1. Für ein aus gesundheitlichen Gründen in Teilzeit absolviertes Studium besteht kein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob das Studium von Anfgang nur in Teilzeit aufgenommen oder nachträglich auf diesen Umfang reduziert wird.
2. Etwaigen Zweifeln an der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit im Hinblick auf einen erfolgreichen Studienabschluss oder gar an der Erwerbsfähigkeit ist über das Verfahren nach § 44a SGB II, nicht aber durch einen Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nachzugehen.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16. September 2022 abgeändert. Der Beklagte wird zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an die Klägerin dem Grunde nach für die Zeit vom 23. Juli 2021 bis 14. September 2022 verurteilt.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt 9/10 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) während eines Teilzeitstudiums.
Die 1999 geborene Klägerin bezog vom Beklagten zuletzt mit Änderungsbescheid vom 26.05.2020 (für Juni 2020 bis Januar 2021) Leistungen der Grundsicherung. Die Klägerin war in dieser Zeit mehrfach (22.10.2019 bis 05.06.2020, 16. bis 30.07.2020, 30.08. bis 30.11.2020, 02. 12.2020 bis 22.07.2021) im Zentrum für Psychiatrie S, R, (nachfolgend ZfP) stationär untergebracht. Der Beklagte machte einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Sozialhilfeträger wegen fehlender Erwerbsfähigkeit der Klägerin geltend, der jedoch zurückgewiesen und vom Beklagten nicht weiterverfolgt wurde. Zum Wintersemester 2020/21 schrieb sich die Klägerin an der Hochschule R-W für den Studiengang Wirtschaftsinformatik B (Vollzeitstudium) ein. Der Beklagte hob daraufhin den Bewilligungsbescheid mit Wirkung ab 01.09.2020 auf (Wegfall des Anspruchs nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II) und forderte gewährte Leistungen für die Zeit von September bis November 2020 zurück (Aufhebungsbescheid vom 12.11.2020 und Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23.11.2020). Die Bescheide sind bestandskräftig.
Mit E-Mail vom 02.01.2021 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, sie habe im Wintersemester mit einem Vollzeitstudium begonnen, jedoch sei ihre gesundheitliche Lage schlechter geworden. Nun werde sie ein Teilzeitstudium beginnen und dies mit Arbeitslosengeld II finanzieren, da das Teilzeitstudium nicht nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) förderungsfähig sei. Sie freue sich, wenn der Beklagte sie hierzu beraten könne.
Zum Sommersemester 2021 schrieb sich die Klägerin für ein Teilzeitstudium an der Fernuniversität H (Bachelor Rechtswissenschaften) ein und teilte dies dem Beklagten mit Schreiben vom 23.05.2021, beim Beklagten eingegangen am 27.05.2021, mit und beantragte gleichzeitig erneut die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Sie erklärte dazu, die Beantwortung der Frage, ob sie gesundheitlich in der Lage sei, eine Tätigkeit von mindestens drei Stunden täglich auszuführen, sei ein bisschen schwierig. Sie habe das Teilzeitstudium an der Fernuniversität begonnen, da sie leider keine Tätigkeiten vor Ort oder auch keine drei Stunden durchgängig absolvieren könne. Dies sei für sie nicht möglich, da sie eine Traumafolgenstörung habe und ihre Symptome unkontrolliert seien. Das Studium schaffe sie, da sie die Zeit selbstständig einteilen und auch Pausen machen könne, wenn sie diese benötige. Ebenso könne sie jederzeit Klausuren verschieben, falls es ihr zu viel werde. Bis wann das Studium dauere, sei nicht klar, jedenfalls mindestens fünf Jahre. Vorgelegt wurde ein Attest des ZfP (T, T1) vom 15.06.2021, wonach die Klägerin aufgrund ihrer psychischen Erkrankung, der damit verbundenen Symptomatik sowie des bestehenden Grades der Behinderung (GdB) von 40 v.H. ihr Studium aktuell nur in Teilzeit absolvieren könne. Unter dem 25.05.2021 bescheinigte T1, dass sich die Klägerin seit 02.12.2020 bis dato in stationärer Behandlung im ZfP befindet. Mit weiterer Bescheinigung vom 05.07.2021 teilten T und T1 mit, dass sich die Klägerin seit 02.12.2020 in stationärer Behandlung befinde. Eine Entlassung sei aktuell für Ende Juli 2021 geplant. Bei der Klägerin bestehe aufgrund der Schwere ihrer psychischen Symptomatik eine eingeschränkte Belastungsfähigkeit. Aus diesem Grund absolviere sie ihr Studium in Teilzeit. Dies schließe eine darüber hinausgehende Arbeitstätigkeit aus.
