Der Kausalzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis besteht (auch) bei Mitwirkung einer inneren Ursache (Schwindel), wenn fehlende detaillierte Ortskenntnis, reduzierte Beleuchtung in einer Werkshalle und fehlende Markierung einer Stufe als betriebliche Gefährdungsmomente festgestellt sind und diese Gegebenheiten wesentlich daran mitgewirkt haben, dass ein Versicherter auf einem Betriebsweg stürzt und sich verletzt.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. März 2021 und der Bescheid der Beklagten vom 6. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2020 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, das Ereignis vom 3. September 2018 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 03.09.2018 als Arbeitsunfall.
Der 1961 geborene Kläger ist seit dem 01.11.1998 Beschäftigter der P AG als Montierer/Kommissionierer. Am 03.09.2018 stürzte er auf dem Rückweg von der Mittagspause in der Kantine zu seinem Arbeitsplatz und fiel auf den linken Arm.
Ausweislich des D-Arztberichtes des R-B-Krankenhauses S vom 04.09.2018 sowie des Verlaufsberichts über den stationären Aufenthalt vom 10.09.2018 erfolgte bei Schulterluxation links zunächst eine Reposition vor Ort durch den hinzugezogenen Notarzt. Im Rahmen des stationären Aufenthalts vom 03.09. bis 10.09.2018 wurden als Diagnosen eine Schulterluxation links, ein Tuberculum-majus-Abriss mit Partialruptur der Supraspinatussehne und posttraumatischem Dehnungsschaden des Nervus radialis distal des Truncus medius und ein Zustand nach Synkope gestellt. In der Rubrik „Angaben der versicherten Person zum Unfallhergang“ findet sich folgender Eintrag: „Dem Patienten wurde auf dem Weg von der Mittagspause zurück plötzlich schwindelig, dann schwarz vor den Augen, er sei gestürzt und ist auf den linken Arm gefallen. Vorstellung mit Notarzt unter Analgesie. Eine Frakturreposition hat vor Ort stattgefunden.“ Die Durchgangsärztin vertrat ausweislich des genannten D-Arzt-Berichtes die Auffassung, es handele sich um einen Sturz aus innerer Ursache. Im von der Beklagten beigezogenen Notfallprotokoll über den Einsatz vom 03.09.2018 heißt es „Auf Arbeit kurz Podronie (Schwindel), dann 1 Treppenstufe herabgefallen und frgl. kurz bewusstlos, dann kaltschweißig u. starke Schmerzen li OA“.
Der Kläger selbst schilderte gegenüber der Beklagten den Hergang mit Schreiben vom 18.09.2018 wie folgt: „Als ich nach der Mittagspause zurück zu meinem Arbeitsplatz gehen wollte, lief ich den Gang entlang bis zum Plateau – da sich dort eine hohe Stufe befindet, die von meiner Ansicht aus nicht zu erkennen war und die weder durch Kennzeichnung (z.B. schwarz, gelb schraffiert) noch durch Beschriftung auf dem Boden (siehe Fotos) ersichtlich gemacht wurde, trat ich auf die Kante und rutschte nach vorne, worauf mir schwindelig wurde. Somit verlor ich das Gleichgewicht und stürzte daraufhin schwer auf die linke Seite und verlor dabei das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam und um Hilfe rief, entdeckten mich die Arbeitskollegen, die dann den Vorgesetzten informierten. Daraufhin wurde der Notarzt verständigt.“
In der Unfallanzeige der Firma P vom 12.10.2018 findet sich folgende Schilderung des Unfallhergangs: „Der Mitarbeiter ging nach der Mittagspause zurück zu seinem Arbeitsplatz. Dabei stolperte er über eine Stufe und stürzte auf die linke Rumpfseite.“ In einem neurologischen Befundbericht der G, bei der sich der Kläger am 15.10.2018 wegen Schulterschmerz links, Schwellung der linken Hand, Taubheit Unterarm und gesamter linker Hand vorgestellt hat, findet sich unter Angaben des Versicherten zum Unfall folgender Passus (wörtlich zitiert): „… er sei beim Umbau des Büros an der Treppe ausgerutscht und Sturz bewusstlos für wenige Minuten gewesen, er sei auf die linke Schulter gefallen und habe eine Schulterfraktur links erlitten …“. Ausweislich der Unfallanamnese im BGSW-Aufnahmebericht und Entlassungsbericht des SRH-Gesundheitszentrums W vom 06.03.2019 bzw. vom 01.04.2019 war der „Patient auf der Treppe ausgerutscht und auf die linke Schulter gestürzt“.
Entsprechend einer vorläufigen Bewertung durch die Sachbearbeitung (vgl. Aktenvermerk vom 21.11.2018 mit Einverständnisvermerk vom 22.11.2018) wurde für die weitere Bearbeitung des Falls zunächst vom Vorliegen eines Arbeitsunfalls ausgegangen.
