L 8 R 945/12 ZVW

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 6 R 125/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 945/12 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 42/22 BH
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.4.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger für die Zeit vom 1.7.2004 bis zum 31.1.2012 eine Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen ist.

 

Der 1947 geborene Kläger war bis 31.12.1971 bei der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen als Beamter, zuletzt als Steuerobersekretär, beschäftigt. Parallel zu dieser Tätigkeit qualifizierte er sich im Rahmen eines Fachhochschulstudiums zum Diplom-Betriebswirt. In der Zeit vom 1.1.1972 bis 31.12.1983 übte er bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft L AG die Tätigkeit eines Prüfers bzw. Prüfungsleiters im Angestelltenverhältnis aus. In dieser Zeit bestand er 1975 das Steuerbevollmächtigten-Examen und wurde 1980 zum Steuerberater und 1983 zum Wirtschaftsprüfer bestellt. Im Anschluss an die Tätigkeit bei L war der Kläger bis September 1984 als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei der Sozietät X angestellt. Von Dezember 1984 bis Juni 1990 übte er die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater selbstständig freiberuflich aus und war von Juli 1990 bis September 2004 Gesellschafter-Geschäftsführer einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Die Mitgliedschaft zur Steuerberaterkammer Köln beendete er zum 15.7.2002, diejenige zur Wirtschaftsprüferkammer zum 4.9.2003.

 

Am 6.7.2004 stellte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen begründete er mit seit Januar 2001 bestehenden, anhaltenden Beschwerden der Bandscheiben, starken Schmerzen und der dadurch bedingten Einnahme von Schmerztabletten und Morphin, wochenlanger Arbeitsunfähigkeit und einer eingeschränkten Bewegungsmöglichkeit. Zum Beleg überreichte er einen Bericht des G-Hospitals M vom 16.6.2004 sowie einen radiologischen Bericht der Dr. B vom 16.1.2003.

 

Die Beklagte leitete eine Begutachtung auf orthopädischem Fachgebiet ein. Nachdem der Kläger diese nicht wahrnahm, lehnte sie seinen Antrag mit Bescheid vom 26.10.2004 wegen fehlender Mitwirkung gem. § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ab.

 

Im Februar 2005 sprach der Kläger bei der Beklagten vor und teilte mit, dass er sich im Ausland aufgehalten und die Einladungen zur Begutachtung nicht erhalten habe. Auf Ersuchen der Beklagten überreichte er eine Befundbericht des Arztes für Orthopädie H vom 22.09.2005, nahm jedoch Termine zur Begutachtung wiederum nicht wahr. Hierauf lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 25.10.2005 erneut wegen fehlender Mitwirkung gem. § 66 SGB I ab. Auf den Widerspruch des Klägers, den dieser mit weiteren Auslandsaufenthalten begründete, hob die Beklagte ihren Bescheid vom 25.10.2005 mit Bescheid vom 25.11.2005 auf und ermittelte wieder zum Sachverhalt. Hierzu holte sie Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. U vom 24.02.2006 sowie der Fachärztin für Augenheilkunde Dr. V vom 13.03.2006 ein. Dr. U diagnostizierte eine anhaltende Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule nach einem diskogen-degenerativ verursachten Ereignis zu Beginn des Jahres 2003, im Nachweis einer stationären Behandlung bei gleicher Ursache, vom 9. bis zum 16.6.2004: Segmentbezogene Nervenwurzelreizzustände, rechts betont, ohne weiterhin anhaltende radikuläre Schädigungszeichen sowie den Verdacht auf ältere polyarthrotische Veränderungen diverser Langfinger beider Hände, mit aktuell klinischer Einschränkung der Faustschlussfähigkeit beiderseits. Der Kläger könne noch körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, auch aus wechselnder Körperhaltung, ohne Zeitdruck 6 Stunden und mehr täglich verrichten und sein bisher erlerntes geistiges Leistungsvermögen verwenden. Auch die letzte Tätigkeit z.B. als Steuerberater könne noch 6 Stunden und mehr ausgeübt werden. Dr. V diagnostizierte einen beginnenden Cataract (Grauer Star) beidseits, eine Makuladegeneration linkes Auge, eine Hornhautdystrophie beidseits, eine Hyperopie (Weitsichtigkeit) beidseits, ein Sicca-Syndrom beidseits und einen Astigmatismus (Stabsichtigkeit) beidseits. Es werde insgesamt jedoch noch eine gute Sehschärfe erreicht. Gegen ein bei der Bildschirmarbeit beklagtes Augentränen könne ein Benetzungsmittel verwendet werden. Eine Einschränkung seitens der Augen ergebe sich weder für die bisherige Tätigkeit als Steuerberater/Wirtschaftsprüfer noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

 

Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.10.2005 mit Widerspruchsbescheid vom 13.6.2006 zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Rente wegen Erwerbsminderung, da die Voraussetzungen der §§ 43, 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nicht erfüllt seien. Nach der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung könne er sowohl einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als auch seinem bisherigen Beruf als Prüfungsleiter bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nachgehen.

 

Der Kläger hat am 11.7.2006 Klage beim Sozialgericht (SG) Köln gegen den Bescheid vom 25.10.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.06.2006 erhoben. Seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.10.2005 sei durch dessen Aufhebung mit Bescheid vom 25.11.2005 bereits vollumfänglich abgeholfen worden. Soweit die Beklagte die Ablehnung des Rentenantrags im Widerspruchsbescheid auf die Gutachten von Dr. U stütze, halte er dessen Beurteilung für unbrauchbar. So werde insbesondere nicht auf sein berufliches Tätigkeitsprofil eingegangen und bleibe daher beispielsweise die mit dem Beruf verbundene intensive Reisetätigkeit, die er schon wegen des Bandscheibenvorfalls nicht mehr ausüben könne, unberücksichtigt. Wenn bei akuten Beschwerden hinzukomme, dass starke Schmerzmittel mit nachteiliger Auswirkung auf die Fahrtüchtigkeit und Konzentrationsfähigkeit eingenommen werden müssten, könne der Beruf offenkundig nicht mehr in der bisherigen Form ausgeübt werden. Außerdem sei die Untersuchung zu einem Zeitpunkt durchgeführt worden, zu dem er nur geringe akute Probleme gehabt habe. Dieser Zeitpunkt sei nicht repräsentativ für eine Beurteilung der dauerhaften Leistungsfähigkeit. Auch das Gutachten von Dr. V überzeuge nicht. So müssten seine gesundheitlichen Einschränkungen bezüglich der Augen mit den Folgen einer Hornhautverletzung in 2001 in Zusammenhang gebracht werden. Er leide unter ständig tränenden Augen und lange andauernden Umstellungsphasen zwischen dem Nah- und Weitsehen sowie unter Schwindelgefühlen.

