Ein Gutachten zur Entwicklung von Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft erfüllt die vom BSG gestellten Mindestanforderungen an ein schlüssiges Konzept nicht, wenn für die Ermittlung der angemessenen Kosten nur die Nettokaltmiete zugrunde gelegt wurde. Dies gilt auch dann, wenn das JC die tatsächlichen kalten Betriebskosten in vollem Umfang übernommen hat.
Landessozialgericht Baden-Württemberg
L 12 AS 493/19
S 4 AS 121/16
Im Namen des Volkes
Urteil
Der 12. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat ohne mündliche Verhandlung am 25.02.2022 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerinnen und des Klägers werden die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Konstanz vom 29.01.2019 abgeändert und der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2016 und des Bescheides vom 03.05.2016 sowie des Bescheides vom 19.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2017 und der Bescheide vom 22.05.2017 und 21.06.2017 verurteilt, den Klägerinnen und dem Kläger weitere Leistungen nach dem SGB II (Kosten der Unterkunft) für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis einschließlich 31.03.2016 monatlich in Höhe von 146,81 €, für den Zeitraum vom 01.04.2016 bis einschließlich 31.12.2016 monatlich in Höhe von 121,81 €, für den Monat April 2017 in Höhe von 50,40 € und für den Zeitraum 01.05.2017 bis einschließlich 31.12.2017 monatlich in Höhe von 80,40 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt 3/10 der außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen und des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand
Die Klägerinnen und der Kläger begehren höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Zugrundelegung der tatsächlichen Kosten ihrer Unterkunft für das gesamte Jahr 2016 sowie für das gesamte Jahr 2017.
Die 1971 geborene Klägerin zu 1 sowie die mit ihr zusammen lebenden Kinder, nämlich der im Juli 2010 geborene Kläger zu 2, die im Dezember 2003 geborene Klägerin zu 3, die im August 2005 geborene Klägerin zu 4 und die im Dezember 2007 geborene Klägerin zu 5 beantragten am 14.02.2012, zu diesem Zeitpunkt in der Fstraße in E, einer im Eigentum des Kindsvaters der Klägerinnen und des Klägers zu 2 bis 5 stehenden Eigentumswohnung wohnhaft, Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten ab 01.04.2012, nachdem ein früherer Antrag wegen fehlender Bedürftigkeit mit Bescheid vom 24.01.2012 abgelehnt worden war. Im Zuge dieses früheren Antrags wurden die Klägerinnen und der Kläger auf die Mietobergrenze für fünf Personen in den Orten E und L hingewiesen. Zugleich beantragten die Klägerinnen und der Kläger die Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft im F1weg L; eine Doppelhaushälfte mit einer Bruttokaltmiete von 800 € und einer Wohnungsgröße von 104 Quadratmetern. Man beabsichtige zum 01.05.2012 in diese Wohnung umzuziehen, nachdem die bisherige Wohnung verkauft werde und hierfür Eigenbedarf vom Erwerber angemeldet worden sei. Zu den Akten gelangte die Kündigung des Mietverhältnisses über die Wohnung in der Fstraße E, zum 30.04.2012 seitens des Kindesvaters vom 26.01.2012.
Mit Bescheid vom 28.03.2012 lehnte der Beklagte die Zusicherung für die neue Wohnung ab. Die angemessenen Mietaufwendungen würden bei der Haushaltsgröße der Klägerinnen und des Klägers 621 € (Kaltmiete) betragen, worauf man die Klägerin ja bereits mit Schreiben vom 26.10.2011 über die Höhe der Mietobergrenze hingewiesen habe. Da die Einholung der Zusicherung keine Voraussetzung für die Erbringung von Leistungen in Höhe der angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 621 € sei, könnten zumindest diese Unterkunftskosten zuzüglich der angemessenen Nebenkosten erbracht werden, sofern die Klägerinnen und der Kläger ab 01.05.2012 Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hätten.
Diese zogen dessen ungeachtet zum 01.05.2012 in die neu angemietete Wohnung im F1weg L.
In der Folgezeit bezogen die Klägerinnen und der Kläger Leistungen nach dem SGB II, beginnend ab 01.05.2012 (der eigentlich Bescheid fehlt leider), wobei jeweils nur die aus Sicht des Beklagten angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung der Leistungsberechnung zugrundegelegt wurden. Dies war zunächst eine Nettokaltmiete von 667,10 € (ab Oktober 2014 von 786,50 €, weil Zuzug einer sechsten Person).
Zuletzt teilte der Beklagte mit Bewilligungsbescheid vom 16.06.2015 (Leistungen für Juli bis Dezember 2015) und Änderungsbescheid vom 15.06.2015 (Leistungen für Februar bis Juni 2015) den Klägerinnen und dem Kläger mit, dass ihre Kaltmiete nach wie vor unangemessen hoch sei. Aufgrund einer Erhöhung der Mietobergrenze könne man aber ab dem 01.06.2015 eine höhere Kaltmiete (680,59 €) anerkennen, die der Beklagte den anschließenden Bewilligungen auch zu Grunde legte.
Für die Wohnung fielen in der hier streitgegenständlichen Zeit ab 01.01.2016 bis einschließlich 31.12.2017 eine Kaltmiete in Höhe von monatlich 880 €, Betriebskosten in Höhe von monatlich 90 € (Abschlagszahlung), ab 01.04.2016 monatlich 115 € und ab 01.05.2017 monatlich 85 € sowie Heizkosten in Höhe von monatlich 90 €, ab 01.07.2017 monatlich 104 €, an.
Im Antrag auf Fortzahlung der Leistungen vom 13.11.2015 gab die Klägerin zu 1 Einkommen in Form von Unterhaltsvorschüssen in Höhe von 528 € und in Form von Kindergeld in Höhe von 789 € an.
Mit Bescheid vom 30.11.2015 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen und dem Kläger Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 30.06.2016 von monatlich 1.175,51 €, für den Monat Juli 2016 1.156,24 € und für den Zeitraum ab 01.08.2016 bis einschließlich 31.12.2016 1.159,51 €. Dabei legte der Beklagte der Bedarfsermittlung anerkannte Kosten der Unterkunft in Höhe von 860,59 € monatlich zu Grunde (für angemessen erachtete Nettokaltmiete in Höhe von 680,59 €, Nebenkosten in Höhe von 90 €, Heizkosten in Höhe von 90 €).
Den hiergegen eingelegten und nicht begründeten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2016 als unbegründet zurück.
Hiergegen haben die Klägerinnen und der Kläger am 20.01.2016 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) unter dem Az. S 4 AS 121/16 erhoben und die Übernahme einer vollen Bruttokaltmiete von monatlich 970 € geltend gemacht. Sie haben zur Begründung vorgetragen, eine ordnungsgemäße Kostensenkungsaufforderung sei bislang nicht erfolgt. Die Angemessenheitsgrenze des § 22 SGB II sei verfassungswidrig. Das schlüssige Konzept des Beklagten sei unwirksam, weshalb gemäß Mietstufe 5 der Wohngeldtabelle bei einem Fünfpersonenhaushalt eine Bruttokaltmiete von 834 € zzgl. 10 %, also 917,40 €, anzusetzen wäre. Das Konzept des Beklagten zur Ermittlung der angemessenen Mietkosten erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen schon deshalb nicht, da keine Differenzierung nach Netto-Brutto-Miete erfolge. Auch seien die vom Beklagten gebildeten Vergleichsräume in sich schon unschlüssig. Der Beklagte hat das „Gutachten zur Entwicklung von Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft im L1kreis 2014“ mit Stand 10.12.2014 des EMA-Instituts für empirische Marktanalysen (künftig: EMA) vorgelegt.
