Der Besuch eines Sonderpädagogisches Bildungs-und Beratungszentrums mit dem Förderschwerpunkt Hören schließt die Gewährung von Eingliederungshilfeleistungen in Form eines Gebärdendolmetschers im Unterricht für ein gehörloses Kind nicht grundsätzlich aus. Denn insoweit handelt es sich nicht um eine Maßnahme, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen ist.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Dezember 2022 aufgehoben und der Antragsgegner verpflichtet, vorläufig bis zum Ende des Schuljahres 2022/2023, längstens jedoch bis zur Entscheidung in der Hauptsache, Eingliederungshilfe für die Antragstellerin in Form der Übernahme der Kosten für einen Gebärdendolmetscher für den Besuch der Ischule, S, im Umfang von 16 Unterrichtsstunden pro Woche zu gewähren.
Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für beide Rechtszüge zu erstatten.
Gründe
Streitig ist die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für einen Gebärdendolmetscher für den Besuch der Ischule, S, im Umfang von 16 bis 18 Unterrichtsstunden pro Woche.
I.
Die am 2009 geborene Antragstellerin ist seit ihrer Geburt gehörlos und es wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen G, H und RF festgestellt. Sie lebt gemeinsam mit ihrem gehörlosen Vater, der über das alleinige Sorgerecht verfügt, dessen ebenfalls gehörloser Lebensgefährtin und deren minderjährigen Kindern in D. Ihre Muttersprache ist die Deutsche Gebärdensprache (DGS), da sie zwar Hörgeräte trägt, aber Sprache nicht über das Gehör wahrnehmen kann.
Die Antragstellerin besucht seit dem Schuljahr 2018/2019 nach einem Schulbezirkswechsel die Ischule, ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) mit Förderschwerpunkt Hören, in S, da sie in der zuvor besuchten Schule in N die einzige Schülerin war, die ausschließlich in der DGS kommunizierte. In der neuen Schule konnte sie sich zunächst gut einleben, hatte Kontakt zu anderen Kindern, die ebenfalls gebärdenkompetent sind. Aufgrund der mangelhaften schulischen Leistungen/ kognitiven Voraussetzungen und der hieraus entstandenen Überforderungssituation wechselte die Antragstellerin zum Schuljahr 2021/2022 in die jahrgangsübergreifende Lerngruppe 5/6 BL des Bildungsgangs Lernen (Förderschule).
Die Antragstellerin beantragte am 20.07.2021 bei der Stadt R, die den Antrag an den zuständigen Antragsgegner weiterleitete, die Übernahme der Kosten für eine Schulassistenz in Form eines Gebärdensprachdolmetschers für den Besuch Schule, da sie nur durch eine Kommunikation in DGS dem Unterricht uneingeschränkt folgen und somit eine ihrer Begabung entsprechende Bildung erhalten könne.
Am 26.10.2021 ging eine Stellungnahme der Schule zu den beantragten Eingliederungsleistungen ein. Darin wurde u.a. ausgeführt, dass die Antragstellerin sich rege am Unterrichtsgeschehen beteilige. Sie werde allerdings von den Lehrern auch aufgrund mangelnder Gebärdenkompetenz dieser nicht immer ausreichend verstanden, wobei die Antragstellerin selbst über eine hohe Gebärdenkompetenz verfüge. Auch für sehr gebärdenkompetente Lehrerinnen und Lehrer sei es zudem nur begrenzt möglich, im Unterricht zwischen lautsprachorientierten und gebärdenden Kindern zu dolmetschen, da die Doppelrolle als Gesprächsführer und Dolmetscher den Unterrichtverlauf verzögere und hemme, so dass keine simultane Übersetzung für die Antragstellerin erfolgen könne, sondern die Unterrichtbeiträge nur zusammengefasst weitergegeben werden könnten. Eine vollständige Teilhabe der Antragstellerin sei so nicht ermöglicht. Ein Gebärdendolmetscher werde im Umfang von mindestens 16 bis 18 Schulstunden benötigt.
Der Antragsgegner zog im weiteren Verlauf den Bildungsplan des Landes Baden-Württemberg für das SBBZ mit Förderschwerpunkt Hören sowie die Handreichung „Deutsche Gebärdensprache“ des Kultusministeriums Baden-Württemberg bei.
