L 12 AS 1365/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 3936/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 1365/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die einmalige Fortschreibung eines schlüssigen Konzepts mittels Verbraucherpreisindex entsprechend § 558d Abs. 2 BGB ist ein grundsätzlich geeignetes Instrument, um innerhalb eines kürzeren Zeitraums im Sinne eines auch bei der Fortschreibung geforderten systematischen und planmäßigen Vorgehens in praktikabler Weise Werte für eine Anpassung festzustellen. Dafür sprechen die Gesetzesmaterialien zu § 22c Abs. 2 SGB II.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe abgeändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 325,46 € zu bewilligen und diese Zug um Zug gegen den Nachweis seitens der Klägerin über die erfolgte tatsächliche Bezahlung der Abrechnung der Ista für das Jahr 2018 in selbiger Höhe zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin 1/4 der außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.


Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit von 01.08.2019 bis 31.01.2020.

Die 1966 geborene, erwerbsfähige Klägerin bezieht vom Beklagten seit längerem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie bewohnt seit Juni 2002 eine 82 m² große Mietwohnung in der Astraße  in K. Die Wohnung befindet sich in einem Mehrfamilienhaus mit zentraler Ölheizung. Warmwasser im Bad wird mit einem Gasdurchlauferhitzer (Junker Hydropower) erzeugt; aus der Abrechnung der Stadtwerke für die Zeit vom 25.01.2019 bis 22.01.2020 ergeben sich Kosten in Höhe von 121,12 €. Die Küche hat keinen Gasanschluss, hier wird das warme Wasser mit einem elektrischen Durchlauferhitzer erzeugt. Laut Mietvertrag vom 03.06.2002 fällt für die Wohnung monatlich ein Mietzins in Höhe von 555,00 € an, darin enthalten sind Betriebskosten von 140,00 €. Die Betriebskosten werden nach dem Mietvertrag im Verhältnis der einzelnen Wohnfläche zur Gesamtwohnfläche umgelegt. Mit Schreiben vom 24.05.2007 wurde die Klägerin (erneut) darauf hingewiesen, dass ihre Kosten der Unterkunft zu hoch seien, die Miete dürfe maximal 351,00 € betragen.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 27.06.2019 hin bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 03.07.2019 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für August 2019 in Höhe von 647,40 €, für September 2019 in Höhe von 774,60 € und für den Zeitraum von Oktober 2019 bis Januar 2020 in Höhe von 817,00 €. Hierbei berücksichtigte er an Kosten für Unterkunft und Heizung vor Einkommensanrechnung einen Bedarf von 393,00 € (Grundmiete, Heizkosten wurden nicht berücksichtigt).

Den hiergegen am 06.08.2019 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass die berücksichtigten Mietkosten zu gering seien, da die Kosten nicht an die tatsächlichen Begebenheiten angepasst seien.

Da die Klägerin der Aufforderung des Beklagten, einen Nachweis über die aktuellen tatsächlichen Mietkosten vorzulegen, nicht nachkam, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2019 – bei der Klägerin eingegangen am 05.11.2019 – als unbegründet zurück. Da der vorgetragene Sachverhalt der Mieterhöhung nicht habe bestätigt werden können, sei weiterhin von der bisherigen Lage auszugehen.

Mit Änderungsbescheid vom 23.11.2019 passte der Beklagte die Leistungsgewährung für Januar 2020 an und berücksichtigte die ab Januar geltenden Regelbedarfssätze. Die Kosten der Unterkunft und Heizung wurden weiterhin in Höhe von 393,00 € berücksichtigt. Mit Bescheid vom 24.07.2020 wurden die Leistungen endgültig in Höhe der vorläufigen Bewilligung festgesetzt.

In der Anlage Weiterbewilligungsantrag vom Januar 2020 gab die Klägerin an, dass nun eine Nebenkostenabrechnung für 2018 vorliege, die sie zunächst prüfen und dann einreichen werde.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat sich die Klägerin mit ihrer am 02.12.2019 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage gewandt. Für die Stadt K bestehe kein schlüssiges Konzept.