Mit Bescheid vom 07.04.2016 hat der Beklagte die im Mai 2016 fälligen Abfallgebühren in Höhe von 164,50 € in voller Höhe übernommen.
Mit Bescheid vom 03.05.2016 hat der Beklagte die von den Klägerinnen und dem Kläger vorgelegte Nebenkostennachzahlungsforderung der Vermieter in Höhe von 521,16 € für das Jahr 2015 gleichfalls in voller Höhe übernommen. Zugleich hat der Beklagte die von den Vermietern ab April 2016 geltend gemachte Erhöhung der monatlichen Abschlagszahlung auf die Betriebskosten um monatlich 25 € (auf dann 115 € monatlich) übernommen.
Im Fortzahlungsantrag vom 01.12.2016 hat die Klägerin zu 1 Einkommen in Gestalt von Unterhaltsvorschüssen in Höhe von 533 € monatlich und in Form von Kindergeld in Höhe von 797 € monatlich angegeben. Mit Bescheid vom 19.12.2016 hat der Beklagte den Klägerinnen und dem Kläger Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld für Januar 2017 bis November 2017 in Höhe von monatlich 1.267,91 € und in Höhe von 1.277,91 € für Dezember 2017 bewilligt. Dabei hat der Beklagte im Rahmen der Ermittlung des Bedarfs anerkannte Kosten der Unterkunft in Höhe von 885,59 € monatlich (für angemessen erachtete Kaltmiete in Höhe von 680,59 €, Nebenkosten in Höhe von 115 €, Heizkosten in Höhe von 90 €) zu Grunde gelegt.
Den hiergegen eingelegten und nicht begründeten Widerspruch der Klägerinnen und des Klägers hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2017 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen haben die Klägerinnen der Kläger am 31.01.2017 Klage beim SG (Az. S 4 AS 182/17) erhoben, mit der sie wiederum die vollständige Übernahme einer Bruttokaltmiete in Höhe von 995 € (Grundmiete in Höhe von 880 € sowie kalte Nebenkosten in Höhe von 115 €) begehrt haben. Im Erörterungstermin vor dem SG vom 31.05.2017 haben sich die Beteiligten vergleichsweise daraufhin geeinigt, dass der Beklagte unter den dort weiter genannten Bedingungen über den Anspruch der Klägerinnen und des Klägers auf Kosten der Unterkunft für den Zeitraum von Januar 2017 bis einschließlich März 2017 auf Antrag neu entscheiden werde, weshalb im vorliegenden Verfahren nunmehr allein noch der Zeitraum April 2017 bis Dezember 2017 streitgegenständlich sein solle. Der Beklagte hat das „Gutachten zur Aktualisierung der Angemessenheitsgrenzen über die Kosten der Unterkunft im L1kreis 2016“ des EMA vom 30.01.2017 vorgelegt.
Mit Bescheid vom 23.03.2017 hat der Beklagte die zum 02.05.2017 fällig gewordenen Abfallgebühren in Höhe von 168 € übernommen.
Mit Änderungsbescheid vom 22.05.2017 hat der Beklagte den Klägerinnen und dem Kläger höheres Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld für April 2017 bis November 2017 in Höhe von monatlich 1.318,32 € und in Höhe von 1.328,32 € für Dezember 2017 bewilligt. Mit Kreistagsbeschluss vom 06.03.2017 seien entsprechend dem fortgeschriebenen schlüssigen Konzept für den Zuständigkeitsbereich des Beklagten neue Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft beschlossen worden, wonach künftig eine „Grundmiete“ in Höhe von 752 € gewährt werde.
Der Klägerin zu 1 ist am 10.03.2017 aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2016 ein Guthaben in Höhe von 50,52 € gutgeschrieben worden. Zugleich sind die Abschlagszahlungen für die Betriebskosten ab 01.04.2017 auf 85 € monatlich reduziert worden. Ab Juli 2017 sind ferner die Unterhaltsvorschusszahlungen für die Klägerinnen zu 4 und 5 und für den Kläger zu 2 entfallen (Bescheide des Jugendamts des Beklagten vom 17.05.2017). Zuletzt haben die Vermieter für den Zeitraum ab Juli 2017 einen höheren Betriebskostenabschlag für die Heizung und die Warmwasserzubereitung von 104 € monatlich festgesetzt.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 21.06.2017 hat der Beklagte diesen Veränderungen Rechnung getragen und für April 2017 niedrigeres Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld in Höhe von 1.237,80 €, für Mai 2017 und Juni 2017 niedrigeres Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld in Höhe von 1.288,32 € und für den Zeitraum Juli 2017 bis einschließlich Dezember 2017 höheres Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld in Höhe von 1.704,32 € monatlich festgesetzt und die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 140,52 € geltend gemacht.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 17.11.2017 hat der Beklagte für den Zeitraum Juli 2017 bis November höheres Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld in Höhe von monatlich 1.905,32 € und für Dezember 2017 in Höhe von 1.915,32 € bewilligt. Bei Durchsicht der Akten sei aufgefallen, dass trotz Wegfalls des Unterhaltsvorschusses für den Kläger zu 2 in Höhe von 201 € ab Juli 2017 dieser weiterhin als Einkommen angerechnet worden sei.
Mit 2 Gerichtsbescheiden vom 29.01.2019 hat das SG nach vorheriger Anhörung beide Klagen abgewiesen. Soweit die Klägerinnen und der Kläger die Verfassungswidrigkeit von § 22 SGB II geltend machen würden, halte dies das Gericht unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 10.10.2017, 1 BvR 617/14, juris) für nicht zutreffend. Eine ordnungsgemäße Kostensenkungsaufforderung sei erfolgt. Auch wenn das Konzept des Beklagten nicht schlüssig sein sollte, so scheitere ein höherer Anspruch der Klägerinnen und des Klägers bereits daran, dass in diesem Falle auf den qualifizierten Mietspiegel der Gemeinde L Bezug zu nehmen sei, aus welchem sich indes auch keine höheren Kosten der Unterkunft und Heizung, als im streitigen Zeitraum bewilligt, ergeben würden.
