L 9 BA 624/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 BA 1364/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 BA 624/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19.   Januar 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die frühere Beigeladene R in ihrer Tätigkeit als Buchhalterin für die Klägerin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Die Klägerin betreibt eine Steuerberatung als Partnergesellschaft. Am 27.04.2017 schlossen R und die Klägerin einen „Vertrag über freie Mitarbeit“ mit u. a. folgendem Inhalt:

§ l Vertragsgegenstand/Leistungen
Die freie Mitarbeiterin tätigt für den Auftraggeber 01.05.2017 folgende Einzelleistungen: Auftragsweise Erstellung von Buchhaltungen
Auftragsweise Erstellung von Lohnbuchhaltungen
Die freie Mitarbeiterin haftet für alle Schäden, die sie schuldhaft dem Auftraggeber, dessen Kunden oder Dritten zufügen. Wird der Auftraggeber von Kunden oder Dritten für diese Schäden in Anspruch genommen, so hat die freie Mitarbeiterin den Auftraggeber hiervon freizustellen.

§ 2 Weisungsfreiheit/Auftragserfüllung/Status
Die Parteien sind sich darüber einig, dass durch diese Vereinbarung zwischen ihnen kein Arbeitsverhältnis entstehen soll. Insbesondere unterliegt die freie Mitarbeiterin bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeiten keinen Weisungen des Arbeitgebers. Gegenüber Angestellten der Firma hat die freie Mitarbeiterin keine Weisungsbefugnis.
Die freie Mitarbeiterin ist in der Wahl von Ort und Zeit seiner Tätigkeit frei. Sie verpflichtet sich jedoch, den Auftraggeber rechtzeitig in Kenntnis zu setzen, falls sie an der Auftragserfüllung verhindert ist.
Für die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Belange hat die freie Mitarbeiterin selbst Sorge zu tragen. Gleiches gilt für eine etwa erforderliche Gewerbeanmeldung. Dies ist in der vertraglichen Vergütung einkalkuliert.

§ 3 Arbeitsaufwand/betriebliche Anwesenheit
Art und Umfang der der freien Mitarbeiterin übertragenen Aufgaben machen einen Zeitaufwand zwischen 10 und 20 Stunden pro Woche erforderlich. Im Übrigen unterliegt die freie Mitarbeiterin in der Ausgestaltung ihrer Arbeitszeit keinen Einschränkungen.

§ 4 Vergütung
Die freie Mitarbeiterin erhält pro geleisteter und nachgewiesener Stunde ein Stundenhonorar in Höhe von 20,00 €.
Sofern die freie Mitarbeiterin umsatzsteuerpflichtig ist, ist die Vergütung jeweils zuzüglich Umsatzsteuer zu zahlen. Die Umsatzsteuer ist auf den Rechnungen auszuweisen.
Mit der Zahlung der vorstehenden Vergütung sind alle Kosten der freien Mitarbeiterin gegen den Auftraggeber (Steuern, Beiträge zur Berufsgenossenschaft, An- und Abfahrt, einschließlich aller Risiken wie Unfall, Krankheit, Tod) aus diesem Vertrag erfüllt. Ein Anspruch auf gesonderten Aufwendungsersatz besteht nicht.

§ 7 Vertragslaufzeit/Kündigung
Die Vereinbarung wird auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann von beiden Seiten spätestens am 15. eines Monats für den Schluss des Kalendermonats gekündigt werden. Die Kündigung bedarf der Schriftform.


Ab Mai 2017 war R bis zu ihrem Ableben im Juni 2020 für die Klägerin als Buchhalterin tätig und rechnete die geleisteten Arbeiten (Buchführung und Lohnabrechnung) monatlich unter Beifügung eines Einzelnachweises über erbrachte Stunden ab.

Am 25.06.2018 beantragte die Klägerin bei der Beklagten gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status für die von R für sie ausgeübte Tätigkeit mit dem Ziel der Feststellung, dass eine Beschäftigung nicht vorliege. Sie gab an, R habe zur Ausübung ihrer Tätigkeit keine Gesellschaft gegründet und sei an keiner Gesellschaft beteiligt, sie beschäftige keine eigenen Arbeitnehmer oder Auszubildende. R sei für mehrere Auftraggeber – namentlich zwei weitere Steuerberatungen – tätig. Ihr überwiegendes Einkommen erziele sie aus einer selbstständigen Tätigkeit außerhalb des zu beurteilenden Vertragsverhältnisses. Das Einkommen aus der zu beurteilenden Tätigkeit übersteige regelmäßig monatlich 450 Euro, aber nicht die allgemeine Jahresentgeltgrenze. Bei der Tätigkeit der R handle es sich um die selbstständige Bearbeitung von Finanzbuchhaltungen und Lohnbuchhaltungen. R führe die Aufträge selbstständig aus, Vorgaben erfolgten im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen. R habe keine regelmäßigen Arbeitszeiten, keine festen Anwesenheitszeiten und werde in den Kanzleiräumen ohne festen Arbeitsplatz oder in ihren eigenen Büroräumen tätig. Es erfolge eine Absprache von Aufträgen und Terminen im Rahmen der Wirtschaftlichkeit. Fortbildungen mache R auf eigene Rechnung, an internen Schulungen nehme sie nicht teil. R habe eine eigene Homepage, schalte regelmäßig Annoncen. Sie verfüge über eigene Büroräume und eine eigene EDV-Ausstattung. Für R bestehe keine Planungssicherheit, ihre Dienstleistung werde durch die Klägerin als Auftraggeber nach Bedarf angefordert.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin weiter mit, sie selbst habe Stellenanzeigen für einen freiberuflichen oder abhängig beschäftigten Mitarbeiter geschaltet, aber keine Bewerbungen erhalten. R ihrerseits habe im Stellenmarkt der Steuerberaterkammer inseriert und eine freiberufliche Mitarbeit angeboten. R führe Buchhaltungstätigkeiten aus und erledige Lohnabrechnungen. Die Beauftragung von R erfolge bedarfsabhängig durch die Geschäftsleitung. Der zeitliche Umfang der Tätigkeit betrage zwischen einem und drei Arbeitstagen je Woche, je nach Bedarf und nach Verfügbarkeit von R. Die Abstimmung erfolge wöchentlich. Der zeitliche Umfang werde von der Verfügbarkeit von R vorgegeben. Die Tätigkeit werde größtenteils in den Kanzleiräumlichkeiten ausgeübt, wobei R kein eigener Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Soweit Arbeitsplätze von Teilzeitmitarbeiterinnen nicht genutzt würden, stünden diese R zur Verfügung. R setze keine eigenen Beschäftigten ein, es gebe keine Regelungen zur Arbeitsübernahme bei Verhinderung von R, keine Verpflichtung zur Übernahme von Urlaubs- und Krankheitsvertretung, R nehme nicht an Besprechungen teil und arbeite nicht mit anderen Mitarbeitern zusammen, arbeite nicht im Team und sei nicht weisungsbefugt gegenüber anderen Mitarbeitern. R selbst erhalte auch keine Weisungen, abgestimmt mit R würden lediglich der zeitliche Umfang und Ablauf. Sie sei den Mandanten der Klägerin als freiberufliche Mitarbeiterin bekannt. Aufgrund der die Klägerin treffenden Sorgfaltspflicht sehe die Geschäftsleitung Buchhaltungen regelmäßig durch. Soweit Nacharbeiten notwendig seien, würden diese mit R besprochen. Für die Klägerin seien vier abhängig beschäftigte Mitarbeiter tätig. Diese müssten im Gegensatz zu R ihre Urlaubsplanung mit der Geschäftsleitung abstimmen und seien an feste Arbeitszeiten gebunden. R vertrete keinen anderen Mitarbeiter. Sie werde beschäftigt, um Bearbeitungsengpässe aufzufangen. An Arbeitsmitteln benötige R für die Tätigkeit EDV-Hardware. Die Klägerin stelle die Software für die Bearbeitung der Buchhaltung zur Verfügung. Eine Aufschaltung auf den Kanzleiserver vom externen Arbeitsplatz sei über eine VPN-Verbindung möglich. Eine Bearbeitung auf einer externen Software würde technische Probleme machen. Die Klägerin legte die Rechnungen der R für die Monate Mai 2017 bis Juni 2018 vor. Danach rechnete R für die Monate Mai und Juni 2017 insgesamt 40 Stunden ohne Stundenaufschrieb, für die Monate Juli 2017 bis Juni 2018 mit Stundenaufschrieb schwankend zwischen 42 und 90 Stunden monatlich, durchschnittlich 15 Stunden wöchentlich ab.

