L 5 SF 30/22 B E

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5.
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 1 SF 23/19 E
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 SF 30/22 B E
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Die Besprechungsterminsgebühr entsteht auch dann, wenn der Richter zur Vorbereitung eines gerichtlichen Vergleichs Telefonate mit beiden Verfahrensbeteiligten führt.

Die Beschwerde des Erinnerungsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 4. März 2022 wird zurückgewiesen.

 

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen der Prozesskostenhilfe festzusetzenden Rechtsanwaltsvergütung und in diesem Zusammenhang insbesondere über das Entstehen einer Terminsgebühr wegen telefonischer Besprechungen mit dem Gericht.

Die Erinnerungsführerin wurde der Antragstellerin in einem grundsicherungsrechtlichen Beschwerdeverfahren vor dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht mit Beschluss vom 19. Oktober 2018 ab Antragstellung im Rahmen der Prozesskostenhilfe als Rechtsanwältin beigeordnet. Das Beschwerdeverfahren endete dadurch, dass die Beteiligten einem schriftlichen Vergleichsvorschlag des Berichterstatters vom 12. Oktober 2018 mit Schriftsätzen vom 18. Oktober 2018 (Antragstellerin) und 19. Oktober 2018 (Antragsgegner) zustimmten. Dem Vergleichsvorschlag waren getrennte Telefonate des Berichterstatters mit der Erinnerungsführerin und mit einem Mitarbeiter des Antragsgegners vorausgegangen, in denen der Berichterstatter die Vergleichsbereitschaft der Beteiligten sondiert und die Konditionen des Vergleichs erörtert hatte. Die Telefonate nahmen jeweils einige Minuten in Anspruch. Inhaltlich erklärte sich der Antragsgegner bereit, der Antragstellerin für einen Zeitraum von ca. sechs Wochen vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe des Regelbedarfs für Alleinstehende zu zahlen und diese zur Krankenversicherung anzumelden.

Unter dem 31. Oktober 2018 beantragte die Erinnerungsführerin die Festsetzung der aus der Landeskasse zu zahlenden anwaltlichen Vergütung für das Beschwerdeverfahren in Höhe von insgesamt 886,55 EUR auf Grundlage einer Verfahrensgebühr in Höhe von 250,00 EUR, einer Terminsgebühr in Höhe von 225,00 Euro, einer Einigungsgebühr in Höhe von 250,00 EUR, einer Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20,00 EUR sowie der darauf entfallenden Umsatzsteuer in Höhe von 141,55 EUR.

Mit Beschluss vom 23. Januar 2019 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim Sozialgericht Itzehoe die Vergütung der Erinnerungsführerin auf einen Betrag in Höhe von 618,80 EUR fest. Die Festsetzungsentscheidung erfolgte unter Absetzung der geltend gemachten Terminsgebühr ansonsten antragsgemäß.

Auf die von der Erinnerungsführerin am 18. Februar 2019 erhobene Erinnerung hat das Sozialgericht Itzehoe die Festsetzungsentscheidung mit Beschluss vom 4. März 2022 geändert, die Vergütung der Erinnerungsführerin auf 737,80 EUR festgesetzt und die Beschwerde zugelassen.

Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass eine „(fiktive)“ Terminsgebühr in Gestalt der Besprechungsterminsgebühr entstanden sei. Auch telefonische Besprechungen seien geeignet, die Gebühr auszulösen. Inhaltlich müssten Gespräche geführt werden, die auf die Erledigung des Verfahren abzielten, was eine Einigungsbereitschaft voraussetze. Die Besprechungsterminsgebühr könne insoweit auch dann anfallen, wenn keine Besprechung unmittelbar zwischen den Beteiligten stattgefunden habe, sondern jeweils nur zwischen dem Gericht und den Beteiligten. Daran gemessen sei vorliegend die Terminsgebühr entstanden. Zwischen dem Gericht und den Beteiligten habe es telefonische Kontakte gegeben, bei denen die Möglichkeiten einer vergleichsweisen Beendigung des Verfahrens besprochen worden seien. Diese telefonischen Besprechungen des Berichterstatters mit den Beteiligten seien Grundlage dafür gewesen, dass der vorabgestimmte gerichtliche Vergleichsvorschlag ergangen und die vergleichsweise erfolgte Beendigung des Verfahrens erfolgt seien. Die Höhe der geltend gemachten Terminsgebühr sei allerdings auch unter Berücksichtigung eines Toleranzrahmens von 20 Prozent unbillig. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien als unterdurchschnittlich zu bewerten, da von einer Dauer des Telefonats von wenigen Minuten und davon auszugehen sei, dass das Gericht in verständlicher Weise seine rechtliche Sicht geschildert und eine vergleichsweise Einigung in der dann erfolgten Form angeregt habe. Angesichts dessen entspreche lediglich eine Terminsgebühr in Höhe der doppelten Mindestgebühr (100,00 EUR) der Billigkeit.

Gegen diesen Beschluss hat der Erinnerungsgegner am 14. März 2022 Beschwerde zum Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht erhoben.

Zur Begründung macht er geltend, dass der Berichterstatter in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zwar mit dem Ziel einer vergleichsweisen Erledigung des Rechtsstreits geführt worden sei. Das Telefonat sei dennoch nicht geeignet, die Gebühr entstehen zu lassen. Sie entstehe nur dann, wenn das Gericht mit beiden Beteiligten über eine vergleichsweise Beendigung des Rechtsstreits verhandele oder wenn die Beteiligten sich untereinander über eine vergleichsweise Beendigung des Rechtsstreits verständigten. Das Gespräch nur eines Beteiligten mit dem Gericht ohne Beteiligung der Gegenseite sei nicht ausreichend.

Er beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 4. März 2022 aufzuheben und die Erinnerung gegen den Festsetzungsbeschluss vom 23. Januar 2019 zurückzuweisen.

Die Erinnerungsführerin beantragt,

          die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Eine Terminsgebühr falle nach als vorherrschend erachteter obergerichtlicher Rechtsprechung zumindest dann an, wenn das Gericht – wie im vorliegenden Fall – mit den Beteiligten außerhalb eines Termins jeweils in getrennten Telefonaten die Sach- und Rechtslage erörtere und auf Basis dieser Gespräche ein Vergleich geschlossen werde. Die Terminsgebühr solle gerade den Anreiz zur Vermeidung eines Termins schaffen, um die Gerichte zu entlasten. Es gebe keinen sachlichen Grund dafür, eine Differenzierung danach vorzunehmen, ob die Beteiligten direkt miteinander telefonierten oder über das Gericht als Mittlerin.

 

II.

Der Senat entscheidet über die Beschwerde in voller Besetzung anstelle des Einzelrichters, weil ihm die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung mit Beschluss vom 21. April 2022 übertragen worden ist (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz [RVG]).

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist fristgemäß erhoben worden (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG). Sie ist, obwohl der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR unterschreitet, statthaft, weil das Sozialgericht die Beschwerde in seinem Beschluss zugelassen hat (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG).

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung hat das Sozialgericht den mit der Erinnerung angefochtenen Festsetzungsbeschluss geändert und die Vergütung unter Berücksichtigung einer Terminsgebühr in Höhe von 100,00 EUR festgesetzt. Die Terminsgebühr ist dem Grunde nach entstanden und ihr Ansatz in Höhe der doppelten Mindestgebühr lässt keine Rechtsfehler erkennen. Begrifflich klarzustellen ist lediglich, dass es sich bei der Besprechungsterminsgebühr nicht um eine fiktive Terminsgebühr handelt, sondern um eine echte Terminsgebühr, die entsteht, weil das Gesetz bestimmte Besprechungen, die tatsächlich stattfinden müssen, einem gerichtlichen Termin gleichstellt. Davon geht in der Sache auch das Sozialgericht aus, wenn es eine eigenständige Bestimmung der Terminsgebühr vornimmt, während es einer solchen bei der fiktiven Terminsgebühr wegen deren Akzessorietät zur Verfahrensgebühr nicht bedürfte (vgl. Nrn. 3106 Satz 2, 3205 Satz 1 Vergütungsverzeichnis [VV] RVG).

