr unter Berücksichtigung der im Verfahren bekannt gewordenen Fehlzeiten und Zeiten der geringfügigen Beschäftigung des Versicherten sowie auf der Basis der im BK-Report Chrom 2013 sowie der im BK-Report 1/2021 Nickel dokumentierten Expositionsdosen erstellt worden ist. Da es vorliegend an konkreten Expositionsmessungen betreffend die Chrom- und Nickelbelastung an den Schweißerarbeitsplätzen des Versicherten während seiner Tätigkeit im Forschungszentrum Wassertechnik D und bei der EvU GmbH fehlt, konnte nur eine retrospektive Bewertung anhand der Angaben des Versicherten bei seiner persönlichen Befragung durch eine Mitarbeiterin des Präventionsdienstes der Beklagten am 23. August 2012 unter Berücksichtigung der Angaben seines letzten Arbeitgebers sowie der in den beiden BK-Reporten zusammengetragenen Messergebnisse und Erfahrungswerte für vergleichbare Arbeitsplätze bzw. für die jeweils angewendeten Schweißverfahren und den beschriebenen Arbeitsbedingungen erfolgen.
In zutreffender Weise hat der Präventionsdienst eine Schweißtätigkeit im Umfang von 2 Stunden wöchentlich sowohl für die Tätigkeit im Forschungszentrum Wassertechnik als auch bei der EvU GmbH zugrunde gelegt, denn diese Angabe erfolgte noch vom Versicherten persönlich bei seiner Befragung am 23. August 2012. Dabei hatte der Versicherte geschildert, bei der Instandhaltung und Neuanfertigung von Trinkwasseraufbereitungs- und später Abwasseraufbereitungsanlagen zu je 50 % Werkstatt- und 50 % Baustellenanteil eingesetzt gewesen zu sein. Auf den Baustellen seien die vorgefertigten Bauteile ausgewechselt worden (De- und Montage). In der Werkstatt seien Vorfertigungsarbeiten erledigt und hierbei ca. 2 Stunden pro Woche Edelstähle nach dem Elektrodenhandschweißverfahren (ohne Absaugeinrichtungen) bei bestimmten Bauteilen verschweißt worden. Während der geringfügigen Beschäftigungszeit im Dezember 2002 und bis April 2003 habe er nur ca. 18 bis 22 Stunden pro Monat gearbeitet. Diese Angaben sind vom Zeugen K bei seiner gerichtlichen Anhörung am 06. August 2020 im Wesentlichen bestätigt worden. Der Zeuge K hat angegeben, in der Entwicklungswerkstatt hätten sie Stahl-, Holz- und Kunststoffarbeiten auszuführen gehabt. Hauptsächlich seien Versuchsanlagen für Trinkwasser- und Abwasseraufbereitung erstellt und in der DDR montiert worden. Die EvU GmbH habe nur noch Abwasseraufbereitungsanlagen zum Gegenstand gehabt. Der Versicherte sei als Handwerker und Schweißer eingesetzt worden. Der Versicherte habe E-Schweißarbeiten und – überwiegend – Lichtbogenschweißarbeiten ausgeführt, da der Stahl hauptsächlich mit der Elektrode verschweißt worden sei. Da diese Arbeiten unterschiedlich anfielen, könne er nur eine Einschätzung dahingehend abgeben, dass es, wenn es hochkomme, insgesamt ca. 1 Stunde am Tag gewesen sei. In der Regel seien es Werkstattarbeiten gewesen. Es sei mal vorgekommen, dass man den ganzen Tag geschweißt habe und dann wieder wochenlang überhaupt nicht, und dass bei Außenbaustellen oft nur eine halbe Stunde am Tag Schweißarbeiten zu verrichten waren. Beim Bau einer großen Versuchsanlage aus Stahl seien die Bauteile zu verschweißen gewesen, was zum Teil in der Werkstatt und zum Schluss auf der Baustelle stattgefunden habe. Auch zu DDR-Zeiten habe es die üblichen Vorrichtungen wie Schweißschirm, -handschuhe und -schürze gegeben. Im Forschungszentrum habe es seines Erachtens keine Abzugsvorrichtung gegeben, sondern erst bei der EvU GmbH. Vorher habe man das Hallentor geöffnet und auf „Durchzug“ gemacht. Sowohl in der Werkstatt als auch auf den Außenbaustellen sei es vorgekommen, dass nebeneinander gearbeitet worden sei. Entweder hätten zwei geschweißt oder einer habe das Stück gehalten und der andere habe geschweißt, wobei auch derjenige, der das Werkstück halte, Schutzvorkehrungen anhabe. Zu Beginn der EvU-Zeit habe man die schon zu DDR-Zeiten eingerichteten zwei Schweißtische übernommen, über denen eine Absauganlage fest installiert gewesen sei. Wenn jedoch große Containeranlagen zu bauen waren, was in der Regel im Winter in der Werkstatt gemacht worden sei, dann hätten zum „Ablüften“ sozusagen die Oberlichter aufgemacht und die Hallentore geöffnet werden müssen.
