1. Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage stellt keinen gesetzlichen Ausnahmetatbestand von dem bei Vergütungsverhandlungen zu beachtenden Grundsatz der Beitragssatzstabilität dar.
2. Werden Leistungen einer Hochschulambulanz in einem mit dem Universitätsklinikum kooperierenden Plankrankenhaus erbracht, muss sichergestellt sein, dass die wissenschaftlich-medizinische Leitung der Einrichtung durch eine Person erfolgt, die den Lehrstuhl des jeweiligen Fachbereichs innehat und die in fachlich-medizinischer Hinsicht die Gesamtverantwortung auch für die Hochschulambulanz trägt.
Auf die Revisionen der Beigeladenen wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. April 2021 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
G r ü n d e :
I
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Die Beteiligten streiten über die von der beklagten Schiedsstelle festgesetzte Höhe der Vergütung für Leistungen der von der Klägerin als Hochschulambulanz betriebenen Orthopädieambulanz in den Jahren 2018 und 2019.
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Die Klägerin ist Trägerin eines Plankrankenhauses in A und betreibt dort seit 2006 auf der Basis von Kooperationsverträgen mit dem Freistaat Bayern vertreten durch die Universität R Ambulanzen auf den Gebieten der Orthopädie und Rheumatologie. Zuletzt hatten die Klägerin und die beigeladenen Krankenkassen bzw ‑verbände am 11.8.2017 eine Vergütungsvereinbarung "für die Hochschulambulanzen für Rheumatologie und Orthopädie" für das Jahr 2017 getroffen, die ua als Vergütung für die Untersuchung und Behandlung der Patienten eine einheitliche Fallpauschale von 84,50 Euro bei 15 500 Fällen kalenderjährlich vorsah und eine Protokollnotiz enthielt, dass eine eventuell notwendige Anpassung der Vergütungsvereinbarung aufgrund der von der Bundesschiedsstelle nach § 18a KHG am 9.12.2016 festgesetzten "Vereinbarung bundeseinheitlicher Grundsätze zur Vergütungsstruktur und Leistungsdokumentation der Hochschulambulanzen (Hochschulambulanz-Struktur-Vereinbarung ‑ HSA‑SV) gemäß § 120 Absatz 3 Satz 4 SGB V" für den folgenden Vereinbarungszeitraum vorbehalten bleibe.
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Nach dem Scheitern der Vergütungsverhandlungen für die Jahre 2018 und 2019 beantragte die Klägerin bei der beklagten Schiedsstelle nach § 120 Abs 4 iVm Abs 2 SGB V die Festsetzung getrennter Fallpauschalen, und zwar für das Jahr 2018 eine Fallpauschale Orthopädie in Höhe von 160,89 Euro pro Behandlungsfall bei 12 500 Fällen im Jahr sowie eine Fallpauschale Rheumatologie in Höhe von 233,65 Euro pro Behandlungsfall bei 4000 Fällen im Jahr. Für das Jahr 2019 beantragte die Klägerin unter Vorlage von Kalkulationen hinsichtlich der zeitbezogenen Personalkosten sowie der Sachkosten die Festsetzung einer Fallpauschale Orthopädie in Höhe von 164,90 Euro pro Behandlungsfall bei 13 000 Fällen im Jahr sowie einer Fallpauschale Rheumatologie in Höhe von 240,09 Euro pro Behandlungsfall bei 4000 Fällen im Jahr.
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Die Beigeladenen traten dem entgegen. Gründe für Kostenänderungen seien nicht dargelegt worden. Die geforderte Vergütung liege auch weit über der Vergütungshöhe, die für das Jahr 2018 für Hochschulambulanzen anderer mit Universitätskliniken kooperierender Krankenhäuser in Bayern auf dem Gebiet der Orthopädie vereinbart worden seien. Die Rheumatologie in dem von der Klägerin betriebenen Krankenhaus in A sei zudem keine Hochschulambulanz iS des § 117 Abs 1 Satz 1 SGB V.
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Mit Beschluss vom 22.2.2019 (ausgefertigt am 8.3.2019) setzte die Beklagte die Fallpauschalen Orthopädie und Rheumatologie für das Jahr 2018 auf 87,01 Euro im Quartal (bei 12 488 Fällen Orthopädie und 3963 Fällen Rheumatologie) bzw für das Jahr 2019 auf 89,32 Euro im Quartal (bei 13 000 Fällen Orthopädie und 4000 Fällen Rheumatologie) fest. Der Klägerin stehe wegen der Bindung an den Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 Abs 1 Satz 1 SGB V) die begehrte Vergütung für die Leistungen ihrer Hochschulambulanzen in den Jahren 2018 und 2019 nur in Gestalt einer Erhöhung der für 2017 vereinbarten Vergütung um den nach § 71 Abs 3 SGB V festgelegten Veränderungssatz (2,97 % 2018 bzw 2,65 % 2019) zu. Soweit an vorangegangene Vergütungen angeknüpft werde, könne es nur darum gehen, ob Veränderungen eingetreten seien, die eine Erhöhung der zuvor vereinbarten Vergütung über diesen Veränderungssatz hinaus rechtfertigten. Insofern sei die Klägerin jedoch ihrer primären Darlegungs‑ und Substantiierungslast nicht hinreichend nachgekommen.
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Das LSG hat den Schiedsspruch vom 22.2.2019 (Bescheid vom 8.3.2019) betreffend die Fallpauschale Orthopädie aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, insoweit über den Antrag der Klägerin neu zu entscheiden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 21.4.2021). Die Erhöhung der Vergütung der Hochschulambulanz der Klägerin sei nicht auf den nach § 71 Abs 3 SGB V festgelegten Veränderungssatz beschränkt. Als Ausnahmefall zum Grundsatz der Beitragssatzstabilität komme auch eine signifikante Änderung der Sach‑ und Rechtslage in Betracht, wie sie hier durch die Erweiterung des gesetzlichen Auftrags für die Hochschulambulanzen und die Änderung der Vergütungsregelung durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV‑VSG) vom 16.7.2015 (BGBl I 1211) eingetreten sei. Die bislang geltende Regelung, wonach für die Vergütung der Hochschulambulanzen eine Abstimmung mit Entgelten für vergleichbare Leistungen erfolge, sei gestrichen und klargestellt worden, dass die vereinbarte Vergütung die Leistungsfähigkeit der Hochschulambulanzen bei wirtschaftlicher Betriebsführung gewährleisten müsse. Die Änderungen seien durch die Vergütungsvereinbarung für das Jahr 2017 noch nicht erfasst worden, wie sich insbesondere aus der dort enthaltenen Protokollnotiz ergebe. Bei der weiteren Prüfung entsprechend dem vom BSG entwickelten zweistufigen Prüfungsschema zur Vergütungsbemessung hätte sich die Beklagte nicht auf die Feststellung beschränken dürfen, dass die Klägerin bei der Vergütungsforderung ihrer primären Darlegungs- und Substantiierungslast auf der ersten Ebene nicht hinreichend nachgekommen sei. Die Ausführungen der Beigeladenen könnten nicht die fehlerhafte Auseinandersetzung der beklagten Schiedsstelle mit dem Vortrag der Klägerin ersetzen. Die Festsetzung der Vergütung für die Rheumatologie sei dagegen im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Rheumatologie der Klägerin erfülle schon nicht die Voraussetzungen einer Hochschulambulanz im Sinne von § 117 Abs 1 Satz 1 SGB V.
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Die Beigeladenen rügen mit ihren Revisionen eine Verletzung von § 71 Abs 2 iVm § 120 Abs 2 und § 117 Abs 1 SGB V. Zu Unrecht habe das LSG der Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung eine Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität zugrundegelegt. Es liege keiner der gesetzlich abschließend normierten Ausnahmetatbestände vor, deren Vorliegen auch bei einer Änderung der Sach‑ und Rechtslage erforderlich sei. Der allein in Betracht kommende Ausnahmetatbestand, dass die notwendige medizinische Versorgung auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten sei (§ 71 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB V), sei auch nach der Einschätzung des LSG nicht erfüllt. Weder habe die insoweit darlegungspflichtige Klägerin dessen Tatbestandsvoraussetzungen vorgetragen, noch lägen diese tatsächlich vor. Die Klägerin habe schon nicht dargelegt, wie sich die von ihr vorgetragene Änderung der Rechtslage durch das GKV‑VSG im Einzelnen auf die Leistungsfähigkeit ihrer Hochschulambulanz ausgewirkt habe und dass die notwendige medizinische Versorgung ohne eine Vergütungserhöhung nicht zu gewährleisten sei.
