L 5 AS 339/21

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 20 AS 1228/17
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 339/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach die Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete im Landkreis Harz nach der Mietwerterhebung 2012 in der Fassung der Korrekturberichte vom Februar 2020 sowie Juli 2022 den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept entspicht (vgl Urt v 15.04.2021, L 5 AS 391/19 ZVW).

2. Die Unterteilung des Landkreises Harz in drei Vergleichsräumen ist nicht zu beanstanden. Insbesondere führt die Vergleichsraumbildung anhand der drei Mittelbereiche im Landkreis Harz nicht zur Gefahr der Gettobildung. Es ist nicht erforderlich, als Kriterium zur Vergleichsraumbildung auf ein ähnliches Mietpreisniveau abzustellen.

 

Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 29. April 2021 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Außergerichtlichen Kosten der Kläger sind nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

 

Die Kläger begehren für den Zeitrraum vom 1. April bis 31. Juli 2016 höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form weiterer Kosten für Unterkunft (KdU).

 

Die ... 1977 geborene Klägerin bewohnte mit ihren beiden Kindern ab dem 1. September 2006 eine 66,93 qm große 3-Raum-Wohnung in Wernigerode. Die Raumbeheizung und die Gebrauchswassererwärmung erfolgten durch Fernwärme. Mietvertraglich vereinbart waren im streitigen Zeitraum eine monatliche Bruttokaltmiete i.H.v. 400 € sowie Vorauszahlungen für Heizkosten i.H.v. 73 €. Ferner war ein Modernisierungszuschlag für Kabelanschluss i.H.v. 10,67 € zu zahlen. Gutschriften bzw. Nachforderungen für die Mietnebenkosten erfolgten in dem streitigen Zeitraum nicht.

 

Der volljährige Sohn der Klägerin war zum 1. Oktober 2015 ausgezogen. Die Familienkasse Sachsen-Anhalt-Thüringen bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 19. Oktober 2015 das Kindergeld für diesen Sohn weiter. Sie hatte im Weiterzahlungsantrag vom 10. September 2015 angegeben, der Sohn bekomme ab 1. Oktober 2015 das Kindergeld.

 

Die Klägerin erzielte aus einer abhängigen Beschäftigung ein gleichbleibendes monatliches Bruttoeinkommen i.H.v. 925 €, netto 743,45 €.

 

Der Beklagte hatte den Klägern mit Änderungsbescheid vom 25. September 2015 für die Zeit ab 1. Oktober 2015 nur noch Leistungen für eine aus zwei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft bewilligt. Die Miete wurde weiterhin in vollem Umfang übernommen. In dem Bescheid sowie in dem Schreiben vom gleichen Tag waren die Kläger auf die Unangemessenheit der Unterkunftskosten gemäß der Richtlinie hingewiesen worden. Die Heizkosten seien hingegen angemessen. Die Unterkunftskosten seien bis zum 31. März 2016 zu senken und Senkungsbemühungen vorzulegen.

 

Die Kläger legten am 29. Dezember 2015 ein Schreiben des Vermieters vor, wonach eine Senkung der Betriebskostenabschläge nicht möglich sei.

 

Der Beklagte bewilligte den Klägern mit bestandskräftigem Bescheid vom 8. Januar 2016 Leistungen für den Zeitraum von Februar bis März 2016 i.H.v. 527,03 €/Monat und für April bis Juli 2016 i.H.v. 436,03 €/Monat. Dabei wurden den Leistungen ab April 2016 monatlich KdU i.H.v. 309 € und die vollen Heizkosten i.H.v. 73 € zu Grunde gelegt. Für die Klägerin wurde ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung bewilligt. Als Einkommen wurden das bereinigte Einkommen der Klägerin i.H.v. 478,45 € sowie für den Kläger das Kindergeld i.H.v. 190 € berücksichtigt.

 

In ihrem Überprüfungsantrag vom 15. Juni 2016 machten die Kläger die Übernahme der KdU in voller Höhe geltend. An den Wohnverhältnissen habe sich seit Jahren nichts verändert und die Wohnkosten seien stets angemessen gewesen.

 

Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 3. Januar 2017 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) ab. Die Feststellung der angemessenen KdU sei nach einem schlüssigen Konzept erfolgt. Wernigerode falle unter den „Wohnungsmarkttyp V“. Die Kläger seien darüber aufgrund der Kostensenkungsaufforderung informiert gewesen. Es habe auch angemessener Wohnraum für die Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung gestanden.

 

Den dagegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2017 als unbegründet zurück. Seine Richtlinie beruhe auf dem im Juli 2012 erstellten Konzept. Die danach angemessene Bruttokaltmiete sowie die tatsächlichen Heizkosten seien gewährt worden.

 

Dagegen haben die Kläger am 2. Mai 2017 Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben. Die Richtlinie des Beklagten beruhe nicht auf einem schlüssigen Konzept. Im Übrigen sei keine erforderliche Einzelfallbetrachtung d.h. eine Ermittlung des individuell-konkreten Bedarfs vorgenommen worden.

 

Der Beklagte hat unter dem 17. Juli 2020 mitgeteilt, nach der 2020 nachgebesserten Richtlinie und der Zuordnung zum Vergleichsraum Wernigerode ergäbe sich für den streitigen Zeitraum ein geringerer Betrag für die Bruttokaltmiete (306,60 €/Monat).