Am 28.06.2019 erfolgte durch einen Präventionsmitarbeiter der Beklagten in Anwesenheit der Fachkraft Arbeitssicherheit und des Vorgesetzten des Klägers bei der Firma P eine Besichtigung und bildtechnische Dokumentation der Unfallstelle. Ausweislich des Berichts über diese Begehung betrage die Höhe der Treppenstufe zwischen Gang und Arbeitsebene 20 cm. Der Vorgesetzte des Klägers gab in diesem Zusammenhang an, dass es keine Augenzeugen des Unfalls gegeben habe. Als er selbst dazu gekommen sei, habe der Kläger bereits auf einem Stuhl gesessen und sich die Schulter gehalten. Der Chef der Personalabteilung gab an, dass er auch etwas bezüglich Schwindel gehört habe. Er wisse allerdings nicht, ob dem Kläger, während er die Treppe runtergegangen sei, schwindelig geworden sei oder erst nach dem Sturz.
Mit Bescheid vom 06.08.2019 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 03.09.2018 als Arbeitsunfall ab. Ein Anspruch auf Leistungen bestehe nicht. Bei Unfällen, die sich aufgrund einer inneren Ursache im Sinne einer bestehenden gesundheitlichen Einschränkung (z.B. Kreislaufzusammenbruch, Schwindel) ereigneten, bestehe zwischen dem Unfallgeschehen und dem eingetretenen Gesundheitsschaden kein ursächlicher Zusammenhang. Ausnahmsweise könne jedoch die versicherte Tätigkeit rechtlich wesentliche Teilursache sein, wenn die Entstehung der äußeren Verletzung durch betriebliche Umstände, denen man als Versicherter durch seine Tätigkeit ausgesetzt sei, mit verursacht werde. Zusätzlich stellten auch Stürze auf einer Treppe oder von Leitern einen wesentlich mitwirkenden Faktor dar, da solche Stürze regelmäßig schwerere Einwirkungen auf den Körper hervorriefen als zu ebener Erde. Nicht ausreichend als besondere betriebliche Gefahr sei nach der ständigen Rechtsprechung die übliche Härte des Bodenbelages. Derartige Böden seien auch im privaten Bereich in gleicher Weise vorhanden und bildeten damit keine erhöhte Gefahr. Es gebe zwar keine Beweisregel, dass frühere Aussagen oder Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besäßen als spätere, jedoch sei zu berücksichtigen, dass zeitlich frühere Aussagen von versicherungsrechtlichen Überlegungen noch unbeeinflusst gewesen sein dürften. Deshalb würden in der Gesamtwürdigung die zeitlich früheren Aussagen, also der im Durchgangsarztbericht und im Notarztprotokoll geschilderte Unfallhergang der Entscheidung zugrunde gelegt. Somit stelle der im Durchgangsarztbericht und im Notarztprotokoll dokumentierte Schwindel die allein wesentliche Ursache für den Sturz über die Stufe dar. Da der Kläger lediglich eine Stufe heruntergefallen und auf einen üblich harten Boden gefallen sei, stelle sowohl die einzelne Stufe (im Gegensatz zu einer Treppe) als auch der Boden keine erhöhte Betriebsgefahr dar, die als wesentliche Teilursache des Unfalls infolge einer inneren Ursache hätte gewertet werden können.
Hiergegen erhob der Kläger am 28.08.2019 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, dass er am 03.09.2019 auf einer ungesicherten Stufe auf glattem Boden gestürzt sei. Nach diesem Sturz sei ihm schwindelig geworden. Der Bericht des R-B-Krankenhauses sei insofern nicht richtig, als daraus hervorgehe, dass dem Kläger auf dem Weg von der Mittagspause zurück plötzlich schwindelig und schwarz vor Augen geworden sei und er sodann gestürzt sei. Ihm sei erst nach dem Sturz schwindelig geworden. Seine behandelnden Ärzte könnten bestätigen, dass er vor dem Unfall nicht unter Kreislaufproblemen oder Schwindel gelitten habe. Auch nehme er keine Drogen ein und trinke auch keinen Alkohol. Aus den Fotos sei ersichtlich, dass die Treppenstufe ungesichert und vom Flur aus kaum zu sehen sei. Hinzu komme, dass der Boden glatt sei. Er leide unter erheblichen Unfallfolgen, insbesondere bestehe eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Schulter sowie der linken Hand. Ergänzend legte er ein Attest der N vom 26.09.2019 vor, wonach bei ihm keine Herz-/Kreislauferkrankung bekannt sei.