 

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. S vom 29.8.2007 mit Zusatzgutachten des Facharztes für Augenheilkunde Dr. J vom 13.5.2007 eingeholt. Dr. J hat bei dem Kläger eine Hyperopie und Presbyopie beiderseits, einen Astigmatismus des rechten Auges und eine Rot-Grün-Schwäche beider Augen diagnostiziert. In der Gesamtschau handele es sich um eine geringgradige Weitsichtigkeit beider Augen. Nach Gläserausgleich bestehe beiderseits für die Ferne und Nähe volle Sehschärfe. Der Befund sei im Übrigen bis auf eine angeborene Rot-Grün-Schwäche altersentsprechend normal. Augenärztlicherseits ergäben sich keinerlei Einschränkungen; der Kläger sei vollschichtig einsatzfähig. Dem Gutachten des Dr. S kann zur speziellen Anamnese entnommen werden, dass der Kläger nach eigenen Angaben derzeit nicht in orthopädischer Behandlung stehe und im Moment relativ wenig Beschwerden habe. In Thailand suche er öfter wegen Rückenschmerzen einen Chiropraktiker auf. Operationen am Bewegungsapparat seien bislang noch nicht vorgenommen worden. Der Sachverständige hat ein wiederkehrendes Lendenwirbelsäulensyndrom bei Bandscheibenschädigung der drei untersten Lendenbandscheiben (L3-S1), beginnende Verschleißerscheinungen in beiden Hüftgelenken bei geringgradiger Funktionseinschränkung und eine leichte Fingerpolyarthrose beidseits diagnostiziert. Mit den hierdurch bedingten Beeinträchtigungen sei der Kläger noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Auch könne er eine Tätigkeit, die überwiegend im Sitzen durchgeführt würde, zumutbar ausüben.

 

Der Kläger hat die eingeholten Gutachten kritisiert. Das Gutachten des Dr. J setze sich nicht mit den Anforderungen einer Tätigkeit als Prüfungsleiter einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Bezug auf intensive Bildschirmarbeit sowie der Fahrtüchtigkeit bei Dunkelheit auseinander. Auch das Gutachten von Dr. Kutzner überzeuge nicht. Dieser stelle ebenfalls nicht dar, inwieweit die Untersuchungsergebnisse für die Beurteilung möglicher Einschränkungen in Bezug auf seine berufliche Tätigkeit relevant seien. Die Angaben des Sachverständigen in der speziellen Anamnese träfen zudem nicht zu. Im Gegenteil habe er den Sachverständigen ausdrücklich darauf hingewiesen, im Juli 2007 wieder drei Wochen akute Beschwerden gehabt zu haben. In diesem Zusammenhang habe er Rechnungen des C Hospitals sowie des Chiropraktikers aus Thailand vorgelegt, der letztlich seine Bewegungsfähigkeit wieder hergestellt habe. Er halte das Gutachten für tendenziös.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25.10.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2006 zu verurteilen, ihm ab 1.6.2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17.4.2009 abgewiesen. Der Kläger habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere den Gutachten der Dres. S und J, die sich mit den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten der Dres. V und U deckten, keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI, da sein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weder aufgehoben noch relevant eingeschränkt sei. Auch die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI seien nicht erfüllt. Der Kläger könne mit seinem körperlichen und geistigen Leistungsvermögen die von ihm zuletzt versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer und Prüfungsleiter in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft noch vollschichtig verrichten.

 

Gegen das ihm am 30.4.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.5.2009 Berufung eingelegt. Unter anderem habe das SG den Sachverhalt im Rahmen seiner Pflicht zur Amtsermittlung nicht hinreichend aufgeklärt. So seien Befundberichte der ihn über einen Zeitraum von 14 Jahren behandelnden Ärzte nicht eingeholt worden. Zudem könne das Gutachten von Dr. S nicht als neutrales Gutachten bezeichnet werden, da sich dieser offensichtlich an dem – ihm durch das SG vorgelegten – Gutachten des Dr. U, einem Parteigutachten der Beklagten, orientiert habe. Zur Gewährleistung von Waffengleichheit und rechtlichen Gehörs sei ihm ein Rechtsanwalt im Rahmen von Prozesskostenhilfe (PKH) beizuordnen. Wesentliche Punkte zur Beurteilung der Erwerbsfähigkeit in seinem Erwerbsleben seien bisher ungeklärt. Er halte eine gutachtliche Stellungnahme zu den berufskundlichen Fragen für erforderlich.

 

Der Senat hat die Bewilligung von PKH mit Beschluss vom 19.1.2010 abgelehnt, da der Kläger angeforderte Unterlagen trotz Fristsetzung nicht übersandt habe.

 

Im Rahmen der Beweisaufnahme sind zunächst Befundberichte der vom Kläger angegebenen behandelnden Ärzte, der Orthopäden Dr. T, Dr. H, Dr. O und Dr. Z, sowie Arbeitgeberauskünfte der L AG und der X GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft eingeholt und Befundberichte bei den Ärzten Dr. Q und Dr. A in Thailand angefordert worden. Die vom Senat eingeholten Unterlagen hat der Kläger durch einen für das Versorgungsamt  M erstellten Bericht des Dr. H einschließlich Rechnungen sowie einen radiologischen Bericht der Dr. B je aus Januar bzw. Februar 2003 und den Bericht des G-Hospitals M vom 16.6.2004 ergänzt.