Im Verfahren vor dem SG legte die Klägerin ein Schreiben ihrer Vermieter vom 28.01.2018 zur Mieterhöhung vor, wonach ab 01.06.2018 die Miete auf 513,00 € und die Nebenkostenpauschale auf 170,00 € erhöht wurde (insgesamt 683,50 €). Darüber hinaus legte sie die Nebenkostenabrechnung für 2018 vor.

Mit Urteil vom 12.03.2021 hat das SG den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin monatliche Kosten der Unterkunft in Höhe von 464,40 € (statt 393,00 €) zu berücksichtigen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Konzept der Stadt K sei schlüssig. Hiernach stehe der Klägerin als sog. Bruttokaltmiete ein Betrag von 464,40 € zu. Heizkosten habe die Klägerin nicht nachgewiesen.

Mit Bescheid vom 23.03.2021 hat der Beklagte der Klägerin, in Umsetzung des Urteils, monatlich weitere 71,40 € an Kosten der Unterkunft und mit Bescheid vom 24.03.2021 die Warmwasserpauschale bewilligt.

Gegen das ihr am 22.03.2021 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 19.04.2021 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Sie ist der Auffassung, ihr stünden höhere Kosten der Unterkunft zu. Bei dem vom Beklagten vorgelegten „schlüssigen Konzept" könne es sich nicht um ein schlüssiges Konzept handeln, da hier zur Ermittlung der angemessenen Kosten für eine Person der Wohnraum bis 30 m² bewusst nicht berücksichtigt wurde. Die Anzahl der berücksichtigten 179 Wohnungen sei zu klein. Bei dem Mietspiegel, der dem „schlüssigen Konzept" zugrunde liege, handele es sich nicht um einen Mietspiegel der auf aktuell erhobenen Daten basiere, sondern um einen nach bürgerlichem Recht fortgeschriebenen Mietspiegel. Da der Preisindex jedoch keinerlei Rückschlüsse auf die Entwicklung der Kosten für Mieten zulasse, dürfe nicht daraus geschlossen werden, dass auch ausreichend Wohnraum verfügbar sei. Vielmehr habe eine Entkopplung der Mietpreise vom Preisindex stattgefunden, was sich auch aus den 2020 erhobenen Daten ergebe. Sie könne keine günstigere Wohnung finden. Eine Untervermietung sei ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar. Darüber hinaus sei ein Umzug nur in einem Radius von 1,5 km zumutbar.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Karlsruhe vom 12.03.2021 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 03.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2019 in der Fassung der Bescheide vom 23.11.2019, 24.07.2020, 23.03.2021, 24.03.2021 und 07.12.2022 zu verurteilen ihr die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung für zutreffend. Es werde bezweifelt, dass die Nebenkostenabrechnung von der Vermieterin erstellt wurde, vielmehr sei davon auszugehen, dass die Klägerin diese selbst erstellt habe.

Die Klägerin hat Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2019 (insgesamt inklusive Heizung 1.846,81 €) und 2020 (insgesamt inklusive Heizung 1.886,66 €) sowie Heizkostenabrechnungen vorgelegt, aus denen sich verbrauchsunabhängige Heizkosten von 306,20 € für 2019 und 259,47 € für 2020 ergeben.

Mit Bescheid vom 07.12.2022 hat der Beklagte den von der Klägerin nachgewiesenen Bedarf für die Gastherme im Badezimmer bewilligt.

Wegen der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG zulassungsbedürftig. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Sie ist jedoch nur teilweise begründet.