Im Widerspruchsverfahren durchgeführte weitere Ermittlungsversuche hinsichtlich der beim Kläger im Zusammenhang mit der notärztlichen Behandlung verabreichten Schmerz- und Beruhigungsmedikation brachten keine weiteren Erkenntnisse als bereits aus dem Notarztprotokoll und D-Arztbericht bekannt waren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass es keine Zeugen für den vom Kläger erlittenen Unfall gebe. Gegenüber dem alarmierten Notarzt habe der Kläger zum Hergang angegeben, ihm sei schwindelig geworden, und dann sei er eine Treppenstufe herabgefallen. Medikamente bzw. Schmerzmittel seien ihm erst im Rahmen der Behandlung verabreicht worden, so dass er hierdurch zumindest anfänglich nicht habe beeinflusst gewesen sein können. Im Notarztprotokoll sei als primäre Diagnose auch eine Synkope notiert gewesen. Synkopen führten häufig zu Stürzen. Beim Durchgangsarzt im R-B-Krankenhaus sei der Kläger zwar unter Analgesie, aber ansprechbar gewesen und habe zum Hergang ebenfalls angegeben, dass ihm plötzlich schwindelig und dann schwarz vor Augen geworden sei und dass er gestürzt und auf den linken Arm gefallen sei. Erst ca. 10 Tage später habe er dann angegeben, er sei auf die Kante der Stufe getreten, habe das Gleichgewicht verloren und sei die Stufe runtergefallen. Nach dem Sturz bzw. der dabei erlittenen Verletzung sei es ihm schwindelig geworden. Die Beklagte gehe nach Auswertung der im Verfahren eingeholten Unterlagen sowie kritischer Würdigung der unterschiedlichen Angaben zum Hergang des Ereignisses vom 03.09.2018 unverändert davon aus, dass die ersten unbefangenen Angaben als glaubwürdiger zu werten seien und daher von dem Hergang auszugehen sei, wie er auch im Notarztprotokoll und Durchgangsarztbericht dokumentiert worden sei. Es handele sich insoweit um einen Sturz aus innerer Ursache. Objektive Anhaltspunkte dafür, dass äußere Umstände und vor allem eine Betriebseinrichtung zu Art und Schwere der Verletzung wesentlich beigetragen haben könnten, lägen nicht vor. Der Kläger sei im Bereich einer einzigen, normal hohen Treppenstufe gefallen, welche gerade auch durch die farbliche Abhebung der Bodenbeläge gut zu erkennen gewesen sei und keine besondere Betriebsgefahr darstelle. Im Übrigen sei der Kläger aber auch auf dem ebenen Boden aufgeschlagen, wobei die übliche Härte eines Bodenbelages auch nicht ausreiche, um eine besondere Betriebsgefahr darzustellen. Der Kläger habe daher am 03.09.2018 keinen Arbeitsunfall i.S. von § 8 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) erlitten und habe deshalb auch keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Deswegen hat der Kläger am 23.04.2020 mit dem Begehren der Anerkennung des Ereignisses vom 03.09.2018 als Arbeitsunfall Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er habe an besagtem Tag nach seinem Jahresurlaub die Arbeit wiederaufgenommen. Es sei sein erster Arbeitstag in der betreffenden Werkhalle gewesen, zuvor sei er in einer anderen Werkhalle tätig gewesen. Auf dem Rückweg von der Kantine zu seinem Arbeitsplatz habe er einen längeren Gang durchqueren und dann nach rechts zu seinem Arbeitsplatz abbiegen müssen. Gleichzeitig mit dem Richtungswechsel habe er eine Stufe/einen Absatz nach unten überwinden müssen, um auf das tiefere Niveau des angrenzenden Raumes zu gelangen. Aufgrund der schlechten Beleuchtung und fehlender Ortskenntnisse hab er diese Stufe übersehen, die auch in keiner Weise gekennzeichnet gewesen sei. Er sei auf die Kante getreten, gestürzt und zu Boden gefallen. Hierbei habe er sich verletzt, sogleich stärkste Schmerzen im Bereich der linken Körperseite verspürt und kurzzeitig das Bewusstsein verloren. Sein Unfall sei als Arbeitsunfall anzuerkennen, denn es habe ein Zusammenhang zwischen der zum Unfall führenden Betätigung und der betrieblichen Tätigkeit bestanden. Ursache für seinen Sturz seien die Bodenbeschaffenheit in der Werkshalle, die dort herrschenden schlechten Lichtverhältnisse sowie fehlende Verkehrssicherung gewesen. Der zuständige Sicherheitsbeauftragte der Firma P habe eingeräumt, dass die Unfallstelle hätte gekennzeichnet sein müssen, was später auch erfolgt sei. Die Annahme der Beklagten, ihm sei schwindelig geworden und er sei danach die Treppenstufe herabgefallen, sei unzutreffend. Ihm sei weder unmittelbar vor dem Sturz schwindelig geworden noch habe er dies gegenüber dem Notarzt, dem Durchgangsarzt oder sonstigen Dritten angegeben. Wie es zu der von der Beklagten behaupteten Eintragung in das Notarztprotokoll (Diagnose Synkope) gekommen sei, sei ihm nicht bekannt. Sie basiere jedenfalls nicht auf einer Befragung des Klägers zum Unfallhergang, zumal dieser unmittelbar nach Eintreffen des Notarztes intravenös starke und schnell wirkende Schmerzmittel erhalten habe. Der von der Beklagten behauptete „Sturz aus innerer Ursache“ sei daher unzutreffend und werde bestritten.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zur Begründung auf den Inhalt ihrer Akten und insbesondere die Begründung im Widerspruchsbescheid vom 08.04.2020 verwiesen.
