Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.399,77 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.10.2019 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Zahlung einer Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung.
Die bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte M T C befand sich in der Zeit vom 04.12.2018 bis 06.12.2018 in vollstationärer Behandlung im Krankenhaus der Klägerin. Die Aufnahme erfolgte zur operativen Entfernung einer gutartigen Raumforderung des Mundbodens.
Die Klägerin stellte der Beklagten für die stationäre Behandlung der Versicherten am 27.12.2018 einen Betrag in Höhe von 3.843,85 EUR unter Zugrundelegung der DRG D06B in Rechnung. Die Beklagte beglich den Rechnungsbetrag zunächst vollständig, leitete sodann jedoch ein Prüfverfahren durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein.
In seinen Prüfanzeigen vom 19.12.2018 und 03.01.2019 bat der MDK um Übersendung sämtlicher Behandlungsunterlagen, die geeignet sind, die Fragestellung der Krankenkasse bezogen auf den Prüfgegenstand vollumfänglich zu beantworten bzw. die zur Beurteilung von Voraussetzung, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt werden. Die Fragestellung der Kasse war: „War die Überschreitung der unteren Grenzverweildauer bzw. das Erreichen der UGDV medizinisch begründet?“ Als Prüfgegenstand wurde „Sekundäre Fehlbelegung“ angegeben. Die Klägerin übersandte dem MDK die Entlassungsberichte, die OP-Berichte sowie die Patientenakte in Auszügen.
Der MDK kam in seinem nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 19.09.2019 durch Dr. E zu dem Ergebnis, dass die stationäre Behandlung nur bis zum 05.12.2018 notwendig gewesen sei. Der Eingriff am Aufnahmetag sei komplikationslos verlaufen, es habe auch keine postoperativen Komplikationen gegeben.
Unter Bezugnahme auf das Gutachten des MDK nahm die Beklagte am 28.10.2019 eine Aufrechnung in Höhe von 1.399,77 EUR gegen eine unstreitige Forderung der Klägerin aus dem Behandlungsfall der Versicherten G I, Rechnungsnummer 190062669, vor.
Dagegen richtet sich die am 31.12.2019 erhobene Klage. Die Klägerin meint, dass die Beklagte nicht mit Erfolg mit ihrer vermeintlichen Rückforderung aus dem Behandlungsfall der Versicherten C aufrechnen konnte, weil der stationäre Aufenthalt über den gesamten Zeitraum medizinisch notwendig gewesen sei. Bei der Versicherten sei die Einlage einer Drainage erforderlich gewesen, die erst am zweiten postoperativen Tag habe entfernt werden können. Zudem habe die Versicherte am ersten postoperativen Tag über Schmerzen geklagt, sodass auch aus diesem Grund die stationäre Beobachtung über die gesamte Länge notwendig gewesen sei.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.399,77 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2019 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen des MDK. Demnach sei bei völlig komplikationslosem Verlauf die Entlassung schon am ersten postoperativen Tag möglich gewesen. Dass eine Drainage eingelegt wurde und die Patientin am ersten postoperativen Tag über Schmerzen klage, lasse sich dem Gutachten des MDK nicht entnehmen.
Die Beklagte hat den MDK im gerichtlichen Verfahren erneut mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Dieser ist durch den Gutachter Dr. F am 16.12.2021 nunmehr zu dem Ergebnis gekommen, dass der stationäre Aufenthalt über den gesamten Zeitraum notwendig gewesen sei. Dass die intraoperativ eingebrachte Drainage erst am zweiten postoperativen Tag entfernt werden konnte, ergebe sich laut MDK aus erst im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen. Hingegen sei bereits in der zur Erstbegutachtung vorgelegten Dokumentation mehrfach festgehalten, dass die Versicherte wiederholt Schmerzen gehabt habe, die auch entsprechend symptomatisch behandelt worden seien.