Mit Schreiben vom 20.09.2018 hörte die Beklagte die Klägerin und R dazu an, dass sie beabsichtige, unter Annahme einer abhängigen Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV die Versicherungspflicht von R in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festzustellen. Es lägen sowohl Merkmale vor, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und solche, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, wobei nach Gesamtwürdigung aller Tatsachen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwögen. Diese seien, dass Grundlage der Tätigkeit ein unbefristeter Vertrag mit Kündigungsregelungen sei, dass es sich um ein klar definiertes Tätigkeitsfeld handle ohne eigene Gestaltungsmöglichkeit der R, dass R in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert sei, sie terminliche Vorgaben zu beachten habe, sie die Leistungen vorwiegend in den Räumlichkeiten der Klägerin mit den dort zur Verfügung stehenden Arbeitsmitteln ausführe, die Beauftragung nach dem Bedarf der Klägerin erfolge, um Bearbeitungsengpässe aufzufangen, dass die ausgeführten Tätigkeiten regelmäßig kontrolliert würden, Verhinderungen mitzuteilen seien, die Arbeitszeit gemäß Vertrag auf 10 bis 20 Stunden je Woche festgelegt sei, die Vergütung als Stundenpauschale erfolge, R kein eigenes Kapital mit dem Risiko des Verlustes einsetze und ein unternehmerisches Risiko nicht vorliege. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche lediglich, dass R die Arbeiten teilweise im eigenen Büro ausübe und die Arbeitszeit mit ihr abgestimmt werde.

R teilte mit, das Tätigwerden aufgrund unbefristeten Vertrags mit Kündigungsregelungen spreche nicht für eine abhängige Beschäftigung, vielmehr seien Rahmenverträge mit Kündigungsfrist zur Beauftragung selbstständiger Subunternehmer üblich. Dass ihr Tätigkeitsfeld klar definiert sei ohne Gestaltungsmöglichkeiten, spreche ebenfalls nicht für eine abhängige Beschäftigung, denn Gestaltungsmöglichkeiten gebe es bei Buchhaltungsarbeiten bereits aufgrund der klaren gesetzlichen Anforderungen und Anweisungen von Finanzamt und Behörden nicht. Auch die terminlichen Vorgaben folgten aus Vorgaben des Gesetzgebers und der Behörden. Die Beauftragung erfolge fallweise nur bei Bedarf, was typisch sei für Subunternehmer. Dass eine regelmäßige Kontrolle stattfinde, treffe nicht zu. Da sie keine festen Arbeitszeiten habe, gebe es auch keine Verhinderungen. Sollte sie krank oder verhindert sein, sei es sinnvoll, dies der Klägerin mitzuteilen, da diese notfalls umplanen bzw. umdisponieren müsse, um nicht selbst in Zeitverzug zu kommen. Dies sei auch bei Subunternehmern nötig, spreche nicht für eine abhängige Beschäftigung. Die Arbeitszeit variiere. Wenn kein Bedarf bestehe, werde auch wochenweise gar nicht gearbeitet. Die Stundenpauschale sei unumgänglich, da keine feste Stundenanzahl vereinbart sei. Es sei von Monat zu Monat bzw. Woche zu Woche unklar, ob sie überhaupt noch benötigt werde. Bei Urlaub, Krankheit, fehlendem Bedarf oder Beendigung des Vertrages durch die Klägerin erhalte sie keine Vergütung. Hierin liege ihr Risiko, ebenso in der variierenden Stundenzahl.

Mit Bescheid vom 18.10.2018 teilte die Beklagte unter Wiederholung der bereits im Rahmen der Anhörung mitgeteilten Aspekte und deren Gesamtwürdigung mit, dass R die Tätigkeit als Buchhalterin für die Klägerin seit 01.05.2017 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe und in diesem Beschäftigungsverhältnis ab 01.05.2017 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe, nicht jedoch in der Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung, weil R hauptberuflich selbstständig tätig sei.

Hiergegen legten sowohl R als auch die Klägerin Widerspruch ein. R verwies auf ihr eigenes Büro im eigenen Gebäude, ihre EDV, ihre Homepage und darauf, dass sie durch Werbung Kunden gewinne und somit Kapital eingesetzt habe. Wie z. B. bei Handwerkern, Rechtsanwälten, Steuerberatern üblich, sei ein Stundensatz vereinbart worden. Eine pauschale Vergütung sei aufgrund nicht regelmäßiger Beschäftigung nicht möglich. Sie habe ein hohes wirtschaftliches Risiko, wenn eine von ihr gestellte Rechnung nicht bezahlt werde, bei Nichtauslastung, ebenso bei Krankheit und Urlaub. Die Art und Weise der Tätigkeit seien nur durch einen rechtlichen Rahmen vorgegeben, Kontrollen durch den Auftraggeber gebe es nicht. Umfang, Art und Weise sowie Ort der Tätigkeit würden auch z. B. bei Handwerkern durch die Kunden vorgegeben, jeder Auftrag müsse in bestimmter Zeit erledigt sein, es bestehe die tatsächliche Verpflichtung, die übertragenen Arbeiten auszuführen und Handwerker würden nur gerufen, wenn Bedarf bestehe. Die Merkmale, die die Beklagte für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis angeführt habe, lägen bei jedem Handwerker, IT-Berater, Subunternehmer in gleichem Maße vor.