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Die Beigeladenen beantragen,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 21.4.2021 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
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Sie hält das LSG‑Urteil für zutreffend. Aufgrund der geänderten Sach- und Rechtslage liege eine Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität vor. Denn der Gesetzgeber habe mit den vorgenommenen gesetzlichen Änderungen eine Verbesserung der Vergütung und zusätzliche Finanzmitteln für die Hochschulambulanzen sicherstellen wollen. Nach der Protokollnotiz zu der Vergütungsvereinbarung für 2017 hätten die finanziellen Auswirkungen der gesetzlichen Änderungen erst ab dem Vereinbarungsjahr 2018 umgesetzt werden sollen. Diese Vorgehensweise habe der Vertragspraxis in Bayern entsprochen.
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Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt. Sie hält in Übereinstimmung mit den Beigeladenen das LSG‑Urteil, soweit es angefochten wurde, für rechtsfehlerhaft.
II
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Die zulässigen Revisionen der Beigeladenen haben im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG Erfolg (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des LSG nicht entscheiden, ob das LSG den Schiedsspruch zu Recht teilweise aufgehoben und die beklagte Schiedsstelle zur Neubescheidung im Hinblick auf die Fallpauschalen im Bereich der Orthopädie verpflichtet hat. Der von der Klägerin geltend gemachte Vergütungsanspruch setzt voraus, dass es sich bei der von ihr betriebenen Ambulanz für Orthopädie um eine Hochschulambulanz iS des § 117 Abs 1 Satz 1 SGB V handelt. Die hierfür erforderlichen Feststellungen hat das LSG nicht getroffen.
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A. 1. Zur Entscheidung des Rechtsstreits ist der für das Vertragsarztrecht zuständige 6. Senat des BSG gemäß § 40 Satz 2 SGG iVm § 10 Abs 2 SGG berufen. Bei Streitigkeiten über eine Entscheidung der Schiedsstelle gemäß § 120 Abs 4 SGB V handelt es sich um Angelegenheiten des Vertragsarztrechts (§ 10 Abs 2 Satz 2 Nr 3 SGG; vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 13.5.2015 ‑ B 6 KA 20/14 R ‑ BSGE 119, 43 = SozR 4‑2500 § 120 Nr 4, RdNr 16).
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2. Die Revisionen der Beigeladenen sind zulässig. Sie sind alleinige Revisionsführer und zur Einlegung der Revision rechtsmittelbefugt. Für die Rechtsmittelbefugnis der Beigeladenen bedarf es auch im Revisionsverfahren (vgl § 165 iVm §§ 143 ff SGG) stets einer materiellen Beschwer durch das angegriffene Urteil im Sinne einer möglichen Verletzung in eigenen subjektiven Rechten (vgl zB BSG Urteil vom 13.5.2015 ‑ B 6 KA 18/14 R ‑ SozR 4‑2500 § 106 Nr 51 RdNr 19 mwN; BSG Urteil vom 28.3.2019 ‑ B 3 KR 2/18 R ‑ BSGE 127, 288 = SozR 4‑2500 § 130b Nr 3, RdNr 20; BSG Urteil vom 15.12.2021 ‑ B 3 P 4/19 R ‑ KrV 2022, 80 = juris RdNr 17; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, Vor § 143 RdNr 8 mwN). Diese ergibt sich hier bereits daraus, dass die Beigeladenen Verhandlungspartner der streitigen Vergütungsvereinbarung sind. Die formelle Beschwer folgt aus der Erfolglosigkeit ihres Klageabweisungsantrags im Hinblick auf die streitig gebliebenen Punkte.
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B. Die Revisionen sind auch begründet, da die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Ob das LSG der Anfechtungs‑ und Verpflichtungsklage der Klägerin (dazu 1.) im Ergebnis zu Recht teilweise stattgegeben, die Festsetzungen des Schiedsspruchs bezüglich des Bereichs Orthopädie aufgehoben und die Beklagte insoweit zur Neubescheidung über den Antrag der Klägerin verpflichtet hat, lässt sich erst beurteilen, wenn feststeht, dass es sich bei der Orthopädieambulanz der Klägerin um eine Hochschulambulanz handelt (dazu 2.). Dies ist im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs inzident zu prüfen (vgl Kania in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, Stand 21.6.2022, § 117 RdNr 29; Lamouri in Kasseler Kommentar, Werkstand März 2022, § 117 SGB V RdNr 3), wovon das LSG bei der Prüfung der nicht mehr streitgegenständlichen Rheumatologie zutreffend ausgegangen ist. Eine Zurückverweisung scheidet auch nicht deswegen von vorneherein aus, weil der angegriffene Schiedsspruch nicht zu beanstanden und das LSG‑Urteil daher unabhängig von der Frage, ob eine Hochschulambulanz vorliegt, zu ändern wäre (dazu 3.).
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1. Die Klage gegen den Schiedsspruch der Beklagten vom 22.2.2019 (Bescheid vom 8.3.2019) ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der Sonderform einer Bescheidungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 iVm § 131 Abs 3 SGG) statthaft und zulässig.
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a) Der Schiedsspruch der Schiedsstelle nach § 18a des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz ‑ KHG) über die Vergütung nach § 120 Abs 2 SGB V für die Jahre 2018 und 2019 stellt ‑ anders als bei der Festsetzung der Krankenhauspflegesätze ‑ einen Verwaltungsakt dar (vgl ausführlich mit zahlreichen Nachweisen BSG Urteil vom 13.5.2015 ‑ B 6 KA 20/14 R ‑ BSGE 119, 43 = SozR 4‑2500 § 120 Nr 4, RdNr 21). Richtiger Klagegegner ist deshalb die beklagte Schiedsstelle, die beteiligtenfähig ist (§ 70 Nr 4 SGG).
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b) Die erstinstanzliche Zuständigkeit des LSG folgt aus § 29 Abs 2 Nr 1 SGG. Zu Recht hat das LSG für diesen Rechtsstreit den Spruchkörper als zuständig angesehen, der gemäß § 31 Abs 2 iVm § 10 Abs 2 SGG für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts gebildet worden ist (vgl A. 1.).
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c) Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht. Zwar liegt einer der in § 78 Abs 1 Satz 2 SGG ausdrücklich genannten Fälle, in denen es eines Vorverfahrens nicht bedarf, nicht vor. Eine gesetzliche Vorschrift, die ausdrücklich bestimmt, dass es für Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 120 Abs 4 SGB V iVm § 18a Abs 1 KHG eines Vorverfahrens nicht bedarf, gibt es nicht (vgl § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG). Bei der Schiedsstelle handelt es sich nicht um eine oberste Landes- oder Bundesbehörde iS des § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGG. Auch die Voraussetzungen des § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGG liegen nicht vor, da die Klägerin als privatrechtliches Krankenhaus in Form einer GmbH geführt wird. Dass die Durchführung eines Vorverfahrens entbehrlich ist, ergibt sich aber aus der Eigenart der Tätigkeit der Schiedsstelle, die bei der Vergütungsfestsetzung an die Stelle der Vertragsparteien tritt. Für die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 120 Abs 4 SGB V iVm § 18a Abs 1 KHG gilt insofern nichts anderes als für die Entscheidung des Schiedsamtes nach § 89 SGB V (vgl BSG Urteil vom 13.5.2015 ‑ B 6 KA 20/14 R ‑ BSGE 119, 43 = SozR 4‑2500 § 120 Nr 4, RdNr 24 mwN; ähnlich bei Klagen gegen den Schiedsspruch nach § 76 SGB XI vgl BSG Urteil vom 25.1.2017 ‑ B 3 P 3/15 R ‑ BSGE 122, 248 = SozR 4‑3300 § 76 Nr 1, RdNr 17 mwN).