Streitgegenstand sind Leistungen für Bedarfe der Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum von September 2019 bis Januar 2020. Soweit die Klägerin ihr Begehren auf die Gewährung von Leistungen für Bedarfe der Kosten der Kosten für Unterkunft und Heizung begrenzt hat, ist diese Beschränkung des Streitstoffes zulässig, denn bei den Kosten für Unterkunft und Heizung handelt es sich um einen abtrennbaren Streitgegenstand (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17.02.2016, B 4 AS 12/15 R, juris Rn. 10).

Streitgegenständlich ist lediglich der Bescheid vom 24.07.2020 (endgültiger Bewilligungsbescheid) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23.03.2021, 24.03.2021 und 07.12.2022. Die vorläufige Bewilligungsentscheidung vom 03.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2019 ist im Klageverfahren durch den endgültigen Bewilligungsbescheid vom 24.07.2020 im Sinne des § 96 SGG ersetzt (§ 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) worden (vgl. BSG Urteil vom 20.12.2012, B 10 EG 19/11 R, juris Rn. 18; BSG Urteil vom 05.07.2017, B 14 AS 36/16 R, juris Rn. 20; Klein in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Auflage 2017, § 96 Rn. 34). Die Änderungsbescheide vom 23.03.2021, 24.03.2021 und 07.12.2022 sind nach § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.

Die Klägerin hat neben den mit Bescheiden vom 23.03.2021, 24.03.2021 und 07.12.2022 gewährten Leistungen einen Anspruch auf Berücksichtigung weiterer Heizkosten. Einen Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft (Bruttokaltmiete) hat die Klägerin nicht.

1. Höhere Kosten der Unterkunft

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft i.S.e. höheren Bruttokaltmiete (Miete plus Nebenkosten, ohne Heizung). Das SG hat ausführlich und zutreffend dargelegt, dass das Konzept des Beklagten den Vorgaben des BSG für ein schlüssiges Konzept entspricht; der Senat nimmt auf diese Ausführungen Bezug und sieht von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Vor diesem Hintergrund ist die seitens des Beklagten ermittelte Bruttokaltmiete für einen Ein-Personen-Haushalt von 464,40 € nicht zu beanstanden.

Soweit die Klägerin vorträgt, eine Fortschreibung entsprechend § 558d Abs. 2 Satz 1 und 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (in der bis 30.07.2022 geltenden Fassung vom 19.06.2001 [a.F.]) führe grundsätzlich und speziell im vorliegenden Fall zu einer Entkopplung vom tatsächlichen Geschehen (BSG, Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 40/19), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der Gesetzgeber hat eine Fortschreibung des qualifizierten Mietspielgels nur einmal zugelassen, nach 4 Jahren sind zwingend neue Daten zu erheben und der Mietspiegel neu zu erstellen (§ 558d Abs. 2 Satz 3 BGB a.F.). Dadurch wird gewährleistet, dass der Mietspiegel die ortsüblichen Vergleichsmieten auf dem Wohnungsmarkt zeitnah widerspiegelt (BT-Drs. 14/4553, S. 57). So muss auch für das schlüssige Konzept hingenommen werden, dass nicht immer alle Daten auf dem aktuellsten Stand sind, solange den örtlichen Verhältnissen entsprechende regelmäßige Nach- und Neuerhebungen erfolgen (BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R, juris, Rn. 30). Die wirklichkeitsnahe Abbildung des unteren Mietsegments in einem schlüssigen Konzept erfordert somit lediglich, dass die zugrundeliegenden Daten hinreichend aktuell sind und damit der abstrakte Angemessenheitswert die Situation auf dem Mietmarkt im Vergleichsraum im Entscheidungszeitpunkt der Behörde realitätsgerecht widerspiegelt (Krauß, in Hauck/Noftz SGB II, Stand Januar 2021, § 22, Rn. 146, auch zum folgenden). Das folgt als Grundsatz aus den vom BSG definierten Anforderungen von selbst. So hat das BSG zum Ausdruck gebracht, dass der Aktualität des einem schlüssigen Konzepts nach § 22 Abs. 1 SGB II zugrunde gelegten Datenmaterials – je nach gewählter Methodik unter Berücksichtigung der „Methodenfreiheit“ der Grundsicherungsträger – auch bei der Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums im Bereich des Wohnens Grenzen gesetzt sein können, die in vertretbarem Umfang hingenommen werden müssen (BSG, Urteil vom 12.12.2017, B 4 AS 33/16 R, juris, Rn. 16). So ist schon deshalb nicht denkbar, aus Daten, die bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt ermittelt worden sind, Rückschlüsse für vorangegangene Zeiträume zu treffen (BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 11/18 R, juris).

