1. Zur Unzulässigkeit der auf Gewährung von Heilbehandlung nach § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB VII als Sach- und Dienstleistungen gerichteten Klage bei fehlender Konkretisierung und Inanspruchnahme von Maßnahmen der Heilbehandlung.
2. Zur Unzulässigkeit der auf Kostenerstattung für selbstbeschaffte Heilbehandlung gerichteten Klage bei fehlender Bezifferung, Konkretisierung und Inanspruchnahme von Maßnahmen der Heilbehandlung.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Juni 2021 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung, dem Kläger im Zusammenhang mit einem am 12.01.2019 erlittenen Arbeitsunfall über den 19.01.2019 hinaus Heilbehandlung zu gewähren.
Der 1964 geborene Kläger bekam am Samstag, den 12.01.2019, bei seinem monatlichen Kontrollgang auf seinem Grundstück (Streuobstwiese/Forst) beim Eintritt in die Hanglage ein körperliches Übergewicht und musste sich mit der rechten Hand am Ast eines Baumes festhalten. Wegen der Gewichtsverlagerung kam es bei der Drehung zu einer Überdehnung des Oberarms und der rechten Schulter. Der Kläger suchte am Montag, den 14.01.2019 den Durchgangsarzt V auf und beklagte eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Schulter rechts. V diagnostizierte nach Durchführung einer klinischen Untersuchung und Röntgendiagnostik eine Distorsion der Schulter rechts und einen Ausriss der langen Bizepssehne und veranlasste eine MRT der Schulter (Durchgangsarztbericht und Ergänzungsbericht Schulter vom 14.01.2019). In der MRT des rechten Schultergelenks vom 21.01.2019 zeigte sich laut Bericht von Dres. S/D der Kreiskliniken R folgender Befund: „Irreguläre Struktur der Supraspinatussehne mit Ödemeinlagerung ohne Anhalt für eine stärkere Ruptur. Am ehesten Zerrung. DD chronische Tendinopathie. Deutliche Signalanhebung im Bizepssehnenanker mit V.a. Partialruptur des Bizepssehnenansatzes. Darunter dringender Anhalt für eine SLAP-Läsion. Umgebend Reizödem. Leichtes Ödem in der Oberkante des Glenoids und unterhalb des Musculus supraspinatus. Kein Nachweis einer knöchernen Glenoidfraktur, Arthrotische Veränderungen im AG-Gelenk mit leichter Reizung.“ Am 25.01.2019 stellte sich der Kläger mit andauernden Schmerzen der rechten Schulter bei K/Z vor, die eine Rotatorenmanschettenruptur der rechten Schulter diagnostizierten und Physiotherapie verordneten (Verlaufsbericht vom 25.01.2019). Bei der erneuten Vorstellung bei V am 12.02.2019 berichtete der Kläger laut Verlaufsbericht von diesem Tag über rückläufige Beschwerden mit noch vorhandenen Belastungs- und Bewegungseinschränkungen. V bescheinigte weiterhin Arbeitsunfähigkeit bis 22.02.2019 und verordnete weitere Krankengymnastik. Bei der Verlaufskontrolle vom 27.03.2019 beklagte der Kläger keine wesentlichen Beschwerden mehr. V verordnete weitere Krankengymnastik zur Muskelkräftigung, er hielt den Kläger für arbeitsfähig (Verlaufsbericht V vom 27.03.2019). Mit der Mitteilung Arbeitsfähigkeit/Abschluss besondere Heilbehandlung vom 27.03.2019 teilte V der Beklagten mit, dass der Kläger seit 23.02.2019 arbeitsfähig sei, eine weitere Behandlung durch ihn erfolge, die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus betrage voraussichtlich unter 10 v.H.. Bei einer erneuten Vorstellung bei V am 17.07.2019 beklagte der Kläger geringe Bizepsrestbeschwerden. V stellte eine freie Funktion der Schulter rechts ohne Kraftminderung fest. Es bestanden Provokationsschmerzen der langen Bizepssehne rechts, das Rotatorenmanschetten-Zeichen war negativ, die Bizepsbelastungen waren noch gering schmerzhaft, Ellenbogen und Handgelenk frei, Durchblutung, Motorik und Sensibilität intakt (Durchgangsarztbericht vom 17.07.2019). V verordnete erneut Krankengymnastik.