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2. Ob das LSG den Status einer Hochschulambulanz Orthopädie zu Recht angenommen hat ‑ während es diesen für die ebenfalls von der Klägerin betriebene Rheumatologie verneint hat ‑, lässt sich anhand der von ihm getroffenen Feststellungen nicht überprüfen. Insofern ist es nicht ausreichend, wenn das LSG lediglich ausführt, dass die Klägerin "auf Basis von Kooperationsverträgen mit dem Freistaat Bayern eine Hochschulambulanz auf den Gebieten Orthopädie und Rheumatologie in Kooperation mit dem Universitätsklinikum R" betreibt, ohne dass es den auf die Orthopädie bezogenen Vertrag beigezogen oder seinen konkreten Inhalt festgestellt hat. Für die Annahme, dass es sich bei der von der Klägerin betriebenen Einrichtung um eine gesetzlich ermächtigte Hochschulambulanz handelt, genügt es jedenfalls nicht, dass der Krankenhausplan des Freistaats Bayern auf eine Nutzungsvereinbarung des Klinikums der Universität R mit der Klägerin verweist (dazu a). Andererseits führt der Umstand, dass Trägerin der orthopädischen Ambulanz im A Klinikum A nicht die Universitätsklinik selbst, sondern eine Krankenhausträgerin ist, noch nicht dazu, dass eine Hochschulambulanz iS des § 117 Abs 1 Satz 1 SGB V zu verneinen wäre (dazu b). Die Zusammenarbeit mit einem Dritten, wie hier der klägerischen Krankenhausträgerin, muss jedoch gewisse Mindestvoraussetzungen erfüllen, damit die von dem Dritten betriebene Ambulanz als Hochschulambulanz anerkannt werden kann (dazu c).
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a) Hochschulambulanzen werden in § 117 Abs 1 Satz 1 SGB V legal definiert als Ambulanzen, Institute und Abteilungen der Hochschulkliniken (vgl BSG Urteil vom 2.4.2014 ‑ B 6 KA 20/13 R ‑ SozR 4‑2500 § 117 Nr 6 RdNr 17). Hochschulkliniken sind Krankenhäuser, die gemäß § 108 Nr 1 SGB V nach landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklink anerkannt sind (vgl Becker in Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl 2022, § 117 RdNr 3; Kania in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, Stand 21.6.2022, § 117 RdNr 25; Ladurner, Ärzte-ZV/Zahnärzte‑ZV, 2017, § 117 SGB V RdNr 6). Dazu zählt das Klinikum der Universität R (Universitätsklinikum R), welches der Freistaat Bayern als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Recht zur Selbstverwaltung betreibt (Art 1 Abs 1 Nr 5 des Gesetzes über die Universitätsklinika des Freistaates Bayern <Bayerisches Universitätsklinikagesetz ‑ BayUniKlinG> vom 23.5.2006, GVBl 285, mWv 1.6.2006, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.8.2022, GVBl 414). Denn in der Errichtung einer Hochschulklinik nach Maßgabe des jeweiligen Hochschul‑ oder Hochschulklinikgesetzes des Landes, wie hier des BayUniKlinG, liegt regelmäßig ihre Anerkennung nach Landesrecht iS des § 108 Nr 1 SGB V (vgl Quaas, MedR 2010, 149, 150 f; vgl auch Ladurner, aaO). Diese Bindungswirkung durch das Landesrecht aufgrund der §§ 107 Abs 1, 108 Nr 1 SGB V gilt auch im Rahmen des § 117 SGB V (vgl BSG Urteil vom 28.1.2009 ‑ B 6 KA 61/07 R ‑ BSGE 102, 219 = SozR 4‑2500 § 118 Nr 1, RdNr 28 zu § 118 SGB V; aA Frehse in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand Februar 2022, § 117 SGB V RdNr 32a).
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Von der Anerkennung des Universitätsklinikums R durch Landesrecht zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob eine konkrete Einrichtung ‑ hier die in Kooperation mit dem Universitätsklinikum von der Klägerin betriebene Klinik für Orthopädie in A ‑ Teil der Hochschulklinik ist und damit die dort betriebene Ambulanz als Hochschulambulanz iS des § 117 Abs 1 Satz 1 SGB V anzusehen ist. Das BayUniKlinG selbst trifft keine Aussage dazu, welche konkreten Einrichtungen die jeweilige Universitätsklinik umfasst (zur Befugnis des Revisionsgerichts, landesrechtliche Vorschriften auszulegen, wenn dies durch das LSG nicht geschehen ist vgl BSG Urteil vom 23.6.2015 ‑ B 1 KR 20/14 R ‑ BSGE 119, 141 = SozR 4‑2500 § 108 Nr 4, RdNr 17 ff mwN; BSG Urteil vom 19.6.2018 ‑ B 1 KR 32/17 R ‑ BSGE 126, 87 = SozR 4‑2500 § 108 Nr 5, RdNr 14 ff mwN). Gemäß Art 1 Abs 2 BayUniKlinG entscheidet über die Zuordnung von Einrichtungen zu einem Klinikum das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (Staatsministerium) im Benehmen mit der Hochschulleitung und dem Klinikumsvorstand nach Anhörung des Aufsichtsrats durch Verwaltungsakt. Dass in Bezug auf die Klinik für Orthopädie der Klägerin oder deren Ambulanz ein solcher Bescheid ergangen wäre, hat das LSG ‑ unabhängig davon, ob diese Vorschrift den Fall einer durch einen Dritten betriebenen Einrichtung erfasst ‑ nicht festgestellt.
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Soweit der Krankenhausplan des Freistaates Bayern die Universitätsklinik mit (insgesamt) 839 stationären Betten ausweist und auf eine "Nutzungsvereinbarung mit A Klinikum A (ORT)" (vgl Krankenhausplan Stand 1.1.2018, 43. Fortschreibung, Anhang Nr 1) verweist, ist damit ‑ ohne konkreten Bezug auf die Bettenzahl ‑ schon rein tatsächlich keine landesrechtliche Anerkennung einer orthopädischen Universitätsklinik mit einer bestimmten Bettenzahl in A verbunden. Zudem sieht Art 3 Abs 4 (Grundsätze der Krankenhausplanung) des Bayerischen Krankenhausgesetzes (BayKrG) vom 28.3.2007 (GVBl 288, seither unverändert) lediglich vor, dass die Hochschulklinikplanung und die Krankenhausplanung aufeinander abzustimmen sind (Satz 1) sowie dass der Bestand an Krankenhäusern nach § 108 Nr 3 SGB V bei der Krankenhausplanung zu berücksichtigen ist (Satz 2). Eine Aussage zum Bestand an Hochschulkliniken oder zu deren Einrichtungen soll der Krankenhausplan dagegen nicht treffen. Eine Aufnahme der Universitätskliniken mit ihren Fachbereichen in den Krankenhausplan selbst ist nicht vorgesehen. Dementsprechend werden die Hochschulkliniken auch nur nachrichtlich im Anhang des Krankenhausplanes ausgewiesen.
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b) Adressaten der Ermächtigung nach § 117 Abs 1 Satz 1 SGB V sind "Ambulanzen, Institute und Abteilungen der Hochschulkliniken (Hochschulambulanzen)". Ungeachtet der Frage, ob sich die Wendung "der Hochschulkliniken" nur auf den Begriff "Abteilungen" oder auch auf "Ambulanzen" und "Institute" bezieht (vgl hierzu etwa ‑ in letzterem Sinne ‑ Bayerisches LSG Beschluss von 9.3.2017 ‑ L 12 KA 91/16 B ER ‑ MedR 2018, 61, 64 = juris RdNr 24 mit Anm Köhler-Hohmann, MedR 2018, 65; Kania in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, Stand 21.6.2022, § 117 RdNr 26; aA Frehse in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand Februar 2022, § 117 SGB V RdNr 42 ff; Rademacker in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Januar 2021, § 117 RdNr 7; Seifert in v. Koppenfels-Spies/Wenner, SGB V, 4. Aufl 2022, § 117 RdNr 12), kann eine Ambulanz auch dann eine Hochschulambulanz sein, wenn der rechtsfähige Träger nicht die Hochschulklinik selbst, sondern eine dritte, mit der Hochschulklinik vertraglich verbundene juristische Person ist (vgl LSG Baden‑Württemberg Urteil vom 11.9.2002 ‑ L 5 KA 4153/01 ‑ juris RdNr 26; LSG Rheinland‑Pfalz Urteil vom 14.6.2007 ‑ L 5 KA 31/06 ‑ MedR 2008, 49, 50 = juris RdNr 19; Bogan in BeckOK, SGB V, Stand 1.9.2022, § 117 RdNr 4; Kania in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, Stand 21.6.2022, § 117 RdNr 27; Knittel in Krauskopf, SGB V, Stand Mai 2021, § 117 RdNr 5; Kremer in Orlowski/Remmert, GKV-Kommentar SGB V, Stand Juni 2015, § 117 RdNr 7; Ladurner, Ärzte-ZV/Zahnärzte‑ZV, 2017, § 117 SGB V RdNr 6). Zutreffend weist das LSG insofern darauf hin, dass dem Wortlaut keine Einschränkung hinsichtlich der Trägerschaft der Einrichtung zu entnehmen ist (ebenso LSG Baden‑Württemberg Urteil vom 11.9.2002 ‑ L 5 KA 4153/01 ‑ juris RdNr 27).