Mit Bescheid vom 12.07.2021 lehnte der Beklagte den Antrag vom 27.05.2021 ab, da wegen der Unterbringung in einer stationären Einrichtung von über sechs Monaten kein Anspruch bestehe (§ 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II). Soweit die Klägerin sich nicht mehr im ZfP aufhalten sollte, könne sie erneut einen Antrag stellen. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein, den sie nicht näher begründete und der mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2021 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestehe ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II. In der ärztlichen Bescheinigung der psychologischen Psychotherapeutin vom 05.07.2021 werde bestätigt, dass die stationäre Behandlung seit 02.12.2020 andauere und eine Entlassung voraussichtlich Ende Juli 2021 erfolge. Tatsächlich sei die Klägerin laut der Bescheinigung des ZfP vom 30.07.2021 zum 22.07.2021 entlassen worden. Der stationäre Aufenthalt habe daher demnach länger als sechs Monate gedauert.
Am 07.10.2021 erhob die Klägerin dagegen Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) (S 3 AS 2178/21). Die Klage wurde vom SG durch Urteil vom 16.09.2022 abgewiesen. Die dagegen zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhobene Berufung (L 9 AS 2923/22) nahm die Klägerin am 16.01.2023 zurück.
Am 23.07.2021 beantragte die Klägerin erneut Grundsicherungsleistungen und gab dazu an, durch ihre Erkrankung keine Universität in Präsenz besuchen zu können. Momentan schaffe sie leider nicht mehr als ein Teilzeitstudium, welches nicht BAföG-förderungsfähig sei. Sie befinde sich in keiner stationären Einrichtung mehr. Hierzu legte die Klägerin eine Bescheinigung von T1 über den stationären Aufenthalt im ZfP vom 02.12.2020 bis 22.07.2021 vor.
Mit Bescheid vom 20.08.2021 lehnte der Beklagte auch diesen Antrag ab. Maßgebend sei die abstrakte Förderungsfähigkeit nach dem BAföG. Ein Student sei auch dann nach § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausgeschlossen, wenn er das Teilzeitstudium auch in Vollzeit absolvieren könne. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II seien nur gegeben, wenn der Studiengang von Beginn an und ausschließlich in Teilzeit absolviert werden könne. Der Studierende dürfe selbst keinen Einfluss nehmen können, ob er sein Studium in Teilzeit oder in Vollzeit durchführe. Die Absolvierung eines dem Grunde nach förderungsfähigem Vollzeitstudiums in Teilzeit stelle lediglich eine andere Ausbildungsmodalität dar. Studierende dürften sich nicht durch Reduzierung auf Teilzeit abstrakt den Förderungsmöglichkeiten nach dem BAföG entziehen und so den Anspruchsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II umgehen. Bei dem von der Klägerin durchgeführten Studiengang handle es sich um ein dem Grunde nach förderungsfähiges Vollzeitstudium, das diese in eigener Verantwortlichkeit nur in Teilzeit absolviere. Wenn ihre Erkrankung das Studium so beeinflusse, dass sie dieses nur in Teilzeit absolvieren könne, sei fraglich, ob eine Absolvierung in Teilzeit insgesamt zielführend sei. Gegen den Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, den sie nicht näher begründete. Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 07.10.2021 zurückgewiesen.