Mit beratungsärztlicher Stellungnahme vom 15.07.2019 gelangte O zur der Einschätzung, dass es durch das Ereignis vom 12.01.2019 zu einer Zerrung des Schultergelenks gekommen sei, als der Kläger sich festgehalten und bei einer Drehung eine Überdehnung des Oberarms erlitten habe. Ein Sturzereignis oder Abfangen eines Sturzes habe nicht vorgelegen, so dass aus biomechanischer Sicht der beschriebene Hergang nicht die notwendige Krafteinwirkung für strukturelle Traumafolgen im Bereich der Binnenstrukturen der Schulter beinhaltet habe. Daher sei von einem ungeeigneten Hergang zur Verursachung jedweder Schädigung der Schulter-Binnen-Struktur auszugehen. Auch in der Bildgebung zeige sich kein gesicherter Verletzungsschaden. Laut MRT-Befundbericht bestehe kein Hinweis auf eine relevante unfallbedingte Schädigung, weder Frakturen, Knochenmarködeme, Hinweise auf eine Luxation oder sonstige Hinweise auf eine relevante stattgehabte Gewalteinwirkung seien zu erkennen. Die Supraspinatussehne werde als irregulär strukturiert beschrieben, am ehesten im Sinne einer Zerrung oder chronischen Tendinopathie. Im Bereich des Bizepssehnenankers habe sich der Verdacht auf eine Partialruptur gezeigt, ohne dass die Diagnose habe bestätigt werden können oder ein traumatischer Charakter festzustellen wäre. Lediglich eine Verschleißlage der Schulter sei vollbeweislich gesichert. Damit seien die festgestellten Körperschäden als degenerativ einzuschätzen, eine Kausalitätsbeziehung sei nicht festzustellen. Eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit könne für die Dauer von einer Woche angenommen werden unter Annahme einer milden Zerrung der Schulter.
Mit Bescheid vom 17.07.2019 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, dass der Unfall vom 12.01.2019, bei dem es zu einer Zerrung der rechten Schulter gekommen sei, als Arbeitsunfall anerkannt werde und dass ein Anspruch auf Heilbehandlung bis zum 19.01.2019 bestanden habe. Zur Begründung führte sie aus, nach den durchgeführten Ermittlungen, den eingeholten ärztlichen Unterlagen und der Auswertung der Röntgen- und MRT-Aufnahmen lasse sich kein gesicherter Verletzungsschaden im Bereich des rechten Oberarmes/der rechten Schulter feststellen. Das Unfallereignis vom 12.01.2019 habe zu einer Zerrung der rechten Schulter geführt. Weitere unfallbedingte Folgen seien nicht festzustellen. Die weiterhin vorliegenden Beschwerden im Bereich der rechten Schulter seien auf degenerative Verschleißerscheinungen in der rechten Schulter zurückzuführen. Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestünden aus diesen Gründen nicht. Die Kosten der Behandlung gingen zu Lasten der Krankenkasse. Diese und V wurden entsprechend durch die Beklagte informiert.