Mit Urteil vom 12.03.2021 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger am 03.09.2018 einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII erlitten habe. Nach Satz 2 der Vorschrift seien Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führten. Durch die Tatbestandsvoraussetzung „von außen“ grenze sich der Arbeitsunfall von Geschehnissen ab, die aus sogenannter innerer Ursache einträten, z.B. Sturz wegen eines Herzinfarkts oder – wie hier – Schwäche. Lediglich dann, wenn sich durch den Sturz aus innerer Ursache die besondere Gefahr der versicherten Tätigkeit realisiere, somit davon auszugehen sei, dass der Versicherte bei einem Sturz im privaten Bereich nicht die jetzt eingetreten konkreten Gesundheitsstörungen davongetragen hätte, könne ein Arbeitsunfall bejaht werden (mit Verweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.07.2019 - L 1 U 4094/17 -). Dieser Nachweis könne hier nicht geführt werden. Die Kammer stütze sich hierzu auf den Durchgangsarztbericht des K vom 04.09.2018, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass dem Kläger auf dem Weg von der Mittagspause zurück plötzlich schwindelig und dann schwarz vor Augen geworden sei. Dies bestätigten auch das Notarztprotokoll und der vorläufige Verlaufsbericht des R-B-Krankenhauses vom 10.09.2018. Demnach liege ein Sturz aus innerer Ursache vor. An der Richtigkeit dieser Angaben zweifele die Kammer nicht. Gerade Durchgangsärzte seien darin geschult, ihr besonderes Augenmerk auf die (Erst)Schilderung des Unfallhergangs zu richten, sie wüssten um deren Bedeutung und gäben nicht leichtfertig einen unzutreffenden Geschehensablauf an. Das Vorbringen des Klägers vermöge die Kammer nicht vom Vorliegen eines Arbeitsunfalls zu überzeugen. Nicht nachvollziehbar sei insbesondere für die Kammer, weshalb dem Kläger, wie er vorgetragen habe, erst nach dem Ausrutschen, aber vor dem Aufprall schwindelig geworden sein solle. Durch das Auftreten auf die Kante und das Wegrutschen könne ein Schwindel nicht ausgelöst werden, vielmehr sei der umgekehrte Geschehensablauf plausibel, wonach dem Kläger erst schwindelig geworden sei, er deshalb über die Treppe gestolpert und dann zu Fall gekommen sei.
Gegen das ihm am 11.05.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.06.2021 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Er macht geltend, dass das Urteil des SG in sachlicher wie in rechtlicher Hinsicht fehlerhaft sei. Entgegen dessen Auffassung liege ein Arbeitsunfall und kein „Sturz aus innerer Ursache“ vor. Das Erstgericht habe sich auf den Durchgangsarztbericht vom 04.09.2018 gestützt, ohne auch nur zu reflektieren, wie es zu den – angeblichen – Angaben zum Unfallhergang gekommen sei. Der Kläger bestreite jedenfalls ausdrücklich, diese Angaben gemacht zu haben. Aufgrund des Einflusses der erhaltenen Medikamente (Fentanyl, Dormicum und Ketanest) sei er hierzu überhaupt nicht in der Lage gewesen. Der Bericht enthalte auch zahlreiche weitere Fehler, so seien Unfalldatum und Anschrift des Klägers unzutreffend, überdies werde der – völlig abwegige – Verdacht auf Alkohol-, Drogen-, Medikamenteneinfluss erhoben. In dem vorläufigen Verlaufsbericht seien die Angaben aus dem Durchgangsarztbericht und dem Notarztprotokoll lediglich unbesehen übernommen worden. Gegen einen Sturz aus innerer Ursache spreche des Weiteren die Tatsache, dass der Kläger im unmittelbaren Anschluss an den Unfall zwei Tage im R-B-Krankenhaus überwacht worden sei und dabei keinerlei Anzeichen für eine „innere Ursache“ gefunden worden seien. Der benannte Zeuge B1, den das SG nicht vernommen habe, habe beobachtet, dass der Kläger zügig auf die Stufe, auf der er gestürzt sei, zugegangen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. März 2021 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 6. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 3. September 2018 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ihrer Auffassung nach ergeben sich aus der Berufungsbegründung keine neuen Gesichtspunkte, die zu einer anderen Beurteilung führen würden. Sie verweise daher auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des SG.