Am 14.10.2021 hat die Klägerin die vorliegende Klage beim SG erhoben (S 3 AS 2187/21) mit der Begründung, ihr Teilzeitstudium sei grundsätzlich nicht nach dem BAföG förderungsfähig, so dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 5 SGB II nicht vorlägen. Sie könne das Studium aufgrund ihrer psychischen Erkrankung nur in Teilzeit absolvieren.
Mit Urteil vom 16.09.2022 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 20.08.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2021 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ab dem 01.07.2021 zu gewähren.
Das SG hat zur Begründung ausgeführt:
„Leistungen nach diesem Buch erhalten nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Diese Voraussetzungen liegen vor. Das gilt auch für die Hilfebedürftigkeit. Die entsprechenden Ausführungen des Beklagten, welcher der Klägerin auch zuvor bei nicht erkennbar veränderten Einkommens- und Vermögensverhältnissen Leistungen gewährte, sieht das Gericht als spekulativ an. Darlehensweise Zahlungen wegen Ablehnung der Leistung durch den Grundsicherungsträger stehen bekanntlich der Hilfebedürftigkeit nicht entgegen (vgl. nur BSG, Urteil vom 8. Dezember 2020, B 4 AS 30/20 R, BSGE 131, 123 =SozR 4-4200 § 11 Nr. 89 - „Studienkredit“).
Dem geltend gemachten Anspruch auf Grundsicherungsleistungen steht nicht entgegen, dass die Klägerin nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II nicht leistungsberechtigt ist. Nach dieser Vorschrift besteht ein Ausschluss für Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist. In diesem Fall sind nur Leistungen nach § 27 SGB II (Mehrbedarfe, Darlehen bei besonderer Härte) möglich, die hier nicht streit gegenständlich sind. Einer der in § 7 Abs. 6 SGB II genannten Fälle, die eine (Rück)Ausnahme vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II begründen, liegt nicht vor.
Das Studium der Rechtswissenschaft an der Fernuniversität H ist in Vollzeit grundsätzlich nach dem BAföG förderungsfähig (https://www.fernuni-h.de/studium/kosten/bafoeg.shtml), wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen. Für das Tatbestandsmerkmal der Förderungsfähigkeit nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II kommt es nur darauf an, dass die Ausbildung dem Grunde nach gefördert werden kann, hingegen ist nicht von Belang, ob der Auszubildende individuell und konkret einen Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG hat (allgemeine Ansicht, vgl. nur BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016, B 14 AS 40/15 R, SozR 4-1500 § 75 Nr. 24, Rn. 23).
Indem sich die Klägerin für das Studium in Teilzeit immatrikuliert hat (vgl. LSG Land Nord-Rhein-Westfalen, Beschluss vom 14. August 2014, L 2 AS 1229/14 B ER, juris-Rn. 7), entfällt die Förderungsfähigkeit nach dem BAföG, denn diese setzt voraus, dass die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BAföG; vgl. Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 7 [Stand: 29. November 2021], Rn. 356). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Studierende aus krankheitsbedingten Gründen mit einem Teilstudium weitgehend und voll ausgelastet ist und individuell zu einem Vollzeitstudium gar nicht in der Lage ist. Denn der Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG betrifft nicht die Förderung im konkreten, sondern die abstrakte Förderungsfähigkeit (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. August 2014, L 18 AS 1672/13, juris-Rn. 19). Unerheblich ist im Fall der Klägerin, ob man für die Frage der Teilzeit jedes Semester gesondert oder das Studium insgesamt
betrachtet (vgl. hierzu Hessisches LSG, Beschluss vom 15. Dezember 2020, L 9 AS 535/20 B ER, juris-Rn. 27f), denn zumindest zum Beginn des Studiums und damit zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Beklagten ist die Klägerin in Teilzeit immatrikuliert und es ist auch nicht absehbar, dass sich diese im Laufe des Studiums ändern wird.