Da der Zeuge K nach seiner Darstellung bei den Arbeiten in der Werkstatt und auf den Baustellen nicht ständig anwesend war und er deswegen sowie wegen der nur unregelmäßig, oft mit wochenlangen Pausen und im wechselnden zeitlichen Umfang anfallenden Schweißarbeiten, sich nur zu einer groben Schätzung des durchschnittlichen zeitlichen Umfangs von „maximal“ 1 Stunde arbeitstäglich in der Lage sah, hält auch der Senat die Angaben des die Schweißarbeiten tatsächlich ausführenden Versicherten bei seiner Befragung durch die Mitarbeiterin des Präventionsdienstes als realitätsnäher. Im Hinblick auf die Angaben des Versicherten ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Präventionsdienst bei seinen Berechnungen für die Zeiten der geringfügigen Beschäftigung eine Arbeitszeit von durchschnittlich 20 Stunden im Monat zugrunde gelegt hat. Ebenso wenig ist der vom Präventionsdienst im Hinblick auf die verwendeten Materialien bzw. Schweißverfahren für die Zeit ab April 1991 vorgenommene Ansatz von jeweils 1 Stunde pro Woche (bei Vollbeschäftigung) bzw. 0,5 Stunde pro Monat (bei geringfügiger Beschäftigung) für das LBH-Schweißen und das WIG-Schweißen zu beanstanden. Denn der Zeuge K hat sowohl bei seiner gerichtlichen Anhörung als auch bei den telefonischen Nachfragen des Präventionsdienstes für die Zeit der Tätigkeit bei der EvU GmbH auf den vermehrten Einsatz von Edelstahlschweißverfahren (WIG-Schweißen) neben dem LBH-Schweißen hingewiesen (vgl. Stellungnahmen des Präventionsdienstes vom 10. Januar 2022 und 03. September 2022).
Der Senat hält es auch für unbedenklich, dass der Präventionsdienst der Beklagten die im BK Report Chrom 2013 aktualisierten Daten betreffend die Chromexposition bei den verschiedenen Schweißverfahren der Berechnung zugrunde gelegt hat. Der ins Verfahren eingeführte BK-Report Chrom 2013 richtet sich als Arbeitshilfe an die BK-Ermittler der Unfallversicherungsträger mit Informationen über die Entwicklung gesetzlicher Regelungen zur Einstufung von Chrom und seiner Verbindungen, zur Grenzwertfestsetzung sowie über die chemischen Analyseverfahren. Darüber hinaus erhält er Informationen über chromathaltige Produkte sowie Arbeitsverfahrensbeschreibungen zu verschiedenen Tätigkeiten mit Chromatexposition. Für diese Tätigkeiten werden Expositionsdaten genannt, die größtenteils die UV-Träger an Arbeitsplätzen der betreffenden Branchen messtechnisch ermittelt haben. Der Report wurde unter Beteiligung des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) erstellt, welches die Expositionsdatenbank MEGA (Messdaten zur Exposition gegenüber Gefahrstoffen am Arbeitsplatz) führt. In seiner Stellungnahme vom 30. Juni 2022 weist der Präventionsdienst der Beklagten nachvollziehbar darauf hin, dass die dort genannte Validitätskennung V1 - insbesondere auch für das WIG-Schweißen – auf einem umfangreichen Datenpool, dh. einer Vielzahl gesicherter Messwerte aus MEGA oder von Institutionen mit vergleichbaren Qualitätsstandards, beruht. Für den Senat besteht daher kein Anlass, an der Validität der Daten zu zweifeln, zumal alternative Erhebungen nicht bekannt und auch von den Sachverständigen nicht aufgezeigt worden sind. Zugunsten des Versicherten ist der Präventionsdienst vom höchsten Wert für die Expositionshöhe für das LBH-Schweißen nach Tabelle 18 mit 0,238 mg/m³ x Jahre (= 238 µg/m³ x Jahre) ausgegangen, der bei fehlender Absaugung ermittelt worden war. Ebenso hat er für das WIG-Schweißen den nach Tabelle 22 sich jeweils für die Zeit ab 1990 bzw. ab 2000 ergebenden höchsten Wert für die Expositionshöhe für das WIG-Schweißen mit 0,005 mg/m³ x Jahre (= 5 µg/m³ x Jahre) bzw. 0,003 mg/m³ x Jahre (= 3 µg/m³ x Jahre) eingesetzt, der sich bei Absaugung und nicht bei fehlender Absaugung fand.
