S 4 EG 4/20

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 EG 4/20
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Einnahmen während des Bezugs von Elterngeld sind gem. § 3 Abs. 1 S. 2 BEEG hierauf taggenau, nicht in Bezug auf den jeweiligen Gesamtlebensmonat des Kindes anzurechnen; entsprechend reduzieren die tagesbezogenen Einnahmen nur das rechnerisch zu ermittelnde Elterngeld für den jeweiligen Tag, so dass das Elterngeld für die übrigen Tage ohne Einnahmen ungeschmälert zu zahlen ist.


1.    Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 8. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.November 2020 für den 11. Lebensmonat seines Kindes B. Elterngeld in Höhe von 322,30 EUR zu zahlen.

2.    Der Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger zustehenden Elterngeldes für den 11. Lebensmonat seines 2018 geborenen Kindes B. A.

Auf den Antrag des Antragstellers gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 5. April 2019 dem Kläger antragsgemäß Elterngeld Plus für den Zeitraum des 11. bis 18. Lebensmonat seines vorbenannten Kindes und zwar i.H.v. monatlich 402,87 EUR als vorläufige Leistung unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Dem folgte die endgültige Festsetzung des Elterngeldes durch Bescheid vom 8. Juni 2020; für den 12. bis 18. Lebensmonat verblieb es bei dem zuvor bezifferten Betrag, allerdings wurde für den 11. Lebensmonat lediglich der Mindestbetrag des Elterngeld Plus von 150 EUR festgesetzt. Dies beruht auf dem Umstand, dass der Kläger einen Arbeitsunfall erlitten und für die Zeit vom 4. bis 9. April 2019 – also während des 11. Lebensmonats seines Kindes – Verletztengeld in Höhe von täglich 54,23 EUR, insgesamt also 325,38 EUR erhalten hatte. Diesen Betrag rechnete der Beklagte auf die zustehenden Elterngeldleistungen dieses Lebensmonats an, so dass sich der Anspruch des Klägers auf den Mindestbetrag von 150 EUR reduzierte.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2020 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass auf Elterngeldleistungen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 BEEG Entgeltersatzleistungen anzurechnen seien. Entsprechend sei im 11. Lebensmonat bezogenes Verletztengeld auf den Elterngeldanspruch anzurechnen, was zu der entsprechenden Reduzierung führe.

Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2020, der am selben Tag bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen ist, hat der Kläger Klage erhoben und macht weiterhin einen erhöhten Elterngeldanspruch für den 11. Lebensmonat seines Kindes geltend. Zur Begründung formuliert er grundsätzliche Erwägungen zur Elterngeldsystematik und den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Sozialleistungssystem. Zudem verweist er auf § 3 Abs. 1 S. 2 BEEG, wonach Entgeltersatzleistungen für einen nur beschränkten Teil eines Lebensmonats auch nur auf den entsprechenden Anteil des Elterngeldes angerechnet werden dürften.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 8. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2020 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm auch für den 11. Lebensmonat seines Kindes B. Elterngeld in Höhe von 322,30 EUR zu zahlen.

Die Beklagtenvertreterin beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung beruft er sich auf die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

1. Zunächst ist festzuhalten, dass die grundsätzliche Berechnung des dem Kläger zustehenden Elterngeldes für den Zeitraum des 11.-18. Lebensmonat seines Kindes zwischen den Beteiligten nicht in Streit steht. Umstritten ist lediglich die Frage, ob und in welcher Art und Weise das von dem Kläger bezogene Verletztengeld im April 2019 auf seinen Elterngeldanspruch anzurechnen ist.

2. Weiterhin bestehen nach Auffassung der Kammer gegen die Anrechnung des dem Kläger gezahlten Verletztengeldes keinerlei Bedenken. Eine solche Anrechnung hat der Gesetzgeber ausdrücklich in § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BEEG normiert, ohne dass hiergegen verfassungsrechtliche Bedenken bestünden oder gar durchgreifend sein könnten.