Die Klägerin machte geltend, die von der Beklagten angenommenen Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis lägen zwar vor, seien aber falsch gewichtet. Bei den vertraglichen Regelungen handele es sich nicht um starre Vorgaben. R werde bei Bedarf angefragt, ob sie weitere Aufträge annehmen könne. Ihr stehe frei, die Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Auch könne sie sich nicht auf die Erteilung von Aufträgen verlassen. R biete sich an, wenn sie Kapazitäten frei habe und lehne auch ab, wenn sie anderweitig ausgebucht sei. Für die Arbeitszeit sei ein Rahmen gesetzt, damit R, die für mehrere Auftraggeber tätig sei, den Aufwand planen könne. R erhalte keine terminlichen Vorgaben der Klägerin, es seien lediglich die vorgeschriebenen Abgabetermine beim Finanzamt oder anderen Behörden zu beachten. Übernehme R einen Auftrag, liege es an ihr, wie und wann sie die Arbeiten verrichte. R könne sowohl unabhängig von den Bürozeiten an einem Arbeitsplatz in den Räumen der Kanzlei als auch durch Aufschaltung im eigenen Büro arbeiten. Die Arbeiten führe sie vorwiegend in den Räumen der Klägerin durch, da hier die notwendigen Unterlagen lagerten. R könne nur in der Kanzlei arbeiten, wenn ein Arbeitsplatz frei sei. Die Tätigkeiten würden nicht regelmäßig kontrolliert. Es würden immer wieder Punkte besprochen, Wünsche des Mandanten weitergegeben usw. Nicht zuletzt hätten die Partner der Klägerin als verantwortliche Steuerberater den letzten Blick auf die Arbeit von R. Grundsätzlich arbeite sie aber im Rahmen ihrer Qualifikation selbstständig. Sie sei frei darin, wie sie die Fälle bearbeite, müsse aber die gesetzlichen Vorschriften berücksichtigen und einhalten bei Kontierung und Erfassung. Eine Anleitung in ihrer Arbeit erfolge nicht. R verfüge über die notwendigen Vorkenntnisse. Aktuelle Rechtsänderungen eigne sie sich über Fortbildungen an, die nicht von der Klägerin gezahlt würden. Dass R Verhinderungen mitzuteilen habe, entspreche den Regeln des Anstands und der Wirtschaftlichkeit und dem Bedürfnis nach Planungssicherheit auf beiden Seiten. R erhalte als Vergütung eine Stundenpauschale. Das Risiko bestehe darin, keinen Auftrag zu erhalten. R erhalte keine Urlaubsvergütung, keine Feiertagsvergütung und keinen Ersatz bei Krankheit. Sie setze eigenes Kapital ein für Krankenversicherung, Altersvorsorge, Aufwand, Pkw, eigene Computer, Handy, Internetverbindung usw. Da es sich bei der Tätigkeit als Buchhalterin um eine geistige Tätigkeit handle, sei der Kapitaleinsatz relativ gering, was nicht als Kriterium für eine abhängige Beschäftigung gelten könne. R habe keinerlei Sicherheit, Aufträge zu erhalten. R unterhalte ein eigenes Büro mit der notwendigen Ausstattung, sie mache Werbung durch Anzeigen und eine eigene Homepage, sie präsentiere sich am Markt, um neue Auftraggeber zu gewinnen und habe die Möglichkeit, für mehrere Auftraggeber tätig zu sein. Dies sei eine unternehmerische Chance, die über die Möglichkeiten eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses hinausginge. Den festangestellten Mitarbeitern sei es nicht erlaubt, für mehrere Berater tätig zu sein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2019 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Vorliegend sei ein Arbeitsverhältnis zu bejahen, da nach den getroffenen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Handhabung R nicht im Wesentlichen frei die Tätigkeit gestalten und die Arbeitszeit bestimmen könne. Durch die Einbindung in die Organisation der Klägerin zur Erfüllung deren vertraglicher Verpflichtungen gegenüber Dritten ergebe sich, dass R kein größerer Spielraum in Bezug auf die Arbeitsleistung verbleibe. Gerade der Umstand, dass Arbeitskräfte aushilfsweise beim Bestehen von Personalengpässen eingesetzt würden, spreche für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung und - möglicherweise auch kurzfristigen - Eingliederung in die Arbeitsorganisation, da diese die Tätigkeiten übernehmen würden, die normalerweise von den festangestellten Mitarbeitern durchgeführt werden. Daher sei vorliegend dem Umstand, dass R in Bezug auf die Arbeitszeit gewisse Freiräume zugestanden seien, nicht von solchem Gewicht, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis dadurch zwingend auszuschließen wäre. Entscheidend sei, dass R nahezu keine Gestaltungsspielräume in dem fremd geplant und geschaffenen System verblieben, da ihr Dauer, Beginn und Ende der Arbeitszeit im Wesentlichen vorgeschrieben seien. Eine Integration in die betrieblichen Abläufe der Klägerin sei somit gegeben. Innerhalb der Auftragsbeziehung zur Klägerin bestünden für R keinerlei unternehmerische Risiken. Allein der Besitz eigener Betriebsmittel spreche daher nicht gegen eine abhängige Beschäftigung. Die eigene Arbeitskraft werde nicht mit ungewissem Erfolg eingesetzt, da die Vergütung nach Stunden erfolge. R werde letztlich im Namen und auf Rechnung der Klägerin tätig. Es spiele keine Rolle, dass im Vertrag keine Regelungen über Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall getroffen seien. Die Aufnahme derartiger Regelungen gehöre nicht zu den Voraussetzungen für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern ein solches habe - regelmäßig - zur Folge, dass Urlaubs- und Lohnfortzahlungsansprüche entstehen könnten.

Hiergegen hat die Klägerin am 03.04.2019 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, für eine selbstständige Tätigkeit spreche bereits das Tätigwerden von R für mehrere Auftraggeber. Überdies sei R in der Ausübung ihrer Arbeit nach Ort, Zeit, auch Art und Weise ihrer Organisation vollständig frei und keinen Weisungen der Klägerin unterlegen. R habe eigene Betriebsmittel, ein eigenes Büro, sei nicht in die Organisationsstruktur der Klägerin eingebunden, könne jederzeit kommen und gehen. Auch habe R ein eigenes wirtschaftliches Risiko bereits dadurch, dass sie darauf angewiesen sei, jederzeit zur Sicherung ihres Lebensunterhalts und Deckung ihrer Unkosten Aufträge von verschiedenen Auftraggebern zu akquirieren. Die Koordination, wann und wie R welche Aufträge verschiedener Auftraggeber annehme und bearbeite, obliege ausschließlich ihr. Ferner finde sich auch die Angabe im Fragebogen, dass im Kalenderjahr nicht mehr als 50 Arbeitstage von R für die Klägerin gearbeitet worden sei. Das Auftragsverhältnis sei durch eine Annonce von R zustande gekommen, in der freiberufliche Mitarbeit angeboten worden sei. Im Unterschied zu den abhängig beschäftigten Mitarbeitern müsse R ihre Urlaubsplanung nicht abstimmen. Fortbildungsmaßnahmen würden für R nicht bezahlt. Abgerechnet werde nach Stunden und nicht nach einer monatlichen Bruttopauschale, wie dies bei Arbeitnehmern üblich sei. R sei jederzeit frei, Aufträge abzulehnen. Terminliche Vorgaben seien insoweit von R gerade nicht zu beachten. Ferner seien gewisse Deadlines, wenn sie gesetzt würden, kein Grund, von abhängiger Beschäftigung auszugehen. Diese zeitlichen Vorgaben würden sich in nahezu sämtlichen Gewerken finden. Die ausgeführten Tätigkeiten würden insoweit nicht kontrolliert, als die Klägerin ja gerade darauf vertraue, die Ergebnisse von R übernehmen zu können. Freilich werde angeschaut, ob die Buchhaltung am Ende von Betriebsprüfung und/oder dem Finanzamt akzeptiert werde. Dies sei kein Grund, von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Dass Verhinderungen mitzuteilen seien, sei schon eine Frage des Anstands. Entscheidend sei, dass es keine Arten von Lohnzahlung im Krankheitsfall etc. gebe. Dies sei ein weiterer Grund, von einem eigenen wirtschaftlichen Risiko der R auszugehen. Bei nicht oder schlecht erbrachten Leistungen entfalle die Stundenpauschale bzw. werde sie gekürzt. Es entstünden Schadenersatzansprüche.

