I. Der Antrag auf Einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
G r ü n d e :
I.
Streitig ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Erstattung der Kosten für die von der Führerscheinstelle angeordnete Eignungsuntersuchung zum Führen eines Kraftfahrzeugs.
Der 1972 geborene Antragsteller stellte am 12.09.2022 zunächst beim Landratsamt Ostallgäu Antrag auf Kostenübernahme aus Mitteln der Eingliederungshilfe im Sinne der Kraftfahrzeugdurchführungsverordnung für eine von dessen Führerscheinstelle angeordnete Kfz-Eignungsuntersuchung, die auf Basis einer haltlosen Denunziation des Amtsgerichts Kaufbeuren erlassen worden sei. Die erheblichen Kosten der Untersuchungen seien als behinderungsbedingte Kosten zu erstatten. Er habe sich den Geldbetrag kurzfristig von seiner Vorsorgebevollmächtigten leihen müssen. Der Antrag wurde vom Landratsamt an den Antragsgegner weitergeleitet, der mit Schriftsatz vom 06.10.2022 auf die Anforderungen für Leistungen der Kraftfahrzeughilfe nach der Rechtsprechung hinwies. Er übersandte dem Antragsteller einen Sozialhilfeantrag und bat ihn um Mitteilung, für welche Zwecke und wie oft das Kraftfahrzeug benötigt wäre und weshalb ein Umsetzen in das Fahrzeug bzw. die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich sei. Außerdem seien die Rechnung und eine Kopie der gerichtlichen Anordnung vorzulegen.
Dazu teilte unter Vorlage einer Vollmacht die Bevollmächtigte des Antragstellers mit, dass der Antragsteller, der seit 16.09.2022 Anspruch auf Arbeitslosengeld I habe, aktuell keinerlei Einkünfte erziele. Er habe einen Grad der Behinderung (GdB) von 40. Da sein Konto gepfändet sei, überweise sie in seinem Auftrag den monatlichen Unterhalt von 900 € an seine ehemalige Frau und habe auch die Kosten für das D-Firma-Gutachten vorgestreckt. Der Antragsteller ergänzte in einer E-Mail vom 21.10.2022, dass die Ausführungen zu den Anforderungen an eine Kraftfahrzeughilfe nicht überzeugend seien und einer Teilhabe entgegenstehen würden. Die Kosten der im Grunde überflüssigen Untersuchung müsse der Steuerzahler bezahlen.
Mit Bescheid vom 24.11.2022 lehnte der Antragsgegner daraufhin die Kostenerstattung ab. Zwar könnten im Rahmen der Leistungen zum Mobilität gemäß § 83 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zu auch Hilfen zur Erlangung eines Führerscheins gewährt werden, nicht allerdings Kosten für eine angeordnete Eignungsuntersuchung. Auch die übrigen Voraussetzungen seien nicht dargelegt. So sei nach der Rechtsprechung erforderlich, dass der behinderte Mensch regelmäßig auf das Kraftfahrzeug angewiesen sein müsse, wobei Fahrten zur medizinischen oder hauswirtschaftlichen Versorgung nicht berücksichtigt werden könnten. Hierzu seien trotz Nachfrage keine Angaben gemacht worden.
Am 02.12.2022 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Augsburg Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und zugleich Klage gegen den Bescheid vom 24.11.2022 erhoben (Az.: S 6 SO 165/22). Die zitierte Rechtsprechung seitdem Teilhabegedanken der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in keiner Weise entsprechend. Gesellschaftliche Teilhabe umfasse alle Bereiche des gesamtgesellschaftlichen Lebens.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Antragsgegner im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm die von seiner Vorsorgebevollmächtigten vorgestreckten Kosten für die vom Landratsamt Oberallgäu angeordnete Eignungsuntersuchung zu erstatten.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen.
II.