Mit seiner Auffassung, das Telefonat zwischen der Erinnerungsführerin und dem Berichterstatter erfülle nicht die gesetzlichen Anforderungen an die Entstehung der Terminsgebühr dem Grunde nach, dringt der Erinnerungsgegner auch im Beschwerdeverfahren nicht durch.

Nach Nr. 3205 VV RVG in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung (a.F.) kann in Verfahren vor den Landessozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, eine Terminsgebühr in Höhe von mindestens 50,00 EUR und höchstens 510,00 EUR entstehen. Die Terminsgebühr entsteht nach Vorbem. 3 Abs. 3 Satz 1 VV RVG sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt ist. Die Gebühr für außergerichtliche Termine und Besprechungen entsteht für die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber (Vorbem. 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG). Diese Merkmale sind vorliegend erfüllt.

Zunächst hat eine Besprechung tatsächlich stattgefunden. Eine Besprechung setzt ein Gespräch im Sinne eines mündlichen Austauschs von Erklärungen oder Äußerungen voraus, das auch fernmündlich geführt werden kann (vgl. nur Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, RVG, 25. Aufl. 2021, Vorbem. 3 Rn. 181 m.w.N.; Ahlmann in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl. 2015, Vorbem. 3 Rn. 60). Auch das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass vom Begriff der Besprechung nach inzwischen allgemeiner Auffassung auch Telefongespräche erfasst werden. Dies entspricht der ständigen Senatsrechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 11. August 2016 – L 5 SF 92/15 E – juris Rn. 11). Solche Telefonate sind zwischen dem Berichterstatter und der Erinnerungsführerin einerseits sowie dem Vertreter des Antragsgegners andererseits tatsächlich im Vorfeld des gerichtlichen Vergleichsvorschlags vom 12. Oktober 2018 geführt worden.

Bei diesen Telefonaten handelt es sich in ihrer Gesamtheit auch um eine (außergerichtliche) Besprechung i.S. von Vorbem. 3 Abs. 3 Satz 1 VV RVG. Diese Vorschrift unterscheidet seit Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes zum 1. August 2013 zwischen gerichtlichen Terminen einerseits und außergerichtlichen Terminen und Besprechungen andererseits. Dies mag nach dem Wortlaut zunächst dafür sprechen, das Entstehen einer Terminsgebühr für Besprechungen, die nicht die definitorischen Voraussetzungen eines gerichtlichen Termins erfüllen (dazu Müller-Rabe, a.a.O., Rn. 77 f.), nur dann anzuerkennen, wenn diese ohne Beteiligung des Gerichts, also in engerem Sinne außergerichtlich stattfinden (zu einem weiteren Begriffsverständnis siehe Müller-Rabe, a.a.O., Rn. 214).