Zulässig und notwendig ist dagegen die Fortschreibung der abstrakten Angemessenheitswerten aus einem schlüssigen Konzept, solange keine neuen Daten vorliegen. Der auch bei der Erstellung von Konzepten zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete heranzuziehende § 22c Abs. 2 SGB II regelt neben der Überprüfung schlüssiger Konzepte nach Ablauf von zwei Jahren weiter, dass die Unterkunftskosten „gegebenenfalls neu festzusetzen“ sind. Durch diese Regelung wird die Auslegung des § 22 Abs. 1 SGB II gesetzlich begrenzt (BSG, Urteil vom 12.12.2017, a.a.O., Rn. 21; auch zum folgenden und unter Verweis auf das Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Urteile vom 06.10.2017, 1 BvL 2/15, 1 BvL 5/15, beide juris). Den Gesetzesmaterialien zu § 22c Abs. 2 SGB II ist zu entnehmen, dass sich der Gesetzgeber mit diesem Fortschreibungserfordernis an der zweijährigen Frist für die Überprüfung der Unterkunftsaufwendungen an den für Mietspiegel im BGB einschlägigen Vorschriften in §§ 558c Abs. 3 und § 558d Abs. 2 BGB a.F. orientieren wollte (BT-Drucks 17/3404 S 102). § 558d Abs. 2 BGB a.F. bestimmt, dass qualifizierte Mietspiegel im Abstand von zwei Jahren der Marktentwicklung anzupassen sind (Satz 1). Dabei kann eine Stichprobe oder die Entwicklung der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindexes für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland (im Folgenden: Verbraucherpreisindex) zugrunde gelegt werden (Satz 2). Das BSG weist dabei auch darauf hin, dass die Fortschreibung anhand des Verbraucherpreisindex kritisiert werde, da sich dieser Index aus einem Warenkorb zusammensetze, der nur teilweise mit dem Wohnungsmarkt und insbesondere mit den Nettomietpreisen, auf denen Mietspiegel im Allgemeinen beruhten, zu tun habe. Zudem unterstelle eine solche Fortschreibung eine gleiche Preisentwicklung unbesehen verschiedener Marktsegmente (so z.B. Börstinghaus, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl 2017, §§ 558c, 558d BGB RdNr 83). Je nachdem, ob der Anstieg des Verbraucherpreisindex über oder unter dem durchschnittlichen Anstieg der tatsächlichen regionalen Wohnungsmieten liege, profitierten summarisch gesehen entweder die Vermieter oder die Mieter von dessen Anwendung (Schmidt in WuM 2009, 23 ff, 27). Allerdings werde, so das BSG, auch konstatiert, dass es kaum geeignete Instrumente gebe, um innerhalb kürzerer Zeiträume fundiert festzustellen, welche Veränderungen sich bei den Preisen am Wohnungsmarkt, insbesondere bei den Bestandsmieten und auf verschiedenen Wohnungsmarktsegmenten, ergeben hätten (Schmidt in WuM 2009, 23 ff, 24). Eine Fortschreibung über kleinere Stichproben könne bei geringerer Fallzahl mit statistischen Unsicherheiten verbunden sein (Endbericht des IWU zur Ermittlung der existenzsichernden Bedarfe für die KdUH in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch <SGB II> und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch <SGB XII> vom 30.11.2016, S 190) und müsse – für eine fundierte Aussagekraft – nahezu einer Neuerstellung gleichkommen (Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, §§ 558c, 558d BGB Rn. 85 f). Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber trotz in der Literatur geäußerten Bedenken gegen die Fortschreibung mittels Verbraucherpreisindex nach § 558d Abs. 2 BGB hieran im streitgegenständlichen Zeitraum und auch in der ab 01.07.2022 geltenden Neuregelung festgehalten. Dies rechtfertigt es nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, bei fehlender Fortschreibung durch den Grundsicherungsträger im Rahmen seiner Methodenfreiheit auf diese gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit der Fortschreibung anhand des bundesdeutschen Verbraucherpreisindex zurückzugreifen. Es handelt sich insoweit um ein grundsätzlich geeignetes Instrument, um innerhalb eines kürzeren Zeitraums im Sinne eines auch bei der Fortschreibung geforderten systematischen und planmäßigen Vorgehens in praktikabler Weise Werte für eine Anpassung festzustellen. Vor diesem Hintergrund begegnet auch die einmalige Fortschreibung des schlüssigen Konzepts entsprechend § 558d Abs. 2 BGB keinen Bedenken.