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Auch wenn Ambulanzen und Institute von dem Zusatz "der Hochschulkliniken" erfasst werden, erfordert dies rein sprachlich nur eine organisatorische Zuordnung der betreffenden Einrichtung zur Hochschulklinik. Dies setzt nicht voraus, dass die Einrichtung in unmittelbarer Trägerschaft des Universitätsklinikums steht; Träger kann auch eine vom Universitätsklinikum unabhängige juristische Person sein, etwa eine vom Klinikum gegründete Gesellschaft (vgl auch Frehse in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand Februar 2022, § 117 SGB V RdNr 47, der die Frage nach dem Träger als irrelevant ansieht).
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Auch Sinn und Zweck des § 117 Abs 1 Satz 1 SGB V ist eine Einschränkung auf in unmittelbarer Trägerschaft der Hochschulklinik stehende Einrichtungen nicht zu entnehmen. Die Ziele, die Bedürfnisse von Forschung und Lehre zu befriedigen (§ 117 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V) und Patienten in diesem Rahmen ohne Einschränkungen unmittelbar ("ungefiltert") Zugang zur Behandlung durch Hochschulambulanzen zu ermöglichen (vgl Ausschussbericht zu dem Entwurf eines GKV‑VSG, BT‑Drucks 18/5123 S 132 zu Nr 53 <§ 117>) sowie dem Bedarf bestimmter Patienten mit schweren und komplexen Krankheitsbildern (§ 117 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V) nach einer ambulanten hochspezialisierten Versorgung in Hochschulambulanzen Rechnung zu tragen (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung eines GKV‑VSG, BT‑Drucks 18/4095 S 113 zu Nr 53 <§ 117> Buchst a zur Einführung von § 117 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V; vgl auch Lamouri in Kasseler Kommentar, Stand März 2022, § 117 SGB V RdNr 2), können grundsätzlich auch mit Ambulanzen oder Instituten, deren rechtsfähiger Träger nicht die Hochschulklinik selbst ist, verwirklicht werden (vgl auch LSG Baden‑Württemberg Urteil vom 11.9.2002 ‑ L 5 KA 4153/01 ‑ juris RdNr 28). Dabei ist zu berücksichtigen, dass den Hochschulkliniken ‑ auch im Hinblick auf die durch Art 5 Abs 3 GG geschützte Wissenschaftsfreiheit ‑ eine weitreichende Organisationsfreiheit zukommt (Ladurner, Ärzte-ZV/Zahnärzte‑ZV, 2017, § 117 SGB V RdNr 6; Kania in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, Stand 21.6.2022, § 117 RdNr 25). Wenn das LSG daher Art 2 Abs 2 Satz 1 BayUniKlinG, wonach sich das Klinikum der Universität zur Erfüllung seiner Aufgaben Dritter bedienen, an Unternehmen beteiligen und Unternehmen gründen kann, dahingehend ausgelegt hat, dass die Norm es grundsätzlich erlaubt, die Trägerschaft einer Hochschulambulanz einer juristischen Person außerhalb einer Hochschule bzw Hochschulklinik zu übertragen (ähnlich LSG Baden‑Württemberg Urteil vom 11.9.2002 ‑ L 5 KA 4153/01 ‑ juris RdNr 27 zum Universitätsklinikgesetz Baden‑Württemberg), ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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c) Sollen die ärztlichen Leistungen einer Hochschulambulanz in Kooperation mit einem Krankenhaus erbracht werden, muss die kooperierende Einrichtung gewissen Mindestanforderungen genügen, um den Aufgaben einer Hochschulambulanz gerecht zu werden. Sie muss organisatorisch, sachlich und personell in der Lage sein, den mit Forschung und Lehre verbundenen Zweck einer Hochschulambulanz im erforderlichen Umfang zu erfüllen und auf fachärztliche Überweisung die Untersuchung oder Behandlung von Patienten mit schweren und komplexen Krankheitsbildern oder seltenen Erkrankungen sicherzustellen (§ 117 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Nr 2 SGB V). Zugleich ist es unverzichtbar, dass die wissenschaftlich-medizinische Leitung der kooperierenden Einrichtung durch eine Person erfolgt, die den Lehrstuhl der Hochschule innehat ‑ im Falle einer Fachambulanz durch den Lehrstuhlinhaber oder die Lehrstuhlinhaberin des jeweiligen Fachbereichs wahrgenommen wird (dazu aa). Unschädlich ist es dagegen, wenn ein Träger daneben Aufgaben der allgemeinen Krankenversorgung wahrnimmt, wie die Klägerin als Trägerin eines Plankrankenhauses. Eine ausschließliche bzw im Wesentlichen auf die Hochschulklinik bezogene Aufgabenstellung des Trägers ist nicht erforderlich (dazu bb).
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aa) Für die Annahme einer Hochschulklinik ist es unabdingbar, dass die wissenschaftlich-medizinische Leitung der Einrichtung durch den Lehrstuhlinhaber bzw die Lehrstuhlinhaberin des jeweiligen Fachbereiches sichergestellt ist, der oder die in dieser Funktion die Leitungskompetenz und in fachlich-medizinischer Hinsicht die Gesamtverantwortung auch für die Hochschulambulanz trägt.
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Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Träger der Einrichtung und der Hochschulklinik dürfen sich nicht darauf beschränken, dass die Einrichtung auf vertraglicher Grundlage (Teil‑)Aufgaben der Hochschulklinik übernimmt, wie es etwa bei Lehrkrankenhäusern der Fall ist. Lehrkrankenhäuser sind Krankenhäuser, an denen ein Teil des Medizinstudiums, insbesondere das praktische Jahr, stattfindet, ohne dass diese selbst zur Universität gehören, und mit denen die Universität eine Vereinbarung hierüber getroffen hat (vgl § 3 Abs 2 Satz 1 der Approbationsordnung für Ärzte <ÄApprO 2002> vom 27.6. 2002, BGBl I 2405, zuletzt geändert durch Art 2 der Verordnung vom 22.9.2021, BGBl I 4335; zu den Anforderungen an ein Lehrkrankenhaus vgl § 4 Abs 1 ÄApprO 2002). Insofern steht nicht in Streit, dass diese Art der Zusammenarbeit nicht von § 117 Abs 1 Satz 1 SGB V erfasst wird (vgl Ausschussbericht zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser <Fallpauschalengesetz ‑ FPG>, BT‑Drucks 14/7862 S 5 zu Art 1 Nr 3a <neu> FPG <§ 117 SGB V>; vgl Bayerisches LSG Beschluss von 9.3.2017 ‑ L 12 KA 91/16 B ER ‑ MedR 2018, 61, 64 = juris RdNr 23; Frehse in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand Februar 2022, § 117 SGB V RdNr 38). Notwendig ist vielmehr, dass die Hochschule bzw die Hochschulklinik Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Einrichtung hat (vgl auch SG Marburg Urteil vom 17.6.2020 ‑ S 11 KA 555/17 ‑ juris RdNr 20). Ein unmittelbarer gesellschaftsrechtlicher Einfluss auf den Träger der Einrichtung (so aber wohl Knittel in Krauskopf, SGB V, Stand Mai 2021, § 117 RdNr 5) oder eine Einbeziehung etwa von Hochschullehrern oder Hochschullehrerinnen in die Geschäftsführung des Trägers ist insofern nicht zwingend. Dem steht schon entgegen, dass der Träger einer Einrichtung der Hochschulklinik bzw einer Hochschulambulanz daneben grundsätzlich in weiteren Bereichen tätig sein kann, insbesondere andere nicht der Hochschulklinik zugehörige Einrichtungen betreiben kann (vgl hierzu sogleich unter bb). Es muss jedoch gewährleistet sein, dass ein von der Hochschule und der Hochschulklinik unabhängiger Träger nicht die Inhalte von Forschung und Lehre bestimmen kann und die Einrichtung dem medizinischen Fachbereich (hier: der Orthopädie) tatsächlich zur Erfüllung der Aufgaben eines Universitätsklinikums zur Verfügung steht.