Mit Beschluss vom 19.07.2019 hat das SG die R zum Verfahren beigeladen. Zwischen dem 11.06.2020 und 14.06.2020 ist R verstorben. Die Klägerin hat ihren Antrag hierauf auf den Zeitraum vom 01.05.2017 bis 11.06.2020 beschränkt. In der mündlichen Verhandlung haben die Gesellschafter-Geschäftsführerinnen der Klägerin weitere Angaben gemacht. Hierzu wird auf das Protokoll vom 19.01.2021 Bezug genommen.

Mit Urteil vom 19.01.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. R habe für die Klägerin im gesamten streitigen Zeitraum vom 01.05.2017 bis 11.06.2020 als Buchhalterin in deren Steuerkanzlei bei der Bearbeitung von Finanzbuchhaltungen und Lohnbuchhaltungen mitgewirkt, wobei sie viele Jahresbuchhaltungen gemacht habe. Die Tätigkeit sei in den Räumen der Klägerin ausgeübt worden, hätte aber auch von R von zuhause erledigt werden können. R sei nach Angaben der Klägerin gelernte Steuerfachgehilfin. Sie habe das vertraglich vereinbarte Stundenhonorar von 20 Euro erhalten. Die Klägerin habe bei Bedarfsspitzen in ihrer Kanzlei bei R angefragt, ob diese tätig werden könne. Dabei seien nicht konkrete Mandate bzw. Aufträge besprochen worden, sondern nur, dass etwas zu tun sei. R sei frei gewesen in der Entscheidung, ob sie tätig werden wollte. Nach Angaben der Klägerin sei wöchentlich abgestimmt worden, wann R kommen könne, da sie nur in der Kanzlei habe arbeiten können, wenn ein Arbeitsplatz der festangestellten Mitarbeiter nicht belegt gewesen sei. Einen eigenen festen Arbeitsplatz habe R in den Räumen der Klägerin nicht gehabt. Insoweit habe R auch öfter zwischen 17 und 20 Uhr oder samstags gearbeitet. Die Software sei der Klägerin zur Verfügung gestellt worden. R habe die ihr übertragenen Aufgaben grundsätzlich eigenständig ohne Inanspruchnahme von anderen Mitarbeitern der Klägerin bearbeitet. Urlaub sei nicht abgesprochen worden, es habe keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und keinen bezahlten Urlaub gegeben. Nach Abwägung aller Umstände liege im vorliegenden Einzelfall eine abhängige Beschäftigung der R bei der Klägerin vor. R sei in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsplatz. Es habe keine Einzelweisungen im Hinblick auf einzelne Mandate oder in zeitlicher Hinsicht gegeben. Allerdings habe R auch nicht völlig frei entscheiden können, zu welchen Zeiten sie nach Auftragsannahme die Arbeiten ausgeführt habe. Die feststehenden Abgabetermine im Rahmen der Tätigkeiten einer Buchhalterin seien von untergeordneter Bedeutung, denn diese würden sich schon aus der Natur der Sache ergeben. Aber die Ausübung der Tätigkeit in den Räumlichkeiten der Klägerin wegen der dort vorhandenen Unterlagen und mit deren Büroausstattung spreche im vorliegenden Einzelfall für eine Eingliederung in die Betriebsorganisation. R habe nur dann in den Räumen der Klägerin arbeiten können, wenn ihr ein freier Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe. Insoweit habe sie sich an die Vorgaben der Klägerin halten müssen und nicht zu beliebigen Zeiten arbeiten können, sondern nur in den von der Klägerin aufgrund der betrieblichen Erfordernisse vorgegebenen Zeiträumen. Dass R über einen Remote-Zugang auch von zuhause aus hätte arbeiten können, sei kein wesentliches Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, denn Arbeiten im Home-Office sei auch bei abhängigen Beschäftigungen möglich. Kein wesentliches Indiz für eine abhängige Beschäftigung sei die von der Klägerin durchgeführte Endkontrolle bzw. der letzte Blick auf die Arbeit und das damit verbundene fachliche Letztentscheidungsrecht der Klägerin. Dies stelle keine Überwachung des Arbeitsprozesses dar. Vielmehr resultiere es aus der gesetzlichen Verpflichtung der Klägerin, als Vertragspartner gegenüber den Mandanten ein Testat abgeben zu müssen. Zu beurteilen sei insoweit nicht die Tätigkeit einer Steuerberaterin, sondern die Tätigkeit als zuarbeitende qualifizierte Mitarbeiterin in der Steuerkanzlei. Nicht jede Zuarbeit sei eine abhängige Beschäftigung, dies würde eine freie Mitarbeit nicht mehr ermöglichen. Vielmehr komme es nach den oben aufgezeigten Grundsätzen auf eine Einzelfallbeurteilung an. Die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, könne als Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit R über den Umfang ihrer Tätigkeit selbst bestimmt habe. Doch seien ebenso im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Beschäftigten überließen, wie er im Anforderungsfall tätig werden wolle oder ob er eine Anfrage ablehne. Die tatsächliche Höhe des Honorars im Vergleich zur Vergütung von vergleichbaren Angestellten spreche hier eindeutig für eine abhängige Beschäftigung. Liege das vereinbarte Honorar, wie vorliegend, nicht über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lasse es dadurch keine Eigenvorsorge zu, sei dies nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Im vorliegenden Fall entspreche die Honorarhöhe von 20 Euro pro Stunde nach den glaubhaften Angaben der Geschäftsführerin S in der mündlichen Verhandlung ziemlich exakt dem, was die Angestellten bei der Klägerin - heruntergebrochen auf einen Stundenlohn - im Durchschnitt verdienen. Dies sei aus Sicht der Kammer ein entscheidendes, für abhängige Beschäftigung sprechendes Indiz. Ein relevantes Unternehmerrisiko lasse sich bei R nicht feststellen, sei aber im Rahmen der zu beurteilenden Tätigkeit auch kein ausschlaggebendes Kriterium. Ein unternehmerisches Tätigwerden sei bei reinen Dienstleistungen, die im Wesentlichen nur Know-how, Arbeitszeit und Arbeitsaufwand voraussetzten, ohnehin nicht mit größeren Investitionen in Werkzeuge, Arbeitsgerät oder Arbeitsmaterial verbunden. Das Fehlen solcher Investitionen sei daher kein ins Gewicht fallendes Indiz für eine abhängige Beschäftigung und gegen unternehmerisches Tätigwerden. Die Gefahr eines Verlustes hinsichtlich des eigenen Arbeitseinsatzes habe nicht bestanden, R habe für die gearbeiteten Stunden die vereinbarte Vergütung erhalten. Es sei auch keine Höchstbearbeitungsdauer bezogen auf einen Auftrag vereinbart, so dass R nicht Gefahr gelaufen sei, bei höherem Aufwand unbezahlte Mehrarbeit erbringen zu müssen. Einzig die vertraglich vereinbarte Schadensersatzpflicht sei ein Anhaltspunkt für ein Unternehmerrisiko, denn eine entsprechende Haftung sei bei abhängig Beschäftigten nicht vorgesehen. Allerdings sei es konkret zu keinem Haftungsfall gekommen, weshalb die vertragliche Regelung nicht umgesetzt worden sei. Nach Angaben der Geschäftsführerin habe es einen Fall gegeben, bei dem viel zu besprechen und nachzuarbeiten gewesen sei. Sie seien davon ausgegangen, dass R nicht alle hier angefallenen Stunden abgerechnet habe. Konkrete Absprachen diesbezüglich habe es aber nicht gegeben, es handle sich nur um den Eindruck der Geschäftsführerinnen, ohne dass sich eine kostenlose Mehr- bzw. Nacharbeit anhand der Abrechnungen belegen lasse. Daher sei dies nur ein schwacher Punkt für eine selbstständige Tätigkeit. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche, dass R werbend am Markt aufgetreten und für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei, allerdings sei zur Beurteilung auf jeden Einzelauftrag abzustellen. Ohne Aussagekraft sei die Gewerbeanmeldung der R, die Vergütung in Form von Rechnungen und das Fehlen der Vereinbarung von Arbeitnehmerschutzrechten, was typischer Ausdruck des beiderseitigen Willens sei, eine freie Mitarbeit zu begründen. In der Gesamtabwägung seien dabei die Indizien, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, im Übergewicht.