Der Ausschluss von Wohnungen mit einer Größe von unter 30 m² führt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu relevanten Verzerrungen. Zwar ist nicht auszuschließen, dass aufgrund der Wohnkosten-Progression kleinere Wohnungen höhere Quadratmeterpreise aufweisen als größere Wohnungen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es durch die Festlegung der Mindestwohngröße nicht zu einer Verfälschung der Datengrundlage und damit des Ergebnisses der Erhebung kommt. Vielmehr würde andernfalls die Gefahr bestehen, dass die Ergebnisse nach der Produkttheorie nach oben verzerrt werden, wenn die hohen Quadratmeterpreise für sehr kleine Wohnungen mit der maximalen Wohnfläche multipliziert würden (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.08.2018, L 19 AS 2334/17; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 31.01.2018, L 5 AS 201/17; Thüringer LSG, Urteil vom 08.07.2015, L 4 AS 718/14; alle juris). Der Beklagte hat darüber hinaus nachvollziehbar dargelegt, dass zum einem in diesem Segment insgesamt (ermittelt über alle Ausstattungs- und Lagekategorien) nur 82 Wohnungen erfasst wurden. Zum anderen ist Grund für die Nichtberücksichtigung, dass sich unter den kleinen Wohnungen erfahrungsgemäß viele Wohneinheiten befinden, die von Studierenden genutzt, möbliert sind beziehungsweise mit Service angeboten werden. Zudem ist weder nachvollziehbar noch klägerseits belegt worden, dass bei Anmietung kleinerer Wohnungen als 30 m² – was selbstverständlich den Leistungsberechtigten unbenommen bleibt – die Gesamtmiete unter Beachtung der Produkttheorie höher sein soll als die einer 45 m² großen Wohnung Thüringer LSG, a.a.O.).

Die Aufwendungen der Klägerin von 513,00 € überschreiten somit die angemessene Bruttokaltmiete von 464,40 € für eine Wohnung im Bereich bis 45 m². Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, dass es unmöglich sei, für den errechneten Bruttokaltmietpreis, eine Wohnung in K anzumieten. Zutreffend führt das SG aus, dass es, wenn der Durchschnittsmietpreis (Basismiete) eines qualifizierten Mietspiegels zugrunde gelegt wird, keiner weiteren Ermittlungen bedarf, ob es Wohnungen zu den abstrakt angemessenen Quadratmeter-Nettokaltmieten im örtlichen Vergleichsraum in einer bestimmten Häufigkeit gibt; dies steht vielmehr aufgrund des qualifizierten Mietspiegels, der zur Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde gelegt wurde, und der Anwendung des Durchschnittswerts dieses Mietspiegels fest (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10.10.2017, 1 BvR 617/14; BSG, Urteil vom 13.04.2011, B 14 AS 106/10 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2013, L 1 AS 19/13; alle juris).