Die Berichterstatterin des Senats hat mit den Beteiligten am 21.02.2022 einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem der Kläger nochmals zum Ablauf des Ereignisses vom 03.09.2018 befragt und der als Zeuge benannte Arbeitskollege B1 vernommen wurde.
Der Kläger hat in diesem Zusammenhang folgende Angaben gemacht: „Ich bin am 03.09.2018, das war der erste Arbeitstag nach einem erholsamen Sommerurlaub, aus der Mittagspause zurück zu meinem Arbeitsplatz gegangen. Ich bin das Plateau entlanggelaufen. Während der Mittagspause ist die Beleuchtung auf eine Notbeleuchtung begrenzt. Ich konnte die dort vorhandene nicht gekennzeichnete hohe Stufe nicht als solche wahrnehmen. Die Stufe führte abwärts vom Plateau in Richtung zu meinem Arbeitsplatz. Ich musste dafür abbiegen, es ging sozusagen auf die nächste Ebene. Deshalb trat ich daneben und verlor das Gleichgewicht. Ich lief ziemlich zügig, weil es nur noch 5 Minuten bis zum Arbeitsbeginn waren. Ich versuchte, den Fall noch zu verhindern, was mir aber leider nicht gelang. Ich stürzte dann auf die linke Seite. Ich bin auf die niedrigere Ebene gestützt, das ist so ein versiegelter Estrichboden. Am Geländer konnte ich mich nicht festhalten, ich bin etwa in der Mitte durchgegangen und dann auf die nächste Ebene gestürzt. Aufgekommen bin ich auf der linken Seite, ich konnte meinen Kopf noch mit dem Arm schützen. Der rechte Arm war nicht beteiligt. Ich hatte den linken Arm hochgenommen, um den Kopf zu schützen und bin dann darauf gefallen. Nach dem Sturz habe ich kurzzeitig das Bewusstsein verloren.“
Auf Vorhalt, er habe anfangs in seiner schriftlichen Unfallschilderung angegeben, er sei auf die Kante getreten und danach sei ihm schwindelig geworden, hat der Kläger mitgeteilt, das „schwindelig“ habe er umgangssprachlich gemeint und damit sagen wollen, dass er getaumelt und dann gestürzt sei.
Der Zeuge B1 hat folgende Angaben gemacht: „Ich saß am 03.09.2018 an meinem Arbeitsplatz auf der Arbeitsebene in der Werkshalle. Ich habe am PC gearbeitet. Der Tisch befindet sich, gesehen von der Stufe, die der Kläger herabgestürzt ist, etwa 5 bis 6 Meter entfernt. Mein Schreibtisch ist mit einer Sichtwand abgetrennt. Auf die Treppenstufe kann ich nur schauen, wenn ich ein bisschen nach hinten gehe mit meinem Stuhl. Am 03.09.2018 saß ich an meinem Schreibtisch und habe ein Aufprallgeräusch gehört. Ich habe dann Herrn S1 schreien hören und bin schnell zu ihm. Er lag auf dem Boden und hatte Schmerzen und hat geschrien. Ich habe versucht, ihn aufzuheben, aber er hatte zu starke Schmerzen. Es kam dann noch mein Vorgesetzter dazu. Wir haben Herrn S1 zusammen hingesetzt. Hinlegen wollte er sich nicht. In dem Moment haben wir einfach versucht, ihn zu beruhigen. Eigentliche Gespräche gab es nicht in dem Moment. Ich habe dann ja auch den Notruf abgesetzt. Als dann der Notarzt kam, bin ich weggegangen. In dem Moment habe ich weder etwas gehört noch wusste ich, wie es zu dem Sturz gekommen ist. Ich habe mir nur gedacht, dass er wohl über die Stufe gefallen ist, weil die Stufe dort war und er danebenlag. Ich war dann wieder an meinem Arbeitsplatz, als die Sanitäter da waren. Da konnte ich schon hören, dass sie darüber gesprochen haben, dass Herr S1 über die Stufe gefallen ist. Konkrete Fragen, die die Sanitäter Herrn S1 gestellt haben oder Antworten, die Herr S1 darauf gegeben hat, habe ich allerdings nicht gehört.“
Auf ergänzende Nachfragen hat der Zeuge mitgeteilt, dass der Kläger sich bei seinem Hinzukommen den Arm gehalten und gesagt habe, dass er Schmerzen habe. Von Schwindel habe er nichts gesagt, er habe das Wort Schwindel nicht gehört. Die Sturzstelle würde er nicht eine richtige Gefahrenstelle nenne, es sei halt eine Stufe. Er müsse aber sagen, dass er morgens am Anfang der Frühschicht, wenn man noch nicht ganz wach sei, auch schon mal drüber gestolpert sei. Ein paar Tage danach seien dann auch Warnmarkierungen angebracht worden. Zu den Lichtverhältnissen in der Halle hat der Zeuge auf nachträgliche schriftliche Vernehmung durch die Berichterstatterin angegeben, dass es zutreffe, dass die Beleuchtung in der Halle zum Sturzzeitpunkt in der Mittagspause auf eine Notbeleuchtung reduziert gewesen sei. Es sei (im Vergleich zur Normalbeleuchtung) „mindestens 50 %“ dunkler gewesen.
