L 9 AS 3902/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 4161/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 3902/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 8. November 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Entziehungsbescheid vom 16.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2018, mit dem ihm bereits bewilligte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab 01.11.2018 entzogen wurden.

Der 1972 geborene Kläger steht seit mehreren Jahren im Leistungsbezug des Beklagten. Mit Bescheid vom 14.05.2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20.07.2018 bewilligte der Beklagte ihm Leistungen für den Zeitraum vom 01.05.2018 bis 30.04.2019, für den Zeitraum vom 01.11.2018 bis 30.04.2019 in Höhe von monatlich 821,63 €. Mit Bescheid vom 20.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2018 minderte der Beklagte dem Kläger die Leistungen wegen eines Meldeversäumnisses betreffend den Termin am 19.07.2018 in Höhe von monatlich 41,60 € für die Monate September, Oktober und November 2018 und hob die Bescheide vom 14.05.2018 und 20.07.2018 insoweit auf (S 8 AS 1509/18).

Mit Bescheid vom 16.10.2018 entzog der Beklagte dem Kläger die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab 01.11.2018 ganz. Der Aufforderung zur persönlichen Vorsprache bei der Arbeitsvermittlerin aus dem Schreiben vom 20.08.2018 sei der Kläger nicht nachgekommen. Die Entziehung erfolge nach §§ 60 Abs. 1, 66 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2018 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 19.12.2018 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und am 26.04.2019 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (S 8 AS 1650/19 ER) gestellt. Der Kläger hat – vertreten durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten – bei Klageerhebung beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 16.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.12.2018 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, Leistungen nach dem SGB ab dem 01.11.2018 weiter zu gewähren. Mit Beschluss vom 08.05.2019 hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 16.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2018 angeordnet.

Mit Anerkenntnis vom 16.05.2019 hat der Beklagte den Bescheid vom 16.10.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2018 aufgehoben und dem SG mitgeteilt, dass entsprechend dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 14.05.2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20.07.2018 Leistungen entsprechend weiter ausgezahlt werden. Zudem hat sich der Beklagte zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach bereit erklärt.

Der Beklagte hat am 16.05.2019 einen Gesamtbetrag als Nachzahlung in Höhe von 4.702,01 € an den Kläger angewiesen.

Der Kläger hat das Anerkenntnis des Beklagten nicht angenommen. Der vom Beklagten auf sein Konto als Bezahlung von Leistungen von November 2018 bis April 2019 überwiesene Betrag von insgesamt 4.702,01 € sei niedriger als der tatsächlich fällige von 4.929,78 €.

Nach Überprüfung der an den Kläger erfolgten Zahlungen hat der Beklagte am 08.08.2019 weitere 262,52 € an den Kläger nachgezahlt. Mit Änderungsbescheid vom 08.08.2019 hat der Beklagte für Januar 2019 829,63 €, für März 2019 875,44 € und für April 2019 828,17 € bewilligt.

Nach vorheriger Anhörung hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.11.2021 abgewiesen. Die Klage sei bereits unzulässig. Der Antrag sei dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Aufhebung der Entziehungsentscheidung begehre. Gegen die Entziehung einer Leistung sei die reine Anfechtungsklage statthaft. Ausnahmsweise könne die Anfechtungsklage mit einer Leistungsklage verbunden werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an einem vollstreckbaren Titel habe. Es müssten dann konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass sich die Verwaltung an ein reines Anfechtungsurteil nicht halten werde. Das sei hier gerade nicht der Fall. Vorliegend habe der Beklagte die bewilligten Leistungen sogar bereits ausgezahlt. Zulässig sei eine Anfechtungsklage nur, wenn der Kläger behaupten könne, durch den Verwaltungsakt beschwert zu sein. Zulässigkeitsvoraussetzung für die Anfechtungsklage sei somit, dass der Kläger behaupte, durch einen Verwaltungsakt beschwert zu sein, weil dieser Verwaltungsakt objektiv rechtswidrig sei und subjektiv in rechtlich geschützte Interessen des Klägers eingreife. Das sei hier nicht der Fall. Da der Beklagte den Bescheid vom 16.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2018 aufgehoben habe, sei der Kläger durch ihn nicht mehr beschwert.

Gegen den ihm am 18.11.2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.12.2021 Berufung eingelegt. Der Kläger hat die Berufung nicht begründet und keinen Antrag gestellt.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 16.02.2022 abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.



Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143,151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, da er mit der ordnungsgemäßen, ausweislich der Postzustellungsurkunde am 23.03.2022 zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Der Kläger hat im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt. Unter Zugrundelegung seiner Ausführungen gegenüber dem SG ist sein Begehren dahingehend auszulegen, dass er die Aufhebung des Entziehungsbescheides vom 16.10.2018 und Nachzahlung der bewilligten Leistungen begehrt.

Die auf Aufhebung des Entziehungsbescheids 16.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.12.2018 gerichtete Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist nach dem Anerkenntnis des Beklagten vom 16.05.2019, mit dem die angefochtenen Bescheide aufgehoben worden sind, mangels Beschwer unzulässig geworden.

Ebenfalls unzulässig geworden ist die zunächst zulässigerweise mit der isolierten Anfechtungsklage verbundene allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) auf Verurteilung zur Zahlung (vgl. dazu Spellbrink in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 116. EL, September 2021, § 66 SGB I Rdnr. 48, Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl., § 66 SGB I Rdnr. 74, jeweils unter Hinweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 22.02.1995 - 4 RA 44/94 -, Juris). Nachdem der Beklagte sich mit dem Anerkenntnis vom 16.06.2019 bereits zur Nachzahlung der Leistungen für den Zeitraum November 2018 bis April 2019 bereit erklärt hatte und am 16.05.2019
4.702,01 € sowie am 08.08.2019 weitere 262,52 € und damit insgesamt 4.964,53 € an den Kläger angewiesen hat, ist die Leistungsklage ebenfalls unzulässig geworden. Der Beklagte hat damit jedenfalls den aus dem Bescheid vom 14.05.2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20.07.2018 bewilligten Betrag von 4.929,78 € (monatlich 821,63 €) nachgezahlt. Ob der Kläger einen höheren Leistungsanspruch hat, kann dahingestellt bleiben, da die Höhe der gewährten Leistungen nicht streitgegenständlich ist.

Die Beschwer des Klägers ist mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide und der Nachzahlung der Leistungen weggefallen. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.11.2021 zur Recht abgewiesen.

Damit hat die Berufung insgesamt keinen Erfolg.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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