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Gemäß Art 2 Abs 1 Satz 1 BayUniKlinG ist das Universitätsklinikum der Universität zugeordnet; es dient der universitären Forschung und Lehre und dem wissenschaftlichen Fortschritt und nimmt daran ausgerichtet Aufgaben der Krankenversorgung wahr. Dieser dienenden Funktion für Forschung und Lehre kann eine von einem Krankenhausträger betriebene Einrichtung nur gerecht werden, wenn auch im Bereich der Krankenversorgung sichergestellt ist, dass die Interessen der Hochschule gewahrt sind und Konflikte zwischen der Krankenversorgung und universitären Belangen nicht etwa zu Lasten von Forschung und Lehre gehen. Eine solche Gefahr kann insbesondere dann bestehen, wenn der Träger - wie hier die Klägerin - anders als die gemeinnützigen Universitätskliniken (vgl Art 1 Abs 4 BayUniKlinG) gewinnorientiert arbeitet und daher das Angebot medizinischer Leistungen möglicherweise Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten folgt, ohne Rücksicht darauf, ob dieses Angebot für Lehre und Forschung sinnvoll und erforderlich ist (vgl Becker, MedR 2006, 472, 473 zur Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg). Die unverzichtbare Aufgabenerfüllung der Hochschule und des Universitätsklinikums ist letztendlich nur zuverlässig gewährleistet, wenn die wissenschaftlich-medizinische Leitung der Einrichtung durch eine Person erfolgt, die den einschlägigen Lehrstuhl innehat und die als Hochschullehrer oder Hochschullehrerin (<Junior->Professoren bzw Professorinnen) regelmäßig Beamter oder Beamtin des Freistaats Bayern ist (vgl Art 8 Abs 1 und 2, Art 15 Abs 1 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen sowie des weiteren wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen <Bayerisches Hochschulpersonalgesetz ‑ BayHSchPG> vom 23.5.2006, GVBl 230). Diese Person muss in ihrer Funktion als Lehrstuhlinhaber oder ‑inhaberin die Leitungskompetenz haben und Gesamtverantwortung in fachlich-medizinischer Hinsicht in der Hochschulambulanz tragen. Dies erfordert ua, dass der Hochschullehrer oder die Hochschullehrerin selbst keinen medizinisch-fachlichen Weisungen des Trägers der Einrichtung unterliegt und als Leiter oder Leiterin der Fachambulanz der Hochschulklinik das Weisungsrecht nicht nur gegenüber dem wissenschaftlichen, sondern auch gegenüber dem in der Krankenversorgung tätigen Personal in dem hierfür notwendigen Umfang ausüben kann, da andernfalls die Aufgabenerfüllung einer Hochschulambulanz kaum sicherzustellen wäre (vgl auch Art 9 Abs 1 Satz 2 BayHSchPG; zur Verflechtung der Bereiche der Krankenversorgung mit den wissenschaftlichen Aufgaben vgl BVerfG Beschluss vom 8.4.1981 ‑ 1 BvR 608/79 ‑ BVerfGE 57, 70, 98 = juris RdNr 91).
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bb) Der Annahme einer Hochschulambulanz iS des § 117 Abs 1 Satz 1 SGB V steht nicht entgegen, wenn der Träger der Einrichtung nicht ausschließlich Aufgaben der Hochschulklinik wahrnimmt (so aber LSG Rheinland‑Pfalz Urteil vom 14.6.2007 ‑ L 5 KA 31/06 ‑ MedR 2008, 49, 50 = juris RdNr 19; Bogan in BeckOK, SGB V, Stand 1.9.2022, § 117 RdNr 4; Kania in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, Stand 21.6.2022, § 117 RdNr 27; Knittel in Krauskopf, SGB V, Stand Mai 2021, § 117 RdNr 5; Kremer in Orlowski/Remmert, GKV-Kommentar SGB V, Stand Juni 2015, § 117 RdNr 7). Es ist nicht unüblich, dass eine Trägergesellschaft mehrere Einrichtungen ‑ zB Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) und Klinik oder mehrere MVZ, mehrere Kliniken ‑ betreibt. Anderes wäre im Übrigen auch nicht mit der Rechtsprechung des Senats in Einklang zu bringen, nach der den Hochschulkliniken ‑ neben den für die Zwecke von Forschung und Lehre erforderlichen ärztlichen Leistungen ‑ auch Aufgaben im Rahmen der allgemeinen Krankenversorgung übertragen, insbesondere Institutsermächtigungen nach § 31 Abs 1 Satz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte‑ZV) erteilt werden können (BSG Urteil vom 1.7.1998 ‑ B 6 KA 43/97 R ‑ BSGE 82, 216, 218 f, 220 ff = SozR 3‑5520 § 31 Nr 9 = juris RdNr 20, 23 ff und hierzu Rademacker in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Januar 2021, § 117 RdNr 5; vgl auch BSG Urteil vom 26.1.2000 ‑ B 6 KA 46/98 R ‑ SozR 3‑2500 § 311 Nr 6 = juris RdNr 24 f sowie BSG Urteil vom 2.4.2014 ‑ B 6 KA 20/13 R ‑ SozR 4‑2500 § 117 Nr 6 RdNr 26, wonach Hochschulen bzw Hochschulkliniken auch außerhalb des durch § 117 SGB V vorgegebenen Rahmens an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung beteiligt, insbesondere Träger einer Fachambulanz nach § 311 Abs 2 SGB V aF ‑ jetzt § 402 Abs 2 SGB V ‑ sein können). Entscheidend ist allein, ob die Einrichtung selbst ausschließlich oder zumindest überwiegend Aufgaben des Universitätsklinikums wahrnimmt (vgl Frehse in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand Februar 2022, § 117 SGB V RdNr 35; Ladurner, Ärzte‑ZV/Zahnärzte‑ZV, 2017, § 117 SGB V RdNr 7).
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3. Auf eine Zurückverweisung kann nicht etwa mit der Begründung verzichtet werden, dass der Schiedsspruch, soweit er von der Klägerin angegriffen wurde, nicht zu beanstanden und das LSG‑Urteil daher in jedem Fall ‑ unabhängig von der Frage, ob eine Hochschulambulanz vorliegt ‑ aufzuheben wäre. Auch wenn die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 120 Abs 4 SGB V nur in eingeschränktem Umfang einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt (dazu a), hat das LSG die angefochtene Entscheidung der Beklagten zu Recht beanstandet, da die Beklagte die Rechtsmaßstäbe für die Bemessung der Vergütung nach § 120 Abs 2 SGB V (dazu b) nicht ausreichend beachtet hat (dazu c).
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a) Der Schiedsstelle nach § 120 Abs 4 SGB V kommt ‑ wovon auch das LSG zutreffend ausgegangen ist ‑ bei der Festsetzung der Vergütung für Hochschulambulanzen ein Gestaltungsspielraum zu. Ihre Schiedssprüche sind nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben. Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsspruch zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh insbesondere die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet hat, die auch für die Vertragsparteien gelten. Nach Maßgabe dieser Prüfungsbefugnis ist es dem Senat eröffnet, den angefochtenen Schiedsspruch nicht nur in formeller Hinsicht, sondern im Umfang des Streitgegenstandes des Revisionsverfahrens auch inhaltlich zu überprüfen (vgl BSG Urteil vom 13.5.2015 ‑ B 6 KA 20/14 R ‑ BSGE 119, 43 = SozR 4‑2500 § 120 Nr 4, RdNr 26 mwN und unter Hinweis auf BVerwG Urteil vom 8.9.2005 ‑ 3 C 41.04 ‑ BVerwGE 124, 209, 211).
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b) Nach § 120 Abs 2 Satz 2 SGB V wird die Vergütung der Leistungen einer Hochschulambulanz von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Hochschulen oder Hochschulkliniken, den Krankenhäusern oder den sie vertretenden Vereinigungen im Land vereinbart. Kommt eine Vereinbarung nach § 120 Abs 2 Satz 2 SGB V ganz oder teilweise nicht zustande, setzt die Schiedsstelle nach § 18a Abs 1 KHG auf Antrag einer Vertragspartei die Vergütung fest (§ 120 Abs 4 SGB V). Die Vergütung muss die Leistungsfähigkeit der Hochschulambulanz bei wirtschaftlicher Betriebsführung gewährleisten (§ 120 Abs 2 Satz 3 SGB V idF des GKV‑VSG mWv 23.7.2015; vgl dagegen noch § 120 Abs 2 Satz 4 SGB V in der bis zum 22.7.2015 geltenden Fassung des FPG, wonach bei Hochschulambulanzen noch "eine Abstimmung mit Entgelten für vergleichbare Leistungen erfolgen" sollte). Die Vergütung kann pauschaliert werden (§ 120 Abs 3 Satz 1 SGB V). Ergänzend sind die von den Vertragsparteien nach § 301 Abs 3 SGB V vereinbarten Grundsätze zu berücksichtigen (§ 120 Abs 3 Satz 4 SGB V). Maßgeblicher Gesichtspunkt für die Vergütung ist mithin die Leistungsfähigkeit der Hochschulambulanz bei wirtschaftlicher Betriebsführung unter Wahrung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (dazu aa), ohne dass es einer Modifikation der vom BSG entwickelten Grundsätze wegen der bedarfsunabhängigen Ermächtigung der Hochschulambulanzen bedarf (dazu bb). Dabei hat die Beurteilung der Leistungsgerechtigkeit der Vergütung nach § 120 Abs 2 SGB V in Anlehnung an das vom 3. Senat des BSG für die Vergütungen von Pflegeleistungen nach dem SGB XI entwickelte zweistufige Prüfungsprogramm zu erfolgen (dazu cc).