Am 09.11.2021 wurde ein Gesamtplan gemäß § 121 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)/ §§ 19,21 SGB IX erstellt. Darin wurde u.a. festgehalten, dass die Stellungnahme der Ischule plausibel sei. Die beantragte Leistung sei nach Einschätzung des Fallmanagements im Umfang von 17 Schulstunden erforderlich und geeignet, um der Antragstellerin eine gleichberechtigte Teilhabe an Bildung zu ermöglichen. Das staatliche Schulamt S habe zudem mitgeteilt, dass aktuell keine zusätzlichen Lehrkräfte mit den notwendigen Kompetenzen zur Verfügung gestellt werden könnten.
Mit Bescheid vom 15.09.2022 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Die Antragstellerin gehöre zwar unstreitig zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 99 SGB IX und sei aufgrund ihrer Behinderung auf die Gebärde im Unterricht angewiesen. So benötige sie Unterstützung zur Sicherung der Kommunikation in Unterrichtsgesprächen, bei Partner- und Gruppenarbeiten, in Stillarbeitsphasen beim Erlesen neuer Texte sowie zur Wiederholung der Arbeitsanweisungen der Lehrer. Unter Berücksichtigung des Bildungsplanes Baden-Württemberg für SBBZs mit Förderschwerpunkt Hören sei es Aufgabe dieser Einrichtung sicherzustellen, dass Bildungsprozesse so angelegt seien, dass für jeden Schüler ein Höchstmaß an Aktivität und Teilhabe erreicht werden könne. Es sei daher Aufgabe der Schule der Antragstellerin ein Schulisches Umfeld zu bieten, in dem die Lehrkräfte entsprechende Kompetenzen in DGS erwerben und beherrschen bzw. die Qualität des gebärdensprachlichen Angebots gesichert und weiterentwickelt werde. Das Vorhalten von Fachkräften, die in DGS kommunizieren und diese vermitteln könnten, obliege der Schulverwaltung, da sie den Kernbereich der pädagogischen Arbeit betreffe. Die Bildungsvermittlung sei damit nicht Aufgabe der Eingliederungshilfe.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 06.10.2022 Widerspruch erheben lassen, über den noch nicht entschieden ist.
Am 02.11.2022 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Reutlingen den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und vorgetragen, dass auch ein SBBZ Hören mit ausgebildeten Sonderpädagogen wie die Ischule Gebärdendolmetscher benötige, um bei gehörlosen Schülerinnen die Kommunikation zu sichern und ihnen die volle Teilhabe in der Klassen- und Schulgemeinschaft zu gewähren. Die Gebärdenkompetenz im Kollegium der Ischule sei sehr unterschiedlich. Auch beherrschten Lehrkräfte der Antragstellerin die DGS nicht auf einem ausreichenden Sprachniveau, um die Unterrichtsinhalte entsprechend gut zu vermitteln und ihre Teilhabe am Unterricht und in der Klasse/ Schule zu sichern. Auch für sehr gebärdenkompetente Lehrkräfte sei zudem das Dolmetschen im Unterricht zwischen lautspracheorientierten und gebärdenden Schülern nur begrenzt möglich. Als Gesprächsführer habe die Lehrperson die Aufgabe, den Schülerbeiträgen ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, sie wertzuschätzen, teilweise zu kommentieren und durch entsprechende Reaktionen und Frage das Gespräch zu leiten. Um die Antragstellerin an den Gesprächen teilhaben zu lassen sei es wichtig, die Schülerbeiträge vollständig und unverkürzt für sie zu übersetzen. Die Doppelrolle des Lehrers als Gesprächsführer und als Dolmetscher zugleich stelle eine Überforderungssituation dar und ermögliche keine vollständige Teilhabe für die Antragstellerin, da die Beiträge der Schüler nicht simultan gedolmetscht würden, sondern nur zusammengefasst an die Antragstellerin weitergegeben werden könnten.