Gegen die den Klägerinnen und dem Kläger am 11.02.2019 zugestellten Gerichtsbescheide haben diese am 12.02.2019 jeweils beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt (L 12 AS 493/19 und L 12 AS 494/19), mit der sie weiterhin die vollständige Übernahme einer Bruttokaltmiete von 970 € begehren. Zu deren Begründung haben sie neuerlich vorgetragen, eine ordnungsgemäße Kostensenkungsaufforderung sei bislang nicht erfolgt. Das schlüssige Konzept des Beklagten sei unwirksam, weshalb gemäß Mietenstufe 5 der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % 917,40 € anzusetzen seien. Der Beklagte habe in seinem vorliegenden Konzept keine Differenzierung nach der Netto-Brutto-Miete vorgenommen und habe in einzelnen Vergleichsräumen Gemeinden mit und ohne Mietspiegel zusammengefasst. Auch hätte der Beklagte die angemessenen Kosten der Unterkunft nicht aus der angemessenen Kaltmiete und den tatsächlichen kalten Betriebskosten „bilden“ dürfen. Der Wohnungsmarkt am L1 sei im Übrigen als verschlossen anzusehen. Daher bestehe mangels kostenangemessener Unterkunftsalternativen keine Verpflichtung zur Kostensenkung. Auch sei nicht nachvollziehbar, weshalb sich nach dem Mietspiegel der Gemeinde L keine höheren Kosten für die Unterkunft, als die vom Beklagten bewilligten ergeben würde, was das Gericht indes ohne jede Begründung, insbesondere ohne Eingruppierung in den Mietspiegel, behauptet habe.
Die Klägerin und der Kläger beantragen sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Konstanz vom 29.01.2019 und Abänderung des Bescheides vom 30.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2016 und des Bescheides vom 03.05.2016 zu verurteilen, den Klägerinnen und dem Kläger höhere Leistungen nach dem SGB II unter Zugrundelegung der tatsächlichen Bruttokaltmiete für den Zeitraum 01.01.2016 bis 31.12.2016 zu gewähren,
sowie
den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Konstanz vom 29.01.2019 und Abänderung des Bescheides vom 19.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2017 und der Bescheide vom 22.05.2017 und 21.06.2017 zu verurteilen, den Klägerinnen und dem Kläger höhere Leistungen nach dem SGB II unter Zugrundelegung der tatsächlichen Bruttokaltmiete für den Zeitraum 01.01.2017 bis 31.12.2017 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat zur Begründung vorgetragen, dass, nachdem für den Zeitraum Januar bis März 2017 ein Vergleich geschlossen worden sei, für das Jahr 2017 vorliegend nur über den Zeitraum April 2017 bis Dezember 2017 zu entscheiden sei. Man sei hinsichtlich der Kaltmiete von den Angemessenheitsgrenzen für den Vergleichsraum 4 gemäß dem schlüssigen Konzept für den Zuständigkeitsbereich des Beklagten ausgegangen. In diesem Vergleichsraum 4 würden Mietpreisspiegel für sämtliche Gemeinden vorliegen. Die Betriebs- und Heizkosten habe man in voller Höhe übernommen. Beim Mietspiegel 2016 für die Gemeinde L handle es sich um einen qualifizierten Mietspiegel. Der Beklagte hat die beiden Gutachten bezüglich der Angemessenheitsgrenze für die Kosten der Unterkunft mit Stand 10.12.2014 und 30.01.2017 sowie den Mietspiegel 2016 der Gemeinde L vorgelegt.
Der Senat hat die beiden Verfahren mit Beschluss vom 02.05.2019 unter dem Aktenzeichen L 12 AS 493/19 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten unter dem 30.08.2021 darauf hingewiesen, dass das Gutachten zur Entwicklung von Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft im L1kreis 2014 vom 10.12.2014 sowie dessen Aktualisierung vom 30.01.2017 nicht die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gestellten Mindestanforderungen an ein solches Konzept erfüllen dürfte, da diese Konzepte lediglich eine reine Nettokaltmiete ausweisen würden. Der Beklagte ist darauf hingewiesen worden, dass ihm eine Frist zur Beseitigung der Mängel des unzureichenden Konzepts eingeräumt wird. Im Hinblick auf die offensichtlichen Schwierigkeiten, die abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten für den hier maßgeblichen Zeitraum noch zu ermitteln, hat der Berichterstatter eine vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreites durch Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung unter Zugrundelegung der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % angeregt.
Der Beklagte hat sich außerstande gesehen, den Mängeln der beiden Gutachten zur Angemessenheitsgrenze abzuhelfen und hat einer vergleichsweisen Übernahme der Kosten der Unterkunft entsprechend der Wohngeldtabelle zuzüglich eines 10-prozentigen Zuschlags zugestimmt (Schreiben vom 09.09.2021 und vom 14.12.2021).
Die Klägerinnen und der Kläger haben den vorgeschlagenen Vergleich abgelehnt, da sie „Amtshaftungsansprüche hinsichtlich des Beklagten aufrechterhalten“ wollten und sich darüber hinaus auch „die Frage stelle, ob nicht ein 20-prozentiger Zuschlag zur Wohngeldtabelle anzunehmen sei“.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Prozessakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nur teilweise begründet. Die Klägerinnen und der Kläger haben Anspruch auf höhere Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs bezüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung für das gesamte Jahr 2016 sowie für den Zeitraum April 2017 bis einschließlich Dezember 2017 unter Zugrundelegung der nach Mietenstufe 4 der Wohngeldtabelle zuzüglich eines 10-prozentigen Zuschlags zu übernehmenden Bruttokaltmiete.
Streitgegenstand sind höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 01.01.2016 bis 31.12.2017, als sie der Beklagte mit dem Bescheid vom 30.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2016 und des Bescheides vom 03.05.2016 sowie mit Bescheid vom 19.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2017 und der Bescheide vom 22.05.2017 und 21.06.2017 anerkannt hat. Die Klägerinnen und der Kläger haben den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt. Bei diesen handelt es sich um abtrennbare Verfügungen der hier erfassten Bescheide (ständige Rechtsprechung des BSG, zuletzt BSG, Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 34/19 R, juris).
Soweit die Klägerinnen und der Kläger höhere Leistungen auch für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis einschließlich 31.03.2017 begehren, steht dem bereits die vor dem SG im Erörterungstermin vom 31.05.2017 abgegebene übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten für diesen Zeitraum entgegen. Mit dieser im Vergleichswege getroffenen Erklärung haben die Beteiligten rechtswirksam für das ursprünglich insgesamt streitgegenständliche Jahr 2017 eine Beschränkung des Streitgegenstands in zeitlicher Hinsicht auf den Zeitraum April 2017 bis einschließlich Dezember 2017 vorgenommen und hat das SG in seiner angefochtenen Entscheidung zu Recht über diesen Zeitraum nicht mehr entschieden, weshalb die Berufung bereits aus diesem Grund ohne Erfolg bleibt.
Im Übrigen hat die Berufung teilweise Erfolg, da den Klägerinnen und dem Kläger höhere Kosten für die Unterkunft zu gewähren sind.