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aa) Eine Vergütung, die allein an den von der Einrichtung als wirtschaftlich angesehenen Selbstkosten orientiert ist, kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Grundsatz der Beitragssatzstabilität zu wahren ist. Nach § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V haben die Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer die Vereinbarungen über die Vergütungen nach diesem Buch so zu gestalten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität). Um den Vorgaben nach § 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V zu entsprechen, darf gemäß § 71 Abs 2 Satz 1 SGB V die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung die sich bei Anwendung der Veränderungsrate für das gesamte Bundesgebiet nach Absatz 3 ergebende Veränderung der Vergütung nicht überschreiten. Abweichend von Satz 1 ist eine Überschreitung zulässig, wenn die damit verbundenen Mehrausgaben durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen Leistungsbereichen ausgeglichen werden (§ 71 Abs 2 Satz 2 SGB V; zu möglichen Ausgabensteigerungen auf Grund von gesetzlich vorgeschriebenen Vorsorge‑ und Früherkennungsmaßnahmen oder für zusätzliche Leistungen, die im Rahmen zugelassener strukturierter Behandlungsprogramme erbracht werden, vgl § 71 Abs 1 Satz 2 SGB V). Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität ist auch ohne ausdrückliche Bezugnahme in § 120 Abs 2 SGB V auf § 71 SGB V bei der Vereinbarung nach § 120 Abs 2 Satz 2 SGB V zu beachten. Denn er gilt allgemein für die im Vierten Kapitel des SGB V geregelten Vergütungsvereinbarungen, ohne dass es einer auf die jeweilige Vergütungsvereinbarung bezogenen speziellen Regelung bedarf. Es handelt sich hierbei um eine verbindliche gesetzliche Vorgabe, die auch bei Schiedssprüchen zu beachten ist und die eine verbindliche Grenze für Vergütungsvereinbarungen darstellt (vgl BSG Urteil vom 13.5.2013 ‑ B 6 KA 20/14 R ‑ BSGE 119, 43 = SozR 4‑2500 § 120 Nr 4, RdNr 29 f mwN zu SPZ).
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(1) Dabei ist ‑ anders als das LSG meint ‑ neben den in § 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 und Abs 2 Satz 2 SGB V normierten Ausnahmen kein Raum für die Berücksichtigung anderer als der gesetzlich benannten Umstände (BSG Urteil vom 27.4.2005 ‑ B 6 KA 42/04 R ‑ SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 9 = juris RdNr 16; BSG Urteil vom 23.6.2010 ‑ B 6 KA 4/09 R ‑ SozR 4‑2500 § 85 Nr 56 RdNr 19). Dies bedeutet, dass selbst bei einer signifikanten Änderung der Sach- und/oder Rechtslage einer der normierten Ausnahmetatbestände wegen einer solchen Änderung tatsächlich erfüllt sein muss (aA Schiedsstelle gemäß § 18a KHG in Mecklenburg-Vorpommern, Schiedsspruch vom 21.1.2019 ‑ 02/2018 ‑ KrV 2019, 260, 262 f; vgl auch bereits Schiedsspruch vom 21.3.2016 ‑ 01/2016 ‑ MedR 2016, 747, 750 unter B. 4. eine psychiatrische Institutsambulanz betreffend). Entscheidend ist daher im Rahmen von § 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V allein, wie sich die geänderte Sach‑ und/oder Rechtslage auf die wirtschaftliche Betriebsführung der Einrichtung konkret auswirkt.
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Sofern die Gesetzesbegründung zum GKV‑VSG im Zusammenhang mit den Änderungen der Vergütungsstruktur der Hochschulen in § 120 SGB V ausführt, der "Anpassung der Vergütung der Leistungen der Hochschulambulanzen steht der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht entgegen" (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung eines GKV‑VSG, BT‑Drucks 18/4095 S 115 zu Nr 56 <§ 120> zu Buchst b zu Doppelbuchst bb), ist ersichtlich nicht gemeint, dass dieser im Fall der Hochschulambulanzen nicht eingreife. Aus der Formulierung "steht … nicht entgegen" lässt sich der Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber auch in diesem Fall von einer Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ausgeht, diesen aber nicht in Konflikt mit dem Ziel einer angemessenen Vergütung für die Leistungen der Hochschulambulanzen sieht. Dies wird bestätigt durch die Gesetzesmaterialien zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil‑ und Hilfsmittelversorgungsgesetz ‑ HHVG), wonach einer "notwendigen Anpassung der Vergütung der Leistungen der Hochschulambulanzen an die HSA‑SV … der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht entgegen" stehe. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Senatsentscheidung vom 13.5.2012 (B 6 KA 20/14 R) zu den SPZ betont der Ausschuss für Gesundheit, dass die Anpassung der Vergütungsvereinbarungen der Leistungen einer Hochschulambulanz sich vielmehr vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität nach der gemessen am Leistungsspektrum wirtschaftlichen Betriebsführung der Hochschulambulanzen im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestimme (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf eines HHVG, BT‑Drucks 18/11205 S 65 zu Nr 6b <§ 120 SGB V> zu Doppelbuchst bb).
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Auch soweit es in § 2 Abs 1 Satz 3 der von der Bundesschiedsstelle gemäß § 18a Abs 6 KHG getroffenen HSA‑SV vom 9.12.2016 lediglich heißt, der Grundsatz der Beitragssatzstabilität sei "zu berücksichtigen" ‑ und nicht zu beachten ‑, folgt hieraus nicht, dass es zulässig wäre, über die in § 71 Abs 1 und 2 SGB V normierten Ausnahmefälle hinaus, vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität abzuweichen. Die Ermächtigung der Vertragsparteien nach § 301 Abs 3 SGB V in § 120 Abs 3 Satz 4 SGB V umfasst nur die Vereinbarung bundeseinheitlicher Grundsätze, die die Besonderheiten der Hochschulambulanzen angemessen abbilden, insbesondere zur Vergütungsstruktur und zur Leistungsdokumentation. Eine Befugnis zum Abweichen von dem in § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V verbindlich festgelegten Grundsatz der Beitragssatzstabilität enthält diese nicht.
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(2) Die Geltendmachung höherer Kosten aufgrund eines spezifischen Leistungsspektrums und/oder einer besonderen Kostenstruktur ist allerdings trotz der Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität im Hinblick auf § 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V nicht ausgeschlossen, selbst wenn dies im Einzelfall zu einer die maßgebliche Veränderungsrate übersteigenden Erhöhung der Vergütung führt. Insofern bestehen bei der Vereinbarung der Vergütung mit einem einzelnen Leistungserbringer Besonderheiten gegenüber der Vereinbarung von Vergütungen in Kollektivverträgen für eine Vielzahl von Leistungserbringern. Ähnlich wie bei der Bemessung der Pflegesätze nach § 84 SGB XI, die ermöglichen müssen, dass eine Einrichtung bei wirtschaftlicher Betriebsführung ihrem Versorgungsauftrag nachkommen kann, muss die Vergütung nach § 120 Abs 2 SGB V die Leistungsfähigkeit der einzelnen ermächtigten Einrichtung bei wirtschaftlicher Betriebsführung gewährleisten. Hier wie dort ist mithin jeweils zu prüfen, ob die von der Einrichtung zu leistende Versorgung bei wirtschaftlicher Betriebsführung durch die Vergütung sichergestellt werden kann. Wird festgestellt, dass nur mit einer bestimmten Höhe der Vergütung die Leistungsfähigkeit der Einrichtung bei wirtschaftlicher Betriebsführung zu gewährleisten ist, liegt ein Fall des § 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V vor. Die notwendige medizinische Versorgung ist mithin auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven anders nicht zu gewährleisten (BSG Urteil vom 13.5.2013 ‑ B 6 KA 20/14 R ‑ BSGE 119, 43 = SozR 4‑2500 § 120 Nr 4, RdNr 32 zum SPZ).
