L 12 AL 1738/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 1205/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 1738/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Eine Schätzung des für die Berechnung der Winterbeschäftigungs-Umlage maßgeblichen Arbeitsentgelts unterliegt einer umfassenden gerichtlichen Überprüfung im Sinne einer eigenen Schätzungsbefugnis, die auch die Anwendung einer anderen Schätzungsmethode umfasst.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.02.2018 abgeändert und der Bescheid vom 04.12.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2015 aufgehoben, soweit darin Säumniszuschläge über den Betrag von 3.422 € hinaus festgestellt worden sind.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung der ersten Instanz.


Tatbestand


Zwischen den Beteiligten sind die Festsetzung der Winterbeschäftigungs-Umlage für das Jahr 2010 sowie die Erhebung von Säumniszuschlägen auf die Winterbeschäftigungs-Umlage für den Umlagezeitraum Dezember 2004 bis einschließlich Dezember 2010 streitig.

Die Klägerin meldete zum 01.10.1995 zur Gewerbedatei der Stadt K als Betriebstätigkeit „die Durchführung der Erschließung von Grundstücken, die Errichtung von Wohn- und gewerblichen Objekten für eigene oder fremde Rechnung als freies Wohnungsunternehmen und/oder Bauträger; die Verwaltung von Grundstücken und Wohnungseigentum zu Miet- und sonstigen Zwecken und deren wohnwirtschaftliche Betreuung. Die Arbeitsvermittlung, Arbeitnehmerüberlassung und sonstige Personaldienstleistungen“ an (Auskunft aus der Gewerbedatei der Stadt K vom 15.08.2008).

Bei vom Hauptzollamt F durchgeführten Baustellenkontrollen am 04.02.2008 auf dem Gelände der Freizeitanlage EJB W wurden zwei Mitarbeiter der Klägerin beim Fliesenlegen bzw. der Ausbesserung des Außenputzes angetroffen. Bei einer weiteren Kontrolle am 16.05.2008 auf dem Gelände der EJB sowie auf dem Gelände des Internationalen Jugendcamps A wurden zwei weitere Mitarbeiter der Klägerin bei Maurer- bzw. Putzarbeiten und der Geschäftsführer der Klägerin bei der Wahrnehmung der Bauaufsicht angetroffen.

Eine daraufhin von der Beklagten veranlasste Überprüfung der Klägerin im Dezember 2008 im Hinblick darauf, ob es sich um einen Betrieb des Baugewerbes handle, wurde abgebrochen, da die Klägerin die Einsicht in Ausgangsrechnungen und Bruttolohnsummen verweigert hatte und daher, so die Beklagte, eine ordentliche Prüfung leider nicht durchgeführt worden konnte.

Mit Bescheid vom 28.10.2009 stellte die Beklagte daraufhin fest, dass im Betrieb der Klägerin überwiegend Bauleistungen erbracht würden, die unter § 1 Abs. 2 der Baubetriebe-Verordnung fallen würden. Da die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht bei der Betriebsprüfung nicht nachgekommen sei, sei diese Einbeziehungsentscheidung nach Aktenlage ergangen. Als Baubetrieb habe die Klägerin zur Aufbringung der Mittel für die Winterbeschäftigungsförderung die monatliche Winterbeschäftigungs-Umlage zu zahlen. Es bestehe daher eine grundsätzliche Umlagepflicht seit dem 01.12.2004. Der Klägerin wurde in dem Schreiben ferner aufgegeben, die ab Dezember 2004 bis Oktober 2009 angefallenen Bruttolohnsummen noch zu melden, die monatlichen Meldungen ab November 2009 über die lohnsteuerpflichtigen Bruttolohnsummen unter Verwendung beigefügter Meldevordrucke künftig zu übermitteln und die fällige Umlage und Pauschale zu überweisen.

Auf den Widerspruch der Klägerin hin forderte die Beklagte diese auf, einen Prüftermin mit dem Außendienst der Beklagten zu vereinbaren. Ein erster, für den 25.01.2010 vereinbarter Prüftermin wurde von der Klägerin wegen Erkrankung der leitenden Buchhalterin abgesagt. Auf das Ersuchen der Beklagten um eine neue, zeitnahe Terminsvereinbarung reagierte die Klägerin in der Folgezeit nicht mehr.

Bereits am 04.12.2009 erging ein Leistungsbescheid der Beklagten über die Winterbeschäftigungs-Umlage, in welchem ein Rückstand wegen nicht entrichteter Umlage (geschätzt) für den Umlagezeitraum Dezember 2004 bis Oktober 2009 i.H.v. insgesamt 32.875 € festgestellt wurde. Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2010 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Erfassungsbescheid vom 28.10.2009 zurück. Durch die Baustellenprüfungen im Jahr 2008 sei bekannt, dass die Klägerin Bauleistungen nach der Baubetriebe-Verordnung erbringe. Da sich die Klägerin einer Betriebsprüfung verweigert habe, werde vermutet, dass sie ein Betrieb des Baugewerbes sei.

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 29.07.2010 wies die Beklagte auch den Widerspruch der Klägerin gegen den Leistungsbescheid vom 04.12.2009 zurück. Die geltend gemachten Umlagebeträge seien geschätzt worden, weil die Klägerin keine Meldungen über lohnsteuerpflichtige Bruttoarbeitsentgelte eingereicht habe.

Zur Begründung ihrer gegen beide Widerspruchsbescheide beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage (Az. S 2 AL 3642/10) brachte die Klägerin im Wesentlichen vor, sie habe ihre Mitwirkungspflichten nicht verletzt und beschäftige sich überwiegend mit der Verwaltung von Grundstücken und Wohneigentum, weshalb keine Bauleistungen im Sinne der Baubetriebe-Verordnung erbracht würden. Das SG forderte die Klägerin unter Fristsetzung unter anderem zur Vorlage von Lohnabrechnungen, einer Beschreibung der Tätigkeitsfelder und zur Benennung der Mitarbeiter im streitigen Zeitraum auf. Dieser Aufforderung kam die Klägerin nicht nach. Das SG bat daraufhin die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) diesbezüglich um Auskunft, die daraufhin die Gesamtjahresmeldungen der Klägerin für die Jahre 2004 bis 2009 mitteilte.

Mit Urteil vom 23.04.2014 hob das SG den Bescheid vom 04.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2010 insoweit auf, als damit rückständige Beiträge der Winterbeschäftigungs-Umlage für den Zeitraum Dezember 2004 bis Oktober 2009 über den Betrag von 30.627,12 € hinaus festgesetzt worden sind und wies im Übrigen die Klage ab. Es stehe unter Anwendung der Vermutungsregelung fest, dass die Klägerin überwiegend Bauleistungen erbringe und daher einen Betrieb des Baugewerbes ausübe, mit der Folge, dass zu Recht seitens der Beklagten die Umlagepflicht der Klägerin festgestellt worden sei. Dagegen sei der Umlagebescheid vom 04.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2010 der Höhe nach teilweise zu beanstanden. Die von der Beklagten vorgenommene Schätzung könne nicht nachvollzogen werden. Denn weder habe die Beklagte Schätzungsgrundlagen genannt, noch ausgeführt, wie auf dieser Grundlage das Ergebnis gefunden worden sei. Das SG sei auf der daher erforderlichen eigenen Schätzung der Umlagebeiträge zu folgenden zu zahlenden Umlagen gelangt:
12/2004:             333,31 € zuzüglich einer Mehrkostenpauschale i.H.v. 50 €
2005:               5.257,97 € zuzüglich einer Mehrkostenpauschale i.H.v. 778,70 €
2006:               9.826,14 € zuzüglich einer Mehrkostenpauschale i.H.v. 1.146,39 €
2007:               6.222,86 € zuzüglich einer Mehrkostenpauschale i.H.v. 622,29 €
2008:               4.510,49 € zuzüglich einer Mehrkostenpauschale i.H.v. 451,05 €
01-10/2009:    1.289,02 € zuzüglich einer Mehrkostenpauschale i.H.v. 128,90 €
Hieraus errechne sich insgesamt ein Betrag von 30.627,12 €.

Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin wies das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 24.02.2015 (L 13 AL 3642/10) zurück und stützte sich zur Begründung im Wesentlichen auf die angefochtene Entscheidung des SG. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) nahm die Klägerin wieder zurück.

Bereits am 07.11.2013 teilte die Beklagte der Klägerin in 3 Schriftstücken mit, man habe aufgrund einer fehlenden Meldung der Klägerin die Umlagebeträge geschätzt und gehe für den Zeitraum Dezember 2008 bis einschließlich Dezember 2009 von einer noch offenen Umlage i.H.v. 1.300 € aus.

Mit Bescheid vom 04.12.2013 stellte die Beklagte Säumniszuschläge für die Umlagemonate Dezember 2004 bis November 2005 und für den Säumniszeitraum 16.01.2009 bis einschließlich 16.12.2013 i.H.v. 3.973 € fest und forderte die Klägerin zur deren Bezahlung auf.

Mit weiterem Bescheid vom 11.12.2013 stellte die Beklagte Säumniszuschläge für die Umlagemonate Dezember 2008 bis Februar 2010 und für den Säumniszeitraum 16.01.2009 bis einschließlich 16.03.2010 i.H.v. 495 € fest und forderte die Klägerin zu deren Zahlung auf.

Mit 3 inhaltsgleichen Schreiben vom 28.10.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie sei ihrer Verpflichtung zur monatlichen Meldung bzw. Zahlung der Umlagebeträge nicht nachgekommen, weshalb die nachstehend aufgeführten Forderungen zur Durchführung des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens gemeldet worden seien. Dabei seien bei fehlender Meldung die Umlagebeträge geschätzt worden. Sollte sich herausstellen, dass die nachstehenden Forderungen zu niedrig bzw. zu hoch seien, würden die Forderungen entsprechend berichtigt. Für die Umlagemonate Januar 2010 bis einschließlich Dezember 2010 wurde die Winterbeschäftigungs-Umlage mit insgesamt 1.200 € mitgeteilt und Mahngebühren i.H.v. insgesamt 6,90 € festgesetzt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2015 wies die Beklagte die gegen die vorgenannten Schreiben und Bescheide eingelegten und mit einer fehlenden Verpflichtung zur Bezahlung der Winterbeschäftigungs-Umlage begründeten Widersprüche der Klägerin zurück.

Mit 2 Bescheiden vom 18.03.2015 stellte die Beklagte Säumniszuschläge für die Umlagemonate Dezember 2005 bis Oktober 2009 und für den Säumniszeitraum 18.01.20211 bis einschließlich 16.10.2013 i.H.v. 8.381 € sowie für die Umlagemonate November 2009 bis Dezember 2010 und für den Säumniszeitraum 18.01.20211 bis einschließlich 21.06.2014 i.H.v. 588 € fest und forderte die Klägerin zur deren Zahlung auf. Mit einem dritten Bescheid vom 18.03.2015 stellte die Beklagte Säumniszuschläge, laut Bescheidtext für die Umlagemonate Dezember 2004 bis Oktober 2009, laut beigefügtem Berechnungsblatt für die Umlagemonate Oktober 2013 bis Mai 2014, und für den Säumniszeitraum 18.11.2013 bis 21.06.2014 i.H.v. 2.448 € fest.

Gegen die Bescheide bzw. Schreiben vom 07.11.2013, 04.12.2013, 11.12.2013 und 28.10.2014, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2015 hat die Klägerin am 13.04.2015 beim SG Klage erhoben und zu deren Begründung vorgebracht, als Unternehmen der Immobilienverwaltung bestehe keine Verpflichtung zur Bezahlung einer Winterbeschäftigungs-Umlage und seien auch deswegen Säumniszuschläge ungerechtfertigt. Auch hat sie sich auf die Verjährungsfrist des § 25 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) und auf § 24 SGB IV berufen.

Die Beklagte hat im Hinblick auf die durch die Urteile vom 23.04.2014 bzw. 24.02.2015 abgeänderte Höhe der geltend gemachten Beiträge zur Winterbeschäftigungs-Umlage für den Zeitraum vom Dezember 2004 bis Oktober 2009 und deren Berücksichtigung im Rahmen der Geltendmachung von Säumniszuschlägen auf die Vollstreckungsanordnung vom 06.01.2016, gerichtet an das Hauptzollamt L, verwiesen. Bezüglich der neuerlichen Schätzung der Winterbeschäftigungs-Umlage für das Jahr 2010 sei man von zwei gewerblichen Mitarbeitern und von einer Umlageforderung von 50 € pauschal ausgegangen.

In der mündlichen Verhandlung vom 14.02.2018 vor dem SG hat die Beklagte im Wege eines von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnisses die Bescheide vom 07.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 11.03.2015 aufgehoben. Das SG hat im Urteil auf die mündliche Verhandlung vom 14.02.2018 die Klage abgewiesen. Sowohl die Festsetzung der Winterbeschäftigungs-Umlage für 2010 wie auch die Säumniszuschläge durch die nach Auffassung des SG streitgegenständlichen Bescheide vom 04.12.2013, vom 11.12.2013 und vom 18.03.2015 seien rechtmäßig.

Gegen das der Klägerin am 16.04.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15.05.2018 Berufung eingelegt und zu deren Begründung im Wesentlichen vorgetragen, der alleinige Unternehmenszweck bestehe in der Vermietung und Verwaltung sowie wohnwirtschaftlichen Betreuung von Wohn- und Gewerberäumen, die sich allesamt ausschließlich im Eigentum von Frau M bzw. der Eheleute M befinden würden. Es fehle somit an der gewerblichen Prägung der baulichen Leistungen, weshalb die Voraussetzungen für eine Winterbeschäftigungs-Umlage fehlen würden. Hier spiele auch keine Rolle, dass der Bescheid vom 28.10.2009 bestandskräftig sei. Denn auch bei bestandskräftigen Verwaltungsakten, gerade, wenn diese belastenden Charakter hätten, müssten die Tatbestandsvoraussetzungen für die Heranziehung im Folgezeitraum noch vorliegen, was weder die Beklagte noch das SG jedoch geprüft hätten. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Feststellung im Bescheid vom 28.10.2009 seien auch die darauf beruhenden Säumnisbescheide rechtswidrig. Die Bedenken an der Verwaltungsaktsqualität der Schriftstücke vom 28.10.2014 halte man aufrecht. Im Übrigen fehle es im Hinblick auf die ergangenen Verwaltungsakte teilweise zudem am Zugang. Es liege auch eine recht diffuse, nur äußerst schwer nachvollziehbare Aktenführung der Beklagten vor. Unterlagen für das Jahr 2010, insbesondere Bruttolohnsummen, würden der Klägerin nicht mehr vorliegen. Die Höhe der Säumniszuschläge mit 1 Prozent monatlich verstoße außerdem gegen das Übermaßverbot und den Gleichheitssatz.




