§§ 198 ff. GVG i.d.F. des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV)
Etwaige in der Zeit zwischen März und Mai 2020 aufgetretene Phasen der gerichtlichen Inaktivität stellen regelmäßig keine dem Staat zuzurechnenden Verzögerungszeiten dar (Anschluss an BFH, Urteil vom 27.10.2021 – X K 5/20 – juris, Rn. 34 ff.). Für diesen Zeitraum ist regelmäßig davon auszugehen, dass Verzögerungen der Corona-Pandemie geschuldet sind, ohne dass sich dies unmittelbar den Akten entnehmen lassen muss. Dies gilt gleichermaßen für Verzögerungen, die im Sitzungsbetrieb aufgetreten sind, wie für solche im allgemeinen Geschäftsablauf.
Für Phasen der gerichtlichen Inaktivität ab Juni 2020 kann sich der Beklagte nicht mehr darauf berufen, dass diese auf Ursachen beruhen, die er weder beeinflussen kann noch sonst zu verantworten hat.
Das Entschädigungsgericht ist nicht gehindert, gerichtliche Inaktivität in Monaten anzunehmen, die ein Kläger selbst nicht als Verzögerungsmonate gerügt hat.
Die Entscheidung, welche konkreten Monate innerhalb einer Instanz zur Annahme unangemessener Verfahrensdauer führen, berührt lediglich ein Begründungs-/Berechnungselement, betrifft aber nicht den Klagegrund und ändert damit nicht den Streitgegenstand.
Hat ein Kläger sich im Hinblick auf die Regelung des § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG zulässigerweise darauf beschränkt, eine Mindestforderung geltend zu machen, steht es dem Entschädigungsgericht zwar frei, eine über der Mindestforderung liegende Entschädigung zuzusprechen, weil der gesetzlich vorgesehene Pauschalbetrag unzureichend erscheint. Nicht hingegen kann es eine höhere Entschädigung auf eine weitergehende als vom Kläger beklagte Verzögerung stützen (Anschluss an BFH, Urteile vom 12.08.2017 – X K 3-7/16 – Rn. 48 ff. und vom 29.11.2017 – X K 1/16 – Rn. 47, juris).
Prozesszinsen sind in analoger Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB ab dem auf den Eintritt der Rechtskraft folgenden Tag zu zahlen.
Wird im Hinblick auf die Regelung des § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG eine Mindestforderung geltend gemacht, ist der Streitwert in Höhe der angegebenen Mindestforderung festzusetzen.
Der Kläger begehrt die Zahlung einer weiteren Entschädigung in Höhe von noch mindestens 300,00 € zzgl. Zinsen wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht B zuletzt unter dem Aktenzeichen S 201 AS 5133/18 WA geführten Verfahrens. Dem abgeschlossenen Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 30. November 2012 erhob der schon damals durch seinen jetzigen Bevollmächtigten vertretene Kläger Klage gegen das Jobcenter Berlin Friedrichshain-Kreuzberg (im Folgenden: JC) und begehrte im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Verurteilung des JC zur Gewährung von Arbeitslosengeld II für die erste Hälfte des Jahres 2012. Hintergrund hierfür war, dass das JC zunächst die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) mit der Begründung abgelehnt hatte, der über die griechische Staatsangehörigkeit verfügende Kläger habe allein zum Zwecke der Arbeitsuche ein Aufenthaltsrecht und sei daher vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Schließlich hatte es eine erneute Überprüfung dieses Bescheides unter Hinweis darauf, dass keine neue rechtlich relevante Beurteilung und damit keine Änderung der Sach- und Rechtslage vorliege, abgelehnt. Zugleich beantragte der Kläger bei Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Am 14. Dezember 2012 bestätigte das Sozialgericht den Eingang der Klage und forderte das JC zur Erwiderung und Aktenübersendung innerhalb eines Monats auf. Am 23. Januar 2013 ging die Klageerwiderung ein, die dem Bevollmächtigten zwei Tage später zur Stellungnahme innerhalb eines Monats zugeleitet wurde. Nachdem dieser am 12. Februar 2013 eine Erklärung des Klägers zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie am 11. März 2013 erbetene Kontoauszüge vorgelegt hatte, bewilligte das Sozialgericht mit Beschluss vom 12. März 2013 Prozesskostenhilfe. Am 19. März 2013 übersandte es diesen Beschluss und richtete zugleich eine konkrete Anfrage an den Bevollmächtigten. Dessen Erwiderung ging am 28. März 2013 bei Gericht ein und wurde dem JC am 08. April 2013 zur Stellungnahme zugeleitet. Dieses reagierte mit am 22. April 2013 eingehendem Schriftsatz, der dem Bevollmächtigten am Folgetag zur Kenntnisnahme zugeleitet wurde. Am 29. Mai 2013 fragte das Gericht bei den Beteiligten an, ob der Rechtsstreit im Hinblick auf die beim Bundessozialgericht unter den Aktenzeichen B 14 AS 16/13 R und B 4 AS 9/13 R anhängigen Revisionsverfahren zum Ruhen gebracht werden könne. Nachdem die Beteiligten sich Anfang Juni 2013 hiermit jeweils einverstanden erklärt hatten, ordnete das Gericht mit Beschluss vom 06. Juni 2013 im Hinblick auf die beiden vorgenannten Verfahren das Ruhen an. Mitte Dezember 2013 wurde das Verfahren als statistisch erledigt behandelt.