Der Kläger legte Widerspruch ein. Aufgrund der Unfallfolgen sei ein Anspruch auf Heilbehandlung über den 19.01.2019 hinaus anzuerkennen. Sowohl V als auch A seien der Auffassung, dass der anerkannte Unfallhergang auch die Beschwerden im Bereich der rechten Schulter ausgelöst habe. Eine Vorschädigung der Schulter habe zu keiner Zeit bestanden. Es habe auch nicht nur eine Zerrung, sondern ein Abriss der Sehne am Bizepsanker der rechten Schulter vorgelegen. Nur durch zweimalige Physiotherapie pro Woche könne verhindert werden, dass der Bizepsanker nach unten rutsche. Die Verletzung sei nach Auffassung der behandelnden Ärzte auch operationsbedürftig. Auf eine Operation werde aber bis zur Klärung der Kostenträgerschaft verzichtet. Er habe seit dem Unfall keine Kraft mehr im Bereich des rechten Arms und starke Bewegungseinschränkungen nach oben und hinten. Drehbewegungen des Armes seien eingeschränkt und schmerzhaft. Auch bei Belastung schmerze der Arm.
Am 17.12.2019 stellte sich der Kläger bei Dres. K/A/Z vor. Es bestanden weiterhin Beschwerden in der rechten Schulter mit positivem Rotatorenmanschettenzeichen. A verordnete Physiotherapie und hielt fest, dass die Behandlung durch ihn abgeschlossen sei (Verlaufsbericht vom 17.12.2019). Die Beklagte teilte Dres. K/A/Z mit Schreiben vom 20.02.2020 mit, dass die jetzt geklagten Beschwerden nicht mehr auf den Unfall vom 12.01.2019 zurückzuführen seien, der Arbeitsunfall zu einer Zerrung der rechten Schulter geführt habe. Es werde gebeten, das Heilverfahren zu ihren Lasten sofort abzubrechen, die anfallenden Kosten ab Eingang des Schreibens der zuständigen Krankenkasse in Rechnung zu stellen und von einer weiteren Berichterstattung abzusehen.
Die Beklagte forderte die MRT-Bildaufnahmen an und holte unter Zuleitung dieser Aufnahmen eine erneute Stellungnahme des Beratungsarztes O ein. Unter dem 29.05.2020 vertrat er die Auffassung, dass auch nach eigener Wahrnehmung und Überprüfung der Bildgebung die vorangegangene Schlussfolgerung im Einklang mit den Feststellungen der Behandler stehe, dass hier kein Verletzungsschaden vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2020 wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf die beratungsärztliche Stellungnahme zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 17.07.2020 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und weiterhin einen Anspruch auf Leistungsgewährung betreffend den Unfall vom 12.01.2019 über den 19.01.2019 hinaus geltend gemacht. Er hat seine Widerspruchsbegründung wiederholt und vertieft und vorgetragen, die Ablehnung der Fortsetzung der Heilbehandlung über den 19.01.2019 hinaus sei medizinisch nicht haltbar und auch sachlich nicht nachvollziehbar.
Das SG hat das unfallchirurgische Gutachten des D vom 05.12.2020 eingeholt. Er gelangte zu der Einschätzung, dass die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen im Bereich der rechten Schulter auf das Ereignis vom 12.01.2019 zurückzuführen seien. Der Kläger leide an im Einzelnen dokumentierten Bewegungseinschränkungen im rechten Schultergelenk. Diese Gesundheitsstörungen seien mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf das Unfallereignis vom 12.01.2019 zurückzuführen. Die unfallbedingte MdE schätze er auf 10 v.H. ein. Er weiche von der beratungsärztlichen Stellungnahme des O ab. Er gehe davon aus, dass das Abfangen eines Sturzes stattgefunden habe, indem sich der Kläger mit der rechten Hand an einem Baumast festgehalten und sein gesamtes Körpergewicht am rechten Arm eine Zugbeanspruchung verursacht habe. Aufgrund der dabei vorhandenen Krafteinwirkung stelle dies einen geeigneten Hergang zur Verletzung des Labrum-Bizepssehnenanker-Komplexes (SLAP) dar. Die Teilzerreißung des Bizepssehnenankers sei durch die Ergussbildung kernspintomographisch objektiviert. Es handle sich um einen in der Bildgebung gesicherten Verletzungsschaden, der mit dem adäquaten Verletzungsmechanismus korreliere. Daher bestehe weiterhin eine Behandlungsbedürftigkeit in Form einer wöchentlichen krankengymnastischen Übungsbehandlung.