Teleologische Gesichtspunkte und die Entstehungsgeschichte legen allerdings eine weitere Auslegung des Merkmals der außergerichtlichen Besprechung nahe. So war die Unterscheidung zwischen gerichtlichen Terminen und außergerichtlichen Besprechungen in der ursprünglichen Fassung der Vorbem. 3 VV RVG nach Inkrafttreten des mit dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) zum 1. Juli 2004 neu eingeführten Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes noch nicht getroffen worden. Dort hieß es:Die Terminsgebühr entsteht für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin (…)  oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber.“ Ziel dieser Ursprungsregelung war es, den Anwalt dazu zu motivieren, in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beizutragen. Deshalb sollte nach der Vorstellung des Gesetzgebers im Gegensatz zum früheren Rechtszustand nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) die Gebühr auch schon verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitwirkt, insbesondere,wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Regelung zielen (BT-Drucks. 15/1971, S. 209). Die Zielrichtung dieser Ursprungsvorschrift ging damit bereits von der Unschädlichkeit einer Einbeziehung des Gerichts in Besprechungen zwischen den Beteiligten für das Entstehen der Terminsgebühr aus. Wegen eingetretener Irritationen ob des (scheinbar) entgegenstehenden Wortlauts wurde mit dem 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3416) vor dem Passus „ohne Beteiligung des Gerichts“ das Wort „auch“ eingefügt, um klarzustellen, dass „die Terminsgebühr selbstverständlich auch dann entsteht, wenn der Rechtsanwalt an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen mit Beteiligung des Gerichts mitwirkt“ (BT-Drucks. 16/3038, S. 56).

Daran sollte sich durch die Neufassung nach dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586) nichts ändern. Vielmehr diente die Änderung dem Ziel, den anwaltlichen Gebührenanspruch gegen als zu restriktiv empfundene richterliche Rechtsauslegung klarstellend abzusichern und teilweise auszubauen. Ziel war es vor allem, einerseits auch Anhörungstermine unter die Regelung für die Terminsgebühr fallen zu lassen, und andererseits klarzustellen, dass die Terminsgebühr für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete außergerichtliche Besprechungen unabhängig davon entsteht, ob für das gerichtliche Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (BT-Drucks. 17/11471, S. 274). Eine Beschränkung der Besprechungsterminsgebühr auf Sachverhalte, in denen ausschließlich Rechtsanwälte miteinander oder mit sonstigen Beteiligten unter Ausschluss des Gerichts kommunizieren, ist erkennbar nicht beabsichtigt gewesen und wäre vor dem Hintergrund des insgesamt unveränderten Regelungszwecks auch sachwidrig. Hätte der Gesetzgeber mit seiner Änderung erreichen wollen, dass für Besprechungen unter Beteiligung des Gerichts keine Terminsgebühr mehr anfallen soll, wären dazu Ausführungen in der Gesetzesbegründung unbedingt zu erwarten gewesen. Dies gilt umso mehr, als er das Entstehen der Terminsgebühr auch in solchen Fällen in der Begründung zum 2. Justizmodernisierungsgesetz noch ausdrücklich als Selbstverständlichkeit angesehen hatte.

Dementsprechend folgt der Senat der inzwischen als herrschend anzusehenden Rechtsprechung, wonach die Besprechungsterminsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG zumindest auch dann entsteht, wenn – wie im vorliegenden Fall – Telefonate zwischen Richter und beiden Hauptbeteiligten geführt werden, sofern – zu dieser Voraussetzung sogleich – Inhalt der Gespräche jeweils ein qualifiziertes auf die Erledigung des Verfahrens gerichtetes Gespräch ist (Bayerisches LSG, Beschluss vom 19. Februar 2020 – L 12 SF 48/17 E – juris Rn. 36 ff.; Müller-Rabe, a.a.O. Rn. 214 m.w.N.; Toussaint in: dems., Kostenrecht, 52. Aufl. 2022, RVG VV 3103 Rn. 23; Mayer in: Mayer/Kroß, RVG, 8. Aufl. 2021, Vorbem. 3 Rn. 58; Ahlmann, a.a.O. Rn. 62; vgl. auch Thüringer OVG, Beschluss vom 26. August 2020 – 4 VO 390/20 – juris Rn. 19; zum Rechtszustand vor dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz bereits Hessisches LSG, Beschluss vom 9. November 2011 – L 2 SO 192/11 B – juris Rn. 18 f.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27. September 2017 – L 5 AS 585/15 B – juris Rn. 25 f. unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 10. Juli 2006 – II ZB 28/05 – juris Rn. 1, 4; a.A. noch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Januar 2015 – L 2 AS 2237/14 B u.a. – juris Rn. 5; soweit das Sozialgericht wegen der a.A. auch auf den Senatsbeschluss vom 11. August 2016 – L 5 SF 92/15 E – juris Rn. 10 f. hinweist, verhält sich die Entscheidung, die auch einen anderen Sachverhalt betrifft, zu dieser Frage nicht). Denn es kann nach Sinn und Zweck der Regelung angesichts der vielfältigen Möglichkeiten der unmittelbaren und mittelbaren, der analogen und digitalen Kommunikation in der heutigen Lebenswirklichkeit für das Entstehen der Terminsgebühr keine Rolle spielen, ob die Gesprächsführung zwischen allen Beteiligten gleichzeitig im selben (ggf. virtuellen) Raum stattfinden oder ob die Gesprächsinhalte den Beteiligten wechselseitig durch das Gericht ver- oder übermittelt werden.