Mit Schriftsätzen vom 17.05.2022 und vom 23.05.2022 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist auch in der Sache begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid vom 06.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 08.04.2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Anerkennung des Ereignisses vom 03.09.2018 als Arbeitsunfall. Diesen Anspruch verfolgt der Kläger zulässigerweise mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 -, juris). Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. hierzu u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 46/03 R -, juris) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (BSG, Urteile vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - und vom 15.05.2012 - B 2 U 8/11 R -, juris).
Die Klage ist begründet, denn der Kläger hat Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 03.09.2018 als Arbeitsunfall.
Rechtsgrundlage für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls sind die §§ 2, 7 und 8 SGB VII. Danach sind Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 bzw. § 8 Abs. 2 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zurzeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang). Die Verrichtung muss zu einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt haben (Unfallkausalität) und das Unfallereignis muss einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht (haftungsbegründende Kausalität) haben (st. Rspr.; vgl. zuletzt u.a. BSG, Urteile vom 23.06.2020 - B 2 U 12/18 R -, vom 06.10.2020 - B 2 U 9/19 R - und vom 06.05.2021 - B 2 U 15/19 R -, juris). „Versicherte Tätigkeit", „Verrichtung", „Einwirkungen" und „Gesundheitsschaden" müssen im Vollbeweis - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, aber nicht die bloße Möglichkeit (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteile vom 06.09.2018 - B 2 U 10/17 R - und vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R -, juris). Die Nichterweislichkeit bzw. die tatsächliche Unaufklärbarkeit der anspruchsbegründenden Tatsachen - einschließlich der zum Unfallereignis führenden Kausalkette - geht nach den Regeln der objektiven Beweislast zulasten des Versicherten (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R -, juris m.w.N.). Beweisrechtlich ist außerdem zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls erfüllt. Der Kläger hat zum Unfallzeitpunkt als Beschäftigter der Firma P zu dem in der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Personenkreis gezählt. Er ist am Unfalltag auf dem Rückweg von der Kantine zu seinem Arbeitsplatz gestürzt. Das folgt aus den übereinstimmenden Angaben des Klägers selbst und seines Arbeitgebers im Rahmen der Unfallanzeige. Er befand sich damit auf einem versicherten Betriebsweg und hat einen Versicherungsfall in Form eines Arbeitsunfalls erlitten. Für den Unfallbegriff ist nicht konstitutiv, dass ein besonderes, ungewöhnliches oder gar „extremes“ Geschehen vorliegt. Auch alltägliche Vorgänge, wie das Stolpern über die eigenen Füße oder das Aufschlagen auf dem Boden können ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis sein (vgl. BSG, Urteile vom 29.11.2011 - B 2 U 23/10 R -, vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - und vom 06.05.2021 – B 2 U 15/19 R -, juris; „tatsächliches, die Dinge veränderndes Geschehen“, vgl. BSG, Urteil vom 26.11. 2019 - B 2 U 8/18 R -, juris Rn. 17). So verhält es sich vorliegend. Der Kläger hat einen Unfall erlitten, indem er an der Stufe zwischen dem Gang von der Kantine und der Arbeitsebene auf seine linke Schulter stürzte und sich beim Aufprall auf dem Boden (als Gesundheitserstschaden) eine Schulterluxation zuzog.