Die Klägerin zu 1 war im streitgegenständlichen Zeitraum Berechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II in den hier anzuwendenden – und bezüglich der hier zur Anwendung kommenden Regelungen inhaltsgleichen – Fassungen vom 20.12.2011, 26.07.2016 und 22.12.2016 (a.F.), weil sie in diesem Zeitraum das 15. Lebensjahr bereits vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hatte (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F.), erwerbsfähig war (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II a.F.) und auch hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II a.F. war, da ihr zur Deckung ihres Lebensunterhalts weder zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen noch Hilfe von anderen zur Verfügung stand, welches eine Bedürftigkeit in vollem Umfang ausgeschlossen hätte (vgl. § 9 SGB II). Die Klägerin zu 1 hatte weiterhin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II a.F.). Den mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II a.F.) Klägerinnen zu 3 bis 5 und den Kläger zu 2, die während des hier streitgegenständlichen Zeitraums allesamt noch nicht das 15. Lebensjahr vollendet und damit nicht nach § 7 Abs. 1 SGB II a.F. leistungsberechtigt waren und ihren Bedarf gleichfalls nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen vollständig decken konnten, stand im maßgeblichen Zeitraum ein Anspruch auf Sozialgeld zu (§ 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II).
Als Berechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II a.F. bzw. § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II hatten die Klägerinnen und der Kläger gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II Anspruch auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld in Form von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts; dieses umfasst neben dem hier nicht streitgegenständlichen Regelbedarf nebst eventuellen Mehrbedarfen den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II).
Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in den hier anzuwendenden und bezüglich der hier zur Anwendung kommenden Bestimmungen inhaltsgleichen Fassungen vom 13.05.2011, 26.07.2016, 31.07.2016 und 17.07.2017 <a.F.>). Zur Bestimmung des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft ist von den tatsächlichen Aufwendungen auszugehen. Will der Beklagte nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkennen, weil er sie für unangemessen hoch hält, muss er, wie sich aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II a.F. ergibt, grundsätzlich ein Kostensenkungsverfahren durchführen und der leistungsberechtigten Person den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang der Aufwendungen mitteilen (BSG, a.a.O., auch zum Nachfolgenden).
Für die Wohnung der Klägerinnen und des Klägers fielen im streitgegenständlichen Zeitraum an tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung eine Nettokaltmiete in Höhe von monatlich 880 €, Betriebskosten in Höhe von monatlich 90 € (Abschlagszahlung), ab 01.04.2016 monatlich 115 € und ab 01.05.2017 monatlich 85 € sowie Heizkosten in Höhe von monatlich 90 €, ab 01.07.2017 monatlich 104 €, an. Zusätzlich fielen im Mai 2016 und im Mai 2017 Abfallgebühren von 164,50 € bzw. 168 € an. Für das Abrechnungsjahr 2015 ergab sich ferner eine Nachforderung aus der Nebenkostenabrechnung in Höhe von 521,16 €, die den Klägerinnen und dem Kläger im März 2016 in Rechnung gestellt wurde. Die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2016 ergab eine Überzahlung der Klägerinnen und des Klägers in Höhe von 50,52 €, die diesen im März 2017 gutgeschrieben worden ist.
Der Beklagte hat die monatlichen Abschlagszahlungen für die Betriebskosten sowie die Nachforderung aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2015, die Heizkosten und auch die Abfallgebühren in voller Höhe übernommen. Die Nettokaltmiete hat der Beklagte dagegen nur in Höhe des von ihm für angemessen erachteten Betrags von 680,59 € bzw. ab 01.04.2017 in Höhe von 752 € monatlich übernommen.
Die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für die Unterkunft hat in 2 größeren Schritten zu erfolgen: Zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (= Bruttokaltmiete), zu ermitteln; dann ist die konkrete (= subjektive) Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen zu prüfen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen, einschließlich eines Umzugs.
Die Prüfung der Angemessenheit des Bedarfs für die Unterkunft und der des Bedarfs für die Heizung haben dabei grundsätzlich getrennt voneinander zu erfolgen (BSG, Urteil vom 02.07.2009, B 14 AS 36/08 R, juris), unbeschadet der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Kostensenkungsaufforderungen (§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II) und der zwischenzeitlich eingeführten Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 10 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 26.07.2016 (BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, juris).
Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen hat danach unter Anwendung der Produkttheorie („Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis“) in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen: Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en), Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards, Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept, Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten (ständige Rechtsprechung des BSG, zuletzt Urteil vom 03.09.2020, a.a.O., m.w.N.). Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vergleiche zuletzt BSG, Urteil vom 17.09.2020, B 4 AS 22/20 R, juris).
Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist nach der Rechtsprechung des BSG auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen. Die Angemessenheit der Wohnungsgröße richtet sich damit grundsätzlich nach den Werten, die die Länder aufgrund von § 10 Wohnraumförderungsgesetz vom 13.09.2001 festgelegt haben (BSG, Urteil vom 16.05.2012, B 4 AS 109/11 R, juris). Das Landeswohnraumförderungsgesetz Baden-Württemberg (LWoFG) enthält keine nach Personenzahl differenzierende Quadratmeter-Größen für angemessenen Wohnraum. Es kann dahingestellt bleiben, ob daher für die Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße auf die Werte der Durchführungshinweise des Wirtschaftsministeriums zum Landeswohnraumförderungsgesetz (DH-LWoFG) und die dortigen Regelungen über die Angemessenheit und Maßgeblichkeit von Wohnungsgrößen für die Überlassung von Wohnungen der Förderjahrgänge (Programmjahre) ab 2009 (Teil 3 Nr. 3 der DH-LWoFG) oder auf die Werte der 2009 außer Kraft getretenen Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung (VwV-SozWo) vom 12.02.2002 (GABl. 2002, 240) in der Fassung vom 22.01.2004 (GABl. 2004, 248), so das BSG (Urteil vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R, juris, ihm folgend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.04.2021, L 7 AS 4054/18, juris), dort Ziff. 5.7.1 VwV-SozWo, zurückzugreifen ist. Denn nach beiden Vorschriften ist für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau für 5 Personen eine Wohnungsgröße von bis zu 105 Quadratmeter angemessen. Individuelle Gründe, die einen höheren Wohnflächenbedarf rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen und des Klägers bestehen keine Bedenken an dem vom Beklagten zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung bestimmten Vergleichsraum mit den Gemeinden K, E und L („Vergleichsraum 4“).
Der Vergleichsraum ist der Raum, für den ein grundsätzlich einheitlicher abstrakter Angemessenheitswert zu ermitteln ist, innerhalb dessen einer leistungsberechtigten Person ein Umzug zur Kostensenkung grundsätzlich zumutbar ist und ein nicht erforderlicher Umzug nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu einer Deckelung der Aufwendungen auf die bisherigen führt (BSG, Urteil vom 30.01.2019, a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Der Vergleichsraum ist ein ausgehend vom Wohnort der leistungsberechtigten Person bestimmter ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Nach der auch für schlüssige Konzepte im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II entsprechend anzuwendenden gesetzgeberischen Vorgabe in § 22b Abs. 1 Satz 4 SGB II bildet das Zuständigkeitsgebiet eines Jobcenters zunächst einen Vergleichsraum, der indes aufgrund der örtlichen Gegebenheiten in mehrere Vergleichsräume zu unterteilen sein kann, für die jeweils eigene Angemessenheitswerte bestimmt werden können. Als solche örtlichen Gegebenheiten kommen weniger unterschiedliche Landschaften, sondern eher räumliche Orientierungen, wie Tagespendelbereiche für Berufstätige oder die Nähe zu Ballungsräumen, sowie aus der Datenerhebung ersichtliche, deutliche Unterschiede im Mietpreisniveau in Betracht.