 

Anschließend hat der Senat unter Beifügung von berufskundlichen Unterlagen zum Beruf des Steuerfachangestellten aus „Berufsprofile für die arbeits- und sozialmedizinische Praxis, Systematisches Handbuch der Berufe“ ein Gutachten der Fachärztin für Chirurgie Dr. E vom 26.10.2011 eingeholt. Nach der Mitteilung des Klägers, er sei nicht bereit, sich untersuchen zu lassen, ist das Gutachten nach Aktenlage erstattet worden. Die Sachverständige Dr. E hat bei dem Kläger eine Funktions- und Belastungsminderung des Stütz- und Bewegungsapparats auf dem Boden wiederkehrender Wirbelsäulensyndrome und beginnender Verschleißerscheinungen der großen und kleinen Gelenke der Extremitäten sowie Augenveränderungen festgestellt. Unter Berücksichtigung der sich hieraus ergebenden Beeinträchtigungen könne der Kläger eine überwiegend leichte bis gelegentlich/kurzfristig mittelschwere Tätigkeit mit gewissen qualitativen Einschränkungen regelmäßig vollschichtig in einem zeitlichen Rahmen von sechs Stunden und mehr verrichten. Auch sei ihm eine Tätigkeit als Prüfer/Prüfungsleiter gemäß der Arbeitsplatzbeschreibung der L AG bzw. der Wirtschaftsprüfer- und Steuerberatersozietät vollschichtig zuzumuten.

 

Der Senat hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 14.12.2011 zurückgewiesen. Auf der Grundlage der schlüssigen, gut nachvollziehbar und begründeten Gutachten der Dr. E und des Dr. J, die im Wesentlichen mit der Diagnostik der behandelnden Ärzte in den eingeholten Befundberichten sowie den Vorgutachten aus dem Verwaltungsverfahren und dem Gutachten des Dr. S übereinstimmten, sei der Kläger mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen jedenfalls in der Lage, noch körperlich leichte bis gelegentlich/kurzfristig mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig mit den üblichen Arbeitspausen und unter den sonstigen betriebsüblichen Bedingungen zu verrichten. Die Einschätzung der Dr. E erscheine vor dem Hintergrund umso plausibler, dass sich durch die eingeholten Befundberichte eine durchgehende regelhafte ärztliche Behandlung zumindest seit Antragstellung im Juli 2004 nicht darstellen lasse. Auch eine Berufsunfähigkeit gem. § 240 SGB VI liege nicht vor, da beim Kläger nach dem Gutachten der Dr. E sowie unter Berücksichtigung der Arbeitgeberauskünfte und berufskundlichen Unterlagen keine Einschränkungen bestünden, die von ihm zuletzt sozialversicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit als Prüfer bzw. Prüfungsleiter einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft regelhaft arbeitstäglich zumindest sechs Stunden auszuüben. Dies umfasse – wie auch von Dr. S festgestellt – die Fähigkeiten, ein Auto zu führen und daher Beratungsleistungen im Außendienst.

 

Auf die beim Bundessozialgericht (BSG) erhobene Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat das BSG das Urteil des erkennenden Senats vom 14.12.2011 mit Beschluss vom 9.10.2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Beschwerde sei zulässig und begründet. Das Urteil beruhe auf Verfahrensfehlern. Zunächst habe das LSG den Anspruch des Klägers auf ein faires Verfahren durch überspannte Anforderungen an den Nachweis tatsächlicher Angaben im PKH-Verfahren verletzt. Auch sei gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen worden. So habe der Berufungssenat seine Entscheidung, dass dem Kläger kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zustehe, u.a. auf berufskundliche Unterlagen zum Beruf des Steuerfachangestellten gestützt, ohne dass die Bekanntgabe dieser Unterlagen an den Kläger festgestellt werden könne. Bei Kenntnis der Unterlagen wäre ihm der Hinweis möglich gewesen, dass die Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers von der fachlichen Qualifikation, vom Aufgabenbereich, der Art der Tätigkeit und der Verantwortung nicht mit der eines Steuerfachangestellten vergleichbar sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Landessozialgericht (LSG) dann ein berufskundliches Gutachten angefordert hätte und das Verfahren für den Kläger günstig ausgegangen wäre.

 

Mit Bescheid vom 29.3.2012 hat die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 1.2.2012 bewilligt.

 

Der Senat hat ein berufskundliches Gutachten eingeholt. Dieses ist am 20.12.2018 vom Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dipl.-Kaufmann N erstellt worden. Hiernach lagen beim Kläger die fachlichen Qualifikationsvoraussetzungen für eine Tätigkeit als Prüfer bzw. Prüfungsleiter bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, als Wirtschaftsprüfer und als Steuerberater vor. Bei diesen Tätigkeiten handele es sich um körperlich leichte Büroarbeit, die überwiegend im Sitzen ausgeübt werde. Bei den körperlichen Belastungen sei kein wesentlicher Unterschied zu denjenigen eines Steuerfachangestellten wie in den aktenkundigen Berufsprofilen niedergelegt, zu erkennen, dies mit der Ausnahme, dass bei Prüfungen und Prüfungsleistungen mehr Reisetätigkeit und Hotelübernachtungen anfielen. In geistiger und seelischer Hinsicht bestünden gegenüber durchschnittlichen Anforderungen an den Steuerfachangestellten überdurchschnittliche bzw. erhöhte Anforderungen sowie zusätzliche Führungsfähigkeit. Die Erfordernisse im Hinblick auf das Sehvermögen würden sich nicht unterscheiden.

 

In der mündlichen Verhandlung am 5.6.2019 hat der Senat die Sachverständigen Dr. E und Dipl. Kfm. N ergänzend gehört. Dr. E hat sich gutachterlich dahingehend geäußert, es gebe beim Kläger auf orthopädischem Fachgebiet keine Funktionsbeeinträchtigungen, die so gravierend seien, dass sie einer Reisetätigkeit auch angesichts einer PKW-Benutzung von zwei bis drei Stunden entgegenstünden. Die Einschränkungen im Wirbelsäulenbereich seien altersgemäß. Dipl. Kfm. N hat die gutachterliche Einschätzung abgegeben, mit seinen abgeschlossenen Prüfungen erfülle der Kläger die Voraussetzungen, als Steuerberater in einem Angestelltenverhältnis tätig zu sein. Eine solche Tätigkeit erfordere in einem wesentlich geringeren Umfang Fahrtätigkeiten, als im Streitzeitraum bei einem Prüfungsleiter.