Ein Anspruch auf höherer Leistungen für die Kosten der Unterkunft ergibt sich auch nicht aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II. Danach sind die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen, wenn ein Wohnungswechsel nicht möglich oder nicht zuzumuten ist. Es war der Klägerin, die bereits im Jahr 2007 darauf hingewiesen wurde, dass ihre Unterkunftskosten unangemessen hoch seien, jedoch möglich und zumutbar, die Kosten durch einen Wohnungswechsel, durch (Unter-)Vermietung oder auf andere Weise zu senken. Wie auch das SG vermag der Senat keine Besonderheiten des Einzelfalls zu erkennen, die eine gegenüber anderen Empfängern von Leistungen nach dem SGB II höhere Bemessung erforderlich machen. Folglich ist zu unterstellen, dass die Klägerin bei ausreichender Bemühung in der Lage wäre, eine für sie angemessene Wohnung innerhalb von sechs Monaten anzumieten. Bemühungen, eine andere Wohnung anzumieten oder Teile der Wohnung unterzuvermieten, hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Insbesondere eine Untervermietung, ggfs an Menschen, die an vergleichbaren Krankheiten leiden und damit auf ein ähnlich unkontaminiertes Umfeld angewiesen sind, ist nach Ansicht des Senats zumutbar. Darüber hinaus ist der Lebensmittelpunkt der Klägerin, worauf das SG zutreffend hinweist, die gesamte Stadt K, sodass sie ihre Suche auch auf das ganze Stadtgebiet zumutbar erstrecken muss; auch hier nimmt der Senat auf die Ausführungen des SG Bezug und sieht von einer eigenen Begründung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

2. Höhere Heizkosten

Die Klägerin hat jedoch Anspruch auf höhere Heizkosten. Im Grundsatz sind auch die laufenden Leistungen für Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung dieser Kosten erfolgt von der Angemessenheitsprüfung der Unterkunft getrennt (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 02.07.2009, B 14 AS 36/08 R, juris). Dabei ist die Ermittlung einer abstrakten Angemessenheitsgrenze durch den Träger nach Auffassung des BSG zur Bestimmung der „Angemessenheit“ der Heizkosten nicht notwendig (Krauß, a.a.O., Rn. 235, auch zum Folgenden). Beides leitet sich weniger aus dogmatischen als aus rein tatsächlichen Gründen ab: Auf Grundlage der bisher von den Trägern erarbeiteten Konzepten ist nicht ersichtlich, wie ein abstrakt angemessener Heizwert für das in Bezug zu nehmende untere Mietsegment realitätsgerecht ermittelt werden könnte. Es müssten differenzierte Ermittlungen dazu eingearbeitet werden, welchem energetischen Standard gerade das in Bezug genommene untere Mietsegment entspricht. Ein Rückgriff auf weniger ausdifferenzierte Werte und die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze ohne eine solche Ermittlung würde eine „verdeckte“ Pauschalierung von Kosten der Heizung bedeuten. Für die Erstattungsfähigkeit von Heizkosten hat das BSG ausgehend von diesen Überlegungen folgende Grundsätze aufgestellt: Nicht erstattungsfähig sind Heizkosten bei ansonsten angemessenen Unterkunftskosten lediglich dann, wenn sie der Höhe nach im Einzelfall nicht erforderlich erscheinen. Anhaltspunkte dafür, dass die Heizkosten unangemessen hoch sind (vor allem durch unwirtschaftliches Heizverhalten), ergeben sich, wenn die Heizkosten im Einzelfall die Grenzwerte für unwirtschaftliches Heizverhalten eines Privathaushalts, die sich aus Anwendung eines Kommunalen Heizspiegels bzw. des Bundesweiten Heizspiegels ableiten lassen, überschreiten. Auch insoweit sind die Grenzwerte im Interesse der Gleichbehandlung von Mietern und Wohnungs- bzw. Hauseigentümern nach der jeweils angemessenen Wohnungsgröße für Mietwohnungen zu bestimmen (BSG, Urteil vom 19.09.2008, B 14 AS 54/07 R, juris). Dies hat für die Klägerin zur Folge, dass sich die Heizkosten lediglich nach der angemessenen Wohnfläche bestimmen. Nach dem Heizspiegel für Deutschland u.a. des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und des Deutschen Mieterbundes betrugen die mittleren Heizkosten 2020 bei Ölheizungen 13,20 €/m², für eine Wohnung mit 45 m² mithin 594,00 €, die höheren Heizkosten 18,10 €/m², mithin 814,50 €.