Nachdem das Sozialgericht den Beteiligten auf entsprechende Nachfrage Mitte Februar 2014 empfohlen hatte, bei Wegfall der Voraussetzungen des Ruhens einen Wiederaufnahmeantrag zu stellen, beantragte der Kläger am 06. Oktober 2015 unter Berufung auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum einen die Fortführung des Verfahrens, zum anderen dessen Aussetzung zur Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Artikel 100 des Grundgesetzes (GG). Mitte Oktober 2015 wurde daraufhin ein neues Aktenzeichen – S 201 AS 21114/15 WA – vergeben, den Beteiligten mitgeteilt und das JC zur Stellungnahme aufgefordert. Mit am 20. Oktober 2015 bei Gericht eingehendem Schriftsatz regte dieses an, das Verfahren im Hinblick auf weitere beim Bundessozialgericht anhängige Verfahren ruhen zu lassen. Der hierzu drei Tage später zur Stellungnahme aufgeforderte Bevollmächtigte beantragte daraufhin am 06. November 2015 das erneute Ruhen. Es schloss sich im November und Dezember 2015 ein Schriftwechsel zur Frage an, im Hinblick auf welches konkrete Verfahren das Ruhen angeordnet werden solle. Ferner beantragte der Bevollmächtigte am 11. Dezember 2015 die Beiladung des Sozialamtes, wozu das JC noch Ende Dezember 2015 Stellung nahm. Anfang Februar 2016 fragte das Gericht bei dem Bevollmächtigten an, ob an dem Ruhensantrag festgehalten werde, und forderte vom JC die - während des Ruhens zurückgesandten - Leistungsakten an. Nachdem sich der Bevollmächtigte geäußert hatte und dem Gericht ab 09. März 2016 die Akten des JC wieder vorlagen, übersandte es am 11. März 2016 ein am Vortag eingegangenes kurzes Schreiben des Bevollmächtigten dem JC zur Kenntnisnahme. Mit Beschluss vom 04. Mai 2016 lud es das durch das zuständige Sozialamt vertretene Land Berlin zum Verfahren bei und forderte den Bevollmächtigten am 12. Mai 2016 zur Stellungnahme zu konkret benannten Aspekten auf. Am 26. Mai 2016 ging eine Stellungnahme des Beigeladenen bei Gericht ein und wurde den übrigen Beteiligten am 01. Juni 2016 jeweils zur freigestellten Stellungnahme zugeleitet. Mitte Juni 2016 beantragte der Bevollmächtigte ergänzende Akteneinsicht. Die durch das Gericht grundsätzlich bewilligte Akteneinsicht wurde der Anfang Juli 2016 erscheinenden Rechtsanwältin mangels Vorlage einer Vollmacht nicht gewährt. Mitte Juli 2016 beantragte der Beigeladene, das Verfahren im Hinblick auf einen Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Mainz zum Ruhen zu bringen. Die am 21. Juli 2016 angeforderten Stellungnahmen der übrigen Beteiligten hierzu gingen am 28. Juli und 24. August 2016 bei Gericht ein. Eine vom JC in diesem Zusammenhang vorab erbetene Auskunft des Bevollmächtigten wurde Ende August 2016 nochmals ausdrücklich angefordert und ging schließlich am 26. September 2016 bei Gericht ein. Das JC stimmte daraufhin ebenfalls dem Ruhen des Verfahrens zu. Mit Beschluss vom 26. Oktober 2016 ordnete das Sozialgericht sodann erneut das Ruhen des Verfahrens – nunmehr im Hinblick auf das beim Bundesverfassungsgericht zum Aktenzeichen 1 BvL 4/16 anhängige Verfahren – an. Nachdem Ende Oktober/Anfang November 2016 die bereits im Sommer durch den Bevollmächtigten beantragte ergänzende Akteneinsicht tatsächlich erfolgt war, wurde das ruhende Verfahren am 05. Mai 2017 erneut statistisch erledigt und die Sache weggelegt.
Am 29. März 2018 ging eine Sachstandsanfrage des Bevollmächtigten bei Gericht ein, woraufhin das Gericht Anfang April auf das Ruhen und die statistische Erledigung verwies. Auf den daraufhin am 23. April 2018 eingehenden Antrag wurde das Verfahren wieder aufgenommen, am 07. Mai 2018 das neue Aktenzeichen S 201 AS 5133/18 WA vergeben und den Beteiligten am 09. Mai 2018 mitgeteilt. Ferner forderte das Gericht den Bevollmächtigten auf, zu den bereits Anfang Mai 2016 aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen. Am 18. Juni 2018 erinnerte das Gericht ihn an die Erledigung, woraufhin seitens der Kanzlei unter Berufung auf die Erkrankung des Bevollmächtigten um Fristverlängerung bis Mitte September 2018 gebeten wurde. Am 11. September 2018 ging die ausführliche Stellungnahme ein und wurde den übrigen Beteiligten am Folgetag übersandt. Zugleich wurden diese jeweils um Aktenübersendung gebeten und wurde eine den Kläger betreffende Meldeauskunft eingeholt. Kurz darauf gingen die Leistungsakten des JC ein. Am 24. September 2018 richtete das Sozialgericht nochmals eine Anfrage an den Bevollmächtigten. Ende Oktober 2018 bat dieser um Fristverlängerung um einen Monat. Am 29. November 2018 traf seine Stellungnahme bei Gericht ein und wurde den übrigen Beteiligten am 11. Dezember 2018 zur Kenntnisnahme übersandt. Zugleich verfügte das Gericht den Vorgang in das Entscheidungsfach.
Auf eine Sachstandsanfrage des Bevollmächtigten vom 19. März 2019 reagierte das Gericht drei Tage später.
Mitte Dezember 2019 versuchte das Gericht, telefonisch mit dem Bevollmächtigten einen Termin für den 11. Februar 2020 abzustimmen. Dies scheiterte an dessen Verhinderung am 11. Februar 2020.
Am 04. Februar 2020 erkundigte der Bevollmächtigte sich nach dem Sachstand, woraufhin das Gericht zwei Tage später auf die gescheiterte Terminsabstimmung verwies und ankündigte, die Sache für den nächsten Termin mit dem beteiligten JC zu laden.
Mit Schreiben vom 16. März 2021 erhob der Bevollmächtigte Verzögerungsrüge.
Am 19. Mai 2021 beraumte das Gericht Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 22. Juni 2021 an, ordnete das persönliche Erscheinen des Klägers an und lud die Beteiligten am 26. Mai 2021 zu diesem Termin. Am 03. Juni 2021 beantragte der Bevollmächtigte wegen Ortsabwesenheit des Klägers Terminsverlegung. Nach entsprechender Abklärung mit dem Bevollmächtigten, hob das Gericht die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers auf. Am 22. Juni 2021 fand vor dem Sozialgericht der Termin zur mündlichen Verhandlung statt. Mit Urteil vom selben Tag verurteilte das Sozialgericht den Beigeladenen zur Leistungsgewährung. Die schriftlichen Urteilsgründe wurden dem Bevollmächtigten am 30. Juni 2021, den übrigen Beteiligten am 28. Juni bzw. 01. Juli 2021 zugestellt.
Im August 2021 machte der Kläger – vertreten durch seinen Bevollmächtigten – beim Beklagten außergerichtlich einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 1.400,00 € geltend. Dabei ging er von Phasen der gerichtlichen Inaktivität von Februar 2019 bis Januar 2020 (12 Kalendermonate) und von April 2020 bis Mai 2021 (14 Kalendermonate) aus. Der Präsident des Sozialgerichts Berlin brachte daraufhin unter dem 08. September 2021 sein Bedauern über die eingetretene Verzögerung zum Ausdruck und erkannte einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 900,00 € an. Zu Recht gehe der Kläger davon aus, dass das Verfahren zwischen Februar und November 2019 (10 Monate) sowie von Juni 2020 bis April 2021 (11 Monate) nicht bearbeitet worden sei. Nicht hingegen liege zwischen Dezember 2019 und Februar 2020 eine dem Land zurechenbare Verzögerung vor. Das Gericht habe die Sache laden wollen, was an einer Verhinderung der Klägerseite gescheitert sei. Die von März bis Mai 2020 eingetretene Verzögerung sei dem Land ebenso wenig zuzurechnen. In dieser Zeit habe der Gerichtsbetrieb infolge pandemiebedingter Einschränkungen auf das Notwendigste beschränkt bleiben müssen. Aufgrund dringlicher Aufforderung der Gerichtsverwaltung hätten in den Folgewochen lediglich eilige Rechtssachen zur Entscheidung gebracht werden können. Das richterliche Ermessen, die Entscheidung im Ausgangsverfahren aufzuschieben, sei insoweit nicht zu beanstanden. Im Folgenden schloss sich der Bevollmächtigte dieser Argumentation bzgl. der Monate Dezember 2019 bis Februar 2020 an, nicht hingegen mit Blick auf die Monate März bis Mai 2020.