Der auf Erstattung der von der Bevollmächtigten des Antragstellers vorgestreckten Kosten für die Eignungsuntersuchung gerichtete Antrag ist zulässig als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Er ist aber unbegründet, weil weder ein Anspruch des Antragstellers noch eine Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht worden sind. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind nicht erfüllt.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Voraussetzung für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG ist die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes und eines durch die Anordnung zu sichernden Anspruches. Entscheidend für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist, dass dem Antragsteller ein Abwarten in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann und aufgrund der glaubhaft gemachten Tatsachen bei summarischer Prüfung der Rechtslage ein materiell-rechtlicher Anspruch auf die begehrte Handlung zusteht (Anordnungsanspruch). Ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung müssen dem Antragsteller schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglichen Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage ist. Dabei gilt Folgendes:
Wenn ein Begehren in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen. Ist es dagegen offensichtlich zulässig und begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist eine Interessenabwägung erforderlich. Die einstweilige Anordnung wird erlassen, wenn es dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Abzuwägen sind die Folgen, die auf der einen Seite entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch besteht, und auf der anderen Seite entstünden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich aber im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch nicht besteht. Die Abwägung der beteiligten Interessen hat unter Berücksichtigung des Grades der Erfolgsaussichten stattzufinden (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b Rn. 29 f. m.w.N.; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23.03.2015 - L 1 R 138/15 B ER -).
Vorliegend steht bei noch offener Widerspruchsfrist betreffend den Bescheid vom 24.11.2022 dem Anspruch zwar nicht die Unzulässigkeit der gleichzeitig vor Abschluss eines Widerspruchsverfahrens erhobenen Klage entgegen.
Der Antragsteller hat aber bereits einen Anordnungsgrund, also eine Eilbedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht oder auch nur dargelegt. Denn nach seinen Angaben sind die Kosten, deren Höhe wie auch Entstehung mangels Vorlage jeglicher Unterlagen durch den Antragsteller völlig unklar sind, von seiner Prozessbevollmächtigten bereits bezahlt worden. Der Ausgleich privater Schulden kann regelmäßig nicht im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt werden. Insoweit ist nicht erkennbar, dass dem Antragsteller schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen könnten, zu deren nachträglichen Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage ist.
Allerdings ist auch nicht ansatzweise erkennbar, worauf ein Anspruch des Antragstellers aktuell gestützt werden könnte. Abgesehen davon, dass der Antragsteller keinerlei Nachweise darüber vorgelegt hat, auf welcher Grundlage die Anordnung des Amtsgerichts beruht, welcher Art die angeordnete Untersuchung ist und in welcher Höhe hierfür Kosten angefallen sind, sind auch die Voraussetzungen für einen entsprechenden Anspruch nicht einmal schlüssig dargelegt.
Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen (§ 2 SGB IX) haben Anspruch auf Leistungen zur sozialen Teilhabe nach Maßgabe der Vorschriften des SGB IX und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften (§ 4 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Streitig ist vorliegend ein Anspruch auf Leistungen zur sozialen Teilhabe (§ 5 Nr. 5 SGB IX). Zuständige Rehabilitationsträger ist insoweit der Träger der Eingliederungshilfe, vorliegend der Antragsgegner. Die Leistung zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung u.a. die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mindern sowie die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie eine möglichst selbstständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern
(§ 4 Abs. 1 Nr. 1 und 4 SGB IX). Leistungen zur sozialen Teilhabe werden erbracht, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern. Sie sind allerdings nachrangig gegenüber den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und den unterhaltssichernden und anderen ergänzenden Leistungen. Dies gilt insbesondere für die Kraftfahrzeughilfe als Hilfe zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes (§ 49 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 SGB IX), die in die Zuständigkeit der Rentenversicherung oder der Arbeitsverwaltung fällt.
Zwar gehören zu den Leistungen zur sozialen Teilhabe auch Leistungen zur Mobilität
(§ 76 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX i.V.m. § 83 SGB IX). Diese umfassen Leistungen zur Beförderung, insbesondere durch einen Beförderungsdienst sowie Leistungen für ein Kraftfahrzeug. Leistungen nach § 83 Abs. 1 SGB IX erhalten Leistungsberechtigte nach § 2 SGB IX, aber nur wenn ihnen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Art und Schwere ihrer Behinderung nicht zumutbar ist. Die Leistungen nach § 83 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX umfassen Leistungen
1. zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs,
2. für die erforderliche Zusatzausstattung,
3. zur Erlangung der Fahrerlaubnis,
4. zur Instandhaltung und
5. für die mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs verbundenen Kosten.