Die Beklagte ist der Klage und der Einschätzung des D1 unter Vorlage einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme des O entgegengetreten. In seiner Stellungnahme vom 29.01.2021 hat O ausgeführt, dass das Vorliegen einer Läsion des Bizepsankers als gegeben angesehen werde, allerdings könne diese nicht als unfallbedingt gewertet werden, da es am Vorliegen einer traumatypischen Begleitverletzung fehle.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 30.06.2021 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 17.07.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.06.2020 verurteilt, dem Kläger Heilbehandlung über den 19.01.2019 hinaus zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Soweit der Kläger mit seinem Antrag auf Leistungsgewährung die Gewährung von Heilbehandlung geltend mache, sei die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft. Soweit er noch andere Leistungen gemeint haben sollte, fehle es an einer konkreten Verwaltungsentscheidung, die gerichtlich überprüft werden könnte. Deswegen sei die Klage insoweit unzulässig, weswegen klarstellend bzw. vorsorglich die Klageabweisung im Übrigen erfolge. Die zulässige Klage auf Gewährung weiterer Heilbehandlung über den 19.01.2019 hinaus sei in der Sache begründet. Nach §§ 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 27 ff Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) habe der Unfallversicherungsträger mit allen geeigneten Mitteln, hier der Heilbehandlung, den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden (Gesundheitserstschaden und etwaige überdauernde Unfallfolgen) zu beseitigen, zu bessern, seine Verschlimmerungen zu verhüten und seine Folgen zu lindern. Versicherungsfall sei hier der Arbeitsunfall vom 12.01.2019. Auf der Grundlage des Gutachtens des D1 sei die Kammer der Überzeugung, dass sich der Kläger bei diesem Unfall als Gesundheitserstschaden nicht nur die von der Beklagten anerkannte Zerrung, sondern auch einen Riss am Labrum-Bizepssehnenanker-Komplex (sog. SLAP-Läsion) zugezogen habe. Diese bestehe weiterhin und verursache Beschwerden. Dementsprechend sei die Beklagte zur Gewährung von Heilbehandlung verpflichtet.
Gegen das ihr am 08.07.2021 zugestellte Urteil richtet sich die am 03.08.2021 zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung der Beklagten. Der Kläger habe nicht dargelegt, welche Heilbehandlung er konkret begehre. Es wäre aber erforderlich darzulegen, welche konkreten Maßnahmen der von ihr zu leistenden Heilbehandlung noch zu erbringen wären und dass diese noch nicht erbracht worden seien. Hierzu verweise sie auf eine Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 25.08.2017 (L 8 U 1894/17). Eine allgemeine Klage auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung sei unzulässig, denn der Kläger begehre ein Grundurteil über allgemeine Leistungen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteile vom 07.09.2004 - 2 B U 35/03 - und vom 30.01.2007 - B 2 U 6/06 R -) seien einem Grundurteil nur die in Betracht kommenden Geldleistungen zugänglich, nicht aber das allgemeine Sachleistungsbegehren nach unbestimmter Heilbehandlung. Nur ergänzend verweise sie darauf, dass die Klage auch unbegründet sei. Eine weitergehende materielle Entscheidung sei auf der Grundlage des dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Bescheids vom 17.07.2019 nicht möglich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Juni 2021 abzuändern und die Klage des Klägers insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Aktuell sei der Bewegungsablauf der rechten Schulter weitgehend schmerzfrei mit stark eingeschränkter Kraft im Ober- und Unterarm sowie der rechten Hand. Hierzu verweise er auf das Gutachten des D1. Er sei weiterhin wöchentlich in Behandlung in der Praxis für Physiotherapie M. Dort mache er aktuell Übungen an sog. Aufbaugeräten bei Überwachung und Anleitung der Übungen durch den Praxisinhaber. Da seine Misere dort bekannt sei, habe die Praxis bislang keine Rechnung für die Nutzung der Geräte gestellt. Diese werde folgen, sobald die Kostenträgerschaft der Beklagten feststehe.