 

Auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat im Anschluss ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie, Unfallchirurgie und Spezielle Schmerztherapie Dr. R vom 16.9.2019 eingeholt. Dem Gutachten kann zur Anamnese entnommen werden, dass der Kläger von 2004 bis 2007 in Thailand gewohnt und in diesem Zeitraum unter Beschwerden vornehmlich der Lendenwirbelsäule gelitten habe. Zur Behandlung seien ihm Schmerzmedikamente verordnet und Injektionen verabreicht, ferner Blockaden chirotherapeutisch gelöst worden. An die Medikamente, welche er zu dem damaligen Zeitpunkt eingenommen habe, könne sich der Kläger nicht mehr erinnern. Unter anderem habe er Morphin-Injektionen („Fentanyl-Injektionen“) erhalten. Seit August 2007 lebe er wieder in Deutschland und habe sich seitdem ca. zwei- bis dreimal im Jahr wegen seiner orthopädischen Beschwerden ärztlich vorgestellt. Bei stärkeren Beschwerden seien lokale Injektionen erfolgt bzw. ihm stärkere Schmerzmittel, Akupunktur und Krankengymnastik verordnet worden. Dr. R hat eine endgradige Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule bei degenerativen Umformungen im unteren Abschnitt ohne Zeichen eines Nervenwurzelbezugs, eine anamnestische Impingement-Symptomatik rechtes Schultergelenk ohne signifikante Funktionseinschränkung im Seitenvergleich am Untersuchungstag unter zurzeit laufender krankengymnastischer Behandlung, eine initiale Polyarthrose beider Hände ohne Funktionseinschränkung, eine leichte vermehrte Knickbildung der Brustwirbelsäule (Kyphose) mit initialen altersentsprechenden Umformungen im mittleren unteren Bereich, eine Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen im unteren Abschnitt mit nachgewiesenem Bandscheibenvorfall in der Etage L4/5 rechts und Bandscheibenprotrusionen in den Etagen L1/2, L2/3 und L5/S1 bei derzeit linksbetonter Beschwerdesymptomatik, ausstrahlend bis in das linke Gesäß ohne radikuläre Symptomatik, anamnestisch rechtsseitige Ischialgien bei Bandscheibenvorfall L4/5 rechts (2004), endgradige Funktionseinschränkungen beider Hüftgelenke (links > rechts) bei initialen degenerativen Umformungen, eine radiologisch leichte Erniedrigung der innenseitigen Gelenkspalte beider Kniegelenke bei varischer Beinachse ohne Funktionseinschränkung, Senk- und Spreizfußdeformität beidseits und einen Hallux valgus mit Funktionseinschränkung der Großzehengrundgelenke beidseits, Hammerzehen D II beidseits diagnostiziert. Der Kläger könne noch körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung verrichten. Längeres Sitzen sei auf ein bis zwei Stunden zu beschränken. Einschränkungen des geistigen Leistungsvermögens, welche gegen die Ausführung mittelschwieriger und schwieriger Arbeiten gemäß der beruflichen Ausbildung des Klägers sprechen könnten, gingen aus den Akten und der aktuellen Untersuchung nicht hervor. Die Ausübung entsprechender Tätigkeiten sei ständig möglich. Schmerzmittel, welche diese einschränkten, würden nicht regelhaft eingenommen. Arbeiten am Bildschirmarbeitsplatz seien zumutbar. Insgesamt könne der Kläger bei gewissen qualitativen Einschränkungen an fünf Tagen in der Woche noch vollschichtig, d.h. sechs Stunden und mehr täglich, mit betriebsüblichen Unterbrechungen erwerbstätig sein. Dies gelte auch retrospektiv für eine Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer, Prüfungsleiter und Steuerberater. Das jetzige Leistungsbild bestehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits seit dem 6.7.2004. Seine Einschätzung hat der Sachverständige in Auseinandersetzung mit hieran geäußerter Kritik des Klägers sowie unter Berücksichtigung eines vom Senat beigezogenen Karteikartenauszugs des Dr. Z sowie vom Kläger übersandter Unterlagen aufrechterhalten (ergänzende Stellungnahmen vom 18.11.2019, 4.12.2021, 31.1.2022, 12.2.2022). Insbesondere ergebe sich nach dem dokumentierten Akteninhalt keine Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten als Nebenwirkung eingenommener Medikamente, wie dies vom Kläger geltend gemacht werde. Nach Aktenlage gesichert seien lediglich epidurale Infiltrationen durch Dr. H im Juni 2004 sowie die Verordnung von Voltaren bzw. Tramal im gleichen Monat bzw. erneut je einmalig Voltaren im Oktober 2007 und Juni 2008. Aufgetretene Nebenwirkungen habe kein Arzt aktenkundig dokumentiert. Auch ein neurologisch-psychiatrischer Sachverständiger könne mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu weiteren Erkenntnisgewinnen beitragen.

 

Die Deutsche Beamtenversicherung Krankenversicherung, Zweigniederlassung der D Krankenversicherung AG, hat als Rechtsnachfolgerin der F, bei der der Kläger von 1994 bis 2003 versichert war, auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, dass Leistungsdaten dort nicht mehr vorhanden seien.

 

Der Kläger hat zuletzt (weiter) die Auffassung vertreten, die Sachverständigen hätten das wahre Ausmaß seiner gesundheitlichen Einschränkungen und der hiermit einhergehenden Beeinträchtigungen seines beruflichen Leistungsvermögens nicht in hinreichendem Maße erkannt bzw. gewürdigt. Auch sei noch Herr I als Zeuge zu seiner früheren Tätigkeit bei der L AG zu hören.

 

Er beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.4.2009 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 13.6.2006 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung im Zeitraum vom 1.7.2004 bis 31.1.2012 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.