Letzteres ist für den Zuständigkeitsbereich des Beklagten der Fall. Der L1kreis zeichnet sich einerseits durch am Ufer des L1s gelegene, touristisch attraktive und durch ein dementsprechendes Mietniveau gekennzeichnete Gemeinden, andererseits durch ein eher ländlich geprägtes Hinterland sowie durch die in wirtschaftlicher Hinsicht leistungsstarke Kreisstadt F2 aus, weshalb sich eine einheitliche Betrachtung des gesamten Zuständigkeitsbereichs von vorneherein verbietet. Andererseits kann aufgrund der Größenverhältnisse der einzelnen Kommunen mit teilweise nur wenigen 1000 Einwohnern und der hieraus resultierenden statistischen Unmöglichkeit, auf kommunaler Ebene eigene Verfügbarkeitsanalysen zu Mietwohnungen, zu Neuvermietungspreisen und Untersuchungen zu leistungsberechtigten Personen anzustellen, nicht auf die einzelnen politischen Gemeinden abgestellt werden (so zu Recht das EMA im Gutachten vom Dezember 2014). Schlüssig und nachvollziehbar wurden daher entsprechend des Regionalplans B und der dort getroffenen Festlegung von Mittelzentren (F2 und Ü), Unterzentren (T und M) und Kleinzentren (K, M1, M2und S) und aufgrund der Verflechtungen der übrigen Kommunen des Zuständigkeitsbereichs anhand der Kriterien Wege der Berufspendler und Schulpendler in weiterführende Schulen, Einzugsbereich für Krankenhäuser und Fachärzte, Einzugsbereich der allgemeinen Versorgung und Zuständigkeit der öffentlichen Verwaltung und unter Berücksichtigung des teils unterschiedlichen Mietniveaus 7 homogene Vergleichsräume gewählt. Dabei leuchtet die Abgrenzung des für die Gemeinde L maßgeblichen Vergleichsraums 4 zur westlich angrenzenden, stark industriell geprägten Kreisstadt F2 (Vergleichsraum 1), gegenüber dem noch weiter westlich gelegenen, ausgesprochen touristisch geprägten und dementsprechend ein höheres Mietniveau aufweisenden Vergleichsraum 6 um die Stadt M2herum und gegenüber dem nördlich angrenzenden und aufgrund seiner größerer Entfernung zum See und seiner ländlichen Prägung ein geringfügig niedrigeres Mietpreisniveau aufweisenden Vergleichsraum 3 um T herum ohne Weiteres ein. Die östlich angrenzende Gemeinde W gehört bereits zum bayerischen Landkreis L1 und hat deshalb von vornherein außer Betracht zu bleiben.
Der Beklagte hat aber die aufzuwendende Nettokaltmiete für eine 105 Quadratmeter große, einfachen Standards entsprechende Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum und für den hier maßgeblichen Zeitraum nicht nach einem schlüssigen Konzept ermittelt.
Das Gutachten zur Entwicklung von Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft im L1kreis 2014 vom 10.12.2014 sowie dessen Aktualisierung vom 30.01.2017 erfüllen die von der Rechtsprechung des BSG gestellten Mindestanforderungen an ein solches Konzept nicht. Hiernach soll das schlüssige Konzept die Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarkts im Vergleichsraum dem Angemessenheitswert zugrunde liegen und dieser realitätsgerecht ermittelt wird. Schlüssig ist ein Konzept, wenn es neben rechtlichen zudem bestimmte methodische Voraussetzungen erfüllt und nachvollziehbar ist. Dies erfordert trotz Methodenvielfalt insbesondere eine Definition der untersuchten Wohnungen nach Größe und Standard, Angaben über die Art und Weise der Datenerhebung, Angaben über den Zeitraum, auf den sich die Datenerhebung bezieht, Repräsentativität und Validität der Datenerhebung, Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung, Vermeidung von „Brennpunkten“ durch soziale Segregation sowie eine Begründung, in der die Ermittlung der Angemessenheitswerte aus den Daten dargelegt wird (grundlegend BSG, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R; BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R, juris; ausführlich auch BSG, Urteil vom 30.01.2019, a.a.O.; zuletzt BSG, Urteil vom 17.09.2020, a.a.O., alle juris). Es kann verschiedene Methoden geben, um ein schlüssiges Konzept in diesem Sinne zu erstellen und den damit unmittelbar zusammenhängenden Vergleichsraum oder gegebenenfalls mehrere Vergleichsräume zu bilden, weil weder aus § 22 SGB II noch aus §§ 22a bis 22c SGB II die Anwendung eines bestimmten Verfahrens rechtlich zwingend ableitbar ist (BSG, Urteil vom 30.01.2019, a.a.O.).
Unabhängig davon, ob das Gutachten zur Entwicklung von Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft im L1kreis 2014 sowie dessen Aktualisierung vom 30.01.2017 diesen Anforderungen im Übrigen genügen, werden darin ausschließlich Nettokaltmieten ausgewiesen, d. h. die reine Kaltmiete ohne Betriebskosten. Nach der Rechtsprechung des BSG sind zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft neben der Nettokaltmiete aber auch die angemessenen Betriebskosten im Sinne des § 556 Bürgerliches Gesetzbuches (BGB) – mit Ausnahme der Heizkosten – abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt miteinzubeziehen (BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 50/10 R, juris, auch zum Nachfolgenden).
Schon der Wortlaut des § 22 Abs. 1 SGB II zeigt, dass diese Kosten zu den Kosten der Unterkunft für eine leistungsberechtigte Person gehören und nicht – wie die Heizkosten – getrennt erfasst werden sollen. Zur realistischen Abbildung eines abstrakt angemessenen Mietpreises ist die Einbeziehung des Faktors „kalte Betriebskosten“ erforderlich. Dies entspricht den mietrechtlichen Vorgaben im Mietwohnungsbau, an denen sich der Gesetzgeber des SGB II wegen der Kosten der Unterkunft orientiert. Eine vertragliche Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten auf den Mieter erfolgt bei Abschluss eines Mietvertrages nahezu ausnahmslos, denn ohne eine solche Regelung können die in § 556 BGB genannten Betriebskosten vom Vermieter nicht auf den Mieter umgelegt werden (BSG, a.a.O.). Bereits aus diesem Grund können das Gutachten zur Entwicklung von Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft im L1kreis 2014 sowie dessen Aktualisierung vom 30.01.2017 vorliegend nicht zur Grundlage für die Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft gemacht werden.
Obgleich der Beklagte sämtliche kalten Betriebskosten wie auch die Heizkosten im streitgegenständlichen Zeitraum in vollem Umfang übernommen hat, führt des vorliegend zu keiner dem Beklagten günstigeren Bewertung. Den vom Beklagten beschrittenen Weg, zur Bestimmung der abstrakten Angemessenheit die auf Grundlage der oben genannten Gutachten ermittelte Nettokaltmiete heranzuziehen und regelmäßig die Betriebskosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, hat das BSG in seinem Beschluss vom 02.04.2014 (B 4 AS 17/14 B, juris) ausdrücklich verworfen und (in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung) klargestellt, dass die Angemessenheitsgrenze durch eine genau zu benennende Bruttokaltmiete zu definieren ist.