Die eigentliche physiotherapeutische Behandlung sei nach Bekanntgabe der streitgegenständlichen Bescheide und Auslaufen des letzten ausgestellten Rezepts Ende September 2020 erfolgt. Da die behandelnden Ärzte keine Physiotherapie zu Lasten der Beklagten mehr hätten verordnen dürfen, hätten sie dies auch nicht mehr getan. Auch die Krankenkasse hätte diese Kosten nicht übernommen, so dass er ab Bekanntgabe des Bescheides vom 17.07.2019 nur noch die begrenzten Kassenleistungen der A habe in Anspruch nehmen können. Er hätte ab diesem Zeitpunkt in Vorleistung gehen müssen. Daher begehre er die weitere Erstattung bzw. Übernahme der anfallenden Kosten. Auch die von seinen behandelnden Ärzten empfohlene Operation sei weiterhin notwendig, aber wegen mangelnder Klärung der Kostenträgerschaft noch nicht erfolgt. Die behandelnden Ärzte würden eine Durchführung und Abrechnung zu Lasten der Beklagten ablehnen, solange diese keine Kostenzusage mache. Er selbst sei außerstande, die teure Operation vorzufinanzieren. Daher begehre er weiterhin die Kostendeckung für die wohl anstehende Operation. Der Verweis der Beklagten auf die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 25.08.2017 (L 8 U 1894/17) verfange nicht. Denn er habe konkret vorgetragen, dass und warum die Verletzungen vom 12.01.2019 am 19.01.2019 noch nicht ausgeheilt gewesen seien und welche weiteren Behandlungen bzw. welche Operation weiterhin noch erforderlich seien. Er habe die weitere Behandlungsbedürftigkeit der Verletzungen dargetan und zudem weitere Ansprüche auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung (z.B. Fortsetzung der Physiotherapie und Zusage der Kostenübernahme für die anstehende Operation) geltend gemacht. Damit sei eine ablehnende, anfechtbare (inzidente) Verwaltungsentscheidung der Beklagten über weitere Ansprüche auf konkrete, mithin bestimmte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ergangen.
Der Kläger hat einen persönlichen Aufschrieb „Timeline Behandlung“ vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass er sich zuletzt im September 2020 nach Verordnung durch A in Behandlung beim Physiotherapeuten befunden habe, er seither keine weitere ärztliche Verordnung erhalten habe, aber weiterhin Gerätetraining durchführe. Hierzu wird auf Bl. 76-78 der Senatsakte Bezug genommen.
Die Berichterstatterin des Senats hat mit den Beteiligten am 31.05.2022 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt und einen rechtlichen Hinweis erteilt, dass die Leistungsklage unzulässig und das Urteil des SG nicht vollstreckungsfähig sein dürfte, da es sich bei der Heilbehandlung grundsätzlich um Sachleistungen handle, für selbst beschaffte Heilbehandlung nur ein Anspruch auf Kostenerstattung in Betracht komme, wobei die Kosten konkret zu beziffern und die in Anspruch genommenen Maßnahmen konkret bezeichnet und belegt sein müssten. Hierzu wird auf das Protokoll vom 31.05.2022 Bezug genommen.