 

Die Beklagte, die das erstinstanzliche Urteil für zutreffend erachtet, beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

 

Streitgegenstand des Verfahrens ist (allein) der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13.6.2006. Über diesen kann eine isolierte Entscheidung ergehen, weil der Kläger mit der hierin ausgesprochenen, auf das Fehlen der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 43, 240 SGB VI gestützten ausdrücklichen Ablehnung einer Rente wegen Erwerbsminderung erstmalig und eigenständig beschwert wird. Es ist insoweit der Rechtsgedanke des § 79 Abs. 1 Nr. 2 Verwaltungsgerichtsordnung heranzuziehen (vgl. BSG Urt. v. 25.3.1999 – B 9 SB 14/97 R – juris Rn. 18 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen Urt. v. 23.3.2017 – L 8 AY 40/13 – juris Rn. 19; Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 95 Rn. 3; Wehrhahn in: jurisPK-SGG, § 95 Rn. 16). Der Bescheid vom 25.10.2005 hingegen, auf den der Widerspruchsbescheid (fälschlich) Bezug nimmt, ist nicht Verfahrensgegenstand, da die Beklagte diesen bereits mit Bescheid vom 25.11.2005 aufgehoben hat.

 

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13.6.2006 beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, da er nicht rechtswidrig ist. Der Kläger hat im streitigen Zeitraum vom 1.7.2004 bis 31.1.2012 weder einen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI (dazu unter 1.) noch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufungsfähigkeit nach § 240 SGB VI (dazu unter 2.)

 

1.) Gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 bzw. Abs. 2 S. 1 SGB VI haben Versicherte bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 und Abs. 2, je Nr. 2 und 3) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind bzw. Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI) und voll erwerbsgemindert – neben weiteren, hier nicht gegebenen besonderen Voraussetzungen – Versicherte, denen dies nicht mindestens drei Stunden täglich möglich ist (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 43 SGB VI müssen mit dem erforderlich Vollbeweis, d.h. mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, feststehen (vgl. z.B. Senatsurt. v. 9.12.2015 – L 8 R 935/11 – juris Rn. 131).

 

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger ist zwar noch in der Lage, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Rente herbeizuführen. Er war im streitigen Zeitraum mit den bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen jedoch noch in der Lage, zumindest körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten (hierzu unter a). Auch bestehen keine ernsten Zweifel, dass er mit dem bei ihm bestehenden Leistungsvermögen zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig werden konnte (hierzu unter b).

 

a) Zur Überzeugung des Senats war es dem Kläger im streitigen Zeitraum möglich, (jedenfalls) körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden (arbeits)täglich, d.h. an fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Dies ergibt sich aus den Feststellungen zum Leistungsvermögen im Erwerbsleben wie sie übereinstimmend von sämtlichen im Verfahren mit der Gutachtenerstellung beauftragten Ärztinnen und Ärzten, so im Verwaltungsverfahren dem Facharzt für Orthopädie Dr. U und der Fachärztin für Augenheilkunde Dr. V, im erstinstanzlichen Verfahren dem Facharzt für Orthopädie Dr. S und dem Facharzt für Augenheilkunde Dr. J sowie im Berufungsverfahren der Fachärztin für Chirurgie Dr. E und dem auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG bestellten Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Spezielle Schmerztherapie Dr. R schlüssig und begründet dargelegt worden sind. Die genannten Sachverständigen haben die bei dem Kläger bestehenden einzelnen Einschränkungen – sofern sich dieser hat untersuchen lassen – nach sorgfältiger Anamnese und eingehender Befunderhebung sowie im Übrigen unter vollständiger Würdigung des Beschwerdevortrags und des gesamten Sachverhalts nachvollziehbar festgestellt sowie anschließend hieraus das bestehende Leistungsvermögen überzeugend sowie widerspruchsfrei abgeleitet.

 

Der Kläger unterlag danach aufgrund der bei ihm diagnostizierten Gesundheitsstörungen der Wirbelsäule, der großen und kleinen Gelenke der Extremitäten sowie der Augen verschiedenen qualitativen Leistungseinschränkungen. So waren ihm im Streitzeitraum (nur) noch körperlich leichte Arbeiten zumutbar. Es sollten insbesondere wechselnde Körperpositionen gewährleistet und das Sitzen am Stück auf 1-2 Stunden beschränkt werden. Arbeiten in gebückter Haltung, im Knien und Hocken bzw. mit längerer einseitiger körperlicher Belastung sowie Gerüst- und Leiterarbeiten konnten nicht ständig zugemutet werden. Das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten war auf leichte Gegenstände (3-5 kg) sowie in einer 8 Stundenschicht auf einen Umfang von 60 Minuten (Heben) bzw. 30 Minuten (Tragen) zu beschränken. Arbeiten im Freien sollten nur „zeitweise“ durchgeführt, Tätigkeiten in Wechselschicht, Nachtschicht und unter besonderem Zeitdruck sowie Umweltfaktoren wie besondere Kälte und Hitze sowie Temperaturschwankungen und Nässe vermieden werden. Eine gelegentliche Exposition, etwa beim Zurücklegen von Wegstrecken von und zur Arbeitsstelle, konnte hingegen zugemutet werden. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände war aufgrund der initialen Polyarthrose hinsichtlich grober Kraftentfaltung und des Faustschlusses sowie besonders hoher Anforderungen an die Feinmotorik beschränkt. Eine wesentliche Einschränkung der sonstigen Greiffunktionen lag jedoch nicht vor. Das Schreiben und die Bedienung einer Tatstatur waren dem Kläger im Streitzeitraum ständig möglich. Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die kognitiven Fähigkeiten der Konzentration, Reaktion, Übersicht und Aufmerksamkeit gemäß der beruflichen Ausbildung konnten ständig verrichtet werden. Die von Dr. V und Dr. J festgestellten Befunde auf augenärztlichem Fachgebiet führten nicht zu Einschränkungen des quantitativen Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Insbesondere konnte die geringgradige Weitsichtigkeit des Klägers durch Gläserausgleich vollständig kompensiert werden. Der Kläger war in der Lage, viermal täglich Fußwege von etwas mehr als 500 m in einer Zeit von weniger als 20 Minuten ohne unzumutbare Schmerzen oder Gefährdung der Gesundheit zurücklegen. Aus medizinischen Gründen bestanden keine Einschränkungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder eines PKW. Zusätzliche betriebsunübliche Pausen mussten ihm nicht eingeräumt werden.