3. Nun hat der Beklagte die Anrechnung derart vorgenommen, dass er die Verletztengeldleistungen, die lediglich für sechs Tage des 11. Lebensmonats des Kindes des Klägers erfolgt sind, nämlich für den Zeitraum vom 4. bis 9. April 2019, in ihrem Gesamtbetrag auf die entsprechende Gesamtsumme des Elterngeldanspruches dieses Lebensmonats angerechnet hat. Dies führte dann folgerichtig zu einem rechnerischen Restbetrag von
                    402,87 EUR - 325,38 EUR = 77,49 EUR,
was wiederum für ebenjenen Lebensmonat (nur) das Mindestelterngeld Plus von 150 EUR zur Folge hatte (§ 4 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 a.F. i.V.m. § 2 Abs. 4 S. 1 BEEG). 

a) Dieses Vorgehen ist jedoch mit den gesetzlichen Vorgaben in § 3 Abs. 1 S. 2 BEEG nicht vereinbar. Denn diese Norm macht nach dem Willen des Gesetzgebers eine „taggenaue Berechnung“, nicht eine monatsweise Betrachtung erforderlich (BT-Drs. 17/9841, S. 29). Dies entspricht auch grundsätzlich den Vorgaben in Abschnitt 3.1.2 der Richtlinien zum BEEG des BMFSFJ (im Folgenden nur: Richtlinien) und wird gerichtsbekannt entsprechend dem hier zu findenden Berechnungsbeispiel seitens des Beklagten für das Mutterschaftsgeld regelmäßig so angewandt; dies hat auch die Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Da der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 S. 2 BEEG in Bezug auf diese taggenaue Berechnung aber nicht zwischen den verschiedenen Einkommensarten aus § 3 Abs. 1 S. 1 BEEG differenziert hat, ist sie auch auf das Verletztengeld als Einkommensart gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BEEG anzuwenden.

b) Nach dem Berechnungsbeispiel in Abschnitt 3.2.1 der Richtlinien soll die somit erforderliche taggenaue Anrechnung dergestalt vorgenommen werden, dass der Bruchteil des jeweiligen Monats, für den die Einnahmen erzielt werden, mit dem Gesamtbetrag der erzielten (Ersatz)Einnahmen multipliziert und der sich daraus ergebende Bruchteilsbetrag dann insgesamt auf den Gesamtbetrag des jeweiligen Elterngelds des betreffenden Lebensmonats angerechnet wird. Dies würde für den vorliegenden Fall bedeuten, dass der Verletztengeldbezug von sechs Tagen im 30 Tage umfassenden Monat April 2019 zu einem Faktor von 6/30 führte und somit 6/30 des Gesamtverletztengeldes, also
                     6/30 x 325,38 EUR = 65,12 EUR
auf den Gesamtbetrag des Elterngeldes für den 11. Lebensmonat anzurechnen wären, was zu einem Elterngeldanspruch von
                     402,87 EUR – 65,12 EUR = 337,75 EUR
führte.

c) Die Kammer hält diese Berechnungsmethode jedoch für nicht vereinbar mit dem Wortlaut von § 3 Abs. 1 S. 2 BEEG. Dieser lautet (Hervorhebung nicht im Original): 
„Stehen der berechtigten Person die Einnahmen nur für einen Teil des Lebensmonats des Kindes zu, sind sie nur auf den entsprechenden Teil des Elterngeldes anzurechnen.“

Hiernach sind „die Einnahmen“ insgesamt, nicht deren Bruchteil, anzurechnen, allerdings nur auf den „entsprechenden Teil“ des Elterngeldes, also den Teil des Lebensmonats, für den die Ersatzeinnahme gezahlt worden ist, nicht den Gesamtmonat. Insofern hat die Bruchteilsberechnung genau umgekehrt zu dem Berechnungsbeispiel in den Richtlinien zu erfolgen. Daher ist zunächst zu berechnen, wie hoch der rechnerische Elterngeldanteil für den Bezugszeitraum des Verletztengeldes ist, hier also sechs Tage, nämlich
                   402,87 EUR x 6/30 = 80,57 EUR.

Auf diesen Betrag ist sodann das gesamte Verletztengeld i.H.v. 325,38 EUR anzurechnen, was zu einem vollständigen Wegfall des Elterngeldes für diese sechs Tage führt – freilich verbunden mit dem Vorteil, dass ein Großteil des erhaltenen Verletztengeldes anrechnungsfrei bleibt. Demnach steht dem Kläger im 11. Lebensmonat seines Kindes Elterngeld lediglich für 24 Tage, also
                   24/30 x 402,87 EUR = 322,296 ≈ 322,30 EUR
zu.

Entsprechend ist der Beklagte zur Gewährung dieses Betrages anstelle der lediglich gewährten 150 EUR zu verurteilen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Rechtskraft
Aus
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