L 8 BA 52/19

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 14 KR 204/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 BA 52/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die redaktionelle Tätigkeit eines Journalisten für Zeitschriften oder Magazine kann  sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses (fest angestellter Redakteur) wie auch als Selbstständiger (freier Journalist) ausgeübt werden. 

Bei der Abgrenzung  ist auch die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Pressefreiheit im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status zu berücksichtigen.
 

Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. März 2019 sowie die Bescheide der Beklagten vom 22. April 2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 6. Februar 2014 aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger zu 2) aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 1) ab dem 1. Februar 2009 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Instanzen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Im Streit steht der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers zu 2) aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 1) im Zeitraum ab dem 1. Februar 2009.

Der Kläger zu 2) war auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 15. Mai 2004 bei der Klägerin zu 1) ab dem 1. Juli 2004 als Redakteur tätig, wobei der Vertrag auf der Grundlage einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden eine monatliche Vergütung i.H.v. 3.200 € brutto vorsah. 

Am 8. November 2012 beantragte die Klägerin zu 1) gemäß § 7a SGB IV die Feststellung, dass die für sie ausgeübte Tätigkeit des Klägers zu 2) ab dem 1. Februar 2009 keine Beschäftigung (mehr) darstelle. Der Kläger zu 1) sei nun als freier Redakteur für eine 6-mal jährlich erscheinende Publikation für sie tätig. Der zeitliche Umfang hierfür umfasse ca. einen Tag pro Woche, höchstens 6 Tage im Monat. Er unterliege keinen Vorgaben hinsichtlich Zeit und Ort der Arbeitsleistung, entscheidend sei der Abgabetag der Texte. Vorgelegt wurde unter anderem ein Schreiben der Klägerin zu 1) an den Kläger zu 2) vom 30. Januar 2009 unter dem Betreff „Anstellung als freier Mitarbeiter“. Danach sei besprochen worden, dass der Kläger zu 2) ab 1. Februar 2009 der Redaktion als freier Mitarbeiter zur Verfügung stehe. Das monatliche Honorar hierfür betrage 2.800 € zuzüglich Mehrwertsteuer und sei vom Kläger zu 2) jeweils am Monatsende per Rechnung auszuweisen. In dem Schreiben wurden zwei Ansprechpartner der Klägerin zu 1) namentlich benannt, die dem Kläger zu 2) zur Verfügung stünden, um dessen „Tätigkeit organisatorisch in den Lauf des Verlages anpassen zu können“. Weiter wurde ausgeführt, es sei vereinbart worden, die Zusammenarbeit mit einer beiderseitigen Frist von 6 Monaten beenden zu können. Der Kläger zu 2) habe die Klägerin zu 1) rechtzeitig zu informieren, wenn er abwesend sei.