Am 20. Dezember 2021 hat der Kläger Entschädigungsklage erhoben und eine Entschädigung in Höhe mindestens weiterer 300,00 € sowie (zunächst) von 159,94 € für die außergerichtliche Geltendmachung des Anspruchs jeweils zzgl. Zinsen begehrt. Letztgenannten Anspruch hat er im Folgenden ausdrücklich zurückgenommen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass allein streitig sei, ob die "Schließung" des Sozialgerichts Berlin von März bis Mai 2020 eine unangemessene Verzögerung begründe oder von ihm hinzunehmen sei. Letzteres sei nicht der Fall. Bundesweit seien alle Sozialgerichte bereit und in der Lage gewesen, den Gerichtsbetrieb und damit den Zugang zum Recht aufrechtzuerhalten. Es sei unhaltbar, dass die Gerichtsverwaltung unabhängigen Richtern und Richterinnen habe vorschreiben können, über drei Monate hinweg untätig zu bleiben. Dies entspreche einer inakzeptablen Aufhebung der Unabhängigkeit der Richter und Richterinnen, wobei es erschreckend sei, dass dies offenbar ohne jeden erkennbaren Widerspruch möglich gewesen sei. Es sei nicht ersichtlich, warum die Sache nicht zumindest so bearbeitet worden sei, dass sie unmittelbar nach der "Schließung des Gerichts" hätte terminiert werden können. Die Zeit des Home-Office hätte zur Arbeit genutzt werden können. Es sei zu klären, was die für den Rechtsstreit zuständige Kammer bzw. deren Vorsitzenden daran gehindert habe, das Verfahren in der Zeit von März bis Mai 2020 zu betreiben. Durch den Wegfall sämtlicher Präsenztermine seien sogar Arbeitskapazitäten freigesetzt worden. Das dreimonatige Herunterfahren des Dienstbetriebes von März bis Mai 2020 könne nicht als unbeeinflussbares Ereignis gewertet werden. Es handele sich vielmehr um eine bewusste Entscheidung der Gerichtsverwaltung. Angesichts der vorsätzlichen Verfahrensverzögerung und der fehlenden Einsicht des Beklagten erschienen diesbezüglich sogar 200,00 € Entschädigung je Monat angemessen. Falls die Einstellung des Sitzungsbetriebs nicht auf eine Anweisung, sondern eine Empfehlung zurückgehe, frage sich erst recht, warum die Kammer nicht terminiert habe. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27. Oktober 2021 (X K 5/20) sei - unabhängig davon, ob es überhaupt überzeugen könne – jedenfalls nicht übertragbar. Dort seien Verzögerungen im Sitzungsbetrieb als nicht vorwerfbar eingestuft worden. Vorliegend gehe es aber um völlige Untätigkeit, die unabhängig von der Pandemie vorgelegen habe. Ggfs. könne das Gericht eine Verurteilung des Beklagten aber selbstverständlich auch auf andere als die Monate März bis Mai 2020 stützen, in denen es zu gerichtlicher Inaktivität gekommen sei.
Der Kläger beantragt inzwischen noch,
den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht B zuletzt unter dem Aktenzeichen S 201 AS 5133/18 WA geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe weiterer mindestens 300,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 20. Dezember 2021 zu zahlen.
Der Beklagte, dem die Klage am 17. Januar 2022 zugestellt worden ist, beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, dass dem Kläger keine weitergehende Entschädigung zustehe. Eine Entschädigung für die Verfahrensverzögerung in den Monaten März bis Mai 2020 scheide aus. Die pandemiebedingten Einschränkungen am Sozialgericht seien nicht dem Beklagten anzulasten. Die Pandemie habe von außen auf die Gerichte und die Beteiligten eingewirkt. Für eine Entschädigung in Höhe von 200,00 € pro Monat bestehe daher kein Anlass. Das vom Kläger insinuierte vollständige Erliegen des Gerichtsbetriebes sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Gerade zu Beginn des Jahres 2020 habe jedoch eine weitreichende Unsicherheit über einen sinnvollen Umgang mit der Pandemie geherrscht, die dem Beklagten nicht angelastet werden könne. Das Sozialgericht B möge eher zu den "vorsichtigeren" Gerichten gehört haben. Es sei allerdings von einem weiten Beurteilungsspielraum der Gerichtsverwaltungen und der Richterinnen und Richter, denen lediglich empfohlen worden sei, von der Durchführung von Sitzungen Abstand zu nehmen, im Hinblick auf die gebotenen Maßnahmen auszugehen. Das weitgehende Herunterfahren des Dienstbetriebs sei ganz klar von diesem Beurteilungsspielraum gedeckt. Es sei selbsterklärend, dass dies zu einem Bearbeitungsrückstau bei sämtlichen und nicht nur den aktuell terminierten oder bearbeiteten Verfahren geführt habe. Es könne daher auch nicht auf einen strikten Kausalitätsnachweis in jedem einzelnen Verfahren dahingehend ankommen, dass pandemiebedingte Einschränkungen einen konkreten Verfahrensschritt aus der Akte ersichtlich hinderten. Soweit es möglicherweise in anderen als von dem Kläger geltend gemachten Monaten zu gerichtlicher Inaktivität gekommen sei, könne eine Verurteilung nicht darauf gestützt werden. Es handele sich insoweit um einen anderen Streitgegenstand. Selbst wenn man dies anders sehen wolle, sei hier das vorprozessuale Verfahren zu beachten, in dessen Verlauf der Bevollmächtigte des Klägers sich bzgl. der Monate Dezember 2019 bis Februar 2020 ausdrücklich der Argumentation des Präsidenten des Sozialgerichts B angeschlossen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
A. Die auf Gewährung einer Entschädigung gerichtete Klage ist zulässig.
I. Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Nach § 202 Satz 2 SGG i.V.m. § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG ist für die Entscheidung über die Entschädigungsklage das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zuständig.
II. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft und unter Wahrung der maßgeblichen Formvorschriften und Fristen (§ 90 SGG und § 198 Abs. 5 Satz 1 und 2 GVG) erhoben. Insbesondere wurde sie nach Zustellung der Entscheidungsgründe des Ausgangsverfahrens beim Bevollmächtigten des Klägers am 30. Juni 2021 (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunktes: BSG, Urteil vom 12.12.2019 – B 10 ÜG 3/19 R – juris, Rn. 20) am 20. Dezember 2021 und damit noch innerhalb der Sechsmonatsfrist (vgl. § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG) beim Landessozialgericht anhängig gemacht. Dass sie dem Beklagten erst nach Fristablauf, nämlich am 17. Januar 2022 zugestellt wurde, ist insoweit unerheblich. Denn maßgeblich für die Einhaltung der Klagefrist ist der Eingang der Klage beim Entschädigungsgericht (BSG, Urteil vom 17.12.2020 – B 10 ÜG 1/19 R – juris, Rn. 16 m.w.N.).
III. Auch steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, dass der Kläger mit dieser die Höhe der - ihm nach seiner Ansicht auch für die Monate März bis Mai 2020 zustehenden - Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt und insoweit lediglich eine Mindestforderung in Höhe des gesetzlich vorgesehenen Pauschbetrages von monatlich 100,00 € gefordert hat, tatsächlich jedoch meint, dass ihm monatlich 200,00 € zustehen. Jedenfalls für diese Fallkonstellation ist es nach übereinstimmender Auffassung der Bundesgerichte, der der Senat sich anschließt, zulässig, eine Mindestforderung zu formulieren (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.2018 – B 10 ÜG 4/16 R – Rn. 14, BGH, Urteil vom 23.01.2014 – III ZR 37/13 – Rn. 56, BVerwG, Urteil vom 26.02.2015 – 5 C 5/14 D – Rn. 15 sowie BFH, Urteile vom 12.07.2017 – X K 3-7/16 – Rn. 27 und vom 29.11.2017 – X K 1/16 – Rn. 23, alle zitiert nach juris).
B. Auch ist die - nach § 200 S. 1 GVG zu Recht gegen das Land Berlin gerichtete -Entschädigungsklage im Wesentlichen begründet. Der Kläger hat wegen des aufgrund der unangemessenen Verfahrensdauer erlittenen immateriellen Nachteils Anspruch auf Gewährung einer – über die vom Beklagten bereits in Höhe von 900,00 € gezahlte Entschädigung hinausgehende – Entschädigung in Höhe weiterer 300,00 €. Zwar geht der Senat davon aus, dass das Verfahren tatsächlich im Umfang von vier weiteren Monaten entschädigungspflichtig verzögert ist. Mit Blick auf die erhobene Klageforderung sieht er sich indes in der vorliegenden Fallkonstellation daran gehindert, eine über die Mindestforderung hinausgehende Entschädigung zuzusprechen.
Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 Satz 2 GVG). Eine Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG).
I. An der ordnungsgemäßen Erhebung einer Verzögerungsrüge bestehen vorliegend keine Zweifel. Seitens des Klägers wurde eine solche am 16. März 2021 an das Gericht herangetragen. Das Verfahren war zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehr als zwei Jahren als entscheidungsreif eingestuft. Unabhängig davon, ob tatsächlich in allen Monaten ab Dezember 2018 von einer dem Beklagten anzulastenden Verzögerung auszugehen ist, bestand im März 2021 jedenfalls durchaus Anlass zu der Annahme, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit zum Abschluss gebracht wird.
II. Auch weist das Verfahren eine unangemessene Dauer auf und dies in weitergehendem Umfang als vom Beklagten anerkannt.
Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG kommt es für die Beurteilung der Verfahrensdauer auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter sowie die Schwierigkeit, Komplexität und Bedeutung des Verfahrens an.
1. Zur Überzeugung des Senats hatte das Verfahren für den Kläger, der im streitgegenständlichen Ausgangsverfahren als griechischer Staatsangehöriger im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens einen Anspruch auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen für das erste Halbjahr 2012 verfolgte, mindestens durchschnittliche Bedeutung. Denn existenzsichernden Leistungen ist regelmäßig eine überdurchschnittliche Bedeutung für ihren Empfänger beizumessen (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/14 R – juris, Rn. 39), da ggf. Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts im Existenzminimumsbereich fehlen und durch Einsparmaßnahmen bzw. die Aufnahme privater Darlehen kompensiert werden müssen (BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R –, juris, Rn. 29). Allerdings hat der Senat in seine Bewertung auch einbezogen, dass zur Bedeutung der Sache im Kontext des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz maßgeblich das Interesse des Betroffenen gerade an einer raschen Entscheidung beiträgt und deshalb auch entscheidend ist, ob und wie sich der Zeitablauf nachteilig auf die Verfahrensposition eines Klägers und das geltend gemachte materielle Recht sowie möglicherweise auf die weiteren geschützten Interessen auswirkt (BSG, Urteile vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 2/13 -, Rn. 29, - B 10 ÜG 9/13 R -, Rn. 31, - B 10 ÜG 12/13 R -, Rn. 35, - B 10 ÜG 2/14 R -, Rn. 38, vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 7/14 R -, Rn. 30 sowie vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R -, Rn. 34, jeweils zitiert nach juris). Diesbezüglich drohte jedoch für den Kläger keinerlei Rechtsverlust. Im Übrigen war der Zeitraum, für den Leistungen begehrt wurden, bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung abgeschlossen. Schließlich kam dem Rechtsstreit für die Allgemeinheit keinerlei Bedeutung zu.
Zugleich wies das Verfahren eine überdurchschnittliche Schwierigkeit auf. Die Frage, ob erwerbsfähigen Unionsbürgern Leistungen nach dem SGB II oder hilfsweise dem Zwölften Sozialgesetzbuch zustehen, ist rechtlich sehr anspruchsvoll und war jedenfalls während weiter Abschnitte des Ausgangsverfahrens obergerichtlich nicht geklärt, was letztlich zur Anordnung des Ruhens im Hinblick auf erwartete Entscheidungen des Bundessozialgerichts, des Europäischen Gerichtshofs sowie des Bundesverfassungsgerichts führte. Ab Einstufung der Sache als entscheidungsreif dürfte die Rechtslage indes als im Wesentlichen geklärt anzusehen gewesen sein.
Schließlich war das Verfahren von durchschnittlicher Komplexität. Zwar waren keine Ermittlungen – insbesondere nicht auf medizinischem Gebiet – erforderlich. Umgekehrt trugen die wiederholten Ruhensanordnungen sowie die Beiladung des Trägers der Sozialhilfe zur Komplexität bei.