Die Beklagte hat daraufhin ausgeführt, dass unter Zugrundelegung der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10.11.2021, Aktenzeichen B 1 KR 16/21 R, die dem MDK neu vorgelegten Unterlagen nach § 7 Abs. 2 Prüfverfahrensvereinbarung 2016 (Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c SGB V gemäß § 17c Absatz 2 KHG vom 03.02.2016; PrüfvV 2016) materiell präkludiert seien. Ausweislich der Prüfanzeige habe keine Vollprüfung, sondern eine konkrete einzelne Fragestellung zur Überschreitung der unteren Grenzverweildauer vorgelegen. Die nachgereichten Unterlagen, die die Überschreitung der unteren Grenzverweildauer aufgrund der erst am 06.12.2018 entfernen Drainage medizinisch begründen, seien insofern von vornherein vorzulegen gewesen. Da dies nicht erfolgt sei, bestehe nunmehr eine materielle Präklusion dieser Unterlagen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung der Kammer durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der darüberhinausgehenden Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie die beigezogene Patientendokumentation der Klägerin über den stationären Aufenthalt der Versicherten C. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Streitgegenstand ist vorliegend nicht die Kostenübernahme für die stationäre Behandlung der Versicherten C, weil dieser Anspruch durch Erfüllung erloschen ist. Gegenstand der Klage ist vielmehr die Frage, ob der Beklagten aus diesem Behandlungsfall ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Höhe von 1.399,77 EUR zusteht, den sie im Wege der Aufrechnung geltend gemacht hat. Bei der zu Grunde liegenden unstreitigen Hauptforderung, mit der die Aufrechnung erklärt wurde, handelt es sich um eine Vergütung aus der Behandlung der Versicherten I. Um die Vergütung aus diesem Behandlungsfall bis zur Höhe der Klageforderung geht es vorliegend.
Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG unmittelbar zulässig, denn es geht bei einer auf Zahlung von Behandlungskosten für einen Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. etwa BSG, Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R – juris).
Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von 1.399,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.10.2019 verlangen.
Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses gegenüber einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der sich die Kammer anschließt, § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten. Der Behandlungspflicht des zugelassenen Krankenhauses nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) und der Bundespflegesatzverordnung festgelegt wird (vgl. BSG, Urteil vom 25.11.2010 – B 3 KR 4/10 R –; BSG, Urteil vom 29.04.2010 – B 3 KR 11/09 R – jeweils juris).
Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht dabei unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch einen Versicherten. Da der Zahlungsanspruch des zugelassenen Krankenhauses jedoch in aller Regel mit dem Naturalleistungsanspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung korrespondiert, müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhauspflegebedürftigkeit im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V vorliegen (Landessozialgericht Niedersachsen, Urteil vom 30.01.2002 – L 4 KR 110/00 – juris).
Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der Klägerin aufgrund der stationärer Behandlungen der Versicherten I zunächst ein Vergütungsanspruch entstanden ist. Eine nähere Prüfung dieses Vergütungsanspruchs erübrigt sich insoweit (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens z.B. BSG, Urteil vom 30.07.2019 – B 1 KR 31/18 R – juris).
Der entsprechende Vergütungsanspruch ist nicht in Höhe von 1.399,77 EUR dadurch erloschen, dass die Beklagte mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten C in der Zeit vom 04.12.2018 bis 06.12.2018 analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Aufrechnung erklärte. Schulden nach dieser Norm zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Die Aufrechnung darf nicht ausgeschlossen sein und muss wirksam erklärt werden.
Die Aufrechnung wurde wirksam erklärt. Sie ist auch nicht durch ein gesetzliches oder vertraglich vereinbartes Verbot ausgeschlossen. Es bestand jedoch keine Aufrechnungslage. Der von der Beklagten geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (Gegenforderung), mit dem gegen die Vergütungsforderung der Klägerin (Hauptforderung) aufgerechnet wurde, bestand nicht.
Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind. Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis liegt hier vor, denn die Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus sind öffentlich-rechtlich geprägt. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten ähnliche Grundsätze wie im bürgerlichen Recht der ungerechtfertigten Bereicherung – §§ 812 ff. BGB –, mit der der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zumindest insoweit vergleichbar ist, als beide Ansprüche als Ausdruck eines althergebrachten Rechtsgrundsatzes dem Ausgleich einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung dienen. Diesbezüglich ist allgemein anerkannt, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, zurückgefordert werden können (vgl. BSG, Urteil vom 22.07.2004 – B 3 KR 21/03 R – juris).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die ihr in Rechnung gestellten und bezahlten Kosten des stationären Aufenthalts ihrer Versicherten C im Krankenhaus der Klägerin in Höhe von 1.399,77 EUR nicht ohne Rechtsgrund geleistet. Diese Leistung erfolgte zu Recht, da die stationäre Behandlung der Versicherten C im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich war. Dies folgt für die Kammer aus dem überzeugenden Gutachten des MDK vom 16.12.2021. In diesem bestätigt der MDK die Erforderlichkeit des stationären Aufenthaltes über die gesamte Dauer aufgrund der intraoperativ eingebrachten Drainage, die erst am zweiten postoperativen Tag entfernt werden konnte, sowie aufgrund der Komplexität des Eingriffs und der wiederholten Schmerzen der Versicherten. Die Beklagte hat dieses Ergebnis des MDK auch grundsätzlich nicht in Frage gestellt, sodass die Notwendigkeit der stationären Behandlung der Versicherten C zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig ist. Weitere medizinische Ermittlungen des Gerichts waren daher nicht erforderlich.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die dem MDK erst im gerichtlichen Verfahren zur Verfügung gestellten Unterlagen, die die Erforderlichkeit der vollstationären Behandlung vom 04.12.2018 bis 06.12.2018 begründen, nicht gem. § 7 Abs. 2 PrüfvV 2016 präkludiert. Denn die Präklusionswirkung des § 7 Abs. 2 PrüfvV 2016 tritt nur dann ein, wenn der MDK konkrete Unterlagen angefordert hat.