 

Eine Minderung oder gar Aufhebung des quantitativen Leistungsvermögens haben die Sachverständigen auf der Grundlage des Gesamtbildes der gesundheitlichen Einschränkungen nachvollziehbar verneint. Das vom Kläger geltend gemachte (höhere) Ausmaß seiner Beschwerden und die von ihm angenommene weitergehende Beeinträchtigung im Erwerbsleben lassen sich durch den Umfang und die Intensität der bewiesenen Behandlungen sowie das Ausmaß der nachgewiesenen Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. hierzu BSG Beschl. v. 28.2.2017 – B 13 R 37/16 BH – juris Rn. 15) nicht belegen. Dies gilt auch für die Beschwerden der Lendenwirbelsäule. So ist es den behandelnden Ärzten des G-Hospitals in M im Juni 2004 ausweislich des dortigen Entlassungsberichts vom 16.6.2004 gelungen, den Gesundheitszustand des Klägers durch intensivierte konservative Behandlungsmaßnahmen so wesentlich zu bessern, dass dieser nach einer Woche mit wieder hergestellter Gehfähigkeit in die ambulante Weiterbehandlung entlassen werden konnte. Eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation hat der Kläger in der Folgezeit nicht in Anspruch genommen. Ärztliche Berichte über Funktionseinschränkungen und Behandlungen in Thailand liegen nicht vor. Ein operativer Eingriff, erneuter Krankenhausaufenthalt oder regelmäßige ärztliche Behandlungen sind im Anschluss an seine Rückkehr nach Deutschland im Jahr 2007 von ihm weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

 

Gründe, die die übereinstimmende Einschätzung aller Sachverständigen relevant in Frage stellen könnten, bestehen nicht.

 

Soweit der Kläger wiederholt rügt, dass die Sachverständigen ihre Einschätzungen jeweils auf die Vorgutachten gestützt hätten, stellt dies deren Beurteilung nicht in Frage. Vielmehr gehört es gerade zur Aufgabe eines Sachverständigen, ein wissenschaftliches Gutachten unter Beachtung des Inhalts der Akten zu erstellen (vgl. z.B. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 118 Rn. 11e) und sich hiermit kritisch auseinanderzusetzen. Dementsprechend kann ein Beteiligter die Übersendung von Vorgutachten nicht mit dem Einwand verhindern, ein Sachverständiger schreibe vom anderen ab (vgl. BSG Beschl. v. 21.4.2020 – B 13 R 85/19 B – juris Rn. 9). Der entsprechende Vorwurf des Klägers entbehrt zudem im Hinblick auf die vorliegend jeweils dezidierten eigenen Darstellungen in den Gutachten hier jeglicher Grundlage.

 

Entgegen der Auffassung des Klägers ist es – trotz Ausschöpfung aller erfolgversprechenden Erkenntnismöglichkeiten – ebenfalls nicht ersichtlich und erst recht nicht bewiesen, dass er im Streitzeitraum aufgrund der Einnahme von Schmerzmitteln unter schwerwiegenden Nebenwirkungen, insbesondere kognitiven Einschränkungen gelitten hat, die eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens rechtfertigen könnten.

 

Zunächst fehlt es bereits am Nachweis einer längerfristigen Einnahme von Schmerzmedikamenten, die nach ihrer Art grundsätzlich geeignet wären, kognitive Einschränkungen hervorzurufen. Eine permanente analgenetische Medikation ist ausweislich der Feststellungen des Facharztes für Orthopädie Dr. U im Zeitpunkt des Widerspruchsverfahrens nicht erfolgt und in der Folgezeit vom Kläger auch wiederholt verneint worden. Unterlagen, die das Gegenteil belegen könnten, waren – obwohl sich der Senat hierum nach der Umstellung des klägerischen Vorbringens auf die Behauptung einer regelmäßigen Schmerzmitteleinnahme intensiv bemüht hat – nicht zu ermitteln. Nochmalige Anfragen des Gerichts bei den behandelnden Ärzten, die explizit nach den verordneten Schmerzmedikamenten gefragt worden sind, waren ebenso erfolglos wie Nachfragen bei der ehemaligen Krankenkasse des Klägers, bei welcher er zudem nur vor dem hier zu beurteilenden Zeitraum Mitglied gewesen ist. Dass und welche Schmerzmittel dem Kläger in welcher Dosierung verordnet und von ihm tatsächlich auch eingenommen worden sind, konnte vom Senat daher – mit Ausnahme weniger aktenkundiger ärztlicher Injektionen bzw. Rezepte – auch mit Hilfe des Sachverständigen Dr. R, dem noch einmal sämtliche Akten zur Verfügung gestellt worden sind, nicht rekonstruiert werden.

 

Hinzu kommt, dass weder die behandelnden Ärzte des Klägers noch die Sachverständigen kognitive Einschränkungen infolge der Einnahmen von Schmerzmedikamenten beschrieben haben. Es ist vom Kläger auch nicht geltend gemacht, geschweige denn zu seinen Gunsten bewiesen worden, dass er sich wegen entsprechender Nebenwirkungen in ärztliche Behandlung begeben hätte. Der Senat folgt daher der Einschätzung der Sachverständigen, insbesondere des Sachverständigen Dr. R nach dessen eingehender Auswertung aller aktenkundigen ärztlichen Unterlagen, dass beim Kläger im Streitzeitraum keine Einschränkung des geistigen Leistungsvermögens bestanden hat.