Am 08.07.2022 hat der Kläger bei der Beklagten außergerichtlich beantragt, als weitere Unfallfolge des Arbeitsunfalls vom 12.01.2019 einen Riss am Labrum-Bizepssehnenanker-Komplex (SLAP-Läsion) rechts anzuerkennen und insoweit Heilbehandlung zu gewähren. Gleichzeitig hat er beantragt, das vorliegende Verfahren bis zur Entscheidung der Beklagten über den Feststellungsantrag ruhend zu stellen. Dem ist die Beklagte entgegengetreten, da die Feststellung von Unfallfolgen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor. Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht unter Abänderung des Bescheids vom 17.07.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.06.2020 verurteilt, dem Kläger über den 19.01.2019 hinaus Heilbehandlung zu gewähren.
Nicht streitgegenständlich ist die Anerkennung des Ereignisses vom 12.01.2019 als Arbeitsunfall. Diese ist mit dem Bescheid vom 17.07.2019 bereits durch die Beklagte erfolgt, der Bescheid war insoweit nicht angefochten.
Streitgegenständlich ist vielmehr die mit Bescheid vom 17.07.2019 durch die Beklagte erfolgte Mitteilung, dass (nur) bis zum 19.01.2019 ein Anspruch auf Heilbehandlung bestanden habe. Damit hat die Beklagte hinreichend konkret eine Entscheidung über die Ablehnung jeglicher Heilbehandlung über den 19.01.2019 hinaus getroffen (vgl. BSG, Urteil vom 10.08.2021 - B 2 U 2/20 R - Juris). Insoweit hat sich der rechtskundig vertretene Kläger bereits mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.07.2019 gewandt und einen Anspruch auf Heilbehandlung über den 19.01.2019 hinaus geltend gemacht mit der Begründung, dass fortlaufend Physiotherapie und ein operativer Eingriff erforderlich sei, deren Kosten die Beklagte zu tragen habe. Das gleiche Begehren hat er mit seiner Klage gegen den Bescheid vom 17.07.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2020 weiterverfolgt.
Zutreffend hat das SG die dergestalt erhobene Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG ausgelegt. Antragstellung und Begründung im Widerspruchs- und Klageverfahren lassen keine anderweitige Auslegung dahingehend zu, dass der Kläger neben oder anstelle einer Leistungsklage (auch) eine Feststellungs- oder Verpflichtungsklage, gerichtet auf die Feststellung bzw. Verpflichtung zur Anerkennung von bestimmten, über den 19.01.2019 hinaus fortbestehenden Gesundheitsstörungen an der rechten Schulter erheben wollte. Insoweit hat die Beklagte im Tenor des angefochtenen Bescheides, auch unter Heranziehung der Begründung zu dessen Auslegung, auch keine Entscheidung getroffen, so dass es an einer diesbezüglichen gerichtlich überprüfbaren Verwaltungsentscheidung fehlen würde.
Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist aber entgegen den Ausführungen des SG bereits unzulässig.
Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX) Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Der Unfallversicherungsträger hat gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern. Die Heilbehandlung umfasst u. a. ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) und die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Nr. 4 SGB II). Hierbei sind Heilmittel nach § 30 SGB VII alle ärztlich verordneten Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden dürfen. Hierzu gehört auch die Physiotherapie. Diese Leistungen sind nach § 26 Abs. 4 Satz 2 SGB VII als Sach- und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen und daher grundsätzlich als "Naturalleistung" zu gewähren (vgl. BSG, Urteile vom 20.03.2007 - B 2 U 38/05 R - und vom 16.12.1993 - 4 RK 5/92 - jeweils Juris m. w. N.).
Eine Erbringung von Sach- und Dienstleistungen in der Vergangenheit ist nicht möglich, so dass eine hierauf gerichtete Leistungsklage bereits mangels Rechtschutzbedürfnis unzulässig ist.