Nichts anderes gilt für die Heranziehung der im aktuellen BK-Report 1/2021 Nickel dokumentierten Messergebnisse für die verschiedenen Schweißverfahren. Zutreffend hat der Präventionsdienst der Beklagten sich beim LBH-Schweißen für die Zeit bis Ende 1989 auf die Tabelle 40 gestützt, die eine maximale Expositionshöhe beim 90%-Wert von 0,22 mg/m³ x Jahre (= 220 µg/m³ x Jahre) ergab. Die Tabelle 41, die auch den Einfluss des Nickelgehaltes des bearbeiteten Materials auf die Expositionshöhe gegenüber Nickel in der E-Fraktion berücksichtigt, weist erst für die Zeit ab 1990 Messergebnisse auf. Danach ergaben sich bei einem Nickelgehalt von 5 bis 30% eine maximale Expositionshöhe beim 90%-Wert für die Zeit von 1990 bis 1999 von 0,18 mg/m³ x Jahre (= 180 µg/m³ x Jahre), von 2000 bis 2009 von 0,10 mg/m³ x Jahre (= 100 µg/m³ x Jahre) und von 2010 bis 2016 von 0,085 mg/m³ x Jahre (= 85 µg/m³ x Jahre). Dies hat der Präventionsdienst auch in seinen letzten Berechnungen umgesetzt. Lediglich für den Zeitraum vom 01. April 1980 bis zum 31. März 1991 ist dem Präventionsdienst ein Berechnungsfehler unterlaufen, soweit er den Wert von 220 µg/m³ x Jahre auch noch für die Zeit vom 01. Januar 1990 bis zum 31. Dezember 1990 angesetzt und damit diesen Zeitraum doppelt berücksichtigt hat. Entgegen der Darstellung in der letzten Berechnung vom 30. August 2022 ergibt sich für den Zeitraum vom 01. April 1980 bis zum 31. Dezember 1989 (9,753 Jahre) tatsächlich eine Expositionsdauer von 0,487 und eine Gesamtdosis von 107,1 µg/m³ x Jahre, was die kumulative Gesamtbelastung letztlich auf 178 µg/m³ x Jahre reduziert.
Hinsichtlich des WIG-Schweißverfahrens hat der Präventionsdienst in nicht zu beanstandender Weise auf die Tabelle 50, die auch den Einfluss des Nickelgehaltes des bearbeiteten Materials auf die Expositionshöhe gegenüber Nickel in der E-Fraktion berücksichtigt, zurückgegriffen. Danach ergaben sich bei einem Nickelgehalt von 5 bis 30% eine maximale Expositionshöhe beim 90%-Wert für die Zeit von 1989 bis 1999 von 0,05 mg/m³ x Jahre (= 50 µg/m³ x Jahre) und von 2000 bis 2016 von 0,027 mg/m³ x Jahre (= 27 µg/m³ x Jahre).
Eine höhere Chrom(VI)- und Nickeloxidexposition bei der Schweißtätigkeit des Versicherten lässt sich nicht im Vollbeweis sichern. Insbesondere kann hier nicht festgestellt werden, dass der Versicherte in relevanter Weise besonders ungünstigen Arbeitsbedingungen, wie dem Schweißen in engen Behältnissen, ausgesetzt gewesen war. So hat der Präventionsdienst der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 10. Januar 2022 nach telefonischer Rückfrage beim Zeugen K nachvollziehbar dargelegt, dass beim Schweißen im Container nur in geringem Umfang Chrom-Nickel-Materialien verarbeitet worden sind und beim WIG-Verfahren nur gering partikelförmige Emissionen auftraten. Zudem habe der Korpus der Container aus unlegiertem Stahl und hätten nur die Rohrleitungen aus Edelstahl bestanden, wobei diese teilweise außerhalb des Containers in der Werkhalle vorgeschweißt bzw. geschraubt worden seien. Der Zeuge K habe außerdem angeben, dass der Schweißanteil an den Containern max. 15 % der Gesamtschweißungen mit WIG von Chrom-Nickel-Stählen betragen habe. Die Container hätten minimal Abmessungen von ca. 2 m x 6 m x 3,2 m und maximal von 12,4 m x 2,7 m x 3,6 m mit natürlicher Belüftung gehabt. Im Übrigen hatte der Zeuge K schon bei seiner gerichtlichen Anhörung darauf verwiesen, dass Schweißarbeiten an bzw. in großen Behältern (Containern) entweder draußen oder bei geöffneten Dachluken und Toren stattgefunden haben. Außerdem sind vom Präventionsdienst der Beklagten sowieso die günstigeren Werte, dh. in der Regel die für eine fehlende Absaugung, der Berechnung zugrunde gelegt worden.
