- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Entschädigung wegen der verzögerten Bescheidung eines Antrags auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung.
Die am 1994 geborene Klägerin beantragte am 2021 mit Hilfe des Sozialdienstes des Universitätsklinikums A bei der Beklagten die Gewährung von Pflegesachleistungen, nachdem sie sich vom 09. bis 13.08.2021 in stationärer Krankenhausbehandlung dort befand.
Mit Bescheid vom 24.08.2021 wurden ihr vorläufig ab dem 16.08.2021 Leistungen nach dem Pflegegrad 2 in Form von Pflegesachleistungen bewilligt. Pro Kalendermonat übernehme man bis zu 689,- €, die Kosten würden mit dem zuständigen Pflegedienst abgerechnet wurden. Am gleichen Tag übersandte die Beklagte der Klägerin den Antragsvordruck, welchen die Klägerin mit Schreiben vom 01.09.2021 zurück sandte. Darin gab sie an, dass sie die Gewährung von Pflegegeld begehre.
Nachdem der Medizinische Dienst Westfalen-Lippe (MD) nach einem Hausbesuch am 09.11.2021 zu dem Ergebnis gelangte, dass die Klägerin mit 41,25 gewichteten Punkten die Voraussetzungen des Pflegegrades 2 erfüllt, bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid 22.11.2021 Pflegegeld nach dem Pflegegrad 2 rückwirkend seit dem 16.08.2021.
Am 13.12.2021 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung der Entschädigung wegen verzögerter Antragsbearbeitung. Die Bearbeitungsfrist habe am 21.09.2021 geendet, eine Bescheidung sei jedoch erst am 22.11.2021 erfolgt.
Mit Schreiben vom 12.01.2022 lehnte die Beklagte den Anspruch ab und verwies auf die vorläufige Bewilligung mit Bescheid vom 24.08.2021.
Hiergegen legte die Klägerin mit E-Mail vom 17.02.2022 Einspruch ein und verwies im Wesentlichen darauf, dass nur eine endgültige Entscheidung die Zahlung einer Entschädigung verhindern könne. Zudem habe die Klägerin keine Sachleistungen beantragt.
Mit Bescheid vom 28.02.2022 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte im Wesentlichen aus, dass die einwöchige Eilbegutachtungsfrist nach dem Antrag am 16.08.2021 eingehalten worden sei. Die Rücksendung des Antragsformulars am 01.09.2021 sei nicht als Neuantrag zu werten, weshalb eine Entschädigung nicht zu zahlen sei.
Am 09.03.2022 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt im Wesentlichen vor, dass die Klage zulässig sei. Insbesondere sei ein Vorverfahren nicht erforderlich, da dies dem Sinn und Zweck der Erstattungszahlungen auf schnelle Verbesserung einer Situation zuwider liefe. Die Beklagte habe den Anspruch bereits zweimal abgelehnt. Die Durchführung eines Vorverfahrens wäre Formalismus. Im Übrigen wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte zu verurteilen, ihr einen Betrag i.H.v. 630,- € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte wiederholt ihr Vorbringen aus dem Bescheid vom 28.02.2022.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten betreffend den Sach- und Streitstand wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten. Die Akten waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Kammer konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgrund des erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die gemäß § 54 Abs. 5 SGG erhobene allgemeine Leistungsklage ist zulässig. Insbesondere war die Durchführung eines Vorverfahrens nicht erforderlich, da es für die begehrten Entschädigungszahlungen nicht des Erlasses eines vorherigen Verwaltungsaktes i.S.d. § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bedarf. Soweit insbesondere das Hessische Landessozialgericht in seinem Urteil vom 23.02.2022 (Az. L 6 P 36/21) darlegt, dass der begehrte Anspruch in das zwischen den Beteiligten bestehende Sozialversicherungsverhältnis eingebettet sei und darin seinen Ursprung habe, damit also insgesamt dem subordinationsrechtlichen Charakter unterliege, der dazu führe, dass die Beklagte als Leistungsträger durch Verwaltungsakt über die aus dem Versicherungsverhältnis folgenden Ansprüche regelnd zu befinden habe und insoweit auch auf Parallelentscheidungen andere Landessozialgerichte verweist, die dies nicht prüfen mussten, da jeweils ein Vorverfahren durchgeführt wurde, folgt die Kammer dem nicht.