Am 5. Dezember 2012 wurde seitens des Klägers zu 2) ein entsprechender Antrag gestellt, der ebenfalls auf die Feststellung gerichtet war, dass seine Tätigkeit für die Klägerin zu 1) als „freier Journalist/Redakteur“ ab 21. Februar 2009 keine Beschäftigung darstelle. Er gab darin an, neben der Klägerin zu 1) noch für einen anderen Auftraggeber tätig zu sein („D.“). Er teilte dabei ebenfalls mit, als Redakteur für eine 6-mal jährlich erscheinende Publikation tätig zu sein und hierbei außer dem Abgabetermin keinen Vorgaben hinsichtlich Arbeitszeit und -ort zu unterliegen. Die Tätigkeit werde von ihm hauptsächlich zu Hause ausgeführt, „gelegentlich im Verlag (Meetings, Textübergabe)“. Vorgelegt wurden von ihm monatliche Honorarrechnungen über 2.700 € netto (Februar und März 2009), 2.800 € (April 2009 bis Dezember 2010), 1.500 € (Januar 2011 bis Dezember 2011) sowie 2.000 € (Januar 2012 bis August 2012). Auf Nachfrage der Beklagten gab der Kläger zu 2) an, er sei für die Klägerin zu 1) als Chefredakteur tätig und bei der Erstellung des „periodischen Magazins M. und diverser Sonderhefte mit Organisation, Recherche, Reportagen, Text“ betraut. Er sei überwiegend zu Hause tätig, für die Reportage allerdings auch „vor Ort in ganz Deutschland“ sowie für Meetings im Verlag. Er habe dort keinen eigenen Arbeitsplatz, allerdings könne bei Bedarf der Platz eines Verlagsangestellten genutzt werden. Bei Verhinderung informiere er die Verlagsleitung, seine Vertretung sei dann deren Sache. Von der Klägerin zu 1) werde ihm für die Tätigkeit ein PC sowie eine Kamera zur Verfügung gestellt. Er arbeite bei der Erstellung der Hefte mit Grafikern zusammen. Die Kommunikation mit diesen erfolge per E-Mail, Skype oder Dropbox, wobei ihm die Projektleitung obliege. Ein schriftlicher Vertrag liege seiner jetzigen Tätigkeit nicht zu Grunde. Die Klägerin zu 1) machte auf Nachfrage der Beklagten entsprechende Angaben. Dem Kläger zu 2) würde ein Arbeitsplatz mit PC und Drucker zur freien Verfügung stehen, der von ihm nach Bedarf genutzt werden könne. Er arbeite zum Teil in den Räumen des Verlags, vorwiegend allerdings zu Hause. Der Kläger zu 2) verfasse für die periodisch erscheinende Publikation Texte, führe Interviews und werte Bildmaterial aus. Er werde hierfür alle 2 Monate ca. 2 Wochen tätig, was je nach Bedarf und Aufwand abweichen könne. Es bestünden keine festen Arbeitszeiten, seine Arbeitszeit bestimme der Kläger zu 2) selbst. Die Auftragserteilung erfolge teilweise telefonisch oder per E-Mail, nach Notwendigkeit auch in einem gemeinsamen Meeting. Weisungen erhalte er „in Form von Textlängen, Art des Bildmaterials sowie der Gesamtumfang der Redaktion“. Nachdem die Beklagte die Kläger zur beabsichtigten Feststellung der Sozialversicherungspflicht angehört hatte, teilte die Klägerin zu 1) noch ergänzend mit, der Kläger zu 2) sei früher als Chefredakteur mehrerer Magazine für sie tätig gewesen, betreue jetzt allerdings nur noch ein Magazin und schreibe hierfür Texte, Reportagen und Interviews. Wenn dessen redaktionelle Tätigkeit für das periodisch erscheinende Magazin zu hoch oder zu aufwendig sei, werde diese auf andere Redakteure aufgeteilt. Der Kläger zu 2) entscheide selbst, wie viele Texte er schreibe und welchen Umfang von Aufträgen er zeitlich erledigen könne. Der Kläger zu 2) erhalte weder in der Art der Tätigkeit noch in der Umsetzung und Einteilung Vorgaben. Er unterliege keinen bindenden Weisungen, sondern lediglich einem „Briefing“ seitens der Klägerin zu 1). Auch der Kläger zu 2) nahm im Anschluss an die Anhörung nochmals umfassend schriftlich Stellung und teilte hierbei mit, warum er aus seiner Sicht als freier Journalist und nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis für die Klägerin zu 1) tätig sei. 

Jeweils mit Bescheid vom 22. April 2013 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Klägers zu 2) für die Klägerin zu 1) als Redakteur seit dem 1. Februar 2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung begründe. Hiergegen wurde von den Klägern jeweils Widerspruch erhoben, die von der Beklagten mit inhaltsgleichen Widerspruchsbescheiden vom 6. Februar 2014 zurückgewiesen wurden.

Die hiergegen von den Klägern separat erhobenen Klagen wurden vom Sozialgericht Frankfurt am Main zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 18. März 2019 sind der Geschäftsführer der Klägerin zu 1) sowie der Kläger zu 2) vom Sozialgericht Frankfurt am Main persönlich angehört worden. Wegen deren Angaben wird auf die Vernehmungsniederschrift verwiesen. 