Es kann daher zwar festgestellt werden, dass der Versicherte schädigenden Einwirkungen sowohl im Sinne der BK Nr. 1103 als auch im Sinne der BK Nr. 4109 ausgesetzt war. Auch handelt es sich bei Chrom(VI)-Verbindungen und Nickeloxiden um Arbeitsstoffe der Kategorie 1, die beim Menschen Krebs erzeugen können (Schönberger/Mertens/Valentin; a.a.O., S. 1175, 1179). Jedoch ist die berufliche Exposition des Versicherten gegenüber Chrom(VI)-Verbindungen und Nickeloxiden schon im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne nicht ursächlich für die Entstehung des Lungenkarzinoms geworden. Der Senat folgt insofern dem schlüssig begründeten und überzeugenden Gutachten der Sachverständigen Dr. B vom 12. August 2021.
a) Hierbei ist von maßgebender Bedeutung, dass der feststellbare Umfang der Exposition gegenüber Arbeitsstoffen im Sinne der BK Nr. 1103 und der BK Nr. 4109 kein solches Ausmaß erreicht, das für einen Ursachenzusammenhang zwischen den Belastungen durch diese Stoffe und dem Auftreten der Krebserkrankung sprechen könnte.
Die Frage, welcher Einwirkungen es mindestens bedarf, um eine BK zu verursachen oder die Anerkennung einer BK unter Einbeziehung weiterer Kriterien zu rechtfertigen, ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten (vgl. BSG, Urteile vom 27. Juni 2006 – B 2 U 20/04 R -, Rn. 20, und 17. Dezember 2015 – B 2 U 11/14 R -, Rn.17 f, jeweils in juris). Als aktueller Kenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (BSG, a.a.O.) Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (BSG, Urteil vom 30. März 2017 - B 2 U 6/15 R -, Rn. 18, juris m.w.N.).
aa) Nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. B im Gutachten vom 12. August 2021 nebst ergänzender Stellungnahme vom 22. Februar 2022 existiert kein allgemein anerkannter wissenschaftlicher Kenntnisstand zur Dosis-Wirkungs-Beziehung von Einwirkungen durch Chrom(VI)-Verbindungen und dem Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Insbesondere liegen keine medizinisch-wissenschaftlich erhobenen epidemiologischen Daten vor, die eine verlässliche Aussage darüber zulassen, ab welcher Gesamtdosis von Chrom(VI)-Verbindungen von einer Risikoverdopplung oder zumindest einer messbaren (und gegenüber der Allgemeinbevölkerung erheblichen) Erhöhung des Risikos zum Erwerb eines Lungenkarzinoms auszugehen ist. Diese Annahme der Sachverständigen entspricht dem aktuellen Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft (vgl. dazu Schönberger/Mertens/Valentin, a.a.O., S. 1175 f; Brüning, Pesch u.a., ASUMed 2015, 666 ff.; Ausschuss für Gefahrstoffe <AGS> bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin <BAuA>, Begründung zu Chrom VI in den technischen Regeln für Gefahrstoffe <TRGS> 910, Stand: November 2013, Ausgabe: April 2014, Seite 21 ff., 31), der auch bereits der Entscheidung des BSG vom 30. März 2017 (a. a.O.) zugrunde gelegen hat.
Bei dieser Ausgangslage hat sich die Sachverständige auf die Veröffentlichung von Brüning, Pesch u.a. (a.a.O.) gestützt, nach deren Ergebnis aus den publizierten Daten zur Morbidität und Mortalität von Personen mit stattgehabter Exposition gegenüber Chrom(VI)-Verbindungen zwar keine stringenten Dosis-Wirkungs-Beziehungen ableitbar sind, die die Formulierung zweifelsfreier Kriterien für die Anerkennungsfähigkeit von Bronchial-Karzinomen durch Chrom(VI) erlauben würden. Nach Auffassung der Autoren weisen die vorliegenden Daten aus epidemiologischen Studien in der Chromatproduktion in ihrer Gesamtheit aber darauf hin, dass im Bereich einer Chrom(VI)-Exposition um 500 µg/m³ x Jahre von einer Verdoppelung des Risikos einer Lungenkrebserkrankung ausgegangen werden kann. Deshalb schlagen Brüning, Pesch u.a. als Hilfestellung bei der Beurteilung von Bronchial-Karzinomen im Rahmen der BK Nr. 1103 vor, ab einer kumulativen Dosis im Bereich von 500 µg/m³ x Jahre im Sinne eines Orientierungsmaßes die Chrom(VI)-Belastung im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung regelmäßig als wesentliche Teilursache einer Lungenkrebserkrankung anzunehmen.