Dass kein Vorverfahren erforderlich ist, ergibt sich zum einen aus dem Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber mit der Einführung der Norm des § 18 Abs. 3b Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) verfolgte. Dieser liegt darin, dass pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen schnelle und unbürokratische Entscheidungen über die von ihnen beantragten Leistungen erhalten sollen, um die Pflege zeitnah planen und organisieren zu können. Mit Blick darauf, dass ein Antragsteller gemäß § 88 SGG erst nach Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung Klage vor dem Sozialgericht erheben kann, sollen sie bei nicht fristgerechter Bescheidung in ihrer akuten Notlage die Entschädigungszahlung erhalten, um ihre Situation zu verbessern und um die Pflegekassen dazu anzuhalten, die Bescheide fristgerecht zu erteilen (vgl. BT-Drs. 17/9369, Seite 37 – juris). Dies kann jedoch nur ermöglicht werden, wenn nicht erst ein Vorverfahren durchlaufen werden muss, bei dem dieselben Fristen gelten, wie beim regulären Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung. Zum anderen ergibt sich dies aus dem Wortlaut der Norm. Dieser sieht vor, dass die Pflegekasse nach Fristablauf für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung unverzüglich 70 Euro an den Antragsteller zu zahlen hat, soweit die Pflegekasse den schriftlichen Bescheid über den Antrag nicht innerhalb von 25 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags erteilt oder eine der verkürzten Begutachtungsfristen nicht eingehalten wird. Daraus ergibt sich, dass die Zahlung „unverzüglich“ und von Amts wegen zu erfolgen hat, also gerade kein Antrag gestellt und ein Bescheid zuvor erlassen werden muss.
Die damit zulässige Klage ist jedoch unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf Entschädigungszahlungen wegen verspäteter Antragsbearbeitung hat. Insoweit hat die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung vom 16.08.2021 fristgerecht binnen 25 Arbeitstagen beschieden, nämlich mit vorläufigem Bescheid vom 24.08.2021. Insoweit gilt es zu beachten, dass die Klägerin bereits am 13.08.2021 aus dem Krankenhaus entlassen wurde, d.h. es galt nicht die verkürzte einwöchige Begutachtungsfrist nach § 18 Abs. 3 Satz 3 SGB XI, sondern die Frist von 25 Arbeitstagen. Darüber hinaus ist mit der vorläufigen Bewilligung mit Bescheid vom 24.08.2021 dem Sinn und Zweck der Regelung in § 18c Abs. 3b Satz 1 SGB XI genüge getan, nämlich einer akuten Notlage der Klägerin vorzubeugen. Mit der vorläufigen Bewilligung hatte die Klägerin die Möglichkeit ihre Pflegesituation zu verbessern. Sie war damit in der Lage, ihre Pflege zu planen und zu organisieren. Soweit antragsgemäß zunächst nur Pflegesachleistungen bewilligt wurden, mit der Rückantwort vom 01.09.2021 jedoch nunmehr Pflegegeld begehrt wurde, ändert dies nichts daran, dass ihr ein Anspruch auf Entschädigungszahlung materiell nicht zusteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und trägt dem Unterliegen der Klägerin Rechnung.
Die Berufung ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht zulässig, da der Beschwerdewert von 750,- € nicht erreicht wird. Dieser liegt bei nur 630,- €. Gründe, die Berufung zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 144 Abs. 2 SGG).
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Dortmund, Ruhrallee 1-3, 44139 Dortmund
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird. Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Dortmund schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen. Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war. Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zu Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).