Mit Urteil vom 18. März 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Dabei hat es sich der Feststellung der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden angeschlossen, wonach die Anhaltspunkte für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung überwiegend seien. Für die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit des Klägers zu 2) spreche allein, dass dieser und die Klägerin zu 1) die Absicht gehabt hätten, eine Tätigkeit als freier Redakteur zu vereinbaren. Für abhängige Beschäftigung spreche hingegen das gewährte Honorar und das fehlende unternehmerische Risiko des Klägers zu 2). Nach der mündlichen Verhandlung und der Befragung des Klägers zu 2) und des Geschäftsführers der Klägerin zu 1) gehe die Kammer davon aus, dass der Kläger zu 2) nur hinsichtlich des Inhalts der zu verfassenden Beiträge einen Freiraum habe. Dagegen würden die Rubriken, der Umfang der Beiträge und das Layout von Verlagsseite vorgegeben. Eine weisungsfreie Tätigkeit im Sinne des § 7 SGB IV sei damit nicht erkennbar, da die Beiträge des Klägers sich in das Gesamtbild der Publikation einpassen müssten. Die Kläger könnten sich auch nicht darauf berufen, dass dem Kläger zu 2) hinsichtlich Zeit, Ort und äußerem Rahmen keine Vorgaben bei der Ausübung seiner Tätigkeit gemacht worden seien. Die faktisch fehlenden Weisungen der Klägerin zu 1) gegenüber dem Kläger zu 2) könnten hier keine Berücksichtigung finden, da die Zusammenarbeit beider so ausgestaltet sei, dass der Kläger zu 2) Artikel für die von ihm übernommenen Rubriken zum Abgabezeitpunkt abgebe. Die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten Anhaltspunkte ergäben damit zwar kein einheitliches, aber doch überwiegend für eine abhängige Tätigkeit sprechendes Bild. Dabei sei auch das fehlende Unternehmerrisiko zu berücksichtigen. Das Schreiben der Klägerin zu 1) vom 30. Januar 2009 mit der Formulierung: „Das monatliche Honorar beträgt 2.800 € zuzüglich Mehrwertsteuer, worüber Sie uns bitte jeweils am Monatsende eine entsprechende Rechnung ausstellen wollen“ spreche dafür, dass dieses Honorar dem Kläger zu 2) ein Mindesteinkommen garantiere. Es sei nicht ersichtlich, dass dessen Vergütung von tatsächlich geleisteten Stunden abhängig sei. Dies spiegele sich auch in den vorliegenden Honorarabrechnungen wider, aus denen hervorgehe, dass der Kläger zu 2) über Monate gleichbleibende Honorare erzielt habe, ohne dass sich aus der Rechnungsstellung konkret ergebe, für welche Tätigkeiten das Honorar gewährt worden sei. 

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 2. Mai 2019 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Kläger vom 29. Mai 2019.

Zur Begründung haben die Kläger geltend gemacht, die Tätigkeit des Klägers zu 2) habe sich nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses zum 31. Januar 2009 auf das Zuliefern von einzelnen Artikeln für das Magazin „M.“ beschränkt. Seine vorangegangene Tätigkeit als Chefredakteur habe ab diesem Zeitpunkt der Geschäftsführer der Klägerin zu 2) übernommen. Die Klägerin zu 1) habe einzelne Artikel des Klägers zu 2) bestellt, indem bei Redaktionskonferenzen zu Beginn eines jeden Jahres Inhalte und Erscheinungsdaten festgelegt worden seien. Der Kläger zu 2) habe dann entschieden, ob er diese Aufträge annehme. Im Rahmen der vorbestimmten Themen und des vorgegebenen Layouts des Magazins sei er dann nicht mehr an weitere Weisungen gebunden gewesen. Die im Schreiben der Klägerin zu 1) vom 30. Januar 2009 zum Ausdruck gebrachte Vereinbarung über die feste Honorarhöhe sei bereits mit weiterem Schreiben vom 31. März 2009 wieder aufgekündigt worden. Eine Kopie des betreffenden Schreibens ist von den Klägern als Anlage zur Berufungsbegründung vorgelegt worden.

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. März 2019 sowie die Bescheide der Beklagten vom 22. April 2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 6. Februar 2014 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger zu 2) aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 1) ab dem 1. Februar 2009 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie sieht sich durch die Entscheidung des Sozialgerichts Frankfurt am Main bestätigt.

Die Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert und keine Anträge gestellt.

Auf Anforderung des Senats haben die Kläger die Rechnungen des Klägers zu 2) an die Klägerin zu 2) für die Jahre 2013 und 1014 vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung am 24. November 2022 ist der Kläger zu 2) vom Senat nochmals persönlich angehört worden. 

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist, wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die Entscheidung konnte trotz des Ausbleibens der Beklagten sowie der Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. November 2022 ergehen. Die Beteiligten sind hierauf in der Terminmitteilung ausdrücklich hingewiesen worden (vgl. § 110 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die gem. § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig und begründet.