 

Die Gutachten bieten im Übrigen keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Sachkunde der Gutachter. Auch lassen sich weder grobe Mängel noch unlösbare Widersprüche erkennen oder ist ersichtlich, dass die Sachverständigen von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgegangen sind. Entsprechend bestand keine Notwendigkeit zur weiteren Beweiserhebung gem. § 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 412 Zivilprozessordnung (vgl. BSG v. 27.01.2021 – B 13 R 123/20 B – juris Rn. 7). Insbesondere hat sich der Senat auch nicht nach dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) gehalten gesehen, ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen, um den vom Kläger behaupteten medikamentösen Nebenwirkungen nachzugehen. So hat Dr. R, der die Einholung eines entsprechenden Gutachtens zunächst in Erwägung gezogen hatte, sich von einem solchen nach nochmaliger Würdigung der Akten keinen weiteren Erkenntnisgewinn versprochen. Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Andere Gründe, ein entsprechendes Gutachten gleichwohl einzuholen, sind nicht erkennbar. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger im Streitzeitraum unter Gesundheitsstörungen mit dem Erfordernis einer neurologisch-psychiatrischen Behandlung gelitten hätte. Das Vorliegen entsprechender Beeinträchtigungen gleichwohl zu prüfen, wäre einer Beweiserhebung "ins Blaue hinein" gleichgekommen, zu der das Gericht weder nach dem Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. BSG Beschl. v. 28.10.2020 – B 5 R 162/20 B – juris Rn. 11 m.w.N.) noch aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet ist (vgl. BVerfG Beschl. v. 9.10.2007 – 2 BvR 1268/03 – juris Rn. 19; BSG Beschl. v. 28.2.2018 – B 13 R 279/16 B – juris Rn. 21).

 

b) Vor dem Hintergrund eines zwar qualitativen Anforderungen unterliegenden, jedoch quantitativ hinreichenden (Rest-)Leistungsvermögens im Sinn des § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen noch erwerbstätig sein konnte. Einem Versicherten ist es mit diesem Leistungsvermögen in der Regel noch möglich, diejenigen Verrichtungen auszuführen, die in meist ungelernten Tätigkeiten in der Regel gefordert werden wie z.B. Bedienen von Maschinen, das Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen (vgl. z.B. BSG Urt. v. 11.12.2019 – B 13 R 7/18 R – juris Rn. 32 m.w.N.; Urt. v. 19.10.2011 – B 13 R 78/09 R – juris Rn. 31, 36). Gegenteilige Anhaltspunkte ergeben sich aus keinem der eingeholten Gutachten, so dass ernste Zweifel an der Einsatzfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als Folge der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen nicht bestehen (vgl. z.B. BSG Urt. v. 11.12.2019 – B 13 R 7/18 R – juris Rn. 32; Urt. v. 9.5.2012 – B 5 R 68/11 R – juris Rn. 25; Urt. v. 19.10.2011 – B 13 R 78/09 R – juris Rn. 36). Fehlte es an derartigen Zweifeln, bedurfte es der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit zum Ausschluss eines Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung grundsätzlich nicht (vgl. z.B. BSG Urt. v. 11.12.2019 – B 13 R 7/18 R – juris Rn. 17; Urt. v. 9.5.2012 – B 5 R 68/11 R – juris Rn. 27; Urt. v. 19.10.2011 – B 13 R 78/09 R – juris Rn. 37 m.w.N.). Ohne Relevanz ist dabei, ob der Kläger eine konkrete Arbeitsstelle tatsächlich finden konnte (vgl. z.B. BSG Urt. v. 19.10.2011 – B 13 R 78/09 R – juris Rn. 26).

 

Einer der von der Rechtsprechung des BSG entwickelten sogenannten Katalogfälle, bei denen der Arbeitsmarkt ggf. als verschlossen anzusehen ist (vgl. z.B. BSG Urt. v. 11.12.2019 – B 13 R 7/18 R – juris Rn. 17), liegt nicht vor. Nach der überzeugenden Einschätzung der Sachverständigen war der Kläger bei der Ausübung einer (leidensgerechten) leichten Tätigkeit insbesondere nicht auf betriebsunübliche Pausen angewiesen. Auch lag keine Einschränkung seiner Wegefähigkeit vor, da er die rentenrechtlich relevanten Wegstrecken von viermal etwas mehr als 500 m in jeweils weniger als 20 Minuten zumutbar zurückzulegen vermochte und auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen konnte. Ebenso wenig ergeben sich aus dem Leistungsvermögen des Klägers Anhaltspunkte für eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung; solche sind auch von den Sachverständigen nicht festgestellt worden.

 

2. Der Kläger hat im streitigen Zeitraum gleichfalls keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gem. § 240 SGB VI.

 

Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Dabei umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann.

 

Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsfähigkeit ist der bisherige Beruf. Als „bisheriger Beruf" ist grundsätzlich die versicherungspflichtige Tätigkeit zu verstehen, die der Versicherte auf Dauer, d.h. mit dem Ziel, diese bis zum Erreichen der Altersgrenze oder bis zum Eintritt der gesundheitlichen Unfähigkeit durchzuführen, vollwertig ausgeübt hat (vgl. BSG Urt. v. 20.7.2005 – B 13 RJ 29/04 R – juris Rn. 20; BSG Urt. v. 26.4.2005 – B 5 RJ 27/04 R – juris Rn. 16; Nazarek in: jurisPK-SGB VI, 3. Aufl. 2021, § 240 Rn. 36 ff.; Kolakowski in: Kreikebohm/Roßbach, SGB VI, 6. Aufl. 2021, § 240 Rn. 5). In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls dann, wenn sie die qualitativ höchste ist (vgl. BSG Urt. v. 20.7.2005 – B 13 RJ 29/04 R – juris Rn 20 m.w.N.). Damit kommen Tätigkeiten, mit denen nur vorübergehend Einkommen erzielt worden ist, in der Regel nicht in Betracht (vgl. Senatsurt. v. 5.6.2019 – L 8 R 45/17 – juris Rn. 86 m.w.N.).