§ 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II regelt das Verhältnis von Studium und Leistungsfähigkeit abschließend und stellt dabei allein auf die Förderungsfähigkeit des Studiums nach dem BAföG ab, nicht auf die persönlichen Motive für die Studienwahl oder darauf, ob ein solches Studium im konkreten Fall erfolgreich beendet werden kann. Von Bedeutung sind auch keine übergeordneten sozialpolitischen Überlegungen, etwa ob beim Bezug von Grundsicherungsleistungen eine mittelbare Förderung des Studiums erfolgt oder die Dauer des Studiums einer raschen Eingliederung in den Arbeitsmarkt zuwiderläuft. Ebenfalls stellt die Vorschrift nicht darauf ab, ob der Leistungsempfänger auch neben dem in Teilzeit absolvierten Studium aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen noch in der Lage ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu werden. Bestehen Zweifel an seiner Erwerbsfähigkeit nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 SGB II, hat die Behörde nach
§ 44a SGB II vorzugehen; der Selbsteinschätzung der Klägerin zu ihrer Leistungsfähigkeit kommt dabei allenfalls mittelbare Bedeutung zu.
Damit steht einem Anspruch der Klägerin § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II nicht entgegen, wie dies in vergleichbaren Fällen bereits in der Rechtsprechung (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. November 2007, L 14 B 1224/07 AS ER [Teilzeitstudium nach unfallbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen], LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. August 2014, L 18 AS 1672/13 [Teilzeitstudium wegen Beeinträchtigungen durch Epilepsie]; Hessisches LSG, a.a.O.; Thüringer LSG, Beschluss vom 15. Januar 2007, L 7 AS 1130/06 ER [Teilzeitstudium wegen Kinderbetreuung]; im Beschluss des SG Konstanz vom 10. November 2020, S 3 AS 1898/20 ER, auf den sich der Beklagte stützt, waren die Ausführungen nicht tragend, sondern der Eilantrag hatte aus formellen Gründen Erfolg) und durchgehend in der Literatur (Geiger in: Münder/Geiger, SGB II, 7. Aufl. 2021, § 7 Rn. 193; Leopold, a.a.O.; Mushoff in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK Sozialrecht, § 7 SGB II Rn. 130; Valgolio in: Hauck/Noftz SGB II, § 7, Rn. 293) bejaht worden ist. Ob dies auch für den Fall eines aus willkürlichen Gründen auf Teilzeit reduzierten Studiums gilt (verneinend LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. September 2015, L 31 AS 2074/15 B ER, juris-Rn. 23 f, worauf sich der Beklagte stützt), ist zweifelhaft, kann aber offenbleiben, da dies nicht dem Fall der Klägerin entspricht. Ebenfalls nicht vergleichbar ist der Fall eines Urlaubssemesters (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 102/11 R, SozR 4-4200 § 7 Nr. 27, Rn. 17).
Leistungsbeginn ist bei Antragstellung am 23. Juli 2021 der Erste des Monats Juli (§ 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Die Wirkung des im Parallelverfahren S 3 AS 2178/21 angefochtenen Bescheides vom 12. Juli 2021 hat sich durch den danach ergangenen neuen Bescheid vom 20. August 2021 für den in diesem Bescheid geregelten Zeitraum nach § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch erledigt (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007, B 14/11b AS 59/06 R, NJW 2008, 2458; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007, B 8/9b SO 12/06 R, SozR 4-3500 § 21 Nr. 1). Da der Beklagte im Bescheid vom 20. August 2021 ausdrücklich den Antrag vom 23. Juli 2021 beschied, ist davon auszugehen, dass er auch die Zeit ab dessen Wirkung, also ab 1. Juli 2021, regeln wollte.