Die Klägerin beantragt (teilweise sachdienlich ausgelegt),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.02.2018 sowie die Bescheide der Beklagten vom 04.12.2013, vom 11.12.2013 und vom 28.10.2014, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2015, und die Bescheide vom 18.03.2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat ausgeführt, aufgrund der Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 24.02.2015 stehe bestandskräftig fest, dass es sich beim Unternehmen der Klägerin um einen Betrieb des Baugewerbes handele. Auch habe die Klägerin bis Dezember 2013 weiterhin Arbeitnehmer beschäftigt und keinen Nachweis darüber erbracht, dass Bauleistungen arbeitszeitlich nicht überwiegen würden. Es obliege der Klägerin durch Mitteilung der Bruttolohnsummen für die einzelnen Monate im Jahr 2010 gegebenenfalls eine Korrektur der geschätzten Umlage herbeizuführen. Soweit das SG Karlsruhe im Urteil vom 23.04.2014 eine geringere Höhe der Umlage festgestellt habe, habe man den Bescheid vom 04.12.2013, mit dem Säumniszuschläge i.H.v. 3.973 € geltend gemacht worden seien, auf den Betrag von 3.422 € korrigiert, wobei ein Änderungsbescheid nicht ergangen sei. Bei den von der Klägerin beanstandeten Notizen der Mitarbeiter der Beklagten in den Verwaltungsakten handle sich lediglich um Bearbeitungshinweise für gesetzliche Wiedervorlagen oder Ähnliches.

Der frühere Berichterstatter hat am 04.04.2019 eine nichtöffentliche Sitzung zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt. Bezüglich dessen Einzelheiten wird auf die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 04.04.2019 verwiesen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19.01.2021 und die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.01.2021 einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die beigezogenen Prozessakten und die Klage- bzw. Berufungsakte verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie nach § 151 SGG form-und fristgerechte Berufung der Klägerin, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist nur zu einem geringen Teil begründet.

1.
Streitgegenständlich ist zunächst die Festsetzung von Winterbeschäftigungs-Umlage mit 3 Schriftstücken vom 28.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2015 i.H.v. 1.200 € für das Jahr 2010. Soweit darüber hinaus mit 3 Schriftstücken vom 07.11.2013 nach dem Willen der Beklagten eine Festsetzung der Winterbeschäftigungs-Umlage für den Zeitraum Dezember 2008 bis einschließlich Dezember 2009 – teilweise überlappend mit dem zeitlichen Geltungsbereich des Leistungsbescheides vom 04.12.2009 – erfolgen sollte, hat die Beklagte mit Teilanerkenntnis in der mündlichen Verhandlung vom 14.02.2018 diese drei Schriftstücke wieder aufgehoben.


a.
In der Zusammenschau mit dem Widerspruchsbescheid vom 11.03.2015 lässt sich bei der gebotenen Auslegung den genannten 3 Schreiben vom 28.10.2014 mit noch ausreichender Klarheit entnehmen, dass mit diesen Schreiben die Festsetzung der Winterbeschäftigungs-Umlage für den Zeitraum von Januar 2010 bis einschließlich Dezember 2010 in monatlicher Höhe von 100 €, insgesamt i.H.v. 1.200 €, erfolgen sollte. Hiervon ist im Übrigen auch die Klägerin ausweislich ihres Widerspruchs vom 21.11.2014 ausgegangen, mit welchem sie sich gegen die „Leistungsbescheide“ vom 28.10.2014 für Januar 2010 bis Dezember 2010 über die abzuführende Winterbeschäftigungs-Umlage zur Wehr gesetzt hat.

Bei der Auslegung von Verwaltungsakten, also Verfügungssätzen i.S. des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), ist in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie Empfänger bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen mussten und durften (BSG, Urteil vom 03.04.2014, B 2 U 25/12 R, juris, auch zum Nachfolgenden). Maßgebend ist demnach der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (§ 133 BGB), wobei alle Zusammenhänge zu berücksichtigen sind, die die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezog. Dabei ist der der Bestandskraft (Bindungswirkung) zugängliche Verfügungssatz zu Grunde zu legen und zur Klärung seines Umfangs die Begründung des Be-scheids zu berücksichtigen. Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde. Auch für die Auslegung einer behördlichen Äußerung als Verwaltungsakt kommt es nicht auf das von der Behörde Gewollte, sondern auf das objektivierte Empfängerverständnis an (BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R, juris). Ob die Erklärung einer Behörde als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, richtet sich danach, wie der Adressat diese Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles zu deuten hatte (BSG, Urteil vom 29.10.1992, 10 RKg 4/92, juris).

In den Schreiben vom 28.10.2014 wird einheitlich ausgeführt, die nachstehend aufgeführten Forderungen seien zur Durchführung des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens gemeldet worden. Diese Formulierung ist für sich genommen durchaus geeignet, Zweifel an einer Regelung dahingehend, dass die Festsetzung von Umlagebeiträgen erfolgen sollte, zu begründen. Für einen Verwaltungsaktscharakter spricht wiederum der 3. Absatz des Schreibens, in welchem die Tatbestandsvoraussetzungen für die Festsetzung von Umlagebeträgen bei fehlender Meldung erläutert werden und dargelegt wird, dass die nachstehende Forderung für den Fall, dass sie zu niedrig oder zu hoch angesetzt sein sollte, entsprechend berichtigt werde. Zweifel am konkreten Regelungsgehalt der Schreiben vom 28.10.2014 werden auch aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers aber erst durch den Widerspruchsbescheid vom 11.03.2015 beseitigt, in welchem unter anderem dargelegt wurde, dass, ferner, auf welcher gesetzlichen Grundlage Winterbau-Umlagebeträge für den betreffenden Zeitraum festgesetzt wurden. Wenngleich damit die gebotene Auslegung aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers unter Berücksichtigung des Widerspruchsbescheides die Festsetzung der Winterbeschäftigungs-Umlage für das Jahr 2010 als Regelungsgehalt der danach als Bescheide zu charakterisierenden Schreiben vom 28.10.2014 ergibt, ist der Beklagten doch dringend nahezulegen, die verwendete Formulierung in den genannten Schriftstücken aus Gründen der Rechtssicherheit zu überdenken.

b.
Die Festsetzung von Winterbeschäftigungs-Umlage auch für das Jahr 2010 begegnet dem Grunde nach keinen Bedenken. Die grundsätzliche Verpflichtung des Betriebs der Klägerin zur Entrichtung von Umlagebeiträgen zur Winterbeschäftigungs-Umlage steht aufgrund des rechtskräftigen Urteils des SG vom 13.04.2014 fest.