 

Können Versichere ihren bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die sozial zumutbar ist und gesundheitlich wie fachlich noch bewältigt werden kann. Dabei richtet sich die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt (vgl. BSG Urt. v. 10.12.2003 – B 5 RJ 64/02 – juris Rn. 17). Dieses sog. Mehrstufenschema ist auch bei Angestellten heranzuziehen. Die Stufen sind von unten nach oben nach ihrer Leistungsqualität, diese gemessen nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung und beruflichen Erfahrung, nicht nach Entlohnung oder Prestige, geordnet. Danach sind zu unterscheiden (BSG Urt. v. 29.7.2004 – B 4 RA 5/04 R – juris Rn. 33; Nazarek in: jurisPK-SGB VI, 3. Aufl. 2021, § 240 Rn. 88):

 

  • Ungelernte Berufe (Stufe 1),
  • Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Stufe 2),
  • Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Stufe 3),
  • Berufe, die zusätzliche Qualifikationen oder Erfahrungen oder den erfolgreichen Besuch einer Fachschule voraussetzen (Stufe 4),
  • Berufe, die einen erfolgreichen Abschluss einer Fachhochschule oder eine zumindest gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen (Stufe 5) und
  • Berufe, deren hohe Qualität regelmäßig auf einem Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht (Stufe 6).

 

Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen war der Kläger im Streitzeitraum nicht berufsunfähig, da er seinen zuletzt ausgeübten Beruf, jedenfalls aber eine sozial zumutbare Verweisungstätigkeit im Umfang von mehr als sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche noch vollwertig ausüben konnte.

 

a) Ausgehend von den obigen Maßstäben ist die zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Klägers diejenige bei der L AG, somit die eines Prüfungsleiters bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Hierbei handelt es sich um die zuletzt ausgeübte qualitativ höchste versicherungspflichtige Beschäftigung. Die im Anschluss daran noch ausgeübten selbstständigen Tätigkeiten des Klägers als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sowie als Geschäftsführer einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sind hingegen nicht als bisheriger Beruf im Sinne des § 240 SGB VI anzusehen, da bei einem Wechsel von einer versicherungspflichtigen Tätigkeit in eine versicherungsfreie Tätigkeit letztere für die Beurteilung der Berufsfähigkeit – wie ausgeführt – nicht herangezogen wird (Nazarek in: jurisPK-SGB VI, 3. Aufl. 2021, § 240 Rn. 37).

 

Diese zuletzt ausgeübte Tätigkeit konnte der Kläger im Streitzeitraum nach der übereinstimmenden Auffassung aller im Verfahren gehörten Sachverständigen, deren Beurteilung sich der Senat anschließt, noch im Umfang von mehr als sechs Stunden täglich an fünf Wochenarbeitstagen ausüben. Soweit die Tätigkeit als Prüfungsleiter nach der gutachterlichen Äußerung des Dipl. Ing. N im streitigen Zeitraum mit Fahrtstrecken von bis zu 100 km mit dem Auto hin und zurück verbunden gewesen sein konnte, war auch dies dem Kläger möglich. So hat die Sachverständige Dr. E anlässlich ihrer Befragung im Rahmen des mündlichen Verhandlungstermins am 5.6.2019 überzeugend darauf hingewiesen, dass beim Kläger insbesondere keine Funktionsbeeinträchtigungen vorgelegen haben, die einer Reisetätigkeit mit PKW-Benutzung von zwei bis drei Stunden entgegengestanden hätten. Ob die (zuletzt ausgeübte) Tätigkeit bei der L AG möglicherweise mit noch darüberhinausgehenden Reisezeiten verbunden gewesen ist, wie dies der Kläger geltend macht, bleibt ohne Relevanz. So kommt es bei der Beurteilung der Berufsfähigkeit nicht auf die Fähigkeit an, einen konkreten Arbeitsplatz mit seinen Besonderheiten, sondern eine für das Berufsbild repräsentative Tätigkeit mit ihren typischen Arbeitsabläufen und Belastungssituationen vollwertig auszuüben zu können (vgl. z.B. BSG Urt. v. 17.6.1993 – 13 RJ 33/92 – juris Rn. 23 m.w.N.). Es bestand daher auch keine Veranlassung, den vom Kläger für die Tätigkeit bei der L AG benannten Zeugen zu vernehmen.

 

b) Ein für den Kläger günstigeres Ergebnis rechtfertigt sich im Übrigen auch dann nicht, wenn man zu seinen Gunsten unterstellen würde, er habe die Tätigkeit als Prüfungsleiter auf Grund der hiermit typischerweise verbundenen Fahrtstrecken gesundheitlich nicht mehr verrichten können. In diesem Fall hätte er sozial zumutbar jedenfalls auf eine Tätigkeit als angestellter Steuerberater verwiesen werden können.

 

Versicherte müssen im Rahmen der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit einen beruflichen Abstieg bis zur nächstniedrigen Qualifikationsstufe in Kauf nehmen (vgl. z.B. BSG Urt. v. 20.07.2005 – B 13 RJ 29/04 R – juris Rn. 22 m.w.N.; Hessisches LSG Urt. v. 29.1.2019 – L 2 R 114/17 – juris Rn. 96; Schleswig-Holsteinisches LSG Urt. v. 16.12.2019 – L 7 R 134/18 – juris Rn. 45; Nazarek in: jurisPK-SGB VI § 240 Rn. 92; Kolakowski in: Kreikebohm/Roßbach, SGB VI, 6. Aufl. 2021, § 240 Rn. 36). Die Tätigkeit als angestellter Steuerberater lässt sich der zweithöchsten oder sogar höchsten Qualifikationsstufe zuordnen, da die Zulassung zur Prüfung zum Steuerbevollmächtigten bzw. Steuerberater nach den berufskundlichen Ausführungen im Gutachten des Sachverständigen N eine einschlägige Ausbildung an einer Fachhochschule oder Universität oder eine vierjährige praktische Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens nach einer kaufmännischen Ausbildung erforderte. Die Tätigkeit als angestellter Steuerberater wiederum war – worauf Dipl. Ing. N ebenfalls hingewiesen hat – in wesentlich geringerem Umfang mit Reisetätigkeiten verbunden als die Tätigkeit eines Prüfungsleiters. Es handelte sich hierbei um eine leichte Bürotätigkeit, die der Kläger, wie Dr. R nachvollziehbar dargelegt hat, gesundheitlich noch uneingeschränkt hätte verrichten können und für die er aufgrund seiner Bestellung zum Steuerberater auch fachlich hinreichend qualifiziert war.

 

Die Kostenentscheidung, die auch das Revisionsverfahren erfasst, folgt aus §§ 183, 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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