Der Antragsgegner ist dem Begehren entgegengetreten und hat bekräftigt, dass es im Fall der Antragstellerin eben nicht um Rahmenbedingungen, sondern um die Vermittlung des Lehrstoffes als Kernbereich der pädagogischen Arbeit gehe. Die sozialrechtliche Leistungspflicht ende aber gerade dort, wo die schulpädagogische und didaktische Vermittlung des Lehrstoffes als Kernbereich pädagogischer Arbeit betroffen sei.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 29.12.2022 abgelehnt. Die Antragstellerin gehöre unstreitig zum berechtigten Personenkreis im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe an Bildung im Sinne von § 75 SGB IX i.V.m. § 112 SGB IX. Die Übernahme der Kosten für einen Gebärdendolmetscher seien wie auch der Besuch des SBBZ Hören grds. geeignet, der Antragstellerin Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung zu gewähren. Allerdings sei es grundsätzlich Aufgabe der besonderen Schulform, Betreuung, Erziehung und Unterrichtung sicherzustellen. Ausnahmen könnten sich allenfalls dann ergeben, wenn die Art oder Intensität der Körperbehinderung soweit über das übliche Maß hinausgehe, dass auch die spezielle Schulform ihre Aufgabe ohne Einschaltung zusätzlicher Kräfte nicht erfüllen könne oder die Schule den zusätzlichen Hilfebedarf tatsächlich nicht erfülle. Dabei seien dann aber Maßnahmen ausgeschlossen, welche dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen seien. Aus den Angaben der Schule der Antragstellerin ergebe sich aber, dass die geforderte Assistenzleistung den Kernbereich pädagogischer Arbeit betreffe. Insoweit stelle beispielsweise das Gebärden unbekannter Worte beim Lesen neuer Texte die Vermittlung neuen Wissens dar. Auch der Umstand, dass es für Lehrkräfte schwierig sei, im Unterricht sowohl lautspracheorientierte als auch gebärendende Schüler zu erreichen, sei grundsätzlich ein pädagogisches Problem. Denn die gewählte Schulform sei grundsätzlich geeignet, der Antragstellerin auch unter Berücksichtigung ihrer Beeinträchtigung einen adäquaten Zugang zu Bildung zu vermitteln. Der zusätzlich eingeforderte Unterstützungsbedarf ziele dabei auf eine Unterstützung der Lehrkräfte und nicht der Antragstellerin ab, welche - wie grundsätzlich jeder Schüler unabhängig von einem behinderungsbedingten Förderbedarf - von einer strukturellen Verbesserung des Unterrichts und Entlastung des Lehrköpers profitiere. Hierbei handle es sich indessen um ein pädagogisches Grundproblem, dessen Lösung auch bei sozialrechtlicher Betrachtung dem Kernbereich der Pädagogik und Schulorganisation zuzuordnen sei und nicht durch Maßnahmen der Eingliederungshilfe zu flankieren sei, zumal die Beschulung der Antragstellerin bislang auch möglich gewesen sei.
Gegen den am 30.12.2022 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 27.01.2023 Beschwerde erheben lassen und ihr Begehren weiterverfolgt. Aus der Tatsache, dass die Schule einen inklusiven Gedanken lebe und sich insbesondere auf hörgeschädigte und gehörlose Schüler spezialisiert habe, könne nicht im Rückschluss angenommen werden, dass jeder Lehrer lautsprachlich den Unterricht durchführe und gleichzeitig sein gesprochenes Wort in Deutsche Gebärdensprache dolmetsche. Diese vom Antragsgegner und vom SG vorgenommene Vorstellung sei schon alleine deswegen nicht möglich und umsetzbar, da die Grammatik der deutschen Laut- und Schriftsprache eine ganz andere sei als die Grammatik der DGS. Die Übersetzung in die DGS erfolge daher immer zeitversetzt, da die dolmetschende Person den gesprochenen Satz im Ganzen hören müsse, um diesen dann in die DGS zu dolmetschen. Der Unterricht in der Schule der Antragstellerin erfolge in der Lautsprache und die Redebeiträge müssten in DGS übersetzt werden. Daraus folge denknotwendig das Ergebnis, dass die gehörlose Antragstellerin auf einen Gebärdensprachdolmetscher angewiesen sei, um vollständig am Schulunterricht teilnehmen zu können. Weiter habe das SG wie auch der Antragsgegner verkannt, dass die begehrte Assistenzleistung durch einen Gebärdensprachdolmetscher während der Unterrichtszeit eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung sei und nicht den Kernbereich pädagogischer Tätigkeit berühre. Der Gebärdensprachdolmetscher unterrichte nicht, sondern sichere die eigentliche Arbeit der Lehrer ab, um damit die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, der Antragstellerin einen erfolgreichen Schulbesuch zu ermöglichen, in dem er Redebeiträge in Unterrichtsgesprächen sowie bei Partner- und Gruppenarbeiten dolmetsche und somit eine reibungslose Kommunikation mit den Lehrern und Mitschülern sichere.