Ist die Ermittlung des abstrakten Angemessenheitswerts, wie vorliegend aufgrund der fehlenden Ermittlung einer abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete, rechtlich zu beanstanden, ist dem Beklagten Gelegenheit zu geben, diese Beanstandungen durch Stellungnahmen, gegebenenfalls nach weiteren eigenen Ermittlungen, auszuräumen (BSG, Urteil vom 30.01.2019, a.a.O., m.w.N., auch zum Nachfolgenden). Gelingt es dem Beklagten nicht, die Beanstandungen des Gerichts auszuräumen, ist das Gericht zur Herstellung der Spruchreife der Sache (vergleiche zu dieser Pflicht des Gerichts § 131 Abs. 2, 3 SGG) nicht befugt, seinerseits ein schlüssiges Konzept – gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen – zu erstellen. Denn die Erstellung des Konzepts ist dem Beklagten vorbehalten.
Vielmehr kann das Gericht zur Herstellung der Spruchreife, wenn ein qualifizierter Mietspiegel vorhanden ist, auf diesen zurückgreifen; andernfalls sind mangels eines in rechtlich zulässiger Weise bestimmten Angemessenheitswerts die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft dem Bedarf für die Unterkunft zugrunde zu legen, begrenzt durch die Werte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) plus eines Zuschlag von 10 % (BSG, Urteil vom 30.01.2019, a.a.O., m.w.N.). Dadurch soll den Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarkts zumindest ansatzweise gemäß gesetzgeberischer Entscheidungen – wenn auch für einen anderen Personenkreis – durch eine „Angemessenheitsobergrenze“ Rechnung getragen werden, die die Finanzierung extrem hoher und per se unangemessener Mieten verhindert (grundlegend BSG vom 17.12.2009, B 4 AS 50/09 R, juris).
Danach gilt hier folgendes: Der Beklagte hat sich vorliegend trotz Hinweises des Senats außerstande gesehen, den Beanstandungen bezüglich des Gutachtens zur Entwicklung von Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft im L1kreis 2014 sowie dessen Aktualisierung vom 30.01.2017 Rechnung zu tragen und eine angemessene Bruttokaltmiete zu ermitteln. Dies ist auch ohne weiteres nachvollziehbar, da seit dem hier streitgegenständlichen Zeitraum zwischen 4 und 6 Jahre verstrichen sind und auch die Datenquellen, auf die sich der Beklagte bei der Erstellung seines Konzepts gestützt hat, lediglich Nettokaltmieten ausgewiesen haben. Die Datenerhebung für das Gutachten aus dem Dezember 2014 stützte sich auf die im Rahmen des kommunalen Kooperationsprojekts Mietspiegel L1kreis 2012 seitens des EMA im Jahr 2012 für 15 der 23 Gemeinden im Zuständigkeitsbereich des Beklagten, darunter für alle Gemeinden des Vergleichsraums 4, auf Grundlage der Ermittlung der Nettokaltmieten erstellten Mietspiegel, die per Index 2014 fortgeschrieben worden sind. Die Aktualisierung des Gutachtens im Januar 2017 stützte sich wiederum auf die im Frühjahr 2016 vom EMA im Rahmen des Projekts Mietspiegel L1kreis 2016 für 20 der 23 Gemeinden des L1kreises, darunter wiederum sämtliche 3 Gemeinden des Vergleichsraums 4, auf Grundlage der Ermittlung der jeweiligen Nettokaltmieten erstellten Mietspiegel. Diese Mietspiegel weisen indes ebenfalls lediglich die Nettokaltmiete in Euro pro Quadratmeter Wohnfläche aus (vergleiche beispielhaft die Erläuterungen unter „Mietbegriff“ im Mietspiegel 2016 der Gemeinde L, Seite 5 f.).
Zwar kommen nach der Rechtsprechung des BSG als Erkenntnisquellen für die Bestimmung des Angemessenheitswerts auch Mietspiegel, qualifizierte Mietspiegel und Mietdatenbanken in Betracht. Dass der Gesetzgeber diese Erkenntnisquellen allgemein für geeignet angesehen hat, Grundlage der Festlegung von Angemessenheitswerten zu sein, ergibt sich aus der Formulierung des § 22c Abs. 1 Satz 1 SGB II (BSG, Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 37/19, juris, auch zum Nachfolgenden). Soweit in ihnen keine Daten zusammengefasst sind, die sich auf die Betriebskosten als Teilelement abstrakt angemessener Unterkunftskosten beziehen, eröffnet § 22c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II die Möglichkeit, auf andere örtliche oder gegebenenfalls überörtliche Betriebskostenübersichten zurückgreifen. Falls zur zeitnahen Abbildung der maßgeblichen Verhältnisse im örtlichen Vergleichsraum erforderlich, können rechnerische Korrekturen vorgenommen werden. Allerdings hat das BSG auch dargelegt, dass im Ausgangspunkt auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte abzustellen ist (BSG, Urteil vom 19.10.2010, auch zum Nachfolgenden). Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Denn insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen ergeben sich regional deutliche Unterschiede, auf die Rücksicht genommen werden muss. Solche örtlich erfassten Werte liegen aber für den vergleichsweise kleinen Vergleichsraum 4, zu dem keine größere Gemeinde zählt, nicht vor, auch nicht in einer nicht auf den streitgegenständlichen Zeitraum bezogenen Form, die es gestatten würde, die Werte für den streitgegenständlichen Zeitraum, beispielsweise durch Anpassung an die allgemeine Preisentwicklung, zu ermitteln. Weder dem Beklagten noch dem Senat war es möglich, aussagekräftige Werte für den maßgeblichen Zeitraum zu ermitteln. Mangels der Möglichkeit, auf örtliche oder überörtliche Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, kommt eine Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete auf Grundlage der Mietspiegel gleichfalls nicht in Betracht.
Der Erkenntnisausfall hinsichtlich der angemessenen Bruttokaltmiete macht den Rückgriff auf die Tabellenwerte des § 12 WoGG zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % nach generell-abstrakten Kriterien im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze erforderlich (BSG, Urteil vom 22.03.2012, B 4 AS 16/11 R, juris). Die Tabellenwerte des hier maßgeblichen § 12 WoGG in der Fassung vom 02.10.2015 (a.F.) deckeln die dann grundsätzlich zu übernehmenden tatsächlichen Aufwendungen im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze (BSG, a.a.O.) In ihnen sind die ansonsten ebenfalls abstrakt zu ermittelnden kalten Betriebskosten enthalten (vgl. § 9 Abs. 1 und 2 WoGG a.F.). Es ist dabei auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte zurückzugreifen und ein „Sicherheitszuschlag“ von 10 % einzubeziehen (BSG, a.a.O.).