Die Klägerin war im Jahr 2010 umlagepflichtig. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Winterbeschäftigungs-Umlagepflicht für die Klägerin als ein Betrieb des Baugewerbes im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der bis zum 31.03.2012 anzuwenden Fassung des SGB III (a.F.) dem Grunde nach mit Bescheid vom 28.10.2009 festgestellt worden ist. Die Rechtmäßigkeit dieses Grundlagenbescheides ist mit dem rechtskräftigen Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24.02.2015 bestätigt worden. Bei dieser isolierten Entscheidung über die Umlagepflicht durch feststellenden Verwaltungsakt (zu dessen Zulässigkeit grundlegend BSG, Urteil vom 11.03.1987, 10 RAr 5/85, juris) handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (BSG, a.a.O.). Bei einem solchen Bescheid wirkt die getroffene Regelung über den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes fort, weshalb bei der Überprüfung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung alle Rechts- und Sachverhaltsänderungen, die vom Beginn der durch die Verwaltungsentscheidungen getroffenen Regelung bis zur Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz eintreten, zu berücksichtigen sind (BSG, a.a.O.; Scholz in Hauck/Noftz, SGB, 05/12, § 354 SGB III Rn. 32, m.w.N.). Dementsprechend hat das LSG Baden-Württemberg – wie zuvor das SG – in seinem Urteil vom 24.02.2015 die Verhältnisse im Betrieb der Klägerin bis zum Zeitpunkt der Entscheidung berücksichtigt. Mit der rechtskräftigen Zurückweisung der gegen die Abweisung der insoweit statthaften isolierten Anfechtungsklage der Klägerin durch das SG im Urteil vom 23.04.2014 gerichteten Berufung im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24.02.2015 steht gem. § 141 Abs. 1 Satz 1 SGG rechtskräftig fest, dass die grundsätzliche Heranziehung zur Winterbeschäftigungs-Umlage für die Zeit ab 01.12.2004 bis einschließlich 24.02.2015 nicht zu beanstanden ist (zum Umfang der materiellen Rechtskraft bei einer Anfechtungsklage vergleiche im Einzelnen BSG, Urteil vom 21.03.2006, B 2 U 2/05 R, juris; Schütz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., Stand: 05.04.2018, § 141 SGG Rn. 24 f., 29). Dies gilt auch in Ansehung des zwischen den Beteiligten unstreitigen Umstandes, dass seit Anfang 2014 keine gewerblichen Mitarbeiter mehr beschäftigt werden. Soweit sich die Klägerin gegen die Festsetzung der Winterbeschäftigungs-Umlage durch die Bescheide vom 28.10.2014 mit Einwendungen gegen ihre Umlagepflicht dem Grunde nach zur Wehr setzt, kann sie damit bereits aus diesem Grunde nicht gehört werden.

c.
Die in den Bescheiden vom 28.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2015 erfolgte Festsetzung der Winterbeschäftigungs-Umlage für das Jahr 2010 ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

Gem. § 354 Satz 1 SGB III a.F. werden die Mittel für die ergänzenden Leistungen nach § 175a SGB III a.F., nämlich das Wintergeld als Zuschuss-Wintergeld und Mehraufwands-Wintergeld und der Anspruch der Arbeitgeber auf Erstattung der von ihnen zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Verwaltungskosten und der sonstigen Kosten, die mit der Gewährung dieser Leistungen zusammenhängen, durch Umlage aufgebracht. Nach § 355 Satz 1 SGB III a.F. ist die Umlage in den einzelnen Zweigen des Baugewerbes und in weiteren Wirtschaftszweigen, die von saisonbedingtem Arbeitsausfall betroffen sind, monatlich nach einem Prozentsatz der Bruttoarbeitsentgelte der dort beschäftigten Arbeitnehmer, die ergänzende Leistungen nach § 175a SGB III a.F. erhalten können, zu erheben. Nach Satz 2 der Vorschrift können die Verwaltungskosten und die sonstigen Kosten pauschaliert und für die einzelnen Wirtschaftszweige im Verhältnis der Anteile an den Ausgaben berücksichtigt werden. Gemäß § 356 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. führen umlagepflichtige Arbeitgeber, auf die die Tarifverträge über die gemeinsamen Einrichtungen oder Ausgleichskassen keine Anwendung finden, die Umlagebeträge unmittelbar an die Bundesagentur ab und haben nach Satz 2 der Bundesagentur die Mehraufwendungen für die Einziehung pauschal zu erstatten.

In § 3 der auf Grund des § 182 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 und des § 357 Abs. 1 SGB III a.F. erlassenen Winterbeschäftigungs-Verordnung (WinterbeschV) in der bis 31.12.2011 geltenden Fassung (a.F.) ist die Höhe und Aufbringung der Umlage geregelt. Gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 WinterbeschV a.F. beträgt die Umlage in Betrieben des Baugewerbes 2 Prozent der umlagepflichtigen Bruttoarbeitsentgelte der gewerblichen Arbeitnehmer. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 WinterbeschV a.F. ist das umlagepflichtige Bruttoarbeitsentgelt der für die Berechnung der Lohnsteuer zugrunde zu legende und in die Lohnsteuerkarte oder die Lohnsteuerbescheinigung einzutragende Bruttoarbeitslohn einschließlich der Sachbezüge, die nicht pauschal nach § 40 des Einkommensteuergesetzes (EStG) versteuert werden. Nach Satz 2 werden bei der Berechnung der umlagepflichtigen Bruttoarbeitsentgelte der Arbeitnehmer die nach den §§ 40a, 40b und 52 Abs. 52a des EStG pauschal zu versteuernden Bruttoarbeitsentgelte mit Ausnahme der in Satz 3 der Regelung genannten Entgeltanteile berücksichtigt. Die Pauschale nach § 356 Abs. 2 Satz 2 SGB III a.F. wird i.H.v. 10 Prozent des Umlagesatzes nach § 3 WinterbeschV a.F. erhoben, wenn dieser mindestens 1,5 Prozent beträgt und beträgt, wenn der Umlageprozentsatz geringer ist, 15 Prozent (§ 8 WinterbeschV a.F.).

Nachdem sich die Klägerin durchgehend geweigert bzw. außerstande gesehen hat, über die Bruttolohnsummen und die Anzahl der bei ihr im streitigen Zeitraum Beschäftigten Auskunft zu erteilen, und insbesondere die Bruttolohnlisten nicht vorgelegt hat, war die Beklagte berechtigt, das maßgebende Bruttoarbeitsentgelt zu schätzen. Gem. § 5 Abs. 5 WinterbeschV a.F. gelten die Vorschriften des SGB III und des SGB IV über das Entstehen und die Fälligkeit der Beitragsansprüche, die Erhebung von Säumniszuschlägen, die Verjährung von Beitragsansprüchen, die Beitragserstattung, die Erhebung der Einnahmen, den Beitragsnachweis und die Berechnung und Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags entsprechend, soweit diese auf die Beiträge zur Arbeitsförderung anzuwenden sind und die Besonderheiten der Umlage nicht entgegenstehen. Gemäß dem danach Anwendung findenden § 28f Abs. 3 Satz 1 SGB IV in der bis 30.12.2011 Gültigkeit beanspruchenden Fassung (a.F.) hat der Arbeitgeber der für die Erhebung der Winterbeschäftigungs-Umlage zuständigen Stelle einen Beitragsnachweis 2 Arbeitstage vor Fälligkeit der Beiträge durch Datenübertragung zu übermitteln. Übermittelt der Arbeitgeber den Beitragsnachweis nicht zwei Arbeitstage vor Fälligkeit der Beiträge, so kann die zuständige Stelle das maßgebende Arbeitsentgelt schätzen, bis der Nachweis ordnungsgemäß übermittelt wird (§ 28f Abs. 3 Satz 2 SGB IV a.F.).