Ausnahmen vom Naturalleistungsprinzip sollen nur dann gelten, wenn dies im SGB VII oder im SGB IX ausdrücklich vorgesehen ist. Eine Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen kann unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 6 Satz 1 SGB IX und des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V stattfinden, der in der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend anwendbar ist (vgl. BSG, Urteile vom 10.08.2021 - B 2 U 2/20 R - und vom 20.3.2007 - B 2 U 38/05 R - jeweils Juris m. w. N.). Da der Kostenerstattungsanspruch stets auf die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags gerichtet ist, hat ihn der Kläger konkret zu beziffern (BSG, Urteile vom 10.08.2021 a.a.O., vom 30.06.2009 - B 1 KR 5/09 R -, 06.11.2008 - B 1 KR 6/08 R - und vom 28.01.1999 - B 3 KR 4/98 R - jeweils Juris) und auch insoweit im Einzelnen aufzuschlüsseln, welche "Heilbehandlungskosten" er aufgebracht hat und worauf sie sich beziehen.
Vorliegend hat der Kläger aber mit Schriftsatz vom 17.10.2021 vorgetragen, dass ihm für die nach dem 19.01.2019 erfolgte ärztliche Behandlung und durchgeführte Physiotherapie keine Kosten entstanden sind. Für die Zeit nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides sind nach den Angaben in der Berufungsbegründung weder ärztliche Verordnungen für Physiotherapie erfolgt noch ist eine Physiotherapie durchgeführt worden. Zwar hat der Kläger nach seinen Angaben unter Vorlage eines Aufschriebs „Timeline“ in Absprache mit der Praxis, in der er zuvor Physiotherapie erhalten hatte, dort ein Gerätetraining absolviert, allerdings ohne die erforderliche ärztliche Verordnung (§ 30 SGB VII) und ohne dass ihm insoweit bislang Kosten in Rechnung gestellt wurden. Damit fehlt es aber sowohl an konkret bezeichneten ärztlich verordneten Maßnahmen als auch an konkret bezifferten Beträgen, deren Erstattung begehrt wird. Auch auf den entsprechenden Hinweis im Erörterungstermin und in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger einen solchen Kostenerstattungsantrag nicht gestellt und auch insoweit keine weitere Konkretisierung und Ergänzung seines Tatsachenvortrags vorgenommen. Gleiches gilt für die begehrte Kostendeckung für eine Operation. Denn nach den Angaben des Klägers ist bislang eine Operation nicht erfolgt. Da der Kläger weder konkrete Eigenleistungen oder Leistungen seiner Krankenversicherung angegeben hat, die einen Erstattungsanspruch der in der Zeit zwischen dem 19.01.2019 und dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats angefallenen Behandlungskosten in Betracht kommen ließen, wäre eine auf Kostenerstattung gerichtete Klage auch insoweit bereits unzulässig.
Aber auch in die Zukunft gerichtet kann die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Heilbehandlung keinen Bestand haben. Sachleistungen sind einer Zuerkennung durch Grundurteil von vornherein nicht zugänglich (BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 35/03 R -, Juris Rn. 12 m. w. N.). Der Kläger hat aber auch im Berufungsverfahren, selbst auf die erteilten Hinweise, weiterhin keine konkreten Maßnahmen der Heilbehandlung aufgezeigt, deren Gewährung er von der Beklagten begehrt. Zwar trägt er vor, dass er (eigentlich) regelmäßig zweimal wöchentlich der Physiotherapie bedürfe, allerdings hat er gleichzeitig eingeräumt, dass ihm eine solche seit Mitte 2020 nicht mehr verordnet wurde. Auch soweit er geltend macht, dass eine Operation erforderlich sei, ist weder von ihm konkret vorgetragen noch aus den vorliegenden ärztlichen Berichten ersichtlich, dass und ggf. welcher Eingriff konkret anstehen würde. Damit ist aber kein konkretes Leistungsbegehren ersichtlich, das zulässigerweise gegenüber der Beklagten geltend gemacht werden könnte. Hierbei ist auch zu beachten, dass nach § 26 Abs. 5 SGB VII der Unfallversicherungsträger im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt.
Mithin ist auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil des SG dahingehend abzuändern, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Klage insgesamt erfolglos geblieben ist.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.