2. Für die Entscheidung, ob eine überlange Verfahrensdauer vorliegt, sind aktive und inaktive Zeiten der Bearbeitung gegenüberzustellen. Dabei sind dem Ausgangsgericht gewisse Vorbereitungs- und Bedenkzeiten, die regelmäßig je Instanz zwölf Monate betragen, als angemessen zuzugestehen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte als begründet und gerechtfertigt angesehen werden können. Angemessen bleibt die Gesamtverfahrensdauer in Hauptsacheverfahren regelmäßig zudem dann, wenn sie den genannten Zeitraum überschreitet, aber insoweit auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht oder durch Verhalten des Klägers oder Dritter verursacht wird, die das Gericht nicht zu vertreten hat (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – juris, Rn. 33, 54 f.). Bedeutsam ist dabei, dass das Handeln des Ausgangsgerichts keiner rechtlichen Vollkontrolle zu unterziehen ist und die Prozessordnung dem Ausgangsgericht ein weites Ermessen bei seiner Entscheidung darüber einräumt, wie es das Verfahren gestaltet und leitet (BSG, Urteile vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 2/13 R - juris, Rn. 36 und vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R –, juris, Rn. 31). Bei der Beurteilung der Prozessleitung des Ausgangsgerichts hat das Entschädigungsgericht daher die materiell-rechtlichen Annahmen, die das Ausgangsgericht seiner Verfahrensleitung und –gestaltung zugrunde legt, nicht infrage zu stellen, soweit sie nicht geradezu willkürlich erscheinen, und allein zu prüfen, ob das Ausgangsgericht bei seiner Prozessleitung Bedeutung und Tragweite des Menschenrechts aus Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) bzw. des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG in der konkreten prozessualen Situation hinreichend beachtet und fehlerfrei gegen das Ziel einer möglichst richtigen Entscheidung abgewogen hat (BSG, Urteile vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 2/13 R - Rn. 36, - B 10 ÜG 9/13 R - Rn. 39, - B 10 ÜG 12/13 R - Rn. 43 und – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 42, jeweils zitiert nach juris). Kleinste relevante Zeiteinheit im Geltungsbereich des Rechtsschutzes wegen überlanger Verfahrensdauer ist dabei stets der Kalendermonat (BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R – 2. Leitsatz und Rn. 34, vgl. auch Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R –, Rn. 29, - B 10 ÜG 9/13 R – Rn. 25, - B 10 ÜG 2/13 – Rn. 24, jeweils zitiert nach juris).
a) Übereinstimmend und insoweit zu Recht gehen die Beteiligten davon aus, dass es in dem im Dezember 2018 als entscheidungsreif eingestuften streitgegenständlichen Ausgangsverfahren zum einen von Februar bis November 2019 (10 Kalendermonate) und zum anderen von Juni 2020 bis April 2021 (11 Kalendermonate) zu Phasen gerichtlicher Inaktivität gekommen ist.
b) Unstreitig ist das Verfahren ferner auch in den Monaten März bis Mai 2020 nicht betrieben worden. Soweit indes der Kläger meint, es handele sich auch diesbezüglich um eine dem Beklagten anzulastende Verzögerung, folgt der Senat ihm nicht.
Bereits aus § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ergibt sich, dass für die Beurteilung der Verfahrensdauer u.a. das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter in den Blick zu nehmen ist. Anerkannt ist darüber hinaus, dass eine Verlängerung der Verfahrensdauer, die – über das Verhalten der Verfahrensbeteiligten oder Dritter hinaus – auf anderen Ursachen beruht, die das Gericht weder beeinflussen kann noch sonst zu verantworten hat, keine Entschädigungspflicht auslöst. Außerhalb des staatlichen Verantwortungs- und Einflussbereichs liegende Faktoren sind mithin entschädigungsrechtlich irrelevant (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.2022 – B 10 ÜG 2/20 R – juris, Rn. 42). Mit dem Bundesfinanzhof (BFH, Urteil vom 27.10.2021 – X K 5/20 - juris, Rn. 34 ff.) und dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 29.06.2021 – OVG 3 A 21/20 – nicht veröffentlicht) geht der Senat davon aus, dass zu Beginn der Corona-Pandemie eingetretene Verzögerungen wertungsmäßig außerhalb des staatlichen Verantwortungs- und Einflussbereichs lagen.
Am 11. März 2020 wurde der weltweite Ausbruch der durch das neue Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelösten Erkrankung COVID-19 von der Weltgesundheitsorganisation zur Pandemie erklärt. Es handelte sich insoweit um ein außergewöhnliches und in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beispielloses Ereignis. Angesichts der Gefahr der Ansteckung mit dem Coronavirus, der Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG vom 10.04.2020 - 1 BvQ 31/20 - juris, Rn. 13) haben der Bund und die Länder ab März 2020 durch Verordnungen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus und zum Schutz der Bevölkerung ergriffen. In den Gerichten kam es in diesem Zusammenhang zur Einrichtung eines Notbetriebs und - jedenfalls auf entsprechende dringende Empfehlungen der Gerichtsleitungen hin – vorübergehend zur (weitgehenden) Einstellung des Sitzungsbetriebs, bis Hygiene- und Schutzkonzepte erstellt und die zur möglichst weitgehenden Vermeidung von Infektionen erforderlichen Maßnahmen umgesetzt waren. Namentlich gehörten hierzu - zur Gewährleistung erforderlicher Mindestabstände und ausreichender Belüftung sowie im Interesse der Vermeidung des Zusammentreffens vieler Personen - räumliche und teils bauliche Anpassungen (z.B. Ausstattung mit Trennwänden) sowohl in den Sitzungssälen als auch in den Geschäftsstellen, bevor der reguläre Betrieb stufenweise wieder aufgenommen werden konnte. Auch wenn die konkreten Maßnahmen letztlich durch die Gerichtsleitungen angeordnet wurden, sind sie wertungsmäßig nicht dem Beklagten anzulasten. Vielmehr stellen sich die - unvorhersehbar erforderlich werdenden - pandemiebedingten Schutzmaßnahmen als unbeeinflussbares Ereignis dar (so auch BFH, Urteil vom 27.10.2021 – X K 5/20 - juris, Rn. 44 ff.). Dem Beklagten kann gerade kein Organisationsverschulden dahin vorgeworfen werden, dass er es versäumt hätte, die Gerichte so auszustatten, dass diese auch im Falle einer pandemischen Lage, die weder in ihrem Eintritt noch in ihren Wirkungen, geschweige denn im Hinblick auf die nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft gebotenen Gegenmaßnahmen vorhersehbar war, stets eine uneingeschränkte Rechtspflege sicherstellen können. Dabei ist auch zu beachten, dass staatlichen Stellen bei der Erfüllung ihrer Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein erheblicher Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukommt (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG vom 19.05.2020 – 2 BvR 483/20 - juris, Rn. 8). Eine Bewertung derartiger Schutzmaßnahmen als mögliche Ursache für eine unangemessene Dauer des Verfahrens i.S.d. § 198 GVG verbietet sich dem Entschädigungssenat. Ebenso scheidet eine an den konkreten Verhältnissen beim jeweiligen Gericht orientierte ex-post-Betrachtung aus, ob die ergriffenen Maßnahmen angemessen waren (vgl. BFH, Urteil vom 27.10.2021 – X K 5/20 - juris, Rn. 49 f.). Dass das Sozialgericht B bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung den ihm zustehenden Spielraum bei der Einschätzung der Gefahrenlage und der Gestaltung der als notwendig erachteten Maßnahmen überschritten hätte, als es den Schutz von Leib und Leben vorübergehend vor das Gebot des zügigen Rechtsschutzes gestellt hat, vermag der Senat nicht zu erkennen.