Soweit eine erforderliche Schätzung von der Behörde vorgenommen wird, handelt es sich dabei allerdings nicht um Verwaltungsermessen; vielmehr ist die Schätzung vom Gericht voll überprüfbar. Das Gericht hat auf Grundlage von § 202 SGG in Verbindung mit § 287 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) eine eigene Schätzungsbefugnis und darf dabei auch eine andere als die von der Verwaltung angewandte Schätzungsmethode zugrunde legen (BSG, Urteil vom 14.07.1988, 11/7 RAr 41/87, juris).

Danach gilt hier folgendes:

Nachdem die Klägerin bis zum heutigen Tage keinerlei Angaben gemacht oder Belege vorgelegt bzw. Beweismittel benannt hat, die eine Schätzung entbehrlich gemacht hätten, sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Schätzung in analoger Anwendung des § 28f Abs. 3 Satz 2 SGB IV a.F. gegeben.

Soweit die Beklagte entgegen § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X weder in den Ausgangsbescheiden vom 28.10.2014 noch im Widerspruchsbescheid vom 11.03.2015 die Schätzung wenigstens kurz begründet hat, ist dieser Verstoß gegen die Begründungspflicht nach Maßgabe des § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB X durch die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 14.03.2016 im Klageverfahren, mit welchem sie die fehlende Begründung nachgereicht und die Schätzungsgrundlagen erläutert hat, geheilt.

Die Schätzung begegnet auch der Höhe nach keinerlei Bedenken: Wie bereits das SG in der Entscheidung vom 13.04.2014 ausführlich und zutreffend dargelegt hat und, wie das LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 14.02.2015 bestätigt hat, hat die Klägerin es mit einer bemerkenswerten Hartnäckigkeit durch Vereitelung der Durchführungen von Vorortprüfungen durch Mitarbeiter der Beklagten und durch die strikte und durch sämtliche 4 Gerichtsverfahren bis zum heutigen Tage konsequent durchgezogene Weigerung, Einsicht in die Geschäftsunterlagen zu gewähren oder entsprechende Beweismittel vorzulegen, selbst verhindert, dass die Beklagte oder aber die Gerichte Erkenntnisse über die Anzahl der bei der Klägerin gewerblich Beschäftigten und deren Bruttolohnsummen gewinnen konnte. So hat die Klägerin im Verfahren vor dem SG mit dem Aktenzeichen S 2 AL 3642/10 wiederholt Vorschläge des Gerichts, wonach die Klägerin die Prüfung der Baubetriebseigenschaft ermöglichen und Einsicht in die Geschäftsunterlagen gewähren möge, abgelehnt. Ebenso ist die Klägerin wiederholten Aufforderungen des SG zur Vorlage von Belegen und zur Benennung von Zeugen, die zum Geschäftsgegenstand der Klägerin Auskunft geben könnten, wie auch zur Benennung der seit Dezember 2004 bei ihr beschäftigt gewesenen Mitarbeiter und der aktuellen ladungsfähigen Anschriften der bei der Prüfung durch das Hauptzollamt angetroffenen Personen nicht nachgekommen und hat auch im Erörterungstermin vor dem LSG Baden-Württemberg im Verfahren L 13 AL 3615/14 keinerlei Bereitschaft erkennen lassen, Einsicht in die Geschäftsunterlagen zu gewähren oder wenigstens entsprechende Beweismittel beizubringen. Zuletzt hat die Klägerin auf Ersuchen des früheren Berichterstatters im Erörterungstermin vom 04.04.2019 um Vorlage der Lohnunterlagen für das Jahr 2010 mitgeteilt, schon in Anbetracht der für den streitgegenständlichen Zeitraum längst abgelaufenen Aufbewahrungsfristen könne man auf entsprechende Unterlagen nicht mehr zugreifen und daher keinen weiteren Beitrag zum Verfahren leisten. Gerade die zuletzt gegebene Begründung für das Unvermögen, Unterlagen über die Beschäftigung von gewerblichen Arbeitnehmern für das Jahr 2010 vorzulegen, überrascht angesichts der seit Jahren schwelenden außergerichtlichen und gerichtlichen Auseinandersetzung der Klägerin mit der Beklagten gerade auch über diesen Zeitraum. Insgesamt lässt das Verhalten der Klägerin keinen anderen Schluss zu, als dass die Unterlagen über die konkrete Beschäftigungssituation und über die hieraus resultierenden Bruttolohnsummen für den streitgegenständlichen Zeitraum gezielt der Beklagten und auch den zwischenzeitlich befassten Gerichten einschließlich dem Senat vorenthalten werden sollten bzw. sollen.

Der Senat erachtet deshalb wie – bereits das LSG Baden-Württemberg in der Entscheidung vom 24.02.2015 – die vom SG im Urteil vom 23.04.2014 aufgestellte Schätzung für die dem hier streitgegenständlichen Zeitraum vorangehenden 6 Jahre sowohl hinsichtlich der Anzahl der Arbeitnehmer, für die Umlagepflicht besteht, wie auch hinsichtlich der Höhe als erforderlich und als im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften stehend. Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung für den hier streitgegenständlichen, an den vom SG im genannten Urteil entschiedenen Zeitraum unmittelbar anschließenden, Jahreszeitraum 2010 liegen nicht vor und lassen sich auch dem auch insoweit völlig unsubstantiierten Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen. Der Senat hat deshalb keine Bedenken, die vom SG im genannten Urteil aufgestellten Grundsätze zur Schätzung der zu entrichtenden Winterbeschäftigungs-Umlage auf den hier streitgegenständlichen Zeitraum zu übertragen und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf das Urteil vom 23.04.2014.

Nachdem die Beklagte in den streitgegenständlichen Bescheiden den vom SG aufgestellten Grundsätze Rechnung getragen hat und hinter den dortigen Annahmen zu Gunsten der Klägerin sogar zurückgeblieben ist, sind die Bescheide vom 28.10.2014 nicht zu beanstanden. Die Beklagte ist für den streitigen Zeitraum von nur noch zwei gewerblichen Mitarbeitern ausgegangen und hat pauschal eine Umlageforderung von 50 € monatlich je Arbeitnehmer zugrunde gelegt. Sie ist unter Berücksichtigung der Pauschale gem. § 356 Abs. 2 SGB III a.F. in Verbindung mit § 8 Abs. 1 WinterbeschV a.F. von 10 Prozent damit von einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von jeweils 2.250 €, und daraus folgernd von einem jährlichen Bruttoarbeitsentgelt für die beiden Arbeitnehmer i.H.v. 54.000 € ausgegangen. Das jährliche Bruttoarbeitsentgelt, von dem die Beklagte demnach bei ihrer Schätzung ausgegangen ist, liegt bei knapp 1/9 des für das Jahr 2006 aufgrund der berufsgenossenschaftlichen Mitteilung vom SG im Urteil vom 23.04.2014 zugrunde gelegten Bruttoarbeitsentgelts (bei damals angenommenen 48, der Winterbeschäftigungs-Umlage unterfallenden Arbeitnehmern) und immer noch deutlich unter dem für das Jahr 2009 zugrunde gelegten Bruttoarbeitsentgelt von knapp 77.350 € für die der Winterbeschäftigungs-Umlage unterfallenden Arbeitnehmer. Die Beklagte ist damit insgesamt mit ihrer Schätzung für 2010 bei grundsätzlich volatiler Anzahl der Arbeitnehmer bei der Klägerin, mindestens aber 7 (bis zu 50 Arbeitnehmer in 2006) und einem dementsprechend wechselnden, gemeldeten Bruttoarbeitsentgelt von ca. 77.350 € bis ca. 491.300 € deutlich unter den jeweiligen Mindestzahlen, bezogen auf den Zeitraum 2004 bis 2009, geblieben. Andererseits gibt es keinerlei Anhaltspunkte für eine Einschränkung des zur Heranziehung zur Winterbeschäftigungs-Umlage führenden Geschäftsbereiches seitens der Klägerin im Jahr 2010.