Mit Schreiben vom 17.02.2023 ist weiter ausgeführt worden, dass die Antragstellerin seit Antragsbeginn weiter habe feststellen müssen, dass sie viele Inhalte des Schulunterrichts nicht verstehe. Auch werde sie von den Lehrern nicht ausreichend verstanden. Derzeit erfolge der meiste Unterricht im Wechsel von zwei Lehrerinnen. Beide unterrichteten in der Lautsprache und nutzten gleichzeitig lautsprachbegleitende Gebärden (nicht Deutsche Gebärdensprache). Durch die Nutzung der lautsprachbegleitenden Gebärden gehe die eigene Grammatik der DGS sowie die Mimik, die in der DGS eine große Rolle spielten, verloren. Eine Lehrerin verstehe die Antragstellerin zu circa 80 Prozent, die andere Lehrerin verstehe sie nur zu 20 Prozent. Wenn die Antragstellerin etwas nachfrage und auch nach Wiederholung etwas nicht verstehe, fragten diese Lehrer Mitschüler, die dann für die Antragstellerin in die DGS übersetzten. Die Antragstellerin habe daher einen Anspruch auf einen Gebärdensprachdolmetscher für 16-18 Stunden.
Der Antragsgegner tritt dem Begehren entgegen und führt u.a. aus, dass vorliegend der pädagogische Kernbereich betroffen sei und von der Schule nicht in ausreichendem Maß befriedigt werde. Beim Bedarf der Beschwerdeführerin handele es sich um einen Hilfebedarf, der pädagogischer Natur sei und der den Kernbereich des pädagogischen Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule, insbesondere eines SBBZ mit Förderschwerpunkt Hören, nicht übersteige. So müsse eine Schule für Hörgeschädigte nach dem Bildungsplan des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg unter anderem durch hörgeschädigtenspezifische Rahmenbedingungen und Unterrichtsprinzipien, die Basis für Schülerinnen und Schüler mit einer Hörschädigung darstellen. Daher ergebe sich auch aus dem Bildungsplan für Schulen für Hörgeschädigte in Baden-Württemberg, dass die Kommunikation zwischen den Schülern und den Lehrern spezifisch an die Bedürfnisse der hörgeschädigten Kinder angepasst sei. Bei den behinderungsbedingten Kommunikationsschwierigkeiten der Beschwerdeführerin handele es sich ausschließlich um Schwierigkeiten aus dem Kernbereich der Schule für Hörgeschädigte. Gerade deshalb sei diese Schule vom staatlichen Schulamt als einzig möglicher Lernort festgestellt worden, um der Antragstellerin die für sie angemessene und richtige Beschulung zu ermöglichen. Sie selbst habe sehr gute Gebärdenkompetenz, einzig die Lehrkräfte seien hier nur teilweise geschult. Die Vorgabe und Vermittlung der Lerninhalte sowie der Unterricht selbst, seine Inhalte, das pädagogische Konzept der Wissensvermittlung wie auch die Bewertung der Schülerleistungen sei Aufgabe der Lehrkräfte und nicht eines über das SGB IX finanzierten Gebärdendolmetschers. Somit sei sehr wohl der Kernbereich der Schule betroffen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners, sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und nach § 173 SGG insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist auch begründet. Das SG hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes zu Unrecht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Ein Anordnungsgrund ist dann gegeben, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Dies ist der Fall, wenn es dem Antragssteller nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Auflage 2020, § 86b Rn. 28). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund einer summarischen Prüfung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (BVerfG, 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Allerdings sind die an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] Beschluss vom 14.03.2019 - 1 BvR 169/19 - juris Rn. 15; Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg vom 13.10.2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 06.09.2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - <beide juris> jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).
Unter Berücksichtigung dessen hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch für die begehrte Regelungsanordnung hinreichend glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen der Eingliederungshilfe liegen vor.