Da es indes dem Gericht und damit dem Staat auch obliegt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Verzögerungen auf ein Maß zu reduzieren, das dem Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit ausreichend Rechnung trägt (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.2022 – B 10 ÜG 2/20 R – juris, Rn. 43), kann dies selbstverständlich nur für eine Übergangszeit gelten. Der Senat sieht es insoweit regelmäßig als angemessen an, den Gerichten für die Dauer der ersten Corona-Welle eine dreimonatige Frist einzuräumen, um die im Interesse des Gesundheitsschutzes der Gerichtsangehörigen, aller übrigen Verfahrensbeteiligten und auch Besucherinnen und Besuchern gebotenen Maßnahmen umzusetzen. Er geht daher regelmäßig davon aus, dass etwaige zwischen März und Mai 2020 aufgetretene Verzögerungen, sei es im Sitzungsbetrieb, sei es im allgemeinen Geschäftsablauf, der Corona-Pandemie geschuldet sind, selbst wenn sich dies nicht unmittelbar den Akten entnehmen lässt, und dem Beklagten nicht anzulasten sind (so für den Sitzungsbetrieb auch BFH, Urteil vom 27.10.2021 – X K 5/20 - juris, Rn. 53 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.06.2021 - OVG 3 A 21/20 - nicht veröffentlicht, vgl. auch Urteile des Senats vom 20.01.2023 – L 37 SF 71/22 EK SO – sowie – L 37 SF 83/22 EK R – jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen).
Dass vorliegend anderes zu gelten hätte, vermag der Senat auch unter Berücksichtigung insbesondere des Streitgegenstandes im Ausgangsverfahren sowie der seinerzeitigen Dauer des Verfahrens nicht zu erkennen, zumal in diesem Verfahren - entgegen der Behauptung der Klägerseite - gerade nicht eine angeblich vollständige Untätigkeit des Gerichts zu bewerten ist, sondern allein das Unterbleiben der für die Förderung des Verfahrens gebotenen Ladung zum Termin in Rede steht.
c) Indes geht der Senat davon aus, dass es in dem streitgegenständlichen Verfahren in weiteren vier Monaten, nämlich im April 2016, Januar 2019 sowie Januar und Februar 2020 jeweils zu gerichtlicher Inaktivität gekommen ist. Gründe, in diesen Monaten von gerichtlicher Aktivität auszugehen, vermag er nicht zu erkennen.
(1) Mit Blick auf April 2016 ist zu beachten, dass im Februar und Anfang März 2016 jeweils sehr kurze Schriftsätze und – nach zwischenzeitlichem Ruhen des Verfahrens - die wieder angeforderten Verwaltungsakten eingegangen waren sowie zuletzt ein Dreizeiler des Bevollmächtigten an das JC zur Kenntnisnahme übersandt worden war, bevor das Gericht mit Beschluss vom 04. Mai 2016 das Sozialamt zum Verfahren beigeladen hat. Zwar ist davon auszugehen, dass die Übersendung eines Schriftsatzes, z.B. eines Gutachtens, einer gutachtlichen Stellungnahme oder auch der Berufungserwiderung an die Beteiligten zur Kenntnis stets die Möglichkeit zur Stellungnahme beinhaltet sowie die Entscheidung des Gerichts, im Hinblick auf eine mögliche Stellungnahme zunächst nicht weitere Maßnahmen zur Verfahrensförderung zu ergreifen, grundsätzlich noch seiner Entscheidungsprärogative unterliegt und - mit Ausnahme unvertretbarer oder schlechthin unverständlicher Wartezeiten - durch das Entschädigungsgericht nicht als Verfahrensverzögerung zu bewerten ist (BSG, Urteil vom 07.09.2017 - B 10 ÜG 1/16 R - juris, Rn. 43). Dies setzt jedoch voraus, dass es sich bei dem übersandten Schriftstück um ein solches von einigem Gewicht handelt. Dass vorliegend einer der Schriftsätze einen Umfang und/oder eine inhaltliche Bedeutung gehabt haben könnte, die beim Gericht eine Überlegungs- und damit Bearbeitungszeit ausgelöst hat oder eine inhaltliche Reaktion des JC auch nur als möglich erscheinen ließ, ist indes nicht ersichtlich.
(2) Gleiches gilt im Ergebnis bzgl. des Monats Januar 2019. Ende November 2018 war eine beim Bevollmächtigten angeforderte Stellungnahme eingegangen, in der er einen griechischen Kontoauszug sowie nach Kreta gebuchte Flüge für zwei Personen erläutert hatte. Am 11. Dezember 2018 war dieses Schreiben dem JC sowie dem inzwischen beigeladenen Land jeweils zur Kenntnisnahme übersandt und der Vorgang in das Sitzungsfach verfügt worden. Mit dieser Verfügung hat das Gericht letztlich selbst zum Ausdruck gebracht, dass es nicht mehr mit einer Erwiderung rechnete bzw. eine solche für seine Entscheidung bzgl. des weiteren Vorgehens nicht für wesentlich erachtete.
(3) Soweit die Beteiligten im vorprozessualen Verfahren zuletzt übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass die Monate Dezember 2019 bis Februar 2020 nicht als Phasen der gerichtlichen Inaktivität zu bewerten sind, folgt der Senat ihnen mit Blick auf die Monate Januar und Februar 2020 nicht. Im Dezember 2019 versuchte das Sozialgericht, mit dem Bevollmächtigten des Klägers einen Termin für Februar 2020 abzusprechen, hat mithin Ladungsbemühungen unternommen und war damit aktiv. Nicht mehr gilt dies jedoch für die Folgemonate. Selbst wenn im Dezember 2019 tatsächlich für Februar 2020 geladen worden wäre, wäre nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Januar 2020 als Zeit der gerichtlichen Inaktivität zu bewerten (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.2022 – B 10 ÜG 4/21 R – juris, Rn. 38). Dass anderes gelten sollte, wenn die Ladungsbemühungen erfolglos geblieben sind, ist nicht erklärbar. Im Gegenteil hat der erfolglose Versuch, im Dezember 2019 für Februar 2020 einen Termin abzustimmen, das Gericht nicht davon befreit, sich auch im Januar und/oder Februar 2020 um die Anberaumung eines solchen zu bemühen.