Dabei legt der Senat die für den gesamten Landkreis L1kreis geltende Mietenstufe IV zugrunde. Gemäß der Anlage zu § 1 Abs. 3 WoGV in der hier anzuwendenden Fassung vom 02.10.2015 mit Gültigkeit vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 sowie vom 01.01.2017 bis 31.12.2019 ist für den L1kreis für den streitgegenständlichen Zeitraum – mit Ausnahme der Stadt F2 (Mietenstufe V) und der Gemeinden bzw. Städte S (Mietenstufe III), M, M1, T und Ü (jeweils Mietenstufe IV), für die jeweils eine eigene Mietenstufe ausgewiesen ist – die Mietenstufe IV festgestellt worden. Die Feststellung einer gesonderten Mietenstufe für die übrigen Gemeinden, darunter für sämtliche Gemeinden des Vergleichsraums 4 inklusive L, ist unterblieben, da das Mietniveau vom statistischen Bundesamt nur für Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von 10.000 und mehr gesondert festgestellt wird (§ 12 Abs. 3 WoGG). Mangels der Bestimmung eines eigenständigen Mietniveaus wird für den Vergleichsraum 4 daher das Mietniveau für den gesamten Landkreis L1kreis, also die Mietenstufe IV, zugrunde gelegt.
Auch unter Berücksichtigung der hier gegebenen regionalen Verhältnisse (vgl. zu diesem Erfordernis BSG, Urteil vom 16.06.2015, a.a.O.) bleibt es dabei, dass die insgesamt für den Landkreis L1kreis zugrunde gelegte Mietenstufe IV auch für die Verhältnisse im Vergleichsraum 4 als repräsentativ angesehen werden muss. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es vorliegend gerechtfertigt wäre, den Vergleichsraum über die Mietenstufe IV anzuheben. So belegen die von der EMA im Rahmen der Aktualisierung der Angemessenheitsgrenzen erhobenen Nettokaltmieten – ungeachtet ihrer fehlenden Eignung für die Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete – ein weitgehend identisches Nettomietenkostenniveau (zwischen 7,24 € und 7,75 € pro Quadratmeter), ausgenommen der deutlich günstigere Vergleichsraum 7 mit der in Mietenstufe III eingestuften Gemeinde S; eine relevante Abweichung ergibt sich auch nicht aus der im Zuge der Aktualisierung ermittelten Angemessenheitsgrenzen von Nettokaltmieten für die Wohnflächenklasse 91 bis 105 m²; lediglich der Vergleichsraum 5 (Ü, O, S1) weist hier eine erhöhte ortsübliche Nettomiete aus. Nachdem die Stadt Ü indes im streitgegenständlichen Zeitraum explizit in die Mietenstufe IV eingestuft worden ist, lässt sich hieraus nicht etwa eine höhere Einstufung des Vergleichsraum 4 ableiten, sondern spricht dies im Gegenteil gegen eine höhere Einstufung. Gleiches gilt für die von vornherein nicht vergleichbare Einstufung der Stadt F2 in die Mietenstufe V. Hierbei handelt es sich um eine wirtschaftlich ausgesprochen dynamische Messestadt mit über 60.000 Einwohner und weit überdurchschnittlicher Attraktivität im Hinblick auf die Ausstattung mit Arbeitsplätzen, öffentlichen Einrichtungen wie insbesondere Schulen, und verkehrliche Anbindung (internationaler Verkehrsflughafen), weshalb von vornherein keinerlei Vergleichbarkeit mit den eher ländlich geprägten Gemeinden des Vergleichsraum 4 besteht. Andererseits weist auch die für den streitgegenständlichen Zeitraum gültige Einstufung der östlich gelegenen, stark touristisch geprägten Stadt L1 (L1) in die Mietenstufe IV darauf hin, dass eine Anhebung der Mietenstufe für den Vergleichsraum 4 nicht gerechtfertigt ist; zu beachten ist zusätzlich, dass der direkt angrenzende Landkreis L1 (L1) sogar nur in der Mietenstufe I eingestuft ist.
Von der Anwendbarkeit der Mietenstufe IV sind letztendlich auch die Klägerinnen und der Kläger ausgegangen, die hilfsweise (wenngleich unter unzutreffender Benennung der Mietenstufe V der Wohngeldtabelle) eine monatliche Bruttokaltmiete von 834 € zuzüglich des 10-prozentigen Sicherheitszuschlags, insgesamt 917,40 € geltend gemacht haben. Denn unter Berücksichtigung der folglich zugrunde zu legenden Mietenstufe IV ergibt sich eine Angemessenheitsobergrenze für die Bruttokaltmiete für den Fünf-Personen-Haushalt der Klägerinnen und des Klägers von 834 € monatlich (§ 12 Abs. 1 WoGG in der Fassung vom 02.10.2015) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % (83,40 €), also die von den Klägerinnen und dem Kläger errechneten monatlich 917,40 € für den hier streitgegenständlichen Zeitraum.
Damit stehen den Klägerinnen und dem Kläger für den Zeitraum ab 01.01.2016 bis einschließlich 31.03.2016 monatlich weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 146,81 € (917,40 € Bruttokaltmiete gemäß Wohngeldtabelle inklusive Sicherheitszuschlag abzüglich der tatsächlich vom Beklagten gewährten 770,59 € Bruttokaltmiete), für den Zeitraum ab 01.04.2016 bis einschließlich 31.12.2016 monatlich weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 121,81 € (917,40 € Bruttokaltmiete gemäß Wohngeldtabelle inklusive Sicherheitszuschlag abzüglich der tatsächlich vom Beklagten gewährten 795,59 € Bruttokaltmiete), für den Monat April 2017 weitere 50,40 € (917,40 € Bruttokaltmiete gemäß Wohngeldtabelle inklusive Sicherheitszuschlag abzüglich der tatsächlich vom Beklagten gewährten 867 € Bruttokaltmiete) und für den Zeitraum Mai bis einschließlich Dezember 2017 monatlich weitere 80,40 € (917,40 € Bruttokaltmiete gemäß Wohngeldtabelle inklusive Sicherheitszuschlag abzüglich der tatsächlich vom Beklagten gewährten 837 € Bruttokaltmiete) zu.
Soweit die Klägerinnen und der Kläger die Übernahme der gesamten Bruttokaltmiete in Höhe von monatlich 970 €, ab April 2016 in Höhe von 995 € und ab Mai 2017 in Höhe von 965 € fordern, bleibt die Berufung dagegen ohne Erfolg.
Dies gilt zunächst, soweit die Klägerinnen und der Kläger zuletzt (Schriftsatz vom 14.01.2022) sinngemäß einen „20-prozentigen Zuschlag zur Wohngeldtabelle“ geltend gemacht haben. Woraus sich ein solcher 20-prozentiger Sicherheitszuschlag entgegen der vorstehend zitierten, gefestigten Rechtsprechung des BSG ergeben soll, haben die Klägerinnen und der Kläger noch nicht einmal ansatzweise begründet, weshalb von weiteren Darlegungen insoweit abgesehen wird.
Auch subjektive Gründe, aus denen die Klägerinnen und der Kläger einen Anspruch auf Übernahme höherer als die angemessenen Unterkunftskosten haben könnten, liegen nicht vor.