Der Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe an Bildung als Eingliederungshilfe folgt aus §§ 75, 90 Abs. 1 und Abs. 4, 99, 112 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX. Die personenbezogenen Voraussetzungen der §§ 90, 99 SGB IX liegen vor. Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten Personen nach der zu § 53 Abs. 1 und 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) erlassenen §§ 1 bis 3 Eingliederungshilfe-Verordnung in der bis zum 31. Dezember 2019 gültigen Fassung, die über § 99 Abs. 4 SGB IX weiterhin anwendbar ist. Danach erhalten Personen, die durch eine Behinderung iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Dass bei der Antragstellerin eine Behinderung in diesem Sinne vorliegt und diese auch i.S.d. § 1 Nr. 1 Eingliederungshilfeverordnung zu einer wesentlichen Teilhabeeinschränkung führt, steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit und wird auch vom Senat nicht in Zweifel gezogen. Die Antragstellerin ist seit Geburt gehörlos. Deshalb wurde ihr ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, H und RF zuerkannt.
Aufgabe der Leistungen zur Teilhabe an Bildung als Eingliederungshilfe ist es u. a., Leistungsberechtigten eine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Schulbildung zur Förderung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen, § 90 Abs. 4 SGB IX. Sie umfassen gem. 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX Hilfen zu einer Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Die Hilfen umfassen auch heilpädagogische und sonstige Maßnahmen, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, der leistungsberechtigten Person den Schulbesuch zu ermöglichen oder zu erleichtern. Gemäß § 75 Abs. 1 SGB IX werden zur Teilhabe an Bildung unterstützende Leistungen erbracht, die erforderlich sind, damit Menschen mit Behinderungen Bildungsangebote gleichberechtigt wahrnehmen können. Allgemein betrachtet kommen als Unterstützungsleistungen kommunikative, technische oder andere Hilfsmittel ebenso in Betracht wie Leistungen, die zum Aufsuchen des Lernortes oder zur Teilnahme an der Vermittlung von Bildungsinhalten notwendig sind (vgl. Kemper in Ehmann/Karmanski/Kuhn-Zuber, Gesamtkommentar SRB, 3. Auflage 2023, SGB IX § 75 Rn. 8, 9, beck-online). Die Unterstützungsleistungen zielen darauf ab, die gleichberechtigte Wahrnehmung der Bildungsangebote ohne Benachteiligung (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG) zu gewährleisten. Die Leistungen müssen geeignet und erforderlich sein, das Ziel der gleichberechtigten Wahrnehmung zu erreichen. Hierzu ist eine Prognose anzustellen. Das Ziel darf nicht durch andere Maßnahmen ebenso zu erreichen sein (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 12.07.2021 - L 8 SO 29/21 B ER -, juris, Rn. 36 - 37).
Die Schulbegleitung durch einen Gebärdendolmetscher stellt eine Leistung zur Teilhabe nach § 112 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SBX IX dar. Sie ist eine Hilfe zu einer Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und es ist festzustellen, dass auch beim Besuch einer grundsätzlich auf die Behinderung des Kindes zugeschnittenen Sonderschule ein ergänzender sozialhilferechtlicher Eingliederungsbedarf nicht generell ausgeschlossen ist (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.01.2007 - L 7 SO 5701/06 ER-B -, juris, Rn. 6).
Die begehrte Eingliederungsleistung ist auch erforderlich und geeignet, der Antragstellerin den Schulbesuch i.S.d. § 112 Abs. 1 S. 3 SGB IX zu erleichtern. Der Anspruch der Antragstellerin scheidet vorliegend auch nicht deshalb aus, weil sie ein SBBZ Förderschwerpunkt Hören besucht. Es ist dem Antragsgegner hier zwar zunächst Recht zu geben, dass nach dem Bildungsplan des Landes Baden-Württemberg Aufgabe eines solchen SBBZ u.a. ist von Anfang an Voraussetzungen zu schaffen, über die Menschen mit einer Hörschädigung befähigt werden, eine dem Alter angemessene Kommunikation zu führen. Dazu gehört hiernach auch, bei der Gestaltung der Bildungsangebote den Erwerb der Deutschen Gebärdensprache zu ermöglich.