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bb) Diese Grundsätze bedürfen entgegen der Auffassung der Beigeladenen keiner Modifizierung bei Hochschulambulanzen im Hinblick darauf, dass diese ‑ anders als etwa SPZ ‑ unmittelbar kraft Gesetzes und damit unabhängig von einer Bedarfsprüfung zur Teilnahme an der ambulanten Versorgung ermächtigt sind (§ 117 Abs 1 Satz 1 SGB V). Soweit § 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V verlangt, dass "die notwendige medizinische Versorgung … nicht zu gewährleisten" ist, erfasst dies nicht lediglich Versorgungsbereiche, in denen die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung einer vorherigen Bedarfsprüfung unterliegt. Ausreichend ist, dass der Gesetzgeber von einem Versorgungsbedarf ausgeht, der durch die Einrichtung gedeckt werden soll. Dies ist für die Hochschulambulanzen der Fall. Die Leistungen der Hochschulambulanzen stellen, selbst wenn diese im Bereich des § 117 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V allein im Interesse von Forschung und Lehre ermächtigt werden, medizinisch notwendige Behandlungen dar. Bezogen auf den einzelnen Behandlungsfall ist eine Abgrenzung des Forschungs‑ und Lehranteils nicht möglich. Sie sind insgesamt Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung und leisten dazu faktisch einen wesentlichen Beitrag (BSG Urteil vom 2.4.2014 ‑ B 6 KA 20/13 R ‑ SozR 4‑2500 § 117 Nr 6 RdNr 29 mwN; vgl auch BVerfG Beschluss vom 8.4.1981 ‑ 1 BvR 608/79 ‑ BVerfGE 57, 70, 95 f). So hat der Senat bereits entschieden, dass bei der Ermittlung von Sonderbedarf die durch die von den Hochschulambulanzen erbrachten ambulanten vertragsärztlichen Leistungen erfolgte Bedarfsdeckung zu berücksichtigen ist und zur Ablehnung einer Sonderbedarfszulassung führen kann (BSG Urteil vom 2.9.2009 ‑ B 6 KA 34/08 R ‑ BSGE 104, 116 = SozR 4‑2500 § 101 Nr 7, RdNr 18). Auch die Erweiterung der Aufgaben der Hochschulambulanzen um die Behandlung von Personen, die wegen Art, Schwere und Komplexität ihrer Erkrankung einer Untersuchung oder Behandlung durch die Hochschulambulanz bedürfen (§ 117 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V idF des GKV‑VSG mWv 23.7.2015), stützt sich auf einen vom Gesetzgeber angenommenen speziellen Versorgungsbedarf (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung eines GKV‑VSG, BT‑Drucks 18/4095 S 113 zu Nr 53 <§ 117>). Der Vorbehalt einer Überweisung durch einen Facharzt (§ 117 Abs 1 Satz 2 SGB V), stellt dabei sicher, dass die Hochschulambulanzen den von ihnen zu versorgenden Personenkreis nicht selbst definieren können und dass sie sich auf die Personen konzentrieren, die auf ihr besonderes Leistungsangebot angewiesen sind ("Facharztfilter", vgl BSG Urteil vom 17.2.2016 ‑ B 6 KA 6/15 R ‑ BSGE 120, 254 = SozR 4‑2500 § 119 Nr 2, RdNr 48 zum SPZ sowie Frehse in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand Februar 2022, § 117 SGB V RdNr 86 f; Rademacker in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Januar 2021, § 117 RdNr 12).
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cc) Nach der Rechtsprechung des Senats hat die Beurteilung der Leistungsgerechtigkeit der Vergütung nach § 120 Abs 2 SGB V in Anlehnung an das vom 3. Senat des BSG ursprünglich für den Bereich der Pflegesatzverfahren nach § 84 SGB XI entwickelte zweistufige Prüfungsprogramm zu erfolgen. Grundlage der Verhandlung über Pflegesätze und Entgelte ist danach zunächst die Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der in der Einrichtung erbrachten Leistungen anhand einer plausiblen und nachvollziehbaren Darlegung (Prognose). Daran schließt sich in einem zweiten Schritt die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit an. Maßgebend hierfür sind die Kostenansätze vergleichbarer Leistungen in anderen Einrichtungen (externer Vergleich) (BSG Urteil vom 13.5.2015 ‑ B 6 KA 20/14 R ‑ BSGE 119, 43 = SozR 4‑2500 § 120 Nr 4, RdNr 33 f; vgl auch BSG Urteil vom 7.10.2015 ‑ B 8 SO 21/14 R ‑ BSGE 120, 51 = SozR 4‑3500 § 75 Nr 9, RdNr 16 zur Orientierung einer sozialhilferechtlichen Schiedsstelle an dieser Rechtsprechung des BSG).
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Vor dem Hintergrund des § 71 SGB V ist daher bei Vergütungen nach § 120 Abs 2 SGB V zunächst zu fragen, ob die Betriebsführung gemessen am Leistungsspektrum der ermächtigten Einrichtung plausibel dargelegt ist und/oder Wirtschaftlichkeitsreserven erkennen lässt und in einem zweiten Schritt zu überprüfen, ob der nachvollziehbar begründete Vergütungsanspruch einem Vergleich mit anderen ermächtigten Einrichtungen standhält. Nur bei neu hinzutretenden Einrichtungen kann es dabei darum gehen, dass die entstehenden Kosten insgesamt nachvollziehbar dargelegt werden. Soweit an vorangegangene Vergütungen angeknüpft wird, kann es ‑ ähnlich wie bei der Vorjahresanknüpfung für die Gesamtvergütung ‑ nur um die Frage gehen, ob Veränderungen eingetreten sind, die eine Erhöhung der zuvor vereinbarten Vergütung über den nach § 71 Abs 3 SGB V festgelegten Veränderungssatz hinaus rechtfertigen. Das ist nur dann der Fall, wenn ohne eine solche Erhöhung die von der Einrichtung zu leistende Versorgung gefährdet ist. Gerechtfertigt kann eine solche Erhöhung etwa sein in Fällen einer Steigerung der tariflich zu zahlenden Entgelte über die durchschnittliche Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen hinaus oder bei einer notwendigen Änderung des Personalschlüssels bzw der Fachkraftquote. Ebenfalls denkbar sind nicht vorhersehbare Veränderungen in der Zusammensetzung des Patientenklientels, die die Kosten pro Fall deutlich erhöhen. Auch eine Erhöhung von Kostensätzen, die auf einer in den Vorjahren erfolgten fehlerhaften Kalkulation beruht oder sogar bewusst ‑ zB um Marktsegmente zu erschließen ‑ zu niedrig angesetzt worden sind, ist nicht von vornherein als unplausibel ausgeschlossen, sofern dies substantiiert begründet wird (BSG Urteil vom 13.5.2015, aaO, RdNr 35 unter Hinweis auf BSG Urteil vom 29.1.2009 ‑ B 3 P 7/08 R ‑ BSGE 102, 227 = SozR 4‑3300 § 85 Nr 1, RdNr 25). Diese Konstellationen, die durch die Rechtsprechung des BSG bislang anerkannt worden sind, fügen sich in das Regelungsschema der Ausnahmetatbestände nach § 71 Abs 1 und Abs 2 SGB V ein (vgl dazu bereits 3. b) aa) <1>). Die Darlegungs- und Substantiierungslast hierfür liegt bei dem Träger der Einrichtung, der insoweit über die erforderlichen Daten verfügt. Die ermächtigte Einrichtung muss ihre voraussichtlichen Kosten so darlegen und belegen, dass sie nachvollziehbar sind und eine zuverlässige Prognose ermöglichen (vgl BSG Urteil vom 13.5.2015, aaO, RdNr 35 mwN).
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c) Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung nicht zu beanstanden. Zwar ist die Klägerin im Schiedsverfahren ihrer Darlegungs‑ und Substantiierungslast auf der ersten Stufe nicht nachgekommen, da sie die geltend gemachte Erhöhung der Fallpauschale Orthopädie gegenüber der für das Jahr 2017 vereinbarten Vergütung nicht hinreichend belegt hat, wie die Beklagte in dem angegriffenen Schiedsspruch zutreffend entschieden hat (dazu aa). Allein die fehlende Darlegung und Substantiierung des Kostenanstiegs führt jedoch noch nicht zu einer Beweislastentscheidung zu Lasten der Klägerin. Vielmehr wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, Fragen der Kostenentstehung bei wirtschaftlicher Betriebsführung im Rahmen der Amtsermittlung weiter nachzugehen (dazu bb).