Der Zugrundelegung dieses Orientierungswertes durch Dr. B schließt sich der Senat an und folgt damit einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung. Der Vorschlag von Brüning, Pesch u.a. wird von insgesamt zwölf Autoren getragen, darunter mehrere namhafte Arbeitsmediziner, die sich seit vielen Jahren mit dem Zusammenhang zwischen beruflichen Belastungen durch Chrom und seine Verbindungen und dem Risiko einer Lungenkrebserkrankung befassen (z.B. Brüning und Pesch <mit weiteren Veröffentlichungen u.a. in ASUMed 2008, 331 und ASUMed 2009, 336; Weiss <ASUMed 2009, 336> und Ziesche <ASUMed 2008, 331>). Diesem Vorschlag haben sich weitere Autoren angeschlossen (vgl. dazu Schönberger/Mertens/Valentin, a.a.O., S. 1176); er entspricht zudem im Ergebnis auch der Auffassung des AGS (a.a.O.), worauf noch eingegangen wird. Zwar handelt es sich bei dem vorgeschlagenen Orientierungswert nicht um gesicherte Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft; in Ermangelung derartiger Kenntnisse hält es der Senat aber für sachgerecht, diesen auf einer Auswertung von Studienergebnissen beruhenden Vorschlag im Interesse der Versicherten als Orientierungswert heranzuziehen, weil anderenfalls eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs zwischen beruflichen Belastungen und einem Bronchial-Karzinom im Einzelfall kaum begründbar wäre. Dazu würde es insbesondere nicht ausreichen, dass ein erhöhtes Krebsrisiko auch bei niedrigeren Expositionen nicht ausgeschlossen werden kann, denn ein solches Risiko wird durch epidemiologische Daten gerade nicht belegt (AGS, a.a.O., S. 31). Zudem ergibt sich daraus allenfalls eine bloße Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs, nicht aber ein durch wissenschaftliche Erkenntnisse gesicherter Umstand, der im positiven Sinne für den Ursachenzusammenhang angeführt werden könnte.
Wie bereits das LSG Niedersachsen-Bremen in seinem Urteil vom 29. August 2018 (L 3 U 109/15, juris) nach Auffassung des Senats zutreffend dargelegt hat, steht der Zugrundelegung eines Orientierungswertes von 500 µg/m³ x Jahre nicht entgegen, dass das Hessische LSG in einem Einzelfall bereits bei einer kumulativen Chromat-Einwirkung von 307,51 µg/m³ x Jahre eine Ursächlichkeit der beruflichen Einwirkungen für die Lungenkrebserkrankung eines anderen Versicherten angenommen hat (Urteil vom 14. Oktober 2014 – L 3 U 150/09 -, juris) und das BSG dies im anschließenden Revisionsverfahren nicht hat beanstanden können (BSG, Urteil vom 30. März 2017, a.a.O.). Abgesehen davon, dass in die einzelfallbezogene Kausalitätsprüfung des Hessischen LSG auch andere Kriterien als die berufliche Chromat-Belastung eingeflossen sind, stellen seine Ausführungen die Darlegungen der vom Senat gehörten Sachverständigen Dr. B zur Beurteilung des Lungenkrebsrisikos nach kumulativer Chrom(VI)-Belastung nicht infrage. Zwar hat das Hessische LSG (a.a.O., Rn. 56) ausgeführt, dass „die Studie von Gibb u.a. aus dem Jahr 2000 eine Verdopplung des Lungenkrebsrisikos schon bei einer Chrom(VI)-Dosis von 300 Chromatjahren ergeben haben soll“. Abgesehen davon, dass es sich wohl eher um die Wiedergabe der Auffassung des vom Hessischen LSG gehörten Sachverständigen als um die Annahme bzw. Anwendung eines allgemeinen Erfahrungssatzes handelt, vermag der Senat dem auch nicht zu folgen. Der dieser Auffassung zugrunde liegenden, aber vereinzelt gebliebenen Meinung von Borsch-Galetke (2006) und Schneider (2005) (vgl. dazu Pesch u.a. ASUMed 2009, 336, 241), die aus der Studie von Gibb u.a. eine mögliche Verdoppelung des Lungenkrebsrisikos bereits bei einer Chromat-Belastung von etwa 300 µg/m³ x Jahre gefolgert haben, sind namhafte Wissenschaftler und der AGS unter Hinweis auf die erheblichen Schwächen der Studie (u.a. extrem kurze