Die angefochtenen Bescheide sowie das diese bestätigende Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main können keinen Bestand haben, da die Versicherungspflicht des Klägers zu 2) in der gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 1) darin zu Unrecht festgestellt worden ist.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- und Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - SBG V -, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung - SGB XI -, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI -, § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 3. Buch - Arbeitsförderung - SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat angeschlossen hat (statt vieler: Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 30. August 2017 – L 8 KR 21/17), erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das Unternehmerrisiko gekennzeichnet (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 29. August 2012, Az. B 12 KR 25/10 R, Juris). Ein unternehmerisches Risiko besteht in der Gefahr, im Falle des wirtschaftlichen Misserfolgs das vom Unternehmen eingesetzte Kapital zu verlieren oder nicht ausreichend nutzen zu können. Dem entspricht im Fall des wirtschaftlichen Erfolgs die Aussicht, einen Gewinn zu erzielen. Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann ein Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urteil vom 25. April 2012, Az. B 12 KR 24/10 R, juris).

Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R –, juris Rn. 16 – stRsprg.). 

Im Bereich der Presse werden redaktionelle Beiträge weit verbreitet durch freie Mitarbeiter erbracht, die nicht bei den betreffenden Zeitschriften bzw. Verlagen angestellt sind, sondern ihre redaktionellen Beiträge auf der Grundlage einer selbständigen Tätigkeit an diese „veräußern“. Hierzu kann auf die umfassenden statistischen Auswertungen des im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz erstellten Monitoringbericht Kultur- und Kreativwirtschaft 2021 verwiesen werden, der auf der Basis des Mikrozensus für das Jahr 2019 im Bereich der Presse einen Anteil von „Solo-Selbstständigen“ von über 50 % ausweist (https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Wirtschaft/monitoringbericht-kultur-und-kreativwirtschaft-2021). Die redaktionelle Tätigkeit eines Journalisten für Zeitschriften oder Magazine kann demnach sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses (fest angestellter Redakteur) als auch als Selbstständiger (freier Journalist) ausgeübt werden. Bei der Abgrenzung ist auch die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Pressefreiheit im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status zu berücksichtigen. Für den Bereich des Zeitungswesens verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in der Regel eine fallbezogene Abwägung zwischen der Bedeutung der Pressefreiheit auf der einen und dem Rang der von den Normen des Arbeitsrechts geschützten Rechtsgüter auf der anderen Seite. Die Pressefreiheit erstreckt sich auf das Recht des Zeitungsverlags, der Freiheit der redaktionellen Berichterstattung bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Mitarbeiter Rechnung zu tragen, die in nicht unwesentlichem Umfang auf den redaktionellen Inhalt der Zeitung Einfluss nehmen. Dabei kann aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben ein grundsätzlicher Bedarf an Beschäftigung in freier Mitarbeit insbesondere bei redaktionell verantwortlichen Mitarbeitern bestehen. Als „redaktionell verantwortlich“ ist der Kreis derjenigen Mitarbeiter anzusehen, die in nicht unwesentlichem Umfang am Inhalt des redaktionellen Teils der Zeitung gestaltend mitwirken. Das gilt namentlich, wenn sie typischerweise ihre eigene Auffassung zu politischen, wirtschaftlichen, künstlerischen oder anderen Sachfragen, ihre Fachkenntnisse und Informationen, ihre individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft einbringen. Auch bei diesen Mitarbeitern kann allerdings ein Arbeitsverhältnis vorliegen, wenn sie weitgehenden inhaltlichen Weisungen unterliegen, ihnen also nur ein geringes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbstständigkeit verbleibt und der Zeitungsverlag innerhalb eines zeitlichen Rahmens über ihre Arbeitsleistung verfügen kann. Letzteres ist der Fall, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung durch Dienstpläne herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich zugewiesen werden (BAG, Urteil vom 30. November 2021 – 9 AZR 145/21 –, Rn. 37 - 39, juris m.w.N.). So kann bei dem Chefredakteur einer Zeitung, der in die Organisation seines Auftraggebers eingegliedert und diesem gegenüber weisungsgebunden ist, bei dem ein festes zeitliches Arbeitsvolumen pro Jahr bei einer festen jährlichen Vergütung vereinbart ist und der kein unternehmerisches Risiko zu tragen hat, von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung ausgegangen werden (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Mai 2019 – L 8 R 930/16 –, juris, Rn.113). 