Hinsichtlich des Geschehensablaufs stellt der Senat fest, dass der Kläger nach seiner Mittagspause von der Kantine kommend seinen Weg einen geradeaus führenden Gang entlang der etwas tiefer liegenden Arbeitsebene genommen hat. Er war mit den örtlichen Gegebenheiten noch nicht völlig vertraut, weil sich das Ereignis am ersten Arbeitstag an einem anderen Arbeitsplatz in einer neuen Werkshalle zugetragen hat. Das folgt aus den Angaben des Klägers selbst ebenso wie aus dem Bericht des Präventionsmitarbeiters der Beklagten über die am 28.06.2019 durchgeführte Ortsbegehung, an deren Richtigkeit der Senat keinen Anlass zu zweifeln hat. Ausweislich der bei den Verwaltungsakten befindlichen und auch vom Kläger im Erörterungstermin vorgelegten Fotos sind Gang und Arbeitsebene durch ein Geländer abgetrennt. Der Boden des Gangs ist dunkelgrau/schwarz, der der Arbeitsebene hellgrau gestrichen. Der Zugang zu den Arbeitsplätzen, auch dem des Klägers, erfolgt über eine Stufe, die jedenfalls zum Unfallzeitpunkt nicht besonders (etwa durch farbige Warnmarkierungen) gekennzeichnet war. Während der Mittagspause, somit auch zum Unfallzeitpunkt, war die Halle nicht voll beleuchtet. Das folgt zur Überzeugung des Senats aus den Angaben des Klägers selbst („Notbeleuchtung“) und des Zeugen B1 („mindestens 50 Prozent dunkler als bei Normalbeleuchtung“). Am Unfalltag stürzte der Kläger aus dem Gehen heraus über die Stufe von der oberen Gangebene auf die niedrigere Arbeitsebene auf seine linke Schulter. Er zog sich dabei als Gesundheitserstschaden eine Schulterluxation zu, die vor Ort durch den Notarzt reponiert wurde. Das folgt aus dem vorliegenden Notarztprotokoll ebenso wie aus dem Krankenhausbericht. Augenzeugen, die den Hergang detaillierter hätten schildern können, gibt es nicht. Insbesondere der gehörte Zeuge B1 saß an seinem Arbeitsplatz ohne unmittelbare Sicht auf die fragliche Stufe und kam erst nach dem Sturz des Klägers an die Unfallstelle.
Die zwischen den Beteiligten streitige und nach Überzeugung des Senats nicht zweifelsfrei zu klärende Frage, ob der Sturz des Klägers aus innerer Ursache – wegen Schwindels – erfolgt ist, hindert die rechtliche Bewertung als Arbeitsunfall nicht.
Der Zeuge B1 konnte keine Angaben zum Ablauf unmittelbar vor und bei dem Sturzereignis machen, weil er die Stufe von seinem Arbeitsplatz aus nicht sehen konnte. Der Zeuge konnte damit weder wahrnehmen, ob der Kläger (wie von ihm im Rahmen der Berufungsbegründung vorgetragen) zügig gegangen ist, noch ob er etwa wegen Schwindels geschwankt hat, was die Annahme der Beklagten, es liege eine innere Ursache vor, stützen könnte. Die Angaben im Notarztprotokoll und im D-Arztbericht, die einen Schwindel/Podronie mit nachfolgendem Sturz dokumentieren, wurden vom Kläger bestritten. Die Frage kann nach der Überzeugung des Senats offenbleiben, denn selbst wenn man allein gestützt auf die Angaben in den genannten Berichten und mit der Beklagten davon ausgeht, dass dem Kläger schwindelig geworden ist und dies vor oder exakt zu dem Zeitpunkt, an dem er die Stufe betreten hat, die zur Arbeitsebene hinabführt, ist dies in der vorliegenden Fallkonstellation anders als die Beklagte meint nicht von rechtlicher Relevanz.
Mit dem Erfordernis, dass das Ereignis „von außen“ auf den Körper des Versicherten einwirken muss, wird zum Ausdruck gebracht, dass ein allein aus innerer Ursache (aus dem Menschen selbst) stammendes Geschehen nicht als Unfall anzusehen ist (st. Rspr., vgl. nur: BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R -, juris m.w.N.). Dass für das Ereignis neben äußeren Einwirkungen auch körpereigene Ursachen verantwortlich sind, ändert allerdings nichts am Vorliegen eines Unfalls; auch „Unfälle aus innerer Ursache“ können Unfälle im Rechtssinne sein (Keller in: Hauck/Noftz SGB VII, Stand Februar 2021, § 8 Rn. 11; Ricke in Kasseler Kommentar, SGB VII, Stand Juli 2021, § 8 Rn. 81). Entsteht während einer Verrichtung im Rahmen einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit ein Unfallereignis unter Mitwirkung einer körpereigenen inneren Ursache - beispielsweise der hier denkbare Sturz aufgrund Schwindels -, kommt der versicherten Tätigkeit wegen der Auswirkung der dem unversicherten (persönlichen) Lebensbereich entstammenden Gefahr u.a. dann die Bedeutung einer wesentlichen Mitursache zu, wenn das Unfallereignis wahrscheinlich ohne die versicherte Tätigkeit nicht in derselben Art bzw. nicht mit ähnlich schweren Folgen eingetreten wäre (ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.06.2022 - L 1 U 377/21 -, juris Rn. 41 ff.; Keller a.a.O., Rn. 272, m.w.N.; zu