(4) Weitere Inaktivitätsmonate vermag der Senat indes nicht zu erkennen. Namentlich gilt dies für Januar 2016 und die Phasen, in denen das Verfahren ruhte. Mit Blick auf Januar 2016 ist zu beachten, dass das Verfahren nach zwischenzeitlichem Ruhen im Oktober 2015 wieder aufgenommen worden war und sich im Folgenden sowohl der Bevollmächtigte als auch das JC für die erneute Anordnung des Ruhens ausgesprochen hatten. Im November und Dezember 2015 war sodann Schriftwechsel zur Frage erfolgt, im Hinblick auf welches Verfahren das Ruhen angeordnet werden solle. Weiter war im Dezember 2015 vom Bevollmächtigten die Beiladung des Sozialhilfeträgers beantragt worden, was wiederum das JC für nicht erforderlich erachtet hatte. All dies hat beim Sozialgericht eine einmonatige Bearbeitungszeit ausgelöst, zumal die Anträge auch noch vor dem Hintergrund der Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom Dezember 2015 in Unionsbürgerfällen zu würdigen waren. Mit Blick auf das Ruhen ist zu beachten, dass dieses erstmalig mit Beschluss vom 06. Juni 2013 angeordnet worden war und auf Antrag des Bevollmächtigten im Oktober 2015 endete. Eines der Verfahren, im Hinblick auf die das Ruhen angeordnet worden war, hatte zwar bereits im Februar 2015 seinen Abschluss gefunden. Im anderen war die Sache jedoch im Dezember 2013 vom Bundessozialgericht dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt worden, der sodann im September 2015 entschied. Das erneute Ruhen war schließlich im Hinblick auf ein beim Bundesverfassungsgericht anhängiges Verfahren angeordnet worden, über das erst im Dezember 2019 entschieden wurde. Zu diesem Zeitpunkt war das Verfahren jedoch bereits auf entsprechenden Antrag seitens des Klägers wieder aufgenommen.
d) Dass die vorgenannten Monate seitens des Klägers nicht als Verzögerungsmonate geltend gemacht worden sind und sich sein Bevollmächtigter im vorprozessualen Verfahren sogar der Auffassung des Beklagten, die Monate Januar und Februar 2020 seien nicht als Phasen der gerichtlichen Inaktivität anzusehen, angeschlossen hat, steht zur Überzeugung des Senats der Berücksichtigung als Verzögerungszeit nicht entgegen.
Streitgegenstand ist vorliegend ein Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Dauer des vor dem Sozialgericht geführten Verfahrens. Selbst wenn sich ein Verfahren – anders als hier – über mehrere Instanzen hingezogen hat, ist anerkannt, dass ein Kläger oder eine Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf z.B. eine Tatsacheninstanz beschränken kann. Wird zunächst ein Anspruch nur aufgrund der Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens, mithin nur eine Teilklage erhoben und später eine Entschädigung auch mit Blick auf das Berufungsverfahren gefordert, handelt es sich um eine Klageänderung, da die Erweiterung des Klageanspruchs hinsichtlich der Entschädigungshöhe und des Klagegrundes um die tatsächlichen Geschehnisse des Ausgangsverfahrens in der Berufungsinstanz den Streitgegenstand ändern (BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 7/14 R - juris, Rn. 14). Soweit es jedoch darum geht, welche konkreten Monate innerhalb einer Instanz zur Annahme unangemessener Verfahrensdauer führen, steht nicht der Klagegrund in Frage, sondern ein Begründungs-/Berechnungselement (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.2022 – B 10 ÜG 2/20 R – juris, Rn. 24). Diesbezüglich ist der Senat indes nicht an den Vortrag der Beteiligten gebunden. So wenig er einen von diesen übereinstimmend als verzögert angesehenen Monat tatsächlich als Zeit der gerichtlichen Inaktivität zu bewerten hat, so wenig ist er daran gehindert, Verzögerungen in Zeiträumen anzunehmen, die diese selbst nicht als solche gerügt haben.
3. Es ist damit zur Überzeugung des Senats tatsächlich in 25 Kalendermonaten zu gerichtlicher Inaktivität gekommen. Abzüglich der den Gerichten regelmäßig zustehenden Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten, von der abzuweichen es hier keinen Anlass gibt, weist das streitgegenständliche Verfahren eine Überlänge von 13 Monaten auf. Hierdurch hat der Kläger einen Nachteil nicht vermögenswerter Art erlitten. Dies folgt bereits aus § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet wird, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Umstände, die diese gesetzliche Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen, sind nicht erkennbar und auch von dem Beklagten nicht vorgebracht worden.
4. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Absatz 4 GVG, insbesondere durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, sieht der Senat vorliegend nicht als ausreichend an (§ 198 Abs. 2 Satz 2 GVG). Eine derartige Kompensation kommt unter Würdigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 und Art. 41 EMRK nur ausnahmsweise in Betracht (vgl. BSG, Urteile vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - Rn. 45, vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R – Rn. 52 und – B 10 ÜG 12/13 R – Rn. 59 sowie vom 12.02.2015 - B 10 ÜG 11/13 R - Rn. 36 und – B 10 ÜG 7/14 R – Rn. 43, alle zitiert nach juris). Namentlich kann dies dann der Fall sein, wenn das Verfahren für den Entschädigungskläger aus der Sicht eines verständigen Dritten in der Lage des Klägers keine besondere Bedeutung hatte oder dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verlängerung des Verfahrens beigetragen hat. Beides ist hier jedoch nicht der Fall.
5. Auch wenn damit an sich für weitere vier Monate eine Entschädigung zu gewähren wäre, sieht der Senat keinen Grund, den Beklagten zur Zahlung einer über 300,00 € hinausgehenden weiteren Entschädigung zu verurteilen, obwohl der Kläger vorliegend eine Mindestforderung in Höhe von 300,00 € geltend gemacht und die Höhe der Entschädigung letztlich ins Ermessen des Gerichts gestellt hat.
a) Dass auch nur für einen der zur Überlänge des Verfahrens beitragenden Monate eine Entschädigung zu gewähren wäre, die über dem sich aus § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG ergebenden Regelbetrag von 100,00 € pro Monat liegt, vermag der Senat nicht zu erkennen. Soweit der Kläger dies für drei Monate unter Berufung auf eine angeblich vorsätzliche Verfahrensverzögerung durch das Sozialgericht und fehlende Einsicht des Beklagten gefordert hat, hat sich dieser Aspekt schon vor dem Hintergrund erledigt, dass der Senat die fraglichen Monate gerade nicht als dem Beklagten vorwerfbare Verzögerungszeit angesehen hat. Im Übrigen lassen sich dem Gesetz (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG) nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte sowie Normzweck nur ausnahmsweise Korrekturen in atypischen Sonderfällen entnehmen (BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R - Rn. 37 ff., vgl. auch Urteile vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R - Rn. 50, 52 und – B 10 ÜG 3/16 R - Rn. 33, alle zitiert nach juris). Das zu beurteilende Verfahren muss sich durch eine oder mehrere entschädigungsrelevante Besonderheiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht von vergleichbaren Fällen abheben (BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R - Rn. 39, vgl. auch Urteil vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R - Rn. 51 f., alle zitiert nach juris). Dass dies vorliegend der Fall wäre, wird weder vom Kläger nachvollziehbar geltend gemacht noch ist es sonst ersichtlich.
b) Eine über die geltend gemachte Mindestforderung hinausgehende Entschädigung wäre damit hier allein damit zu begründen, dass es nicht nur in ausdrücklich geltend gemachten drei, sondern tatsächlich vier Monaten zu weiterer als vom Beklagten anerkannter gerichtlicher Inaktivität gekommen ist. Für eine derartige Fallkonstellation sieht der Senat jedoch in Übereinstimmung mit dem Bundesfinanzhof (BFH, Urteile vom 12.08.2017 – X K 3-7/16 – Rn. 48 ff. und vom 29.11.2017 – X K 1/16 – Rn. 47, zitiert jeweils nach juris) keinen Grund, über den beantragten Mindestbetrag der Entschädigung hinauszugehen (anders wohl LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.04.2016 - L 10 SF 1/14 EK - juris).