§ 7 Abs. 2 PrüfvV 2016 lautet:
„Die Prüfung vor Ort richtet sich nach den Vorgaben des § 276 Absatz 4 SGB V. Bei einer Prüfung im schriftlichen Verfahren kann der MDK die Übersendung von Kopien der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Dabei kann sowohl der MDK die angeforderten Unterlagen konkret benennen als auch das Krankenhaus die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrages erforderlichen Unterlagen ergänzen. Das Krankenhaus hat die Unterlagen innerhalb von 8 Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MDK zu übermitteln. Die vom MDK angeforderten und gegebenenfalls vom Krankenhaus ergänzten Unterlagen müssen dem MDK innerhalb der Frist des Satzes 4 zugegangen sein. Sind die Unterlagen dem MDK nicht fristgerecht zugegangen, hat das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag. Liefert das Krankenhaus die erforderlichen Unterlagen innerhalb von weiteren 6 Wochen nach, wird das Prüfverfahren fortgesetzt, sofern das Krankenhaus vor der Nachlieferung die Krankenkasse informiert und für die Fortsetzung des Prüfverfahrens eine Pauschale in Höhe von 300 Euro an die Krankenkasse entrichtet hat. Nach Ablauf der Frist von Satz 7 ist eine Übersendung von Unterlagen durch das Krankenhaus ausgeschlossen. Ein Anspruch auf den dann noch strittigen Rechnungsbetrag besteht nicht. Die Frist nach § 8 Satz 3 verlängert sich entsprechend, maßgeblich ist der Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung der Voraussetzungen nach Satz 7.“
§ 7 Abs. 2 Satz 4 bis 9 PrüfvV 2016 enthält grundsätzlich eine materielle Präklusionsregelung. Diese bezieht sich zum einen auf Unterlagen, die der MDK zumindest ihrer Art nach konkret bestimmt angefordert hat und darüber hinaus auf weitere Unterlagen, die für das Krankenhaus ohne Weiteres erkennbar ebenfalls für den konkret eingegrenzten Prüfauftrag relevant sein können (BSG, Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 16/21 R – juris).
Diese Präklusionswirkung tritt jedoch nur dann ein, wenn der MDK – quasi auf erster Stufe – konkret bezeichnete Unterlagen angefordert hat. Eine bloß pauschale Anforderung von sämtlichen Behandlungsunterlagen kann die nicht unerhebliche Sanktionsfolge des § 7 Abs. 2 Satz 2 bis 9 PrüfvV nicht auslösen (vgl. ähnlich LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.08.2020 – L 5 KR 239/19 – juris). Dies folgt aus Wortlaut sowie Sinn und Zweck der PrüfvV.
Ziel der PrüfvV ist ein effizientes und konsensorientiertes Prüfverfahren, bei dem die Krankenkassen, der MDK und die Krankenhäuser konstruktiv zusammenarbeiten (§ 1 PrüfvV 2016). § 7 Abs. 2 PrüfvV dient daher vorrangig der Beschleunigung und der Verfahrenskonzentration. Der MDK entscheidet selbst, welche konkreten Unterlagen er anfordert und bestimmt danach auch die Ermittlungstiefe. Er muss sich dadurch nicht mit sämtlichen Behandlungsunterlagen auseinandersetzen, sondern kann das Prüfverfahren durch die von ihm getroffene Auswahl der Unterlagen straff ausgestalten und effizient am Prüfauftrag ausrichten (BSG, Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 16/21 R – juris).