Die Besprechung ist hier auch i.S. von Vorbem. 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG auf die (unstreitige) Erledigung des Verfahrens gerichtet gewesen. Eine derartige Besprechung liegt zumindest dann vor, wenn die Beteiligten in dem mündlichen – oder mündlich durch das Gericht vermittelten – Austausch auf den Abschluss eines Vergleichs zielen. Anfragen zum Sachstand, die bloße Mitteilung einer zwischen den Beteiligten bereits erzielten Einigung oder die Anfrage, ob eine Einigung in Betracht kommt, ohne den Versuch zu unternehmen, den anderen zu einer Einigung zu bewegen oder sich auf konkrete Vorschläge einzulassen, lösen die Besprechungsterminsgebühr dagegen nicht aus (Bayerisches LSG, Beschluss vom 27. November 2017 – L 12 SF 175/17 – juris Rn. 23; vgl. Müller-Rabe, a.a.O., Rn 176 m.w.N.). Sie entsteht auch dann nicht, wenn der Gegner im – ggf. auch vermittelten – Gespräch von vornherein seine fehlende Einigungsbereitschaft bekundet (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 4. Juli 2014 – L 2 AS 578/13 B – juris Rn. 36).

Dass nach diesen Maßstäben Gespräche geführt wurden, die auf die unstreitige Erledigung des Verfahrens gerichtet waren, steht außer Zweifel. Der Berichterstatter sondierte den von ihm dem Grunde nach ins Auge gefassten Beschluss mit der Erinnerungsführerin und einem Vertreter des Antragsgegners vor und ließ das Ergebnis der wechselseitig geführten Telefonate in einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag einfließen, den die Beteiligten sodann jeweils schriftsätzlich annahmen. Auch ohne das Vorliegen – grundsätzlich nicht zuletzt im Interesse der kostenrechtlichen Nachvollziehbarkeit sinnvoller – Telefonvermerke in der Gerichtsakte zu den Gesprächsinhalten im Einzelnen indiziert dieser Geschehensablauf die Erledigungsgerichtetheit der Gespräche und die grundsätzliche Einigungsbereitschaft der Beteiligten.

Die vom Sozialgericht in Ansatz gebrachte Terminsgebühr in Höhe von 100,00 EUR ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht ist zutreffend von einem – gerade im Vergleich zum durchschnittlichen Gerichtstermin – (deutlich) unterdurchschnittlichen Umfang und einer unterdurchschnittlichen Schwierigkeit ausgegangen. Auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der weitgehend mittellosen Auftraggeberin waren deutlich unterdurchschnittlich. Dem steht eine angesichts des Grundrechts auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheiten gegenüber, zumal die Zahlung vom Arbeitslosengeld II dem Grunde nach in Streit stand. Dies rechtfertigt in der Gesamtheit die Gebührenbestimmung in Höhe der doppelten Mindestgebühr, wobei der Erinnerungsgegner die Höhe der festgesetzten Gebühr mit seiner Beschwerde ohnehin nicht angegriffen hat.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG, § 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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