Fraglich ist aber, ob hieraus auch abgeleitet werden kann, dass alle in der Schule eingesetzten Lehrerinnen und Lehrer an einem SBBZ für Hörgeschädigte in der Lage sein müssen den in der Regel in Lautsprache (ggf. mit unterstützenden Gebärden) gehaltenen Unterricht in die DGS zu übersetzen. Unabhängig davon steht eine solche Versorgung an der von der Antragstellerin besuchten Schule nicht zur Verfügung. Die Schule hat glaubhaft dargelegt - was vom Antragsgegner im Übrigen letztlich auch nicht bestritten wird - dass bei weitem nicht alle Lehrinnen und Lehrer in der Schule die DGS in umfassenden Maße beherrschen. Dies deckt sich auch mit den zuletzt von der Antragstellerin gemachten Angaben, dass sie derzeit hauptsächlich von zwei Lehrerinnen im Wechsel unterrichtet werde. Beide Lehrerinnen unterrichteten in Lautsprache und nutzten gleichzeitig lautsprachbegleitende Gebärden (LBG). Sie wechselten nicht zwischen Lautsprache und DGS hin und her. Sie verstehe die eine Lehrerin zu etwa 80 %, die andere deutlich schlechter nur zu etwa 20%. Die Lehrer für Technik und Sport gebärdeten überhaupt nicht. Wenn sie trotz Wiederholungen nichts verstehe, dann müssten ihre Mitschülerinnen und Mitschüler derzeit dolmetschen. Eine ausreichende Teilhabe an der Schuldbildung ist hiermit nach Überzeugung des Senats offensichtlich nicht möglich. Denn somit ist nicht sichergestellt, dass sich die Antragstellerin in Schule angemessen verständigen kann und dem Unterricht barrierefrei und vollumfänglich folgen kann.
Entgegen der Ansicht des Antragsgegners und des SG handelt es sich beim Einsatz eines Gebärdendolmetschers im Unterricht auch nicht um eine Maßnahme, welche dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen ist. Solche Maßnahmen sind nämlich im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe ausgeschlossen. Der Kernbereich pädagogischer Tätigkeit ist nach Überzeugung des Senats hier aber nicht betroffen, denn durch den Einsatz eines Gebärdendolmetschers wird die eigentliche pädagogische Arbeit der Lehrkraft nur abgesichert. Diese Assistenzleistung ist nämlich im Wesentlichen nur flankierend zum Unterricht erforderlich, damit die Antragstellerin das pädagogische Angebot der Schule überhaupt wahrnehmen kann (vgl. hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 09.12.2016 - B 8 SO 8/15 R -, juris, Rn. 25, 30). Die Wissensvermittlung erfolgt nach wie vor durch die Lehrkraft selbst, der Gebärdendolmetscher soll hier vor allem das „gesprochene Wort“ der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Mitschülerinnen und Mitschüler der Antragstellerin in die DGS übersetzen und die Teilnahme am Unterrichtsgespräch der Antragstellerin ermöglich. Gerade auch die Teilnahme an Unterrichtsgesprächen sieht der Senat als wichtigen Teil der Teilhabe am Unterricht an. Allein die Weitergabe von Zusammenfassungen solcher Unterrichtsgespräche sichert nach Überzeugung des Senats gerade nicht eine ausreichende Teilhabe am Unterricht. Ein Dolmetschen durch die Lehrerinnen und Lehrer - selbst wenn sie die DGS selbst gut beherrschen würden - ist gerade hier aber schwer möglich, da die Lehrerinnen und Lehrer das Unterrichtsgespräch moderieren und Fragen beantworten müssen, so dass eine (simultane) Übersetzung aller Redebeiträge, zumal die Grammatik der DGS nicht der der Lautsprache folgt, schlicht unmöglich für die Lehrkräfte erscheint. Auch stellt der Einsatz eines Gebärdendolmetschers entgegen der Ausführungen des SGs eine Unterstützungsleistung für die Antragstellerin und nicht die Lehrkräfte dar, da diese ja gerade nicht in ausreichendem Umfang dolmetschen können und dies derzeit auch nicht tun. Es ist dem Antragsgegner zudem zwar Recht zu geben, dass durch den Einsatz eines Gebärdendolmetschers auch (mittelbar) bei der Antragstellerin eine Verbesserung des Wortschatzes und der Grammatik in der DGS durch den vermehrten Einsatz der DGS eintreten kann (was letztlich auch von der Antragstellerin nicht bestritten wird). Dies führt aber nicht dazu, dass die begehrte Maßnahme nicht gewährt werden kann. Der Schwerpunkt des Einsatzes des Dolmetschers bleibt nämlich das reine Übersetzen im Unterricht und dient damit im Wesentlichen dazu einen erfolgreichen Schulbesuch der Antragstellerin zu ermöglich, so dass die einheitlich zu gewährende Eingliederungsleistung nicht dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit zuzurechnen ist.