Eine entsprechende Situation bestand allerdings lediglich für die Tätigkeit des Klägers zu 2) bis zum 31. Januar 2009. Für den nachfolgenden, streitgegenständlichen Zeitraum ab dem 1. Februar 2009 bestand für den Kläger zu 2) unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze keine Sozialversicherungs- und Beitragspflicht, da er aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 1) nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Beklagten sowie der persönlichen Anhörung der Beteiligten durch das Sozialgericht und den Senat lassen sich die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung nicht nachweisen bzw. liegen lediglich in geringer Ausprägung vor. Die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und die hieran anknüpfende Sozialversicherungspflicht lässt sich damit nicht begründen. 

Dabei kann angesichts der vorgelegten schriftlichen Belege sowie insbesondere auch der Angaben der Kläger sowohl im Verwaltungsverfahren als auch gegenüber dem Sozialgericht zunächst davon ausgegangen werden, dass der Kläger zu 2) für die Klägerin zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr wie zuvor als Chefredakteur umfassend für mehrere Verlagsprodukte zuständig und hierbei überwiegend in deren Geschäftsräumen tätig war, was unstreitig zunächst ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründet hat. Nach dem Vorbringen der Kläger bestehen für den Senat keine Zweifel, dass der zuvor zwischen diesen bestehende Arbeitsvertrag vom 15. Mai 2004 zum 30. Januar 2009 einvernehmlich beendet wurde. Der sich aus dem vorgelegten Schreiben der Klägerin zu 1) an den Kläger zu 2) vom 30. Januar 2009 erkennbare übereinstimmende Wille zur Beendigung des bis dahin bestehenden Beschäftigungsverhältnisses wurde von den Klägern im Laufe des Verfahrens sowohl in ihren schriftlichen Äußerungen als auch in ihren Einlassungen gegenüber dem Sozialgericht und dem Senat bestätigt. Folglich können die schriftlichen Vereinbarungen vom 15. Mai 2004 der Prüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status ab 1. Februar 2009 nicht mehr zugrunde gelegt werden.

Hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers zu 2) für die Klägerin zu 1) ab dem 1. Februar 2009 bestand auch keine anderweitige schriftliche vertragliche Vereinbarung. Damit kommt es vorliegend für die Bewertung des sozialversicherungsrechtlichen Status allein auf mündliche Vereinbarungen zwischen den Klägern und die tatsächliche Ausgestaltung des zwischen diesen bestehenden Rechtsverhältnisses an. Die ab dem 1. Februar 2009 bestehenden Absprachen zur Tätigkeit des Klägers zu 2) für die Klägerin zu 1) sowie deren tatsächliche Ausgestaltung lassen sich dem Schreiben vom 30. Januar 2009 sowie den Angaben der Kläger im Verwaltungsverfahren sowie anlässlich ihrer Einlassungen in den mündlichen Verhandlungen vor dem Sozialgericht und dem Senat entnehmen. Der Senat hat keine Veranlassung, die Darstellung der Kläger anzuzweifeln. Diese haben sich während des gesamten Verfahrens weitgehend widerspruchsfrei geäußert und ihre Angaben zuletzt auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überzeugend dargelegt. Zweifel an der Sachverhaltsdarstellung der Kläger wurden auch von der Beklagten nicht vorgetragen. Danach beschränkte sich die Tätigkeit des Klägers zu 2) für die Klägerin zu 1) in der Erstellung redaktioneller Beiträge für das 6-mal jährlich erscheinende Magazin „M.“. Hierbei war der Kläger zu 2) weit überwiegend außerhalb der Redaktionsräume der Klägerin zu 1) in seinem häuslichen Arbeitsbereich sowie zu Recherchen und Führung von Interviews z.B. auf Messen und Festivals tätig, ohne hierbei Vorgaben der Klägerin zu 1) im Hinblick auf Zeit, Ort und Inhalt seiner Tätigkeit zu unterliegen. Vorgaben für die Tätigkeit des Klägers zu 2) ergaben sich nach den übereinstimmenden Angaben der Kläger allein aus der Thematik und äußeren Gestaltung des Magazins „M.“, welche Gegenstand regelmäßig zu Jahresbeginn stattfindender planerischer Abstimmungen zwischen den Klägern waren.  