Beschäftigungsdauer der Probanden, sehr geringe Fallzahlen, Schwächen in der Abschätzung der Exposition gegenüber Chrom(VI) und unzureichende Informationen über Rauchgewohnheiten) entgegengetreten. Im Ergebnis ist die von Gibb u.a. untersuchte sogenannte Baltimore-Kohorte nicht für quantitative Expositions-Wirkungs-Abschätzungen des Lungenkrebsrisikos bei langjähriger Exposition geeignet (vgl. im Einzelnen: Brüning, Pesch u.a. ASUMed 2015, 666, 670; AGS a. a.O., Seite 21 f; Pesch u.a. ASUMed 2009, 336, 341). Die neuere Veröffentlichung von Brüning, Pesch u.a. (a.a.O.) lag zum Zeitpunkt der Entscheidung des Hessischen LSG noch nicht vor und ist erst in die anschließende Revisionsentscheidung des BSG vom 30. März 2017 (a.a.O.) eingeflossen. Aus dieser ergibt sich lediglich, dass die Annahme einer Ursächlichkeit der Chromat-Einwirkung für eine Lungenkrebserkrankung schon ab einer Dosis von 300 Chromat(VI)-Jahren revisionsrechtlich nicht zu beanstanden gewesen ist, weil nicht festgestellt werden konnte, dass das LSG insoweit einen offenkundig falschen Erfahrungssatz zugrunde gelegt oder einen bestehenden Erfahrungssatz außer acht gelassen oder offensichtlich fehlerhaft angewandt hatte. Dies beinhaltet gerade keine (höchstrichterliche) Feststellung des Inhalts, dass der vom Hessischen LSG zugrunde gelegte Erfahrungssatz auch tatsächlich zutreffend gewesen ist. Dies verkennt auch der vom Senat auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG bestellte Sachverständige Prof. Dr. B in seinem Gutachten vom 24. November 2021.
Soweit das BSG (a.a.O.) den bisherigen Veröffentlichungen zu dieser Fragestellung eine Tendenz entnimmt, bei immer geringeren Einwirkungsmengen eine naturwissenschaftlich-philosphische Ursächlichkeit zu bejahen, trifft dies zwar bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Borsch-Galetke im Jahr 2006 (vgl. Pesch ua., ASUMed 2009, 336, 341) zu, nicht aber für die daran anschließende Entwicklung, die maßgebend durch die Veröffentlichung des AGS (a.a.O.) und dem späteren, von einer weitaus größeren Anzahl von Wissenschaftlern geteilten Vorschlag von Brüning, Pesch u.a. (a.a.O.) geprägt ist. Schließlich weisen Brüning, Pesch u.a. (a.a.O.) auch darauf hin, dass die vom AGS und auch von ihnen zugrunde gelegten Biomonitoringdaten der Studie von Birk u.a. aus dem Jahr 2006 zu einer Überschätzung des Chrom(VI)-assoziierten Risikos führen könnten, weil die zu erwartenden Unterschiede der Chromkonzentrationen im Vorschicht- und Nachschichturin aufgrund fehlender quantitativer Daten bislang nicht ausreichend berücksichtigt werden konnten (Brüning, Pesch u.a., a.a.O., S. 672).
Die Heranziehung des genannten Orientierungswerts für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs schließt es nicht aus, im Einzelfall auch eine kumulative Exposition unterhalb dieses Werts als ausreichend für die Annahme der Wahrscheinlichkeit einer Kausalität der Einwirkungen von Chrom(VI)-Verbindungen für die Entstehung der Lungenkrebserkrankung anzusehen. Denn der AGS geht auf der Grundlage der Studie von Birk u.a. (2006) davon aus, dass eine dauerhafte Exposition gegenüber einer Luftkonzentration von 12,5 µg/m³ Chrom(VI) über ein gesamtes Arbeitsleben von 40 Jahren in etwa zu einer Verdoppelung des Lungenkrebsrisikos führt, was eine kumulative Exposition von etwa 500 µg/m³ x Jahre ergibt (vgl. AGS, a.a.O., S. 21 ff.,31; Brüning, Pesch u.a., a.a.O., S. 672 ff.). Das Kriterium einer Risikoverdopplung als Voraussetzung der Anerkennung einer BK wird in § 9 Abs. 1 S. 2 SGB VII jedoch nicht erwähnt (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2017, a.a.O., Rn. 19 m.w.N.). Bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs sind jedoch immer die gesamten Umstände des Einzelfalls einzubeziehen.