Keine Bedenken bestehen weiterhin gegen die mit den 3 Bescheiden vom 28.10.2014 festgesetzten Mahngebühren i.H.v. insgesamt 6,90 €. Insbesondere hat die Klägerin den Zugang entsprechender Mahnungen im Vorfeld nicht bestritten.

d.
Auch ist noch keine Verjährung eingetreten.

Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV wäre eine Verjährung der mit den 3 Bescheiden vom 28.10.2014 geltend gemachten Beitragsansprüche bei frühester Fälligkeit am 15.02.2010 für den Monat Januar 2010 (als den am längsten zurückliegenden, mit den Bescheiden geltend gemachten Zeitraum), und Verjährungsbeginn am 01.01.2011 mit Ablauf des 31.12.2014 eingetreten. Zwar ist die Feststellung der Forderungen mit den Schriftstücken vom 28.10.2014 und damit noch innerhalb der Verjährungsfrist erfolgt, weshalb eine Verjährung bereits gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB X ausscheiden könnte. Allerdings haben die Schriftstücke vom 28.10.2014 nach Auffassung des Senats Verwaltungsaktsqualität erst in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.03.2015, und damit nach Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist, erlangt.

Hierauf kommt es allerdings nicht an. Denn Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren erst in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Dabei umfasst Vorsatz in diesem Sinne nach allgemeiner Definition auch den bedingten Vorsatz (Segebrecht in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl., Stand: 22.10.2020, § 25 SGB IV Rn. 28). Vorsätzlich in Form des bedingten Vorsatzes handelt, wer einen Erfolg für möglich hält und ihn billigend in Kauf nimmt; die lange Verjährung muss damit auch gegen sich gelten lassen, wer als Beitragspflichtiger seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (BSG, Urteil vom 21.06.1990, 12 RK 13/89, juris). Wenn zur Beitragspflicht bereits eine Entscheidung oder Auskunft des zuständigen Trägers mitgeteilt wurde, wird der Nachweis von Vorsatz regelmäßig gelingen, wenn der Beitragspflichtige trotzdem danach keine Beiträge abgeführt hat. Die Beitragspflicht ist insbesondere auch dann bekannt, wenn über die Beitragspflicht dieser Entgelte aufgrund einer vorangegangenen Betriebsprüfung ein Rechtsstreit anhängig, aber noch nicht rechtskräftig entschieden ist (Segebrecht, a.a.O., § 25 Rn. 31). Angesichts dessen bedarf es keiner weiteren Ausführung, dass spätestens das noch vor Ablauf der kurzen Verjährung von 4 Jahren ergangene und später vom LSG Baden-Württemberg bestätigte Urteil des SG vom 23.04.2014, mit welchem die Umlagepflicht der Klägerin festgestellt worden ist, zum Eingreifen der Verjährungsfrist von 30 Jahren, beginnend mit dem auf die Fälligkeit des Anspruchs folgenden Jahr 2011, geführt hat.

2.
Streitgegenständlich sind weiterhin die Bescheide vom 04.12.2013 (nachfolgend b.) und vom 11.12.2013 (nachfolgend c.) über die Festsetzung von Säumniszuschlägen.

a.
Soweit sich die Klage darüber hinaus erstmalig in Gestalt des in der mündlichen Verhandlung vom 14.02.2018 protokollierten Klageantrags auch gegen die 3 Bescheide vom 18.03.2015 richtet, ist sie bereits unzulässig. Diese sind entgegen der Auffassung des SG nicht, auch nicht im Wege einer analogen Anwendung, gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach dem Wortlaut der zum 01.04.2008 in Kraft getretenen Neufassung von § 96 Abs. 1 SGG die Einbeziehung eines neuen Verwaltungsaktes nur dann möglich ist, wenn der angefochtene Verwaltungsakt durch einen neuen Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt wird. Durch diese Formulierung soll verhindert werden, dass im Wege einer analogen Anwendung ein neuer Verwaltungsakt in das sozialgerichtliche Verfahren einbezogen wird, dem ein anderer und bisher nicht berücksichtigter Sachverhalt zugrunde liegt und der mit dem anhängigen Streitgegenstand lediglich in irgendeinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang steht (Klein in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., Stand: 16.11.2020, § 96 SGG Rn. 23, auch zum Nachfolgenden). Eine analoge Anwendung, wie sie vor der Neufassung von § 96 Abs. 1 SGG durch die Rechtsprechung erfolgte, ist demgemäß nunmehr nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ausgeschlossen.

Damit kommt eine Einbeziehung der 3 Bescheide vom 18.03.2015 für Zeiten der Säumnis ab 16.01.2011 über Säumniszuschläge i.H.v. 588 bzw. i.H.v. 8.381 € bzw. i.H.v. 2.448 € nicht in Betracht, da sie die hier (ursprünglich) streitgegenständlichen Bescheide vom 07.11.2013, vom 04.12.2013, vom 11.12.2013 und vom 28.10.2014, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2015 nicht abgeändert oder ersetzt haben.

Denn die einzig sich zur Frage von Säumniszuschlägen verhaltenden Bescheide vom 04.12.2013 und vom 11.12.2013 setzen in Bezug auf den Umlagezeitraum Dezember 2004 bis November 2005 Säumniszuschläge für den Zeitraum der Säumnis von 16.01.2009 bis einschließlich 16.10.2013 (Bescheid vom 04.12.2013) bzw. in Bezug auf den Umlagezeitraum Dezember 2005 bis Februar 2010 Säumniszuschläge für den Zeitraum der Säumnis vom 16.01.2009 bis 16.03.2010 fest. Zwar weist danach der im Bescheid vom 04.12.2013 betroffene Zeitraum, für den Säumniszuschläge erhoben werden, ab Januar 2011 Überschneidungen mit 2 der 3 Bescheide vom 18.03.2015 auf. Der Bescheid vom 04.12.2013 regelt indes Säumniszuschläge für den Umlagezeitraum Dezember 2004 bis November 2005, wohingegen die beiden Bescheide vom 18.03.2015 spätere Umlagezeiträume, nämlich ab November 2009 (Bescheid über Säumniszuschläge i.H.v. 588 €) bzw. ab Dezember 2005 (Bescheid über Säumniszuschläge i.H.v. 8.381 €) betreffen und somit einen anderen Regelungsgegenstand haben. Soweit mit dem 3. Bescheid vom 18.03.2015 über Säumniszuschläge i.H.v. 2.448 € eine teilweise Überschneidung hinsichtlich der Umlagemonate besteht, betrifft dieser wiederum Säumniszuschläge für den Zeitraum der Säumnis ab 18.11.2013, wohingegen der Bescheid vom 04.12.2013 Zeiten der Säumnis bis einschließlich 16.10.2013 regelt. Damit haben die hier streitgegenständlichen Bescheide einen anderen Regelungsgegenstand zum Inhalt, als die drei Bescheide vom 18.03.2015, weshalb eine Abänderung oder Ersetzung durch Letztere von vornherein ausscheidet.