Grundsätzlich müssen die Leistungen als Leistungen der sozialen Teilhabe im Sinne der Grundnorm des § 76 SGB IX geeignet und erforderlich sein (BSG, Urteil vom 23.08.2013 - B 8 SO 24/11 R -, juris). Voraussetzung ist also eine positive Prognose der Maßnahmeeignung unter Berücksichtigung der Teilhabeziele. Die Erforderlichkeit der Hilfe erfordert ferner eine Wertung der behinderungsbedingten Beeinträchtigungsintensität unter Berücksichtigung des Kostenaufwandes. Schließlich werden Leistungen zur sozialen Teilhabe nur in dem Maß gewährt, in dem auch Nichtbehinderte entsprechende Bedürfnisse befriedigen können. Bei der Bestimmung des soziokulturellen Existenzminimums muss auf die Lebensgewohnheiten abgestellt werden, die auch von der Bevölkerung in "bescheidenen Verhältnissen" geteilt werden, sodass eine soziale Ausgrenzung aus wirtschaftlichen Gründen vermieden wird.
Bemessung und Umfang der Leistungen bestimmen sich nach der Verordnung über die Kraftfahrzeughilfe (§ 83 Abs. 3 SGB IX). Allerdings muss dabei die unterschiedliche Zwecksetzung zwischen der Teilhabe am Arbeitsleben, für die die KfzHV grundlegend gilt, und der sozialen Teilhabe nach § 76 SGB IX bei der Frage der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme eines öffentlichen Verkehrsmittels im Auge behalten werden. So kann das öffentliche Verkehrsmittel bei der sozialen Teilhabe im Einzelfall wegen der hier nicht relevanten Zwänge des Arbeitslebens (feste Arbeits- und Ausbildungszeiten, Ausmaß der beruflichen Beanspruchung) zumutbar sein, im anderen Fall aus besagten Gründen bei ansonsten gleicher Behinderungsart und Behinderungsschwere aber nicht (Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG -; BT-Drucksache 18/9522, Seite 264).
Schließlich muss der Leistungsberechtigten das Kfz auch selbst führen können bzw. es muss gewährleistet sein, dass ein Dritter das Kfz für ihn führt und Beförderungsleistungen wie insbesondere ein Beförderungsdienst unzumutbar oder unwirtschaftlich sind (§ 83 Abs. 2 SGB IX).
Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob zu den Hilfen zur Erlangung eines Führerscheins im Einzelfall nicht auch die für eine angeordnete Wiederholungsprüfung anfallenden Kosten gehören könnten (vgl. insoweit auch §§ 2 f.,8 KfzHV; Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 83 SGB IX (Stand: 10.11.2022), Rn. 38).
Denn es fehlt bereits an einer Darlegung der Grundvoraussetzung in § 83 Abs. 2 SGB IX, wonach die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nach Art und Schwere der Behinderung unzumutbar sein muss. Die Art und Schwere der Behinderung muss kausal sein für die Unzumutbarkeit; infrastrukturelle Nachteile sind somit ohne Belang. Die Behinderung muss nach der sozialrechtlichen Kausalitätslehre eine wesentliche Bedingung für die Unzumutbarkeit sein. Sie muss so ausgeprägt sein, dass dem Betroffenen nicht zugemutet werden kann, die normalen Wartezeiten, Fußwege bis zur Beförderungsstelle und sonstigen Beförderungsbedingungen, die bei Inanspruchnahme für ein öffentliches Verkehrsmittel typischerweise zu erwarten oder im Einzelfall konkret gegeben sind, in Kauf nehmen zu müssen. Hierbei gilt vor allem bei den sozialen Teilhabeleistungen der Grundgedanke, dass der behinderte Mensch dem nichtbehinderten Menschen gleichgestellt wird. Er soll ihm gegenüber weder Nachteile noch ungerechtfertigte Vorteile haben. Dieser Grundgedanke prägt die Auslegung und ist jeder Einzelfallentscheidung zugrunde zu legen. Vorliegend liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller aufgrund seiner Behinderung auf die regelmäßige Nutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen wäre, weil er behinderungsbedingt öffentliche Verkehrsmittel nicht nutzen kann. Ob der Antragsteller aus anderen Gründen wie einer ungünstigen Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist, ist insoweit unerheblich.
Der Antrag ist mit der Kostenfolge aus § 193 SGG entsprechend abzulehnen.