Der Bundesgerichtshof hat mit Blick auf Entschädigungsklagen bereits in seinem Urteil vom 23. Januar 2014 (III ZR 37/13, juris, Rn. 53 ff.) ausgeführt, dass die Bezifferung des Klageantrages unproblematisch möglich ist, wenn mit der Entschädigungsklage der in § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG vorgesehene Pauschalsatz von 1.200,00 € geltend gemacht wird. Die Möglichkeit, einen unbezifferten Klageantrag zu stellen, hat er mit Blick auf die Regelung des § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG, nach der das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen kann, wenn der Pauschalsatz gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig erscheint, für die Fälle eingeräumt, in denen ein vom Regelsatz abweichender Entschädigungsbetrag oder der Regelbetrag nur als Mindestbetrag geltend gemacht werden soll (so auch BSG, Urteil vom 13.12.2018 – B 10 ÜG 4/16 R – Rn. 12 ff. und BVerwG, Urteil vom 26.02.2015 – 5 C 5/14 D – Rn. 15, jeweils zitiert nach juris).
Zur Überzeugung des Senats ist der Verzicht auf einen bestimmten Klageantrag (die Beschränkung auf die Nennung eines Mindestbetrags) und die Inanspruchnahme einer Befugnis des Gerichts, über einen bezifferten Mindestbetrag hinauszugehen, aber auch wirklich nur insoweit erforderlich und geboten, als das Gericht gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG in Fällen der "Unbilligkeit" einen höheren oder niedrigeren als den im Gesetz genannten Pauschalbetrag für Nichtvermögensnachteile festsetzen kann. Soweit hingegen die Höhe des Entschädigungsanspruchs – so wie vorliegend - maßgeblich durch die Dauer der Verzögerung bestimmt wird, ist es einem Entschädigungskläger – so wie jedem anderen Kläger auch - zuzumuten, sich in seinem Klageantrag – unter Abwägung des Kostenrisikos - auf die Annahme einer bestimmten Dauer der Verzögerung festzulegen und den Entscheidungsumfang des Gerichts damit zu begrenzen. Dass für das sozialgerichtliche Verfahren mit Blick auf den Meistbegünstigungsgrundsatz anderes zu gelten hätte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Einem eine Entschädigungsforderung verfolgenden Kläger ist es unabhängig davon, in welcher Gerichtsbarkeit er sein Ausgangsverfahren geführt hat, möglich und zumutbar, abzuschätzen, in welchem Umfang das Verfahren von unangemessener Dauer ist, und dementsprechend die Klageforderung unter Abwägung der Erfolgschancen und des Kostenrisikos zu konkretisieren. Namentlich hat dies dann zu gelten, wenn ein Kläger – wie hier – anwaltlich vertreten ist und das Klagevorbringen keinerlei Raum für Auslegung lässt.
Der Beklagte war daher zur Zahlung einer weiteren Entschädigung in Höhe von 300,00 € zu verurteilen.
Soweit in § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG schließlich die Möglichkeit vorgesehen ist, in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung auszusprechen, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, sieht der Senat hierfür keinen Grund. Er vermag bereits nicht zu erkennen, dass vorliegend ein schwerwiegender Fall gegeben wäre.
III. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Prozesszinsen ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 288 Abs. 1, 291 Satz 1 BGB. Diese Vorschriften sind im Rahmen von Entschädigungsklagen (auch) in den öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten anwendbar, weil Spezialregelungen, die den allgemeinen Anspruch auf Prozesszinsen verdrängen könnten, nicht bestehen (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 9/13 R – Rn. 52, – B 10 ÜG 12/13 R – Rn. 61 und – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 54, jeweils zitiert nach juris). Allerdings sind Zinsen nicht – wie vom Kläger gefordert – ab dem Tag des Eingangs der Entschädigungsklage bei Gericht zu zahlen. Das Gesetz stellt ausdrücklich auf die Rechtshängigkeit, d. h. nach § 94 Satz 2 SGG die Zustellung der Klage ab. Die Zinspflicht beginnt in analoger Anwendung des § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch mit dem Folgetag der Rechtshängigkeit, hier also am 18. Januar 2022 [vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 291 Rn. 6 unter Hinweis auf § 187 Abs. 1 BGB, Hager in: Erman BGB, Kommentar, § 291 Prozesszinsen, Rn. 3, Seichter in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 291 BGB (Stand: 23.02.2022), BSG, Urteil vom 25.10.2018 – B 7 AY 2/18 R – Rn. 22, BGH, Urteil vom 24.01.1990 - VIII ZR 296/88 - Rn. 25, BAG, Urteile vom 15.11.2000 - 5 AZR 365/99 - Rn. 23 sowie vom 25.4.2007 – 10 AZR 586/06 – Rn. 14, BVerwG, Urteil vom 04.12.2001 – 4 C 2/00 – Rn. 50, so auch schon LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.01.2022 – L 37 SF 266/19 EK AS – Rn. 60, a.A. BSG Urteil vom 23.03.2006 – B 3 KR 6/05 R – Rn. 26, alle zitiert nach juris].
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt, dass der Kläger seine ursprünglich erhobene Klage im Umfang von 159,94 € zurückgenommen hat und im Übrigen in Höhe der geltend gemachten Mindestforderung von 300,00 € obsiegt hat.
D. Der Streitwert war zur Überzeugung des Senats endgültig auf 459,94 € festzusetzen. Nach § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz ist der Streitwert in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Der Senat hat sich bei der Festsetzung mit Blick auf die für den erlittenen immateriellen Nachteil geforderte Entschädigung an der erhobenen Mindest- und nicht an der tatsächlich vom Kläger für angemessen erachteten höheren Forderung orientiert. Denn andernfalls liefe die Möglichkeit, im Hinblick auf eine denkbare Erhöhung der im Gesetz vorgesehenen pauschalen Entschädigungshöhe eine Mindestforderung geltend zu machen, kostenrechtlich ins Leere (so im Ergebnis auch Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 08.07.2020 – L 6 SF 8/19 EK AS - Rn. 66, a.A. wohl Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 04.02.2021 – 98 F 20.1723 – Rn. 42, jeweils zitiert nach juris).
E. Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG und § 201 Abs. 2 Satz 3 GVG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.