Grenzt er die Unterlagenanforderung zur Beschleunigung und Konzentration des Prüfverfahrens ein, ist damit jedoch auch das Risiko verbunden, nicht alle für die Erfüllung des Prüfauftrages erforderlichen Unterlagen angefordert zu haben. Darüber hinaus kennt der MDK – anders als das Krankenhaus – die Patientenakte nicht und weiß daher nicht genau, welche Unterlagen zur Erfüllung des Prüfauftrages im Einzelfall erforderlich sind. Anders als noch § 7 Abs. 2 PrüfvV 2014 enthält § 7 Abs. 2 PrüfvV 2016 nunmehr auch die Obliegenheit des Krankenhauses, die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrages erforderlichen Unterlagen zu ergänzen. Die in § 7 Abs. 2 Satz 3 und 5 PrüfvV 2016 geregelte Obliegenheit des Krankenhauses, die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrages erforderlichen Unterlagen zu ergänzen, belässt insofern einerseits die Verantwortung für die Ausgestaltung des Prüfverfahrens beim MDK, gleicht aber andererseits dessen Informationsdefizit hinsichtlich des konkreten Inhalts der Patientenakte durch eine Mitwirkungsobliegenheit des Krankenhauses teilweise aus (BSG, Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 16/21 R – juris).
Auch wenn das Krankenhaus nunmehr eine Mitwirkungsobliegenheit trifft, bestimmt der MDK auf erster Stufe sowohl über das „Ob“ als auch über den Umfang und die Konkretisierung der Unterlagenanforderung und damit insgesamt über die Ermittlungstiefe. Der insoweit eröffnete Entscheidungsspielraum des MDK ändert nichts daran, dass nur eine der Art nach konkrete Bezeichnung der angeforderten Unterlagen die Verpflichtung des Krankenhauses zur Übersendung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2016 auslöst, die unabdingbare Voraussetzung für den Eintritt der Präklusionswirkung ist (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 16/21 R – juris).
Nur die nicht fristgemäße Vorlage ihrer Art nach konkret bezeichneter Unterlagen rechtfertigt die nicht unerhebliche Sanktionsfolge (BSG, Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 16/21 R –; mit Verweis auf BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 24/20 R – jeweils juris). Ansonsten müsste das Krankenhaus zur Vermeidung von nicht unerheblichen Rechtsnachteilen dem MDK bei pauschaler Unterlagenanforderung immer sämtliche Unterlagen vorlegen. Dies ist mit Sinn und Zweck der PrüfvV, ein effizientes und vor allem schlankes und beschleunigtes Prüfverfahren zu schaffen, nicht vereinbar (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 16/21 R – juris).
Auch der Wortlaut von § 7 Abs. 2 PrüfvV 2016 spricht gegen den Eintritt einer Sanktionsfolge bei bloß pauschaler Unterlagenanforderung. Denn das Krankenhaus trifft die Pflicht, die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrages erforderlichen Unterlagen zu ergänzen. Eine Ergänzung bedeutet eine Hinzufügung fehlender Elemente zur Vervollständigung einer bestehenden Menge. Bei einer pauschalen Unterlagenanforderung, mit der der MDK um Übersendung sämtlicher, geeigneter Behandlungsunterlagen bittet, kann nichts ergänzt werden. Insofern besteht bei bloß pauschaler Unterlagenanforderung schon keine Pflicht des Krankenhauses, Unterlagen zu ergänzen. Wenn eine Obliegenheit des Krankenhauses nicht besteht, können an die Nichtbeachtung auch keine nachteiligen Folgen, wie die Präklusion von Unterlagen, geknüpft werden.
Der MDK bat in seinen Prüfanzeigen vom 19.12.2018 und 03.01.2019 um Übersendung sämtlicher Behandlungsunterlagen, die geeignet sind, die Fragestellung der Krankenkasse bezogen auf den Prüfgegenstand vollumfänglich zu beantworten bzw. die zur Beurteilung von Voraussetzung, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt werden. Dabei handelt es sich nicht um eine konkrete, sondern um eine pauschale Unterlagenanforderung, die die Präklusionswirkung des § 7 Abs. 2 PrüfvV nicht auslösen kann. Es kann daher auch dahinstehen, welche Unterlagen dem MDK im gerichtlichen Verfahren nunmehr genau vorgelegt wurden, da diese jedenfalls nicht präkludiert sind. Darüber hinaus ist unerheblich, ob eine konkrete Fragestellung der Krankenkasse und keine Vollprüfung vorlag. Bei pauschaler Unterlagenanforderung wird die Präklusionswirkung selbst dann nicht ausgelöst, wenn ein eng begrenzter Prüfauftrag und/oder eine konkrete Fragestellung der Krankenkasse vorliegt.
Der Klägerin steht auch der geltend gemachte Zinsanspruch gemäß entsprechender Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 4 Landesvertrag NRW i.V.m. § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 BGB, § 187 BGB analog in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jedenfalls ab dem 29.10.2019 zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.