Über die Höhe des Anspruchs hat der Beklagte noch zu befinden; die gerichtliche Entscheidung ergeht als Grundurteil (§ 130 SGG).“
Gegen das dem Beklagten am 19.09.2022 gegen eEB zugestellte Urteil richtet sich die von diesem am 14.10.2022 beim SG eingelegte Berufung (L 9 AS 2924/22), mit welcher dieser seine bisherige Rechtsauffassung weiterverfolgt. Das Urteil des SG sei unzutreffend. Der Beklagte verweist hierzu auf Rechtsprechung, insbesondere den Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 29.09.2015 (L 31 AS 2074/15 B ER) und den Beschluss des SG Konstanz vom 10.11.2020 (S 3 AS 1898/20 ER). Entgegenstehende Rechtsprechung sei nicht einschlägig. Es sei nicht Sinn und Zweck der Grundsicherungsleistung, ein Studium auf zweiter Ebene zu fördern, und die Voraussetzung des BAföG dürften nicht umgangen werden. Sinn und Zweck der Leistungen nach dem SGB II sei es, den Leistungsberechtigten möglichst rasch in den Arbeitsmarkt einzugliedern und zu fördern, was bei einer bereits absehbaren Dauer des Studiums von mindestens fünf Jahren nicht der Fall sei. Vom Nachweis der Erfüllung von weiteren medizinischen Voraussetzungen werde abgesehen. Da die Klägerin von ihrem Pflegevater unterstützt werde, welcher ihr darlehensweise die Miete zahle, liege es nahe, dass sie das Studium mit seiner Hilfe fortsetzen könne, sodass die Hilfebedürftigkeit mindestens seit Juli 2021 in Frage gestellt sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16. September 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Ergänzend hat die Klägerin eine Immatrikulationsbescheinigung der Fernuniversität vom 23.07.2021 für das Wintersemester 2021/2022 (01.10.2021-31.03.2022) sowie einen Entlassbrief der L-Kliniken G vom 14.06.2022 über den dortigen stationären Aufenthalt in der Zeit von 19.04.2022 bis zum 08.06.2022 zur Kenntnisnahme vorgelegt.
Nach Mitteilung ihres Prozessbevollmächtigten hat die Klägerin das Teilzeitstudium Ende September 2022 beendet und betreibt seit 01.10.2022 ein Vollzeitstudium in A., für das sie BAföG bezieht. Sie ist ausweislich einer Meldebestätigung am 15.09.2022 nach A umgezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nur in geringem Umfang begründet.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 20.08.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.10.2021, durch den der Leistungsantrag vom 23.07.2021 mit Wirkung ab dem 01.07.2021 (vgl. § 37 SGB II) abgewiesen wurde. Mit Erlass des Ablehnungsbescheids vom 20.08.2021 endet der Zeitraum, für den die erste ablehnende Entscheidung vom 12.07.2021, die den Gegenstand des Parallelverfahrens L 9 AS 2923/22 bildet, Wirkung entfaltet (BSG, Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 59/06 R - juris Rn. 13; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.12.2019 - L 3 AS 97/19 - juris Rn. 24; zur Nichtanwendung des § 96 SGG für Folgezeiträume des Alg II, s. Urteile des BSG vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R -, 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R, 25/06 R - und vom 29.03.2007 - B 7b AS 4/06 R -). Zwar ist bei der Ablehnung von SGB II-Leistungen in der Regel über den geltend gemachten Anspruch bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG zu entscheiden (BSG, Urteil vom 16.05.2007 - B 11b AS 37/06 R - Rn. 15). Hier liegt der Fall jedoch anders. Auf den Folgeantrag der Klägerin vom 23.07.2021 hat der Beklagte mit dem Bescheid vom 20.08.2021 erneut die Leistungsgewährung verneint und damit den Zeitraum begrenzt, für den die erste ablehnende Entscheidung Wirkung entfaltet (BSG, Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 59/06 R - Rn. 13; zur Nichtanwendung des § 96 SGG für Folgezeiträume des Alg II, s. Urteile des BSG vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R -, 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R, 25/06 R - und vom 29.03.2007 - B 7b AS 4/06 R -). Letzteres würde auch dann gelten, wenn durch den neuen Bescheid eine alte - ablehnende - Rechtsauffassung lediglich bestätigt wird, was hier nicht der Fall ist, da die erste Ablehnung auf § 7 Abs. 4 SGB II (Ausschluss wegen stationären Aufenthalts) gestützt war und die vorliegende Ablehnung auf § 7 Abs. 5 SGB II (Ausschluss für Teilzeitstudium).