Eine Begrenzung der vom Beklagten zu erbringenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (auf die niedrigeren Mietkosten für die bisherige Wohnung) folgt allerdings nicht aus § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II in den hier anzuwendenden Fassungen vom 13.05.2011, 26.07.2016 und 31.07.2016 (a.F.). Mit der Regelung sollen Kostensteigerungen im Bereich der Kosten der Unterkunft entgegengewirkt und verhindert werden, dass leistungsberechtigte Personen nur zum Zweck der Ausschöpfung der durch die kommunalen Träger ermittelten Angemessenheitsgrenzen für Wohnraum in eine Wohnung mit zwar höheren, aber gerade noch angemessenen Kosten ziehen. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. hat damit die Funktion einer individuellen Angemessenheitsgrenze. Die Voraussetzungen für eine Begrenzung der Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. liegen aber nicht vor, weil die Klägerinnen und der Kläger zwar bei ihrem Umzug, nicht jedoch bei Eingehen des Mietverhältnisses hilfebedürftig waren (BSG, Urteil vom 30.08.2010, B 4 AS 10/10 R, juris) und darüber hinaus der Umzug auch erforderlich war, nachdem die Klägerinnen und der Kläger ihre bisherige Wohnung zum 01.05.2012 durch Kündigung des Wohnungseigentümers verloren hatten.
Aber auch § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in den hier anzuwendenden Fassungen vom 13.05.2011, 26.07.2016 und 31.07.2016 (a.F.) rechtfertigt jedenfalls für den hier streitgegenständlichen Zeitraum keine Übernahme der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung. Die Festsetzung der Leistungshöhe unterhalb der tatsächlichen Aufwendungen beruht vielmehr auf einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II a.F. Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II a.F. sind höhere als die angemessenen Unterkunftskosten zu übernehmen, solange es den leistungsberechtigten Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, die Aufwendungen durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise zu senken, in der Regel jedoch längstens 6 Monate. Dabei ist die Erstattung nicht angemessener Kosten der Unterkunft der begründungspflichtige Ausnahmefall. Wegen des Ausnahmecharakters sind strenge Anforderungen an die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und der Unzumutbarkeit zu stellen (BSG, Urteil vom 23.08.2011, B 14 AS 91/10 R juris). Von dieser Obliegenheit müssen die leistungsberechtigten Personen zum einen Kenntnis haben, die ihnen in der Regel durch die Kostensenkungsaufforderung vermittelt wird. Zum anderen müssen Kostensenkungsmaßnahmen sowohl subjektiv zumutbar als auch objektiv möglich sein (BSG, Urteil vom 15.06.2016, B 4 AS 36/15 R, juris). Subjektiv möglich sind einem Leistungsberechtigten Kostensenkungsmaßnahmen nur dann, wenn er Kenntnis von der Obliegenheit zu Kostensenkungsmaßnahmen hat. Der Beklagte hat die Klägerinnen und den Kläger bereits im Zuge ihrer erstmaligen Antragstellung im Oktober 2011, im Rahmen des mit Bescheid vom 28.03.2012 abschlägig beschiedenen Zusicherungsverfahrens für die neue Wohnung und in der Folgezeit in sämtlichen Bewilligungsbescheiden auf ihre Obliegenheit zur Senkung der Kosten der Unterkunft und Heizung hingewiesen. Zuletzt hat der Beklagte die Klägerinnen und den Kläger mit Bewilligungsbescheid vom 16.06.2015 bzw. Änderungsbescheid vom 15.06.2015 auf diese Obliegenheit und auf die unangemessene Höhe der Unterkunftskosten hingewiesen und zur Einleitung kostensenkender Maßnahmen im Dialog mit dem Beklagten aufgefordert. Durch die nach erstmaliger Leistungsgewährung ergangenen Kostensenkungsaufforderungen war der Zweck, die Klägerinnen und den Kläger aufzuklären und zu warnen, erreicht (BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R, juris unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 19/09 R sowie Urteil vom 06.04.2011, B 4 AS 119/10 R, beide in juris).
Eine objektive Unmöglichkeit einer kostenangemessenen Unterkunftsalternative liegt gleichfalls nicht vor. Wenn – wie vorliegend – auf hinreichend große Vergleichsräume abgestellt wird (dazu oben), wird eine solche objektive Unmöglichkeit nur in seltenen Ausnahmefällen zu begründen sein, zumal es in Deutschland auch aktuell keine allgemeine Wohnungsnot gibt und allenfalls in einzelnen Regionen Mangel an ausreichendem Wohnraum herrscht (vergleiche BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R, juris). Anhaltspunkte für einen Wohnraummangel im Vergleichsraum 4 sowie für die Unmöglichkeit oder fehlende Zumutbarkeit, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, sind nicht ersichtlich. Dies wird von den Klägerinnen und dem Kläger auch nicht geltend gemacht. Insbesondere haben diese trotz der Kostensenkungsaufforderungen des Beklagten zu keiner Zeit Maßnahmen zur Suche einer angemessenen Unterkunft oder sonstige Bemühungen zur Reduzierung ihrer Kosten der Unterkunft behauptet, geschweige denn nachgewiesen. Da die Klägerinnen und der Kläger ersichtlich nichts unternommen haben, um eine kostengünstigere bedarfsgerechte Wohnung zu finden, musste der Beklagte auch keine konkrete Unterkunftsalternative aufzeigen
Aus diesem Grund ist auch ohne Bedeutung, dass der Beklagte den Klägerinnen und dem Kläger in seinen Kostensenkungsaufforderungen eine zu niedrige Mietobergrenze genannt hat. Zwar kann nach der Rechtsprechung des BSG ein Fall der Unmöglichkeit einer Kostensenkung vorliegen, wenn der Grundsicherungsträger den leistungsberechtigten Personen zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft über die als angemessen angesehene Referenzmiete hinaus unrichtige Richtgrößen (Parameter) mitteilt und diese gerade deshalb keine angemessene Wohnung finden. Allein die objektive fehlerhafte Angabe zur Höhe der Referenzmiete führt aber nur dann zur subjektiven Unmöglichkeit der Kostensenkung mit einem Ausnahmefall, wenn dadurch bewirkt wird, dass die leistungsberechtigten Personen ihre Suche auf Grund der unzutreffenden Angabe in wesentlichem Umfang beschränken (BSG, Urteil vom 19.02.2009, a.a.O.). Dies war hier von vornherein nicht der Fall. Die Klägerinnen und der Kläger haben zu keiner Zeit die Absicht zu erkennen gegeben, sich um eine Kostensenkung, gegebenenfalls durch einen Umzug in eine angemessene Unterkunft, zu bemühen. Sie sind vielmehr bis zum heutigen Tage der Überzeugung, die von ihnen bewohnte Unterkunft sei kostenangemessen und die Kosten müssten in vollem Umfang übernommen werden.
Die tatsächlichen Heizkosten (wie auch die Abfallkosten) hat der Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum in voller Höhe übernommen, weshalb sich die Frage von deren Angemessenheit nicht stellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Quotelung entspricht dabei dem Umfang des Obsiegens der Klägerinnen und des Klägers, ausgehend von der begehrten vollen Bruttokaltmiete, auch für Januar bis einschließlich März 2017.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.