Bei dieser Gesamtbetrachtung spricht hier der Umfang der deutlich unterhalb des Orientierungswertes liegenden kumulativen Exposition des Versicherten gegenüber Chrom(VI)-Verbindungen gegen einen Ursachenzusammenhang. Mit einer Exposition von insgesamt 245 µg/m³ x Jahre wird gerade mal die Hälfte des Orientierungswertes erreicht, sodass auch unter Berücksichtigung der erheblichen Unsicherheiten bei der Bewertung der Beziehung zwischen Exposition und Erkrankungsrisiko im Niedrigdosisbereich (vgl. AGS, a.a.O., S. 23 f, 31; Brüning, Pesch u.a., a.a.O., S. 673 ff.) die Einschätzung der Sachverständigen Dr. B überzeugt; danach kann schon nicht mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die Chromat-Belastung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ursächlich für das Bronchial-Karzinom geworden ist.
bb) Nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. B gibt es auch keine gesicherten Erkenntnisse zur Dosis-Wirkungs-Beziehung von Einwirkungen durch Nickel und seinen Verbindungen und dem Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Auch insoweit liegen aktuell keine ausreichenden Daten vor, aus denen ein mit einer Risikoverdopplung oder zumindest mit einer erheblichen quantifizierbaren Erhöhung des Erkrankungsrisikos assoziiertes Dosismaß abgeleitet werden könnte (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, a.a.O., S.1187 ff; Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 4109 Anmerk. 7; Letztel in : Triebig/Kentner/Schiele, Arbeitsmedizin, 4. Aufl., S. 346). Die Sachverständige hat dargelegt, dass 1990 auf der Grundlage von Studien aus Nickelraffinerien Nickel und seine Verbindungen als Kanzerogene für den Menschen eingestuft worden sind. In den Studien hätte sich zwar ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko gezeigt, eine Dosis-Wirkungs-Beziehung oder ein Grenzwert habe jedoch nicht ermittelt werden können. Bei den 2006 und 2009 von Ambroise und Balindt durchgeführten Literaturrecherchen zur Häufigkeit von Krebs unter Schweißern habe es sich um Mischexpositionen gehandelt, sodass auch hier weder ein Grenzwert noch ein Orientierungswert für den Einzelstoff Nickel habe abgeleitet werden können. Norpoth und Popp hätten sich in ihrer arbeitsmedizinischen Stellungnahme von 1994 am damals gültigen Arbeitsplatzgrenzwert (TRK) für Nickel von 0,5 mg/m³ orientiert, eine Expositionsdauer von mindestens zehn Jahren angesetzt und hierauf beruhend „im Sinne eines vereinfachten BK-Anerkennungsverfahrens“ einen Dosiswert von 5.000 µg/m³ x Jahre vorgeschlagen. Dabei handele es sich nicht - wie bei Chrom - um einen Orientierungswert auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien, sondern um eine Konvention (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, a.a.O., S. 1187 ff; Mehrtens/ Brandenburg, a.a.O., M 4109 Anmerk. 7). Auch wenn der Wert von 5.000 Nickel-Jahren eine unsichere Konvention darstellt, ist nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen die für den Versicherten ermittelte kumulative Exposition als sehr niedrig zu bewerten, sodass diese nicht als ausreichend für die Verursachung eines Bronchial-Karzinoms angesehen werden kann. Zwar lagen der Sachverständigen noch die früheren Ermittlungsergebnisse des Präventionsdienstes mit einer kumulativen Dosis von 158 µg/m³ x Jahre vor, jedoch haben sich bei den Nachberechnungen keine größeren Verschiebungen ergeben; die tatsächliche Belastung mit 178 µg/m³ x Jahre bleibt nach wie vor im niedrigen Level. Mangels weiterer aussagekräftiger Befunde, wie z.B. dem Nachweis von stark erhöhten Nickelkonzentrationen im Lungengewebe (vgl. hierzu die Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 14. November 2018 – L 3 U 137/15 -, in juris), die im Rahmen der Gesamtbetrachtung trotz ermittelter niedriger Expositionswerte für einen Ursachenzusammenhang sprechen könnten, kann auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die Nickeloxid-Belastung des Versicherten im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ursächlich für das Bronchial-Karzinom geworden ist.
