S 15 AL 77/21

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 15 AL 77/21
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 28/22 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 15/22 BH
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten u.a. über die Erstattung von Fahrtkosten für Monatsfahrkarten und Einzelfahrkarten.

Der 1975 geborene Kläger ist ausgebildeter Energieelektroniker und hat eine Weiterbildung als Automatisierungstechniker abgeschlossen. Er befand sich von Oktober 2011 bis 5. November 2018 als Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt Offenburg. Ausweislich der Arbeitgeberbescheinigung war der Kläger vom 6. Oktober 2011 bis 11. April 2017 in Vollzeit in der Haft beschäftigt. Er war sodann mit Ausnahme eines Arbeitstags am 10. August 2018 arbeitsunfähig bis zur Entlassung erkrankt ohne Krankengeld zu beziehen. Seit der Haftentlassung im November 2018 führte und führt der Kläger eine Vielzahl von Verfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt sowie vor dem Hessischen Landessozialgericht, insbesondere auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitssuchende, der Sozialhilfe sowie gegen die Beklagte.

Der Kläger bezog ab 21. November 2020 Arbeitslosengeld durch die Beklagte (Bescheid v. 4.1.2021; s. auch S 15 AL 17/21). Die Bewilligung wurde wegen der Aufnahme einer Beschäftigung ab 1. Februar 2021 bei B. GmbH B-Stadt als Schaltschrankbauer aufgehoben.

Am 25. Januar 2021 beantragte der Kläger per Email Leistungen aus dem Vermittlungsbudget (Monatsfahrkarte A-Stadt – C-Stadt i.H.v. 140,50 € für die Aufnahme einer Vollzeittätigkeit ab 1. Februar 2021 in C-Stadt (Jahresbruttoentgelt i.H.v. 42.000,- €). Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13. April 2021 ab, den Widerspruch hiergegen wies sie am 20. Mai 2021 zurück. Einen ebenso gestellten Antrag auf Leistungen aus dem Vermittlungsbudget lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Januar 2021 ab. Die beantragte Kostenübernahme von Fahrtkosten am 21. Januar 2021 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Februar 2021, den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2021 ab.

Mit Bescheid vom 29. Januar 2021 lehnte die Beklagte einen Antrag des Klägers auf Auskünfte nach dem Informationsfreiheitsgesetz (Telefonliste) ab. Diesbezüglich hatte der Kläger zuvor Klage am Sozialgericht Frankfurt a.M. erhoben (S 15 AL 19/21).

Der Kläger hat am 5. Februar 2021 Klage am Sozialgericht Frankfurt a.M. erhoben. Die gegen das Jobcenter Frankfurt am Main und die Stadt Frankfurt a.M. erhobenen Klagen werden unter gesonderten Aktenzeichen geführt.

Der Kläger hat Kopien einer Vielzahl von Einzelfahrkarten vorgelegt.
Mit Schriftsatz, bei Gericht am 22. März 2021 eingegangen, hat der Kläger die Klage um zwei Anträge erweitert.

Der Kläger beantragt wörtlich,

die angehängten Bescheide der Beklagten zu 1 vom 26. U 29.01.2021 mit Poststempel von gestern heute zugegangen werden auf den WIDERSPRUCH des Kläger aufgehoben; das Verhalten aller Beklagten wird für rechtswidrig erklärt, die gesamtschuldnerische Leistungsgewährung durch alle Beklagte wird angeordnet, sowie die Auskunftserteilung durch die Beklagte zu 1.

Die Beklagten werden verurteilet eine vollständige und qualifizierte Potentialanalyse vorzulegen, sowie konkrete Hilfspläne.

Die Beklagten werden verurteilt eine vollständige und qualifizierte Eingliederungsvereinbarung vorzulegen.

Die Beklagten werden verurteilt die aus dem Anhang ersichtlichen Fahrtkosten und für die Dauer des Arbeitsverhältnisses jegliche anfallende Fahrtkosten zu erstatten.

Die Beklagten werden verurteilt umfassenden sozialtherapeutische und psychologische Maßnahmen zur Aufnahme und zum Erhalt des Arbeitsverhältnisses anzubieten und zu finanzieren.

Die Beklagten werden verurteilt dem Kläger eine konkrete Unterbringung anzubieten und zu finanzieren.

Die Beklagten werden verurteilt dem Kläger ein konkretes qualifiziertes berufsbegleitendes Weiterqualifizierungsangebot zu unterbreiten und zu finanzieren.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger aus ihrem freien Budget eine Wohnung nebst Kaution zu finanzieren.
Der Einstellungsbescheid der Beklagten vom 19.02.2021 wird aufgehoben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 5. August 2021 dahingehend angehört, dass es beabsichtigt, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden und den Beteiligten eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen gesetzt. Das Schreiben ist der Beklagten am 25. Februar 2021 zugestellt worden. Mit Beschluss vom 5. August 2021 hat das Gericht zudem die öffentliche Zustellung der Anhörung zum Gerichtsbescheid an den Kläger bewilligt. Die Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung ist vom 9. August bis 10. September 2021 an der Gerichtstafel ausgehängt gewesen. 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.


Entscheidungsgründe

Der Rechtstreit konnte gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

Der Entscheidung der Kammer steht nicht das Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende entgegen. Denn das Ablehnungsgesuch ist unzulässig, da offensichtlich rechtsmissbräuchlich. 

Nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 Alt. 2 ZPO kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Sie findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen ist; maßgeblich ist vielmehr allein, ob ein Beteiligter, von einem vernünftigen Standpunkt aus betrachtet, berechtigten Anlass hat, an der Unparteilichkeit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Subjektive, unvernünftige Erwägungen scheiden als Ablehnungsgrund aus. Zweifel an der Unparteilichkeit müssen ihren Grund in einem Verhalten des Richters haben.