Eine Miteinbeziehung der Bescheide vom 18.03.2015 dergestalt, dass sie einer materiellen Überprüfung zugänglich sind, kommt auch nicht nach § 99 SGG im Wege der somit vorliegenden Klageänderung in der Form einer Klageerweiterung in Betracht. Deren Zulässigkeit beurteilt sich nach § 99 Abs. 1 und 2 SGG. Danach ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Inwieweit diese Voraussetzungen vorliegend gegeben sind, kann dahingestellt bleiben. Denn die Unzulässigkeit des im Wege der Klageänderung geltend gemachten Klagebegehrens ergibt sich jedenfalls aus dem fehlenden Vorverfahren. Auch eine an sich zulässige Klageänderung entbindet das Gericht nicht von der Verpflichtung, die Zulässigkeit der geänderten Klage zu prüfen. Infolgedessen müssen für die geänderte Klage sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, mithin regelmäßig auch ein Vorverfahren gem. § 78 SGG durchgeführt worden sein (BSG, Urteil vom 24.06.2003, B 2 U 21/02 R, juris). Ein Widerspruch als Voraussetzung für die Einleitung eines Vorverfahrens gegen die 3 Bescheide vom 18.03.2015, geschweige denn ein Widerspruchsbescheid, liegen indes trotz ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung in den 3 Bescheiden nicht vor, weshalb die Klage insoweit unzulässig ist (BSG, a.a.O.).

b.
Der Leistungsbescheid vom 04.12.2013 ist rechtswidrig, soweit darin Säumniszuschläge über 3.422 € hinaus festgesetzt worden sind.

Gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, der nach § 5 Abs. 5 WinterbeschV a.F. Anwendung findet, ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages – gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 WinterbeschV a.F. der 15. des Monats, der dem Monat folgt, für den das Arbeitsentgelt zu zahlen ist – entrichtet, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 € nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen.

Die Beklagte ist im Bescheid vom 04.12.2013 für die Umlagemonate Dezember 2004 bis November 2005 von angefallenen und nicht entrichteten Umlagen i.H.v. 6.890 € und hierauf gestützt von Säumniszuschlägen i.H.v. 3.973 € ausgegangen. Aufgrund des vom LSG Baden-Württemberg bestätigten und in Rechtskraft erwachsenen Urteils des SG vom 23.04.2014 steht aber für diesen Zeitraum eine zu zahlende Umlage i.H.v. nur 5.926,78 € fest (Dezember 2004: 333,31 € + 50 € = 383,31 €; Januar bis November 2005: 5.257,97 € + 788,70 € = 6.046,67 € für das gesamte Jahr 2005 × 11/12 für die ersten elf Monate des Jahres 2005 = 5.542,78 €), für die Berechnung der Säumniszuschläge auf 50 € nach unten abgerundet somit 5.900 €. Für den Zeitraum von Dezember 2008 bis einschließlich September 2013 (58 Monate) sind, ausgehend von einem monatlichen Säumniszuschlag i.H.v. 59 €, somit Säumniszuschläge i.H.v. 3.422 € angefallen, wovon die Beklagte mittlerweile, ausweislich der im Erörterungstermin vor dem früheren Berichterstatter vorgelegten Forderungsaufstellung, selbst ausgeht. Allerdings hat die Beklagte eine Korrektur der der Höhe nach fehlerhaften Festsetzung von Säumniszuschlägen bis zum heutigen Tage nicht vorgenommen. Insbesondere die beiden „Informationsschreiben“ vom 18.03.2015, die ersichtlich, auch nach dem Willen der Beklagten, keinen Regelungscharakter haben und deren Inhalt sich dem Senat auch nach wiederholtem Studium nicht ansatzweise erschließt, sind mangels Verwaltungsaktscharakter wie auch Verständlichkeit nicht geeignet, eine solche Abänderung des Leistungsbescheides vom 04.12.2013 zu bewirken.

Gleiches gilt wiederum mangels Verwaltungsaktsqualität auch für die Vollstreckungsanordnung vom 06.01.2016, die schon nicht an die Klägerin gerichtet war, sondern lediglich ein Verwaltungsinternum ohne Außenwirkung darstellt.

Der Leistungsbescheid vom 04.12.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2015 ist daher teilweise aufzuheben.

c.
Nicht zu beanstanden ist dagegen der Leistungsbescheid vom 11.12.2013, in welchem Säumniszuschläge i.H.v. 495 € geltend gemacht werden. Der dort zu Beginn zugrunde gelegte Gesamtrückstand für die Berechnung der Säumniszuschläge i.H.v. 2.500 € für den Umlagezeitraum Dezember 2005 bis Dezember 2008 liegt ganz erheblich unter der vom SG im oben genannten Urteil festgestellten geschuldeten Gesamtumlage für diesen Zeitraum i.H.v. über 21.000 € und unter den in den Bescheiden vom 18.03.2015 für die nachfolgenden Säumniszeiträume zugrunde gelegten ausstehenden Umlagebeträge für diesen Zeitraum. Die Klägerin ist indes hierdurch nicht beschwert. Auch die hierauf gestützte Berechnung der Säumniszuschläge für den Zeitraum der Säumnis von Dezember 2008 bis einschließlich Februar 2010 lässt keine Rechtsfehler zulasten der Klägerin erkennen.

d.
Die Erhebung von Säumniszuschlägen ist auch nicht gemäß § 24 Abs. 2 SGB IV ausgeschlossen.

Nach § 24 Abs. 2 SGB IV in seiner ab dem 01.01.2001 Geltung beanspruchenden und bis zum heutigen Tage unverändert gebliebenen Fassung ist, soweit eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird, ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Dabei geht der 12. Senat des BSG (wohl entgegen der herrschenden Meinung in der Literatur) davon aus, dass eine verschuldete Kenntnis in diesem Sinne nur – wie in § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV – bei bedingtem Vorsatz, also wiederum nur, wenn der betroffene Beitragspflichtige seine Zahlungspflicht zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, vorliegt (BSG, Urteil vom 12.12.2018, B 12 R 15/18 R, juris), während der 13. Senat des BSG im Fall der Nachversicherung nach §§ 8, 181 ff. Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) durch die Bundesrepublik Deutschland und einzelne Bundesländer als Träger öffentlicher Verwaltung bereits fahrlässiges Verhalten genügen lässt (BSG Urteil vom 01.07.2010, B 13 R 67/09 R, juris).

Eine Klärung des erforderlichen Verschuldensmaßstabs kann hier aber dahinstehen, da die Klägerin jedenfalls bedingt vorsätzlich gehandelt hat, weil sie ihre Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Wie bereits ausgeführt, ist hiervon auszugehen, wenn zur Beitragspflicht bereits eine Entscheidung oder Auskunft des zuständigen Trägers mitgeteilt wurde und wenn der Beitragspflichtige trotzdem danach keine Beiträge abgeführt hat. Dies ist unstreitig der Fall mit der Bekanntgabe des Erfassungsbescheids zur Winterbeschäftigungs-Umlage vom 28.10.2009.