verschiedenen Fallkonstellationen im Zusammenhang mit Sturzunfällen beim Gehen vgl. Molkentin, SGb 2018, 396, 400). Trotz der Verursachung des Unfallereignisses durch eine körpereigene Erkrankung ist die Unfallkausalität gegeben, wenn es zu ihm ohne die versicherte Tätigkeit wahrscheinlich nicht in derselben Art oder Schwere gekommen wäre (BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R -, juris). Insoweit muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer Gefahr aufgrund der versicherten Tätigkeit, etwa der besonderen Beschaffenheit der Unfallstelle, und dem Eintritt der Verletzung oder deren Schwere bestehen. Dabei ist die gewöhnliche Härte des Straßenpflasters - bei einem ebenerdigen Sturz ohne weitere Besonderheiten - im Rahmen der Prüfung der Unfallkausalität nicht als wesentlich mitwirkender betrieblicher Faktor zu werten (BSG, Urteil vom 31.07.1985 - 2 RU 74/84 -, juris Rn. 15; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 16.08.2019 - L 8 U 81/18 -, juris Rn. 38 und vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 -, juris Rn. 23: betrieblich bedingtes Gehen zu Fuß ohne Hinzutreten weiterer Umstände). Demgegenüber kann der Umstand, dass sich der Sturz auf einer Treppe oder von einer Leiter ereignet hat, einen wesentlich mitwirkenden betrieblichen Faktor darstellen (vgl. Keller, a.a.O, Rn 273a, m.w.N., zu betriebsspezifischen Risiken, die auch im Fall von Unfällen aus sog. innerer Ursache zur Annahme des Kausalzusammenhangs führen können, etwa BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R -, juris Rn. 23; Hessisches LSG, Urteil vom 20.07.2015 - L 9 U 5/15 -, juris Rn. 45). Dass Treppenstürze in der Regel schwerere Einwirkungen haben als Stürze auf ebener Erde, entspricht der Lebenserfahrung und bedarf daher keiner besonderen Feststellungen (BSG, Urteil vom 15.02.2015 - B 2 U 1/04 R -, juris Rn. 24).
Der Senat vermag sich der Auffassung der Beklagten und des SG, wonach es an objektiven Anhaltspunkten dafür, dass äußere Umstände und vor allem eine Betriebseinrichtung zu Art und Schwere der Verletzung wesentlich beigetragen hätten, fehle, weil der Kläger lediglich im Bereich einer einzigen, normal hohen Treppenstufe gefallen und auf dem ebenen, normal harten Boden aufgeschlagen sei, nicht anzuschließen. Vielmehr haben vorliegend betriebliche Faktoren mitgewirkt, die nach der Überzeugung des Senats die Art und die Schwere des beim Kläger eingetretenen Gesundheitserstschadens (traumatische Schulterluxation) maßgeblich mitbedingt haben.
So hat sich der Sturz des Klägers wie bereits dargelegt am ersten Arbeitstag in einer ihm noch unbekannten Werkshalle zugetragen. Der Kläger hatte auf seinem Rückweg von der Kantine zum Arbeitsplatz eine Treppenstufe zu überwinden, es hat sich also gerade nicht um einen ebenerdigen Sturz im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung gehandelt. Zwar sind die Böden der oberen und der unteren Ebene in der Werkshalle in unterschiedlichen Grau-Tönen gestrichen, eine auffällige farbige Warnmarkierung oder sonstige Kennzeichnung (etwa in Form eines rutschhemmenden Bodenbelags im Stufenbereich) war jedoch nicht vorhanden und wurde erst nach dem Unfall angebracht. Zudem war die Beleuchtung in der fraglichen Werkshalle zum Unfallzeitpunkt deutlich reduziert. Die sich hieraus ergebenden Risiken sind der betrieblichen Sphäre (vgl. zu der Fallkonstellation eines Sturzes beim Ein-oder Aussteigen aus der Fahrerkabine eines LKW bzw. aus einem Gabelstapler als wesentlich mitwirkender Faktor aus der betrieblichen Sphäre LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 27.06.2022, a.a.O., juris Rn. 42 und vom 22.07.2019 - L 1 U 4094/17 -, juris Rn. 34) zuzuordnen. Die genannten Umstände (fehlende detaillierte Ortskenntnis des Klägers, nicht markierte Stufe, reduzierte Beleuchtung) stellen nach der Überzeugung des Senats wesentliche betriebliche Faktoren dar, die in der Gesamtschau die Schwere des beim Kläger eingetretenen Gesundheitserstschadens (traumatische Schulterluxation) maßgeblich mitbedingt haben. Selbst wenn man also davon ausgeht, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt, also bereits vor seinem Sturz, einen Schwindel verspürt haben sollte, haben doch erhebliche spezifische betriebliche Gefährdungsmomente mit dazu geführt, dass er die Stufe übersehen hat, darauf ausgerutscht/fehlgetreten ist und zu Sturz gekommen ist. Ohne diese Momente wäre der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger schwerwiegend (geringere Fallhöhe) oder überhaupt nicht gestürzt.
Der Berufung war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.