Hiergegen richtet sich die am 19.02.2021 zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung der Klägerin. Sie wiederholt und vertieft die Klagebegründung und trägt ergänzend vor, das SG habe eine ganze Reihe von Faktoren ausgeblendet, die für eine selbstständige Beschäftigung der R sprechen. Als Hauptargument für eine abhängige Beschäftigung habe das SG auf den vereinbarten Stundenlohn abgestellt, ohne überhaupt aufgeklärt zu haben, wie dieser zustande gekommen sei. Tatsächlich sei dieser Stundenlohn nicht verhandelt, sondern von R vorgegeben und von der Klägerin akzeptiert worden. Es gebe keine Verpflichtung für einen Auftraggeber, den Preis für eine Arbeitsstunde quasi künstlich nach oben zu verhandeln wegen der Sozialversicherung. Überdies sei die Tätigkeit von R nicht mit der fest angestellter Fachkräfte vergleichbar gewesen. R habe die Finanzbuchhaltung bearbeitet und habe weder Steuererklärungen noch Bilanzen bearbeiten können. Hierzu habe R das notwendige Wissen, die notwendige Berufserfahrung und Qualifizierung gefehlt. Sie habe auch keine verantwortungsvolleren Aufgaben übernehmen wollen. Sie habe den Stundenlohn vorgegeben, dieser sei nicht ausgehandelt worden. Hierzu sollten die Geschäftsführerinnen der Klägerin gehört werden.
In der mündlichen Verhandlung des Senats vom 15.02.2022 haben die Geschäftsführerinnen der Klägerin weitere Angaben gemacht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Januar 2021 sowie den Bescheid vom 10. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. März 2019 aufzuheben und festzustellen, dass Frau R vom 1. Mai 2017 bis 11. Juni 2020 nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihre bisherigen Ausführungen und die Entscheidung des SG. Unerheblich sei die Art der Vertragsanbahnung, maßgeblich seien allein die tatsächlichen Umstände der Leistungserbringung. Die wirtschaftliche Abhängigkeit sei unerheblich. Bei Tätigkeiten für mehrere Auftraggeber sei nur das einzelne Vertragsverhältnis zu betrachten. Rückschlüsse aus daneben bestehenden weiteren Vertragsverhältnissen seien nicht zu ziehen. Auch wenn R nur die Finanzbuchhaltung bearbeitet habe und weder Steuererklärungen noch Bilanzen habe bearbeiten können, lasse dies die Vergleichbarkeit mit festangestellten Mitarbeitern nicht entfallen. R sei bei der Klägerin bei Bedarf zum Auffangen von Bearbeitungsengpässen tätig gewesen. Damit sei offensichtlich, dass auch die festangestellten Mitarbeiter die Finanzbuchhaltung bearbeitet hätten. Soweit vorgetragen werde, bei Schlechtleistung sei die Stundenpauschale gekürzt worden, sei dies kein typisches Unternehmerrisiko. Es stelle sich auch die Frage, auf welcher Grundlage eine solche Kürzung habe erfolgen sollen. Eine Gewährleistung bei Schlechtleistung sei nicht vertraglich vereinbart worden, sondern nur eine Vergütung nach Zeitaufwand.

Mit Beschluss vom 03.01.2022 hat der Senat auf deren Antrag die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg zum Verfahren beigeladen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 141 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß § 143 SGG statthaft und insgesamt zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 10.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.03.2019, mit dem die Beklagte gegenüber der Klägerin und der früheren Beigeladenen R festgestellt hat, dass R in ihrer Tätigkeit als Buchhalterin der Klägerin seit dem 01.05.2017 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Das SG hat die hiergegen erhobene, auf die Zeit bis zum Versterben der R am 11.06.2020 beschränkte Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG) zulässig, aber unbegründet. Der genannte Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Das SG hat die für die Statusbeurteilung geltenden gesetzlichen Grundlagen und in der Rechtsprechung des BSG entwickelten Maßstäbe zutreffend in der angefochtenen Entscheidung dargestellt und unter zutreffender Heranziehung dieser Grundlagen und Maßstäbe ausführlich dargelegt, dass und warum R im streitigen Zeitraum als Beschäftigte der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Dem schließt sich der Senat an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen weitgehend auf die Entscheidungsgründe des SG.

Ergänzend ist in Bezug auf das Berufungsvorbringen auf Folgendes hinzuweisen:


Soweit die Klägerin die starke Gewichtung des mit R vereinbarten Stundenlohns von 20 Euro als Indiz für eine abhängige Beschäftigung und insoweit eine fehlende weitere Sachaufklärung des SG rügt, führt dies zu keiner anderen Bewertung und sieht auch der Senat kein Erfordernis einer weiteren Sachaufklärung. Insoweit ist es nicht erforderlich, wie das SG bereits ausgeführt hat, exakt zu ermitteln, was ein angestellter Mitarbeiter einer Steuerberatung, der die Tätigkeiten auszuüben hat, die R verrichtet hat, verdienen würde, um dieses Einkommen mit dem Einkommen von R zu vergleichen und zu prüfen, ob daraus hinreichende Eigenvorsorge (Alter, Krankheit etc.) finanziert werden kann. Die Vereinbarung von Entgelten ist - von gesetzlichen Vergütungsanordnungen abgesehen - Sache der Vertragspartner und Teil der Privatautonomie. Wenn das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt und es dadurch Eigenvorsorge zulässt, kann dies nach der Rechtsprechung des BSG ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sein (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.05.2021 - L 2 BA 2524/20 -, Juris zu der Tätigkeit einer Diplom-Finanzwirtin, die für eine Steuerkanzlei Steuerbescheide überprüft, Einsprüche gegen Steuerbescheide und Jahresabschlüsse bearbeitet und hierfür einen Stundenlohn von 50 Euro bzw. eine 40%ige Umsatzbeteiligung erhalten hat), allerdings auch nur eines von unter Umständen vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien, weshalb weder an die Vergleichbarkeit der betrachteten Tätigkeiten noch an den Vergleich der hieraus jeweils erzielten Entgelte bzw. Honorare überspannte Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. BSG, Urteil vom 31.03.2017 - B 12 R 7/15 R -, Juris). Die Klägerin stellt nicht in Frage, dass R einen Stundenlohn in Höhe von 20 Euro erhalten hat und dies etwa dem Einkommen der von der Klägerin abhängig beschäftigten Mitarbeiter, heruntergebrochen auf die Arbeitsstunde, entspricht. Diese Feststellung des SG beruhte auch gerade auf den Angaben der Geschäftsführerin S in der mündlichen Verhandlung des SG und auf den vorliegenden schriftlichen Vereinbarungen und Rechnungen. Auch wenn diese Höhe des Stundenlohns bei der Anbahnung der Zusammenarbeit mit R von dieser einseitig vorgegeben und von der Klägerin akzeptiert wurde, da sie keine Veranlassung gesehen hatte, diese Vorgabe von R zu ihren eigenen Lasten nach oben abzuändern, bleibt es dabei, dass ein Stundenlohn von 20 Euro vertraglich vereinbart und auch tatsächlich nicht mehr als die vereinbarte Vergütung gezahlt wurde. Insoweit ist eine weitere Aufklärung nicht erforderlich. Der erstmals im Berufungsverfahren erfolgte Vortrag, dass R nur einen Teilbereich der Tätigkeiten ausgeübt habe, die die bei der Klägerin abhängig Beschäftigten ausübten und sie die Übernahme verantwortungsvollerer Aufgaben abgelehnt hat, erfordert ebenfalls keine weiteren Ermittlungen und schließt einen Vergleich der Vergütung von R mit der Vergütung der weiteren Mitarbeiter der Klägerin nicht von vornherein aus. Denn die Tätigkeit der Klägerin war auf Arbeiten im Bereich der Finanzbuchhaltung und Lohnbuchhaltung beschränkt, was sich sowohl aus der vertraglichen Vereinbarung als auch den mit den Rechnungen vorgelegten Arbeitszeitnachweisen, dem Statusfeststellungsantrag sowie dem gesamten Vorbringen im Verwaltungs- und Klageverfahren ergibt. Ergänzend hierzu
hat die in der mündlichen Verhandlung des SG gehörte Geschäftsführerin noch angegeben, dass R viele Jahresbuchhaltungen bearbeitet hat. Die Klägerin hat aber durchgehend auch angegeben, dass R dafür eingesetzt wurde, bei Bedarf anfallende Bearbeitungsspitzen abzubauen bzw. Engpässe in der Bearbeitung aufzufangen und dass bei Verhinderung von R die Klägerin sich so umorganisiert hat, dass andere Mitarbeiter die ansonsten R übertragenen Aufgaben ausgeführt haben. Dies zeigt, dass R und die anderen Mitarbeiter der Klägerin einen sich überschneidenden Aufgabenbereich hatten, wenn auch keine vollständige Deckungsgleichheit bestand. Damit hält auch der Senat die Höhe der vereinbarten und gewährten Vergütung für ein Indiz, das deutlich gegen eine selbstständige Tätigkeit und für eine abhängige Beschäftigung spricht.

Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung darüber hinaus nochmals im Einzelnen die Merkmale auflistet, die aus ihrer Sicht allesamt für eine selbstständige Tätigkeit der R, jedenfalls aber nicht für eine abhängige Beschäftigung der R sprechen, weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin nicht die vom SG getroffenen Feststellungen angreift, sondern im Wesentlichen die Würdigung der festgestellten Merkmale und deren Wertung im Rahmen der anzustellenden Gesamtabwägung. Dem ist aber nur ergänzend zu den Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung Folgendes entgegenzuhalten:

Dass R für
mehrere Auftraggeber tätig war, ist entgegen dem Vortrag der Klägerin kein relevantes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, da sich der Statusfeststellungsantrag und die streitige Feststellung nur auf das konkrete Auftragsverhältnis bezieht und hierbei maßgeblich die Umstände dieses konkreten Verhältnisses in die Gesamtabwägung einzustellen sind (vgl. BSG, Urteil vom 07.06.2019 - B 12 R 6/18 R -, Juris Rn. 31 f.)

Soweit die Klägerin vorträgt, R sei in der Ausübung ihrer Arbeit nach Ort, Zeit, Art und Weise ihrer Organisation vollständig frei gewesen und habe keinen Weisungen der Klägerin unterlegen, wertet sie die tatsächlichen Umstände der Tätigkeit der R für die Klägerin unzutreffend. Hinsichtlich der Wahl der Arbeitsmittel war die Klägerin nicht frei. Sie war an die Software der Klägerin gebunden, musste diese verwenden und hat dies auch getan. R hatte auch keinen eigenen DATEV-Zugang. Hinsichtlich der Benutzung der Hardware und des Arbeitsortes war R zwar laut des geschlossen Vertrages frei, auch tatsächlich war es R möglich, über einen VPN-Zugang auch von zuhause aus für die Klägerin durch Aufschaltung auf deren Server zu arbeiten, allerdings wurde diese Möglichkeit wenig genutzt. R war sich mit der Klägerin darin einig, dass sie überwiegend in den Räumen der Klägerin arbeitete, auch da die benötigten Unterlagen in den Räumen der Klägerin lagerten. Dies hatte auch deutlichen Einfluss auf die Arbeitszeiten. Insoweit war R entgegen den Regelungen im Vertrag und dem Vortrag der Klägerin gerade nicht frei. Zwar hat sie einerseits nur dann gearbeitet, wenn sie nicht anderweitig verplant war, was für eine Freiheit spricht, aber andererseits hat sie dort auch nur dann gearbeitet, wenn in den Räumen der Klägerin nicht alle Arbeitsplätze durch deren andere Teilzeitmitarbeiter besetzt waren.
R verfügte nicht über einen eigenen, für sie jederzeit freigehaltenen Arbeitsplatz bei der Klägerin und konnte auch nicht mit ihrer eigenen EDV-Ausstattung ohne vorherige Absprache in einem beliebigen Raum der Klägerin zu jeder beliebigen Zeit arbeiten. Vielmehr musste die Arbeitszeit in den Räumen der Klägerin an einem dortigen Arbeitsplatz wöchentlich abgestimmt werden, was gerade für eine Eingliederung in die Organisation der Klägerin spricht. Bei der Absprache ihrer Arbeitszeiten in den Räumen der Klägerin handelte es sich auch nicht um organisatorische Absprachen zwischen Mitarbeitern, die untereinander in keinem hierachischen Verhältnis stehen, was ggf. gegen die Würdigung als Indiz für eine abhängige Beschäftigung sprechen könnte (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.11.2021 - L 11 BA 4123/20 - Juris Rn. 49), sondern um Vorgaben durch die Klägerin als Inhaberin der Steuerberatung.