Vor diesem Hintergrund steht der Klägerin auch ein weiterer Bedarf für Heizkosten für die Ölheizung zu in Höhe der Ista-Abrechnung. Auch wenn die Klägerin nicht geheizt hat, wie sich aus ihrem Vortrag und der Verbrauchsabrechnung ergibt, schlagen doch verbrauchsunabhängige Kosten zu Buche, die ebenfalls von den Heizkosten umfasst sind. Jedoch handelt es sich um eine Nachzahlung, so dass diese im Fälligkeitsmonat zu berücksichtigten sind (BSG, Urteil vom 22.03.2010, B 4 AS 62/09 R, juris, Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 22, Rn. 50). Da die Abrechnung für 2019 auf den 18.05.2020 datiert, war diese außerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums fällig. Jedoch war die Abrechnung für 2018 in Höhe von 325,46 € im streitgegenständlichen Zeitraum fällig. Dies entnimmt der Senat den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, in der sie angeben hat, dass die Vermieterin die Nebenkostenabrechnung für 2018 gerade noch vor Ablauf der Verjährungsfrist Ende Dezember 2019 erstellt und übersandt hatte. Diese Angabe findet eine Stütze in der Anlage zum Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab Februar 2020, in der die Klägerin angibt, dass die Abrechnung für 2018 nun vorliege und noch von ihr geprüft werde. In der Folge wurde die Abrechnung dann am 11.06.2020 von der Klägerin im Verfahren vor dem SG vorgelegt.

Die Klägerin, die derzeit aufgrund eines Versäumnisurteils des Amtsgerichts Karlsruhe vom 07.04.2022 die Leistungen für Nebenkosten an die Vermieterin zurückbehält, hat jedoch nur einen Anspruch auf Nachzahlung der Heizkosten Zug um Zug gegen eine Bestätigung der tatsächlichen Zahlung (§ 274 BGB). Nach § 22 Abs. 1 SGB II ist Voraussetzung, dass die Zahlungen tatsächlich entstanden oder zumindest fällig sind. Das Zurückbehaltungsrecht begründet eine aufschiebende Einrede, die die Fälligkeit des Anspruchs jedoch nicht beseitigt (Kerwer in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 273 BGB (Stand: 24.06.2020), Rn. 27; Grüneberg, BGB, § 273 Rn. 20). Jedoch entstehen der Klägerin die Kosten erst, wenn sie von ihrem Zurückbehaltungsrecht keinen Gebrauch mehr macht, so dass die Zahlung erst dann vom Beklagten zu übernehmen ist.

Die Kosten für die Bereitung von Warmwasser in Küche und Bad hat der Beklagten mit Bescheiden vom 24.03.2021 (Küche) und 07.12.2022 (Bad) übernommen.

Nach alldem war der Berufung teilweise stattzugeben und der Bescheid vom 24.07.2020 in Gestalt der Bescheide vom 23.03.2021, 24.03.2021 und 07.12.2022 insoweit abzuändern, als Leistungen für die Heizkosten zu berücksichtigen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Beklagte die Kosten für die Warmwasserbereitung erst im Laufe des Verfahrens anerkannt und die Anerkennung der Heizkosten verweigert hat.


 

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