Aber auch für den davorliegenden Zeitraum liegt bei der Klägerin bedingter Vorsatz vor. Spätestens mit dem Versuch einer Grundsatzprüfung durch Mitarbeiter der Beklagten am 01.12.2008 im Hause der Klägerin zur Klärung der Beitragspflichtigkeit der Klägerin zur Winterbeschäftigungs-Umlage, der aufgrund der Weigerung der Klägerin, die hierfür erforderlichen Unterlagen vorzulegen, abgebrochen werden musste, musste die Klägerin ihre Beitragspflicht zur Winterbeschäftigungs-Umlage zumindest für möglich halten und hat eine Nichtabführung der geschuldeten Winterbeschäftigungs-Umlage billigend in Kauf genommen. Wie das SG in der angefochtenen Entscheidung vom 14.02.2018 zutreffend ausgeführt hat und worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, ist die Klägerin insoweit auch keinem Tatsachen- oder Rechtsirrtum unterlegen.

e.
Die Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV ist auch nicht verfassungswidrig. Sie sanktioniert die verspätete Beitragszahlung, indem durch die säumnisbedingte Erhöhung des Zahlbetrages einerseits zur Sicherstellung eines geordneten Verwaltungsablaufs und der Beschaffung der hierfür benötigten Finanzmittel Druck auf den Schuldner ausgeübt wird, andererseits aber auch ein standardisierter Mindestschadensausgleich für den durch die Nichtzahlung eingetretenen Zinsverlust und Verwaltungsaufwand vorgenommen wird (BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 KR 3/11 R, juris, auch zum Nachfolgenden). Damit soll sichergestellt werden, dass die Sozialleistungsträger die entstandenen Beiträge zum Fälligkeitstermin auch tatsächlich zur Erfüllung ihrer Leistungspflichten zur Verfügung haben, und soll ausgeschlossen werden, dass sich der Beitragsschuldner durch rechtswidriges Verhalten gewissermaßen ein zinsloses Darlehen verschafft oder durch eine verspätete Beitragszahlung selbst einen Zinsvorteil erlangt. In dieser Doppelfunktion dienen Säumniszuschläge somit der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung und handelt es sich um einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang und ein legitimes gesetzgeberisches Ziel. Im Hinblick hierauf hat das BSG (a.a.O.) selbst erhöhte Säumniszuschläge auf Beitragsrückstände freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherter i.H.v. 5 % für verfassungsgemäß erachtet. Der Senat schließt sich dieser Einschätzung in vollem Umfang an. In Bezug auf das für die hiesige Fragestellung irrelevante Vorbringen der Klägerin, man bekomme am freien Markt keine Zinsen i.H.v. 12 % im Jahr bzw. es sei Art. 3 Grundgesetz (GG) verletzt, ohne dass die angeblich bessergestellte Vergleichsgruppe genannt wird oder auch nur Anhaltspunkte für eine solche bestehen, sind keine weiteren, darüberhinausgehenden Ausführungen veranlasst.

f.
Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV wäre eine Verjährung der mit Bescheid vom 04.12.2013 bzw. 11.12.2013 geltend gemachten Beitragsansprüche, zu denen gem. § 28e Abs. 4 SGB IV auch Säumniszuschläge rechnen, für den Monat Dezember 2008 (als den am längsten zurückliegenden, mit beiden Bescheiden geltend gemacht Zeitraum), bei Fälligkeit am 15.01.2009 und Verjährungsbeginn am 01.01.2010 mit Ablauf des 31.12.2013 eingetreten. Da indes die Leistungsbescheide bereits am 04.12.2013 und 11.12.2013 und damit noch innerhalb der Verjährungsfrist ergangen sind, scheidet eine Verjährung gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB X offensichtlich aus.

3.
Soweit die Klägerin zuletzt geltend gemacht hat, es fehle bei den streitgegenständlichen Verwaltungsakten „teilweise zudem am Zugang, vgl. Beweislast im Übrigen bei der Behörde“, so ist dieses Vorbringen an Unschlüssigkeit und fehlender Substantiiertheit kaum zu übertreffen. Die Klägerin macht sich noch nicht einmal die Mühe, konkret darzulegen welche der streitgegenständlichen und ihr ausweislich der Klage- und Berufungsschrift und nach wiederholter Aktendurchsicht allesamt bekannten Bescheide ihr angeblich nicht zugegangen sein sollen. Umgekehrt hat die Klägerin indes gegen jeden der streitgegenständlichen Bescheide – mit Ausnahme der 3 Bescheide vom 18.03.2015 – in klar individualisierter und konkret zuordenbarer Weise Widerspruch eingelegt, weshalb der Senat keine Zweifel am Zugang sämtlicher dieser Bescheide hegt. Die Frage einer wirksamen Zustellung der 3 Bescheide vom 18.03.2015 kann wiederum dahingestellt bleiben, da die Klage insoweit bereits unzulässig ist.

4.
Soweit die Klägerin eine sehr verworrene und teilweise schwer nachvollziehbare Aktenführung der Beklagten beklagt hat, ist ihr zwar Recht zu geben. Tatsächlich hindert insbesondere die künstliche Aufspaltung in 2 verschiedene Aktenvorgänge einen leichteren Zugang zur Aktenlage. Allerdings liegen keine Anhaltspunkte vor, dass, wie von der Klägerin angedeutet, Aktenstücke zurückgehalten worden sind oder werden. Vielmehr ist der Senat von einer zwar nicht leicht erschließbaren, aber vollständigen Aktenlage überzeugt. Im Übrigen gehen die möglicherweise auch aus der mangelhaften Aktenführung resultierenden Unzulänglichkeiten, gerade bei der Umsetzung der in der Vergangenheit ergangenen Urteile, zulasten der Beklagten und führen zu einer teilweisen Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Eine darüberhinausgehende Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide ergibt sich aus der Aktenführung nicht. Den von der Klägerin seitenweise zitierten, in den Verwaltungsakten niedergelegten internen Notizen und Anmerkungen der Mitarbeiter der Beklagten kommt für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidungen, insbesondere für deren Auslegung aus dem objektiven Empfängerhorizont, keine Bedeutung zu. Soweit beanstandet wird, aus der Aktenlage sei nicht ersichtlich, ob die Bescheide vom 28.10.2014 mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen gewesen seien, so dürfte dies zum einen der Klägerin, die diese Bescheide ausweislich ihres Widerspruchs erhalten hat, bekannt sein. Zum anderen führt eine fehlende Rechtsbehelfsbelehrung vorliegend zu einer Jahresfrist gemäß § 66 Abs. 2 SGG. Sie bleibt aber ohne Auswirkung auf die Auslegung im Hinblick auf einen diesen Schriftstücken innewohnenden Regelungscharakter, den die Schriftstücke vom 28.10.2014, wie dargelegt, erst durch den Widerspruchsbescheid vom 15.03.2015 erlangt haben.

5.
Damit ist der Bescheid vom 04.12.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2015 rechtswidrig und aufzuheben, soweit darin Säumniszuschläge über 3.422 € festgestellt worden sind. Im Übrigen bleibt die Berufung ohne Erfolg.

6.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO und berücksichtigt, dass die Klägerin, gemessen an der im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen, gegen sie gerichteten Gesamtforderung i.H.v. gerundet 17.091 € in einem nur sehr geringen Umfang von 551 € obsiegt hat.

7.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
Saved