Hinsichtlich der Art und Weise der Bearbeitung und ihrer eigenen Arbeitsorganisation war R, wie von der Klägerin vorgetragen, weitgehend frei und erhielt keine konkreten Weisungen der Klägerin. Es wurden aber nach dem Vortrag der Klägerin im Widerspruchsverfahren immer wieder Punkte besprochen, Wünsche der Mandanten von der Klägerin an R weitergegeben, und die verantwortlichen Steuerberaterinnen hatten den letzten Blick auf die Arbeit von R. So verließen nach den Angaben der Geschäftsführerin S in der mündlichen Verhandlung des Senats auch die monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen an die Mandanten das Steuerbüro nur nach vorheriger Prüfung durch die Steuerberaterinnen mit einem von diesen unterschriebenen Anschreiben. Bei der Ausführung ihrer Tätigkeit hatte R gesetzliche Vorgaben, Fristen und sonstige Vorgaben der Behörden zu beachten, weshalb sie selbst im Rahmen der Anhörung und des Widerspruchsverfahrens angegeben hat, sie habe gar keinen Gestaltungsspielraum gehabt. Hier ist zu beachten, dass auch berufsrechtliche, steuerberatungsrechtliche Weisungsrechte nicht vom Begriff der „Weisungen“ im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ausgenommen sind (BSG, Urteile vom 27.04.2021 - B 12 KR 27/19 R - und vom 07.07.2020 - 12 R 17/18 R -, jeweils Juris). Bei der Gesamtabwägung sind auch solche Umstände zu berücksichtigen, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften oder eine öffentlich-rechtliche Aufgabenwahrnehmung bedingt sind oder auf sonstige Weise „in der Natur der Sache“ liegen (BSG, Urteile vom 27.04.2021 - B 12 KR 27/19 R und B 12 R 16/19 R -, jeweils Juris). Diesen Umständen ist nach der Rechtsprechung des BSG zwar nicht zwingend eine entscheidende Indizwirkung für eine abhängige Beschäftigung beizumessen, umgekehrt ist eine abhängige Beschäftigung aber auch nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil sich bestimmte Weisungsrechte oder Vorgaben aus der Eigenart der Tätigkeit ergeben oder ihr innewohnen (BSG, Urteil vom 27.04.2021 – B 12 R 16/19 R -, Juris m. w. N.). Indizwirkung gegen eine Beschäftigung und für eine selbstständige Tätigkeit besteht vielmehr dann, wenn bei Verrichtung der Tätigkeit eine Weisungsfreiheit verbleibt, die sie insgesamt als unternehmerische kennzeichnet. Denn ob und inwieweit einzelne Umstände einer Tätigkeit „ihrer Natur nach“ immanent sind, hängt wesentlich mit der zu beurteilenden Tätigkeit und ihrer konkreten Ausgestaltung zusammen. Je enger der übertragene Tätigkeitsbereich abgesteckt ist, weil die Auftrag- oder Arbeitgeberin nicht auf eigene Gestaltungsmöglichkeiten verzichtet oder verzichten kann, desto weniger Spielraum kann der übertragenen Tätigkeit noch immanent sein. Aus welchen Gründen eine Tätigkeit nach Weisungen und unter Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation statt weisungsfrei ausgeübt wird, spielt insoweit keine Rolle. Unerheblich ist auch, ob die Ausübung der Tätigkeit mit einer größeren Gestaltungsfreiheit (rechtlich oder tatsächlich) überhaupt möglich wäre (vgl. BSG, Urteil vom 27.04.2021 – B 12 R 16/19 R- a.a. O. Rn. 16a).

Zwar hat die Klägerin angegeben, dass keine Zusammenarbeit von R mit den sonstigen Mitarbeitern der Klägerin erfolgt ist und R den Mandanten als freie Mitarbeiterin bekannt war. Allerdings haben die Geschäftsführerinnen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats auch angegeben, dass R über eine Firmen-E-Mail-Adresse der Klägerin verfügte und mit dieser nach außen kommuniziert hat und sie als Teil des Teams der Klägerin auf dem auf der Homepage der Klägerin veröffentlichten Gruppenfoto zu sehen war. Damit unterlag R entgegen der Wertung der Klägerin hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit zumindest in gewissem Umfang einem Weisungsrecht der Klägerin und war in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert, was für eine abhängige Beschäftigung spricht.

Auch die Dauer bzw. der Umfang der Tätigkeit war bereits vertraglich auf einen Rahmen von 10 bis 20 Wochenstunden festgelegt und bewegte sich ausweislich der vorgelegten Rechnungen und Stundenaufschriebe auch ganz überwiegend in diesem Rahmen. Eine wesentliche Änderung hat sich insoweit nach den Angaben der Geschäftsführerinnen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats auch nicht in dem streitigen Zeitraum nach Juni 2018, für den keine Rechnungen vorgelegt wurden, ergeben.

Dass die Klägerin über eigene Betriebsmittel in Form eines eigenen Büros, einer eigenen EDV-Ausstattung, eines eigenen Kfz verfügte, trifft zu. Dies ist aber nur ein schwaches Indiz für eine selbstständige Tätigkeit der R für die Klägerin. Wie die Klägerin eingeräumt hat, konnte R ohne eigene Ausstattung in den Räumen der Klägerin mit den dortigen Arbeitsmitteln arbeiten und hat dies auch ganz überwiegend getan. Fahrten der R mit dem Kfz zu Mandanten waren nicht erforderlich, sondern lediglich Fahrten von und zu den Räumlichkeiten der Klägerin, um dort zu arbeiten. Dass die Klägerin R den Aufwand für diese Fahrten nicht entschädigt hat, ist kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, sondern entspricht auch der üblichen Handhabung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass der Arbeitnehmer die Kosten für die An- und Abfahrt zum Arbeitsplatz selbst trägt.

Auch der Vortrag der Klägerin, R sei nicht in die Organisationsstruktur der Klägerin eingebunden gewesen, habe jederzeit kommen und gehen können, entspricht zum einen nicht den tatsächlichen Umständen, und ist zum anderen nicht als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit zu werten. Wie bereits ausgeführt, konnte R gerade nicht kommen und gehen wie sie wollte, sondern hatte R ihre Arbeitszeiten in den Räumen der Klägerin mit dieser abzustimmen, konnte nur vor Ort arbeiten, wenn ein Arbeitsplatz dort zur Verfügung stand und nicht alle Arbeitsplätze durch die Teilzeitmitarbeiter der Klägerin belegt waren, so dass insoweit eine Einbindung in die Organisationsstruktur der Klägerin vorlag.

Dass für R ein wirtschaftliches Risiko insoweit bestand, dass sie auf die Akquise von Aufträgen mehrerer Auftraggeber angewiesen war, spricht ebenfalls nicht für eine selbstständige Tätigkeit der R für die Klägerin. Es ist das jeweilige Auftragsverhältnis zu betrachten, wie auch von der Beklagten mit der Berufungserwiderung zutreffend dargelegt. Im maßgeblichen Verhältnis zur Klägerin hatte R aber gerade nicht das wirtschaftliche Risiko, keine Aufträge zu erhalten, auch wenn die Klägerin dies immer wieder so darstellt. Es war vertraglich eine wöchentliche Stundenanzahl zwischen 10 und 20 Stunden vereinbart und nach den vorgelegten Unterlagen hat R auch ungefähr 15 Wochenstunden im Durchschnitt tatsächlich für sie gearbeitet. Dass sich dies nach Juni 2018, dem letzten Monat, für den Unterlagen vorgelegt wurden, geändert hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, auch nicht nach dem Vortrag der Geschäftsführerinnen in der mündlichen Verhandlung des Senats. Dass R. vom Einkommen aus dieser Tätigkeit nicht alle Lebenshaltungskosten und Unkosten decken konnte, ist nicht typisch für ein unternehmerisches Risiko, sondern trifft gerade auch Teilzeitarbeitskräfte.

Dass die Klägerin eine eigene Homepage betrieben hat, für mehrere Auftraggeber tätig war, selbst koordinieren konnte, wann und welche Aufträge verschiedener Auftraggeber sie angenommen und bearbeitet hat, und dass die Klägerin ihr das Tätigwerden auch für andere Steuerberatungen erlaubt hat, spricht für eine Selbstständigkeit von R. Allerdings handelt es sich hierbei um ein schwaches Indiz. Denn es war ein zeitlicher Rahmen mit der Klägerin fest vereinbart und wurde ausweislich der vorliegenden Unterlagen und den Angaben der Geschäftsführerinnen in der mündlichen Verhandlung des Senats mit Schwankungen innerhalt der vereinbarten Bandbereite auch regelmäßig eingehalten. Überdies erfolgte die zeitliche Koordination nicht nur einseitig durch R, sondern war einerseits durch die einzuhaltenden gesetzlich bzw. behördlich vorgegebenen Fristen und andererseits auch durch die Verfügbarkeit eines Arbeitsplatzes in den Räumen der Klägerin auf Seiten der Klägerin vorgegeben.