Zur Überzeugung des Senats ist der Kläger zu 2) damit seit dem 1. Februar 2009 in einer Art und Weise bzw. unter Rahmenbedingungen für die Klägerin zu 1) tätig geworden, wie es für die Tätigkeit eines freien Journalisten typisch ist und kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründet. Dies gilt entgegen der Bewertung des Sozialgerichts auch angesichts der vom Kläger zu 2) hierfür bezogenen Vergütung. Ist ein Journalist nicht für einen festen Stundenlohn tätig, sondern liegen dessen Kalkulation bei der Rechnungserstellung bestimmte Stundensätze zugrunde, wobei es für die tatsächliche Entlohnung dann nicht maßgeblich ist, wie viel Stunden er tatsächlich an einem Auftrag gearbeitet hat, so spricht dies für eine selbstständige Tätigkeit (so Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Januar 2020 – L 2 R 953/17 –, juris). Nach dem Vorbringen der Kläger und den von diesen vorgelegten Rechnungen wurde vorliegend nicht der tatsächliche zeitliche Aufwand des Klägers zu 2) entlohnt, sondern eine Pauschale für die jeweiligen Beiträge des Klägers zu 2) gezahlt. Für den Senat bestehen keine Zweifel, dass dessen zeitlicher Aufwand für die Recherche und inhaltliche Gestaltung der verschiedenen Beiträge monatlich unterschiedlich hoch war und nicht durch die jeweils für mehrere Monate gleichbleibende Höhe der Vergütung abgebildet wurde. So wurde vom Kläger zu 2) angegeben, er sei für die Reportage „vor Ort in ganz Deutschland“ tätig, reise „zu Festivals wie z.B. der Berlinale und führe Interviews“, was gegen einen auch nur annähernd gleichbleibenden monatlichen Arbeitsaufwand spricht, während die Rechnungsbeträge über mehrere Monate jeweils in gleicher Höhe gestellt worden sind. Damit hat der Kläger zu 2) das Risiko getragen, für aufwändige Recherchen nicht adäquat vergütet zu werden. Von diesem wurden auch keine Reisekosten gegenüber der Klägerin zu 1) abgerechnet, sondern als Nebenkosten steuerlich geltend gemacht. 

Der Kläger zu 2) war im Hinblick auf die Mittel der Recherche sowie die Inhalte seiner Beiträge nach dem bisherigen Vorbringen weitgehend weisungsfrei tätig. Diesbezüglich erfolgten nach dem Vorbringen der Kläger weder eine inhaltliche Kontrolle noch Vorgaben im Hinblick auf Zeit, Ort und Mittel der Recherche. Er musste lediglich die vorgegebenen Abgabetermine einhalten. Wann die Aufträge bearbeitet wurden, war unerheblich. Dass der Kläger zu 2) sich hierbei mit Graphikern etc. bei einem Auftrag absprechen musste, spricht ebenfalls nicht gegen eine selbständige Tätigkeit, sondern ist in der Art der Tätigkeit begründet (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Januar 2020 – L 2 R 953/17 –, juris Rn. 44). Die Vorgaben, welche sich aus dem Erscheinungsdatum der Zeitschrift sowie dessen Layout ergeben, dürften demgegenüber nahezu alle freien Journalisten gleichermaßen einschränken wie fest angestellte Redakteure, so dass sich hieraus keine Rückschlüsse auf den Status ziehen lassen. Gleiches gilt für die Möglichkeit (nicht Verpflichtung) des Klägers zu 2), zeitweilig in den Redaktionsräumen der Klägerin zu 1) tätig zu sein und die dortigen Arbeitsmittel zu nutzen sowie auch die darüber hinaus erforderlichen Absprachen mit fest angestellten Mitarbeitern der Klägerin zu 1) im Rahmen von „Meetings“ im Hinblick auf das Layout der vom Kläger zu 2) gelieferten Artikel bzw. deren Platzierung in der Zeitschrift. Solche Rahmenbedingungen bzw. Vorgaben („Weisungen erhalte er „in Form von Textlängen, Art des Bildmaterials sowie der Gesamtumfang der Redaktion“) sind zur Überzeugung des Senats gleichermaßen von alle freien Presse-Journalisten zu beachten, so dass sich hieraus nicht ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründen lässt. Der Kläger zu 2) war insoweit nur in dem Umfang in die Betriebsabläufe der Klägerin zu 1) eingegliedert, wie das für die Nutzung der von ihm gelieferten Beiträge zur Zeitschrift zwingend erforderlich war. Angesichts der demgegenüber bestehenden Weisungsfreiheit im Hinblick auf die eigentliche Arbeitsleistung (Recherche und inhaltlicher Entwurf der Beiträge) kommt dem keine maßgebliche Bedeutung zu. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache. 

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. 
 

Rechtskraft
Aus
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