Völlig unabhängig davon, inwieweit von der Schulverwaltung der Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern mit ausreichender Gebärdenkompetenz verlangt werden kann (z.B. für Fächer in denen nur eingeschränkter kommuniziert werden muss und ggf. ein zusammenfassendes Übersetzen ausreichen könnte), ist weiter festzustellen, dass der bestehende Hilfebedarf der Antragstellerin auch tatsächlich nicht von der Schule gedeckt wird, sodass zumindest eine (nur nachrangige) Leistungspflicht des Beklagten (§ 2 Abs. 1 SGB XII) besteht. Denn selbst wenn hier ein Anspruch auf Hilfe durch eine Schulbegleitung gegen den Schulträger bestünde, könnte dies die Ablehnung der Leistung gegenüber der Antragstellerin nicht rechtfertigen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 30.6.2016 - B 8 SO 7/15 R -, juris, Rn. 22). Denn welche andere juristische Person für Leistungen außerhalb des Kernbereichs ggf. (vorrangig) zuständig wäre und auf welche Rechtsgrundlage ein derartiger Anspruch gestützt werden könnte, wäre dann nämlich Gegenstand eines möglichen Verfahrens des Beklagten gegen einen denkbaren Schuldner nach Überleitung eines sich ggf. aus dem Schulrecht ergebenden Anspruchs nach § 93 SGB XII auf sich (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 09.12.2016 - B 8 SO 8/15 R, BSGE 122, 154-162, SozR 4-3500 § 53 Nr 5, Rn. 30).
Auch ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht. Der Antragstellerin droht im Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein wesentlicher Nachteil, d.h. eine über Randbereiche hinausgehende Beeinträchtigung, zumal nicht abzuschätzen ist, wann mit einer Entscheidung in der Hauptsache zu rechnen ist. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der Antragsgegner erst nach weit über einem Jahr nach Antrag der Antragstellerin hierüber durch Bescheid entschieden hat. Die Antragstellerin hat einen Anspruch darauf ihr grundrechtlich verbürgtes Recht auf Bildung ohne Nachteile aufgrund ihrer Behinderung zu realisieren. Defizite beim Dolmetschen und damit beim Verständnis des Unterrichts und der Möglichkeit daran teilzunehmen, würden zu irreversiblen Beeinträchtigungen des Bildungserfolgs der Antragstellerin führen. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich die Antragstellerin derzeit z.T. der Hilfe ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler bedient. Es ist nicht Aufgabe dieser, die Teilhabe der Antragstellerin am Unterricht sicherzustellen. Eine Vorfinanzierung aus eigenen Mitteln kommt nicht in Betracht, was sich aus den im Prozesskostenhilfeverfahren vorgelegten Angaben des Vaters der Antragstellerin zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und den zu erwartenden Kosten von 85,00 Euro pro Dolmetscherstunde und dem Bedarf von (mindestens) 16 Stunden pro Wochen ergibt.
Der Beschwerde war daher stattzugeben und der Antragsgegner zu verpflichten vorläufig die Kosten für einen Gebärdendolmetscher im Umfang von 16 Schulstunden pro Woche zu übernehmen. Der Senat orientiert sich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hierbei an der unteren Grenze des von der Antragstellerin begehrten zeitlichen Umfangs der begehrten Eingliederungsleistung, zumal im Rahmen von einstweiligen Anordnungen sogar ein Abschlag zur Vorbeugung der Vorwegnahme der Hauptsache möglich wäre (vgl. hierzu z.B. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.03.2019 - L 7 AS 634/19 ER-B -, juris, Rn. 10).
Da die Antragstellerin bislang - soweit ersichtlich - keinen Gebärdendolmetscher beauftragt hat (auch nicht auf eigene Kosten), ist der Antragsgegner auch erst ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Senates zur vorläufigen Leistungserbringung zu verpflichten.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Antragstellerin hier weit überwiegend erfolgreich war.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.