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aa) Die Klägerin hat die voraussichtlichen Gestehungskosten der Hochschulambulanz in den Jahren 2018 und 2019 nicht plausibel und nachvollziehbar dargelegt. Zwar hat sie mit ihrem Antrag auf Festsetzung der Vergütung durch die Beklagte eine Kalkulation auf Vollkostenbasis vorgelegt, ausgehend von einer vierwöchigen Zeiterfassung in den einzelnen orthopädischen Spezialsprechstunden im Jahr 2018. Die Vorlage einer reinen Kostenkalkulation reicht in der Regel allerdings nicht aus; diese ist vielmehr hinreichend zu belegen und muss tatsächlich nachvollziehbar sein (vgl BSG Urteil vom 29.1.2009 ‑ B 3 P 7/08 R ‑ BSGE 102, 227 = SozR 4‑3300 § 85 Nr 1, RdNr 25). Da es sich hier nicht um eine neu eingeführte Hochschulambulanz handelt, wäre darzulegen gewesen, ob und ggf welche Veränderungen gegenüber den der Vergütungsvereinbarung für 2017 zugrunde liegenden Verhältnissen konkret eingetreten sind, die eine Erhöhung der für 2017 vereinbarten Vergütung über den Veränderungssatz (§ 71 Abs 3 SGB V) hinaus rechtfertigen. Die Klägerin hat in ihrem Antrag angegeben, dass im Vergleich mit den Vorjahren 2016 und 2017 die für das Jahr 2018 ermittelte Kontakthäufigkeit in der Orthopädie stabil sei und den Vorjahreswerten entspreche. Zudem hat sie in der mündlichen Verhandlung vor der Schiedsstelle auf Nachfrage der Beklagten nur bezogen auf die Rheumatologie zu Protokoll erklärt, dass die Komplexität der bei den Patienten der Klinik auftretenden Erkrankungen von Jahr zu Jahr zunehme. Die Klägerin hat sich in Bezug auf die beinahe Verdopplung der geforderten Fallpauschale von 84,50 Euro (für Orthopädie und Rheumatologie) im Jahr 2017 auf 160,89 Euro (nur Orthopädie) im Jahr 2018 letztlich im Wesentlichen auf den erweiterten Leistungsumfang der Ermächtigung nach § 117 SGB V und die geänderte Vergütungsstruktur in § 120 SGB V sowie deren erstmalige Umsetzung durch die HSA‑SV vom 9.12.2016 gestützt, ohne anzugeben, wie sich die geänderte Rechtslage konkret auf ihre Kostenstruktur ausgewirkt hat. Auch eventuelle Änderungen, die bereits vor 2018 eingetreten und möglicherweise noch nicht im Rahmen der Vergütungsvereinbarung für das Jahr 2017 berücksichtigt worden waren, wie es die Protokollnotiz zur Vereinbarung von 2017 nahelegt, hätten im Einzelnen plausibel dargelegt und nachvollziehbar belegt werden müssen. Hierauf haben auch die Beigeladenen in ihrer Erwiderung auf den Antrag der Klägerin hingewiesen.
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bb) Die fehlende plausible Darlegung und Substantiierung des Kostenanstiegs durch die Klägerin führt allerdings aufgrund der hier vorliegenden besonderen Umstände noch nicht dazu, dass eine Beweislastentscheidung hätte ergehen dürfen. Die Beklagte wäre vielmehr verpflichtet gewesen, offenen Fragen weiter nachzugehen. Denn hält die Beklagte ‑ wie hier ‑ den Kostenansatz der Klägerin nicht etwa deswegen für implausibel, weil sie aus den vorliegenden Daten andere Schlüsse zieht als die Klägerin, sondern weil weitere Angaben und Unterlagen fehlen, der Sachverhalt also nicht vollständig aufgeklärt ist, ist von einer Verpflichtung der Beklagten auszugehen, die fehlenden Unterlagen und Angaben bei der jeweiligen Vertragspartei anzufordern (BSG Urteil vom 13.5.2015 ‑ B 6 KA 20/14 R ‑ BSGE 119, 43 = SozR 4‑2500 § 120 Nr 4, RdNr 37). Dabei reicht es nicht aus, wenn die Beklagte darauf verweist, die Klägerin habe eine nicht vorhersehbare Veränderung in der Zusammensetzung des Patientenklientels, die die Kosten pro Fall deutlich erhöhe, nicht behauptet. Denn gerade mit Blick auf die Protokollnotiz zur Vergütungsvereinbarung für 2017 und die früher (bis zum 22.7.2015) geltende Fassung des § 120 Abs 2 Satz 4 SGB V, die bei der Vergütung der Leistungen der Hochschulambulanzen noch eine Abstimmung mit Entgelten für vergleichbare Leistungen forderte, während seither die Leistungsfähigkeit auch von Hochschulambulanzen bei wirtschaftlicher Betriebsführung gewährleistet sein muss, ist nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin nunmehr erstmals höhere Kosten auf der Basis wirtschaftlicher Betriebsführung geltend macht. Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass die Klägerin meinte, ihre Darlegungs- und Substantiierungslast erfüllt zu haben, indem sie rechtliche Ausführungen zu den den Ermächtigungsumfang und die Vergütungsstruktur der Hochschulambulanzen betreffenden gesetzlichen Änderungen gemacht und die prognostizierten Kosten für die Jahre 2018 und 2019 dargelegt hatte. Die Ansicht, dass bei einer signifikanten Änderung der Sach‑ und Rechtslage ein Ausnahmetatbestand zum Grundsatz der Beitragssatzstabilität vorliege und eine Bindung an die Begrenzung durch die Veränderungsrate nach § 71 Abs 3 SGB V nicht eingreife, war seinerzeit aber durchaus verbreitet (vgl Schiedsstelle gemäß § 18a KHG in Mecklenburg‑Vorpommern, Schiedsspruch vom 21.3.2016 ‑ 01/2016 ‑ MedR 2016, 747, 750 unter B. 4. sowie Schiedsspruch vom 21.1.2019 ‑ 02/2018 <2018> ‑ KrV 2019, 260, 262 f). Vor diesem Hintergrund durfte die Klägerin zunächst Hinweise oder Aufforderungen der Beklagten abwarten, bevor sie weitere Daten ‑ etwa zur Kostenstruktur der Einrichtung in früheren Jahren ‑ preisgab (zu den Grenzen der Amtsermittlungspflicht im Schiedsverfahren vgl BSG Urteil vom 13.5.2015 ‑ B 6 KA 20/14 R ‑ BSGE 119, 43 = SozR 4‑2500 § 120 Nr 4, RdNr 38). Insofern hätte die Beklagte die Klägerin zu einer ergänzenden plausiblen Darlegung hinsichtlich der Kosten der orthopädischen Ambulanz und deren Entwicklung im Verhältnis zu den Vorjahren auffordern müssen (vgl auch BSG Urteil vom 17.12.2009 ‑ B 3 P 3/08 R ‑ BSGE 105, 126 = SozR 4‑3300 § 89 Nr 2, RdNr 68, wonach im Interesse einer Beschleunigung Auflagen zur Sachverhaltsklärung möglichst schon mit der Ladung zum Schiedstermin verbunden werden sollten). Dafür bestand letztlich auch deshalb Anlass, weil die Beigeladenen die Daten zweier Vergleichshäuser vorgelegt hatten, aus denen sich ergab, dass mit anderen Hochschulambulanzen für die Jahre 2018 und 2019 durchaus höhere Fallpauschalen, als von der Beklagten mit ihrem Schiedsspruch festgesetzt, vereinbart worden sind. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Klägerin geweigert hätte, die vorgelegten Unterlagen zu ergänzen (zu einem solchen Fall vgl etwa BSG Urteil vom 7.10.2015 ‑ B 8 SO 21/14 R ‑ BSGE 120, 51 = SozR 4‑3500 § 75 Nr 9, RdNr 20 f, 23), sind nicht ersichtlich.
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4. Das LSG wird im wiedereröffneten Klageverfahren auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden und dabei zu berücksichtigen haben, dass für das Revisionsverfahren nur eine Kostenpflicht der Beigeladenen als erfolglose Rechtsmittelführer oder der Klägerin in Betracht kommt (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO; vgl hierzu BSG Urteil vom 6.5.2009 ‑ B 6 KA 2/08 R ‑ SozR 4‑2500 § 106 Nr 24 RdNr 25 mwN).