Ausweislich der Vielzahl der Verfahren und dem nicht vorhandenen Vortrag zu den Gründen einer möglichen Befangenheit ist der Antrag rechtsmissbräuchlich. Dem Kläger geht es nicht um die Verhinderung der Befassung der Vorsitzenden mit dem vorliegenden Verfahren (und dem materiellen Recht), sondern lediglich um die Beschäftigung der Vorsitzenden mit einem weiteren Antrag. Seit Monaten macht der Kläger regelmäßig ohne weitere Begründung geltend, die Vorsitzende würde Rechtsbeugung betreiben. Dies reiht sich ein in die übliche Praxis des Klägers, in den ersten Schriftsätzen eines Verfahrens im Abstand von wenigen Verfahren neben dem Befangenheitsantrag Verzögerungsrüge zu erheben, Prozesskostenhilfe ohne Einreichung der erforderlichen Unterlagen zu beantragen sowie die Beiordnung nach § 72 SGG zu beantragen.

Die Klage hat vollumfänglich keine Aussicht auf Erfolg.

Bezüglich des Bescheids vom 29. Januar 2021 (Ablehnung der Auskünfte nach dem Informationsfreiheitsgesetz) ist die Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig, § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 S. 2 GVG. Denn das Begehren macht der Kläger bereits im Verfahren S 15 AL 19/21, wegen sachlicher Unzuständigkeit sodann S 1 SV 10/21, sodann an das Verwaltungsgericht Frankfurt a.M. verwiesen, geltend.

Ebenso ist die Klage gerichtet auf Gewährung von Arbeitslosengeld (ab 4. November 2020, 21. November 2020) wegen doppelter Rechtshängigkeit nach § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 S. 2 GVG unzulässig. Denn diese Begehren verfolgt der Kläger bereits u.a. in den Verfahren S 15 AL 317/20 und S 15 AL 352/20. Dementsprechend ist die Klageerweiterung um die Einstellung der Gewährung von Arbeitslosengeld ab 1. Februar 2021 nicht sachdienlich i.S.d. § 99 Abs. 1 S. 1 SGG.

Die Klage ist mangels Bestimmtheit hinsichtlich der pauschalen Anträge auf Rechtswidrigerklärung des Verhaltens der Beklagten, des Antrags auf Bescheidung offener Anträge, und der Leistungsgewährung ohne bestimmten Zeitpunkt unzulässig. Das Gericht kann nicht erkennen, was der Kläger mit diesen Anträgen insbesondere im Hinblick auf die weiteren seit November 2020 über 100 rechtshängigen Verfahren mit diesen Anträgen zusätzlich begehrt.

Soweit der Kläger von der Beklagten eine vollständige und qualifizierte Potentialanalyse, eine vollständige und qualifizierte Eingliederungsvereinbarung vorzulegen, umfassende sozialtherapeutische und psychologische Maßnahmen zur Aufnahme und zum Erhalt des Arbeitsverhältnisses und ein konkretes qualifiziertes berufsbegleitendes Weiterqualifizierungsangebot begehrt, fehlt ihm das Rechtsschutzbedürfnis. Denn er könnte sein Ziel einfacher und schneller erreichen, indem er mit der Beklagten in Kontakt treten würde. Die Beklagte hat dem Kläger ausweislich der Verwaltungsakte eine Vielzahl von Terminen angeboten, ist jederzeit bereit, mit ihm zu telefonieren und reagiert stets zeitnah auf seine Emails. Die nicht stattfindende Beratung der Beklagten während Zeiten des Arbeitslosigkeit beruht ausschließlich auf der Weigerung des Klägers, diese Angebote wahrzunehmen. Ausweislich der Verwaltungsakte und seines Vortrags in diesem sowie den anderen Klageverfahren wünscht er von der Beklagten nicht belästigt zu werden, sondern verlangt uneingeschränkte Leistungsgewährung. Er weigert sich, zu Terminen zu erscheinen, hält die Vermittlung der Beklagten für überflüssig und weigert sich, eine Telefonnummer für Rückfragen anzugeben. Auf schriftliche Anfragen der Beklagte reagiert er mit Eil- und Klageverfahren am hiesigen Gericht, was sich an der Vielzahl von Verfahren seit November 2020 (über 100) deutlich zeigt. Der Kläger ist offensichtlich an keiner qualifizierten Arbeitsvermittlung und Unterstützung der Beklagten interessiert.

Soweit der Kläger die Erstattung von Fahrtkosten geltend macht, so ist diese Klage ebenfalls unzulässig. Die Fahrtkosten für die Einzelfahrkarte am 21. Januar 2020 macht der Kläger bereits im Verfahren S 15 AL 67/21 geltend, die Kosten für die Monatsfahrkarte ab Februar 2021 und in Zukunft nach C-Stadt im Verfahren S 15 AL 71/21. Bezüglich der Fahrkosten am 21. Januar 2021 wird auf die Begründung des Widerspruchsbescheids vom 21. Mai 2021 verwiesen, die das Gericht sich vollumfänglich zu eigen macht, § 136 Abs. 3 SGG. Bezüglich der übrigen Fahrtkosten fehlt es an der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens.

Soweit der Kläger von der Beklagten eine konkrete Unterbringung fordert, ist die Klage bereits mangels Verwaltungsverfahrens unzulässig. Die Beklagte hat hierüber, ungeachtet, ob der Kläger dies ihr gegenüber beantragt hat, nie entschieden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 105 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 913 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Das statthafte Rechtsmittel der Berufung ergibt sich aus § 105 Abs. 2 S. 1 i.V.m. §§ 143 ff. SGG.

Rechtskraft
Aus
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