Das SG hat den Beklagten zu Recht zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dem Grunde nach verurteilt (§ 130 SGG). Wegen der weiteren Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend wird lediglich darauf hingewiesen, dass für das von der Klägerin aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen aufgenommene Teilzeitstudium an der Fernuniversität H (Rechtswissenschaften) nach der vom SG zutreffend in Bezug genommenen obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur die Förderungsfähigkeit nach § 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG entfällt mit der Folge, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II keine Anwendung findet und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren sind. Dies ist nicht nur in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt (vgl. zuletzt Hessisches LSG, Beschluss vom 15.12.2020 - L 9 AS 535/20 B ER - juris m.w.N.), sondern ergibt sich auch aus der – für Streitigkeiten nach dem BAföG zuständigen – verwaltungsgerichtlichen Judikatur. Danach erlaubt die Regelung in § 2 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG, wonach Ausbildungsförderung nur geleistet wird, wenn die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt, die Gewährung von Ausbildungsförderung nur für Ausbildungen in Vollzeitform (OVG Lüneburg, Urteil vom 24.10.2019 - 4 LC 238/16 - juris m.w.N.). Dass die Klägerin ein Teilzeitstudium an der Fernuniversität H zum 01.04.2021 aufgenommen hat, ist nach ärztlicher Auskunft ihrem Gesundheitszustand, der ein Vollzeitstudium oder eine Vollzeittätigkeit nicht zugelassen hätte, geschuldet und steht daher für den Senat fest. Insoweit macht es keinen Unterschied, ob das Studium – wie hier – gesundheitsbedingt von vornherein nur in Teilzeit betrieben oder aber nachträglich auf diesen Umfang reduziert wird. Eine Umgehung des Anspruchsausschlusses nach § 7 Abs. 5 SGB II ist darin nicht zu erkennen. Etwaigen Zweifeln an der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit im Hinblick auf einen erfolgreichen Studienabschluss oder gar an der Erwerbsfähigkeit wäre über das Verfahren nach § 44a SGB II, nicht aber durch einen Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nachzugehen (gewesen).
Hinsichtlich des Leistungszeitraums besteht allerdings entgegen der Entscheidung des SG für die Zeit des stationären Aufenthalts der Klägerin in einer psychiatrischen Klinik ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB bis einschließlich 22.07.2021, der auch durch die Antragsrückwirkung nach § 37 Abs. 2 SGB II nicht überwunden wird. Da die Klägerin das Teilzeitstudium ausweislich einer Immatrikulationsbescheinigung der Fernuniversität vom 23.07.2021 im Wintersemester 2021/2022 (01.10.2021-31.03.2022) fortgeführt und erst Ende September 2022 zugunsten der Aufnahme eines Vollzeitstudiums beendet hat, besteht die Anspruchsberechtigung nach dem SGB II dem Grunde nach bis dahin. Allerdings ist die örtliche Zuständigkeit des Beklagten nach § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB II durch den Umzug nach A lediglich bis zum 14.09.2022 begründet. Dem trägt die Entscheidung des Senats Rechnung.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.