b) Ebenso wenig kann hier mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verursachung der Lungenkrebserkrankung des Versicherten durch das Zusammenwirken der beruflichen Schadstoffe Asbest, PAK, Chrom(VI) und Nickeloxid festgestellt werden. Zwar konnte für die Lungenkarzinogene Asbest und PAK anhand epidemiologischer Daten nachgewiesen werden, dass bei gemeinsamer Einwirkung eine überadditive Wirkung auftritt (Synkanzerogenese), und es konnte eine Dosis-Wirkungs-Beziehung abgeleitet werden, anhand der das individuelle Risiko abgeschätzt werden kann. Dem wurde vom Gesetzgeber mit der Aufnahme der BK Nr. 4114 in die BKV Rechnung getragen, deren Voraussetzungen - wie oben dargestellt - nicht vorliegen. Jedoch gibt es nach den weiteren Ausführungen der Sachverständigen Dr. B keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse zur Synkanzerogenität im Falle einer kumulativen Einwirkung von Chromat, Nickel und Nickeloxid sowie Asbest. Zwar wird in Deutschland seit einigen Jahren das Forschungsvorhaben SYNERGY durchgeführt. Dabei wird anhand von Daten aus internationalen Fall-Kontroll-Studien das Zusammenwirken von ausgewählten beruflichen Karzinogenen und Rauchen untersucht. Bisher habe – so Dr. B - jedoch keine anwendungsfähige Berechnung zur Synkanzerogenese abgeleitet werden können. Als Grund hierfür gäben die Autoren an, dass eine solche Berechnung aufgrund der Komplexität der Expositionsbedingungen an ihre Grenzen stoße. Dies habe dazu geführt, dass bisher keine Interaktion zwischen den fünf Modellkarzinogenen (Chrom-VI, Nickel, Asbest, PAK, Quarz) habe abgeleitet werden können. Insoweit entspricht die Einschätzung von Dr. B den aktuellen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, a.a.O., S.1151,1181). Abgesehen von den fehlenden wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen spricht im vorliegenden Fall nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. B gegen eine synergetische Verursachung der Lungenkrebserkrankung schon der Umstand, dass der Versicherte eine sehr niedrige Exposition gegenüber Asbest, Nickel und PAK sowie eine Exposition gegenüber Chrom nur in Höhe der Hälfte des Orientierungswertes gehabt hatte. Selbst wenn man von einer additiven Wirkung ausgehen würde (was wissenschaftlich nicht nachgewiesen sei), wäre die Exposition gegenüber Nickel, Asbest und PAK nach Einschätzung der Sachverständigen nicht gleichwertig mit der „fehlenden Hälfte“ der Chromexposition. Das überzeugt insbesondere vor dem Hintergrund, dass hier schon das Zusammenwirken von Asbest- und PAK-Exposition nur eine maximale Verursachungswahrscheinlichkeit von 5 % ergeben hat.
c) Vorliegend besteht für den Senat kein Zweifel daran, dass der ausschließlich dem privaten Bereich zuzuordnende erhebliche Zigarettenkonsum des Versicherten von mindestens 25 py (tatsächlich wohl mehr als 30 py nach den Angaben des Versicherten bei der Befragung durch die Mitarbeiterinnen der Beklagten am 23. August 2012) nicht nur ursächlich im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne für die Entstehung des Bronchial-Karzinoms, sondern auch die wesentliche Ursache gewesen ist. Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. B ist Rauchen die häufigste Ursache von Lungenkrebs. Aufgrund seines Zigarettenkonsums hatte der Versicherte im Vergleich mit einem Nichtraucher ein fünf- bis zehnfach erhöhtes Risiko gehabt, an Lungenkrebs zu erkranken. Demzufolge übersteigt das Erkrankungsrisiko durch Rauchen das Verdoppelungsrisiko, z.B. beim Orientierungswert für eine Chromat-Belastung von 500 µg/m³ x Jahre, um das Mehrfache. Selbst Prof. Dr. Baur konzediert, dass der erhebliche Zigarettenkonsum des Versicherten wesentlich (teil)ursächlich für die Lungenkrebserkrankung geworden ist.
5. Demgegenüber vermag der Senat der abweichenden Beurteilung des auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG gehörten Sachverständigen Prof. Dr. B im Gutachten vom 24. November 2021 nicht zu folgen. Prof. Dr. B hat zwar ebenfalls - unter dem Aspekt der monokausalen Verursachung der Lungenkrebserkrankung des Versicherten - eine BK nach den Nrn. 1103, 4103, 4104, 4109 und 4113 wie auch eine BK nach Nr. 4114 verneint, jedoch eine Verursachung durch „synergetisches“ Zusammenwirken von Chrom in Kombination mit Nickel, Asbest und PAK als hinreichend wahrscheinlich angesehen. Hierfür fehlt es jedoch, wie bereits oben dargestellt, an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Bei den von ihm in Bezug genommenen Studien, handelt es sich, wie von Dr. B in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 22. Februar 2022 aufgezeigt, nur um ältere Studien, mit denen sich bereits die Literatur bzw. andere Wissenschaftler – wie z.B. Brüning, Pesch u.a. (ASUMed 2015, 666 ff) und der AGS (a.a.O.) – ausführlich kritisch auseinandergesetzt haben. Weder vermochte Prof. Dr. B neuere Studien für seine pauschalen Annahmen zu benennen, noch sich mit den bereits bekannten Studien kritisch auseinanderzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 193, 183 SGG, da die Klägerin die Verfahren als Sonderrechtsnachfolgerin geführt hat bzw. eigene Ansprüche (Hinterbliebenen-Leistungen) geltend gemacht hat, und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Berufungen nur zu einem geringen Teil erfolgreich waren.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.