Soweit die Klägerin darauf verweist, dass sich im Fragebogen die Angabe finde, dass R im Kalenderjahr nicht mehr als 50 Arbeitstage für die Klägerin gearbeitet habe, kann hieraus keinerlei Anhaltspunkt für oder gegen eine selbstständige Tätigkeit abgeleitet werden. Denn zum einen enthält der Fragebogen gar keine Angaben zu der Anzahl der Tage, die R für die Klägerin gearbeitet hat, sondern es wird lediglich die Frage danach verneint, ob R einschließlich der zu beurteilenden Tätigkeit im Kalenderjahr mehr als 50 Arbeitstage bzw. mehr als zwei Monate bis 31.12.2014, ab 01.01.2015 mehr als 70 Arbeitstage bzw. mehr als drei Monate abhängig beschäftigt sei oder bereits abzusehen sei, dass sie dies in diesem Umfang sein werde. Dies hat die Klägerin, die den Fragebogen im Übrigen selbst ausgefüllt hat, - aus ihrer Sicht zutreffend, da sie nicht vom Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ausging - verneint. Gleichzeitig hat die Klägerin aber auch mitgeteilt, dass der zeitliche Umfang der Tätigkeit von R zwischen einem und drei Arbeitstagen je Woche betrage. Aus den vorgelegten Rechnungen und den darin angegebenen Arbeitstagen und -stunden ergibt sich, dass R tatsächlich nicht weniger als 50 Tage im Jahr für die Klägerin gearbeitet hat.

Es besteht kein Anlass, an den Angaben der Klägerin, dass die Tätigkeit der R für die Klägerin durch eine Annonce der R selbst zustande gekommen ist, mit der diese eine freie Mitarbeit angeboten und selbst den Stundenlohn von 20 Euro vorgegeben hat, zu zweifeln. Ebenso wenig zweifelt der Senat daran, dass die Klägerin zuvor selbst schon Stellenanzeigen für einen freiberuflich oder abhängig beschäftigten Mitarbeiter geschaltet hatte, ohne hierauf Bewerbungen erhalten zu haben. Es spricht damit alles dafür, was auch aus dem mit R geschlossenen Vertrag deutlich wird, dass beide Beteiligte eine freie Mitarbeit vereinbaren wollten. Ebenso ist glaubhaft, dass R die freie Mitarbeit insbesondere deshalb gewollt hatte, um zeitlich flexibel zu sein. Allerdings war R tatsächlich in der zeitlichen Gestaltung nur insoweit flexibel, als sie nicht an übliche Bürozeiten gebunden war und ihre Urlaubsplanung nicht abstimmen musste. Darüber hinaus erfolgte auch von Seiten der Klägerin die Vorgabe, dass R nur dann in ihren Räumen arbeiten konnte, was aber gerade den Hauptteil ihrer Arbeitszeit ausgemacht hat, wenn die dortigen Arbeitsplätze nicht alle durch abhängig beschäftigte Teilzeitkräfte belegt waren. Allein der beiderseitige Wille, eine freie Mitarbeit zu begründen, ist aber nicht ausschlaggebend für die Einordnung, sondern es ist zu berücksichtigen, wie die vertraglichen Vereinbarungen tatsächlich gelebt werden. Dass die Klägerin und R keine arbeitnehmertypischen Schutzrechte vereinbart, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsanspruch, Anspruch auf Urlaubsgeld, Übernahme von Fortbildungskosten und Kosten einer Haftpflichtversicherung ausgeschlossen haben, entspricht dem Willen, eine freie Tätigkeit zu begründen, ist aber nicht konstituierend für eine freie Mitarbeit.

Soweit die Klägerin die Abrechnung nach Stunden statt der Gewährung einer monatlichen Bruttopauschale als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit anführt, ist dem entgegen zu halten, dass es auch bei Arbeitnehmern durchaus üblich ist, dass der Bruttopauschale eine wöchentlich/monatlich zu erbringende Anzahl von Arbeitsstunden zugrunde liegt, was nach den Angaben der Geschäftsführerinnen der Klägerin auch bei den sonstigen Mitarbeitern der Klägerin der Fall war. Überdies kann die Vergütung nach Stunden auch gerade gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechen, da hierdurch der Klägerin die Chance genommen ist, durch schnelleres und effizienteres Arbeiten im Rahmen eines Auftrages mehr Geld in weniger Arbeitszeit zu erhalten.

Soweit die Klägerin vorgetragen hat, dass terminliche Vorgaben von R gerade nicht zu beachten gewesen seien, gewisse Deadlines normal und kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung seien, solche Vorgaben z.B. auch nahezu alle Gewerke von Handwerkern treffen würden, ist für den Senat keine Vergleichbarkeit mit Handwerkern ersichtlich. Vielmehr ergeben sich vorliegend zeitliche Vorgaben durch behördliche Fristsetzungen bzw. gesetzliche Vorgaben aus dem Berufsrecht der Steuerberater, wie auch R und die Klägerin selbst angegeben haben. Dass berufsrechtliche, gesetzliche Vorgaben nicht von den Weisungen im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausgenommen sind, wurde bereits oben ausgeführt. Dass die Klägerin die Einhaltung dieser Vorgaben stets auch kontrolliert hat, haben die Geschäftsführerinnen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch angegeben.

Das Argument der Klägerin, dass R ein Unternehmerrisiko in dem Sinne hatte, dass sie eine Vergütung nur beanspruchen konnte, wenn sie Aufträge erhielt und die Leistung auch erbracht hatte, während hingegen einem abhängig Beschäftigten ein Lohnanspruch schon dann zustehe, wenn er sich arbeitsbereit halte, geht zur Überzeugung des Senats fehl. Ein Unternehmerrisiko war nicht in einem Umfang vorhanden, der für eine Selbstständigkeit spricht. Die Klägerin und R hatten sich vertraglich auf einen Tätigkeitsumfang zwischen 10 und 20 Wochenstunden geeinigt und diesen ausweislich der vorliegenden Rechnungen auch eingehalten. Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft gegebenenfalls nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R -, Juris). Ein unternehmerisches Risiko könnte allenfalls darin gesehen werden, dass R laut der vertraglichen Regelung in § 1 des Vertrags über freie Mitarbeit für schuldhaft verursachte Schäden haften sollte. Da die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag im gesamten Zeitraum nie einen Schadensersatz gegenüber R geltend gemacht hat, hat allenfalls theoretisch ein Risiko bestanden. Die Gefahr eines Verlustes hinsichtlich des eigenen Arbeitseinsatzes bestand auch insoweit nicht, als etwaige Zahlungsausfälle der Mandanten der Klägerin nicht an R hätten weitergegeben werden können.

In der Gesamtabwägung überwiegen daher die Gesichtspunkte, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen. Der Senat misst dem weitgehend fehlenden Unternehmerrisiko, der Eingliederung in den Betrieb der Klägerin und der vereinbarten Vergütung wesentliches Gewicht für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung mit der Folge der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladene trägt gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Kosten aus Billigkeit der unterliegenden Klägerin aufzuerlegen, weil die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 2, 47 Gerichtskostengesetz. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Regelstreitwert von 5.000 Euro, da bislang lediglich über das Bestehen einer Versicherungspflicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses entschieden wurde, aber noch keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.

Rechtskraft
Aus
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