 

Das SG hat den Beklagten mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 29. April 2021 verpflichtet, den Klägern vom 1. April bis 31. Juli 2016 weitere Leistungen in Höhe von 91 €/Monat zu gewähren. Gegenstand des Verfahrens sei allein die Bruttokaltmiete i.H.v. 400 €/Monat; der Modernisierungszuschlag sei ausdrücklich nicht zur Überprüfung gestellt worden. Die Miethöhe sei angemessen, denn die im Korrekturbericht 2020 erfolgte Vergleichsraumbildung sei fehlerhaft. Die neuen Vergleichsräume entsprächen nicht einem insgesamt homogenen Lebens- und Wohnbereich. Dies berge die Gefahr der „Ghettobildung“. Es seien Gemeinden mit unterschiedlichen Preiskategorien zusammengefasst worden. Daher könnten Leistungsbezieher nur Wohnungen im einfachen Preisniveau anmieten. Außerdem werde im Konzept auf eine Einzelfallprüfung verwiesen, weil ein allgemeiner Lebensbereich nicht definierbar sei (dort Seite 10). Das SG hat die Berufung zugelassen.

 

Gegen das ihm am 3. Mai 2021 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 3. Juni 2021 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er habe 2020 die Möglichkeit der Nachbesserung genutzt; die neue Richtlinie weise niedrigere Richtwerte aus. Die Bildung von drei Vergleichsräumen (VR) im korrigierten Konzept sei nicht zu beanstanden. Nach dem Forschungsbericht 478 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus 2017 seien die Mittelbereiche Wernigerode, Quedlinburg und Halberstadt für die Vergleichsraumdefinition geeignet Die Vergleichsraumbildung begünstige auch nicht die Bildung von Brennpunkten durch soziale Segregation. Bereits die SGB II-Empfänger bildeten keine homogene Gruppe. Faktisch existierten auch keine Abwanderungsbewegungen.

 

Aufgrund der Neuaufteilung seien die erhobenen Daten neu ausgewertet und die Wohnungsgrößen an die Richtlinie der Wohnbauförderung in Sachsen-Anhalt angepasst worden. Auch die Datenerhebung selbst sei nicht zu beanstanden. Im VR Wernigerode betrage der Anteil der um Extremwerte bereinigten Wohnungen 10, 34% des Mietwohnungsbestands. Die systematische Einbeziehung von Neuvertragsmieten sei erfolgt. Zudem seien Angebotsmieten im Rahmen des iterativen Verfahrens einbezogen worden. Die Mietwerterhebung basierte auf einer Befragung der größeren und kleineren Vermieter. Von den insgesamt 7.415 Antworten entfielen 6.556 auf institutionelle und 859 auf private Vermieter. Das Verhältnis von privaten zu institutionellen Vermietern betrage laut Zensus 2011 für den VR Wernigerode 54 %. Bei einer Haushaltsgröße von zwei Personen (50 bis 60 qm) liege der Anteil der Daten von Privatvermietern bei 11 %.

 

Auf Nachfrage des Senats hat der Beklagte für die drei VR eine „Nachberechnung schlüssiges Konzept 2012 mit Gewichtung“ der Firma A. und K. vorgelegt. Nach deren Schriftsatz vom 22. Juli 2022 sei aus rein statistischer Sicht eine Gewichtung der Vermietertypen geboten, da sich die Mieten signifikant unterschieden. Sie sei auch möglich. Nach einer Gewichtung der Bruttokaltmiete liege der Richtwert für die Kläger nunmehr bei 316,20 €/Monat im Jahr 2016.

 

Der Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung bereit erklärt, für den streitigen Zeitraum weitere 28,80 € zu zahlen. Die Kläger haben das Teilanerkenntnis angenommen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

das Urteil des Sozialrechts Magdeburg vom 29. April 2021 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit er verurteilt worden ist, Leistungen über das Teilanerkenntnis vom 11. August 2022 hinaus zu zahlen.

 

Die Kläger beantragen,

 

         die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie halten das angefochtene Urteil in der Gestalt des Teilanerkenntnisses für zutreffend. Sie wohnten angemessen im Sinne des Gesetzes.

 

Auf Nachfrage des Senats hinsichtlich der Weiterleitung des Kindergelds hat die Klägerin eine schriftliche Erklärung ihres Sohns vom 24. März 2022 vorgelegt. Danach habe dieser den vollständigen Betrag des Kindergelds von der Klägerin monatlich in bar erhalten. Ferner hat der Sohn in der Eidesstattlichen Erklärung vom 22. April 2022 bekundet, die Klägerin habe ihm das Kindergeld immer bei seinem monatlichen Besuch zu Hause übergeben. Er habe es regelmäßig in Bar in verschiedenen Geldscheinstückelungen bekommen. Manchmal habe die Klägerin für ihn eine Besorgung erledigt und diese sei verrechnet worden.

 

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1.

 

Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Sie ist auch statthaft, da das Sozialgericht die Berufung zugelassen hat. Der Senat ist daran gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG).

 

II.

 

Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Bewilligung weiterer Leistungen für die KdU vom 1. April bis 31. Juli 2016. Der Bescheid vom 8. Januar 2016 in der Gestalt des Teilanerkenntnisses vom 11. Augst 2022 ist nicht zu beanstanden. Den Klägern stehen für die KdU keine weiteren als die bewilligten Leistungen zu. Zu Recht hat der Beklagte daher den Überprüfungsantrag der Kläger vom 15. Juni 2016 nach § 44 SGB X mit Bescheid vom 3. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2017 abgelehnt, soweit er über das Teilanerkenntnis vom 11. Augst 2022 hinausgeht.

 

1.a.

 

Der Beklagte hatte in dem Zugunstenverfahren nur über die Höhe der angemessenen Bruttokaltmiete im streitigen Zeitraum zu entscheiden. Die Kläger hatten mit ihrem Antrag vom 15. Juni 2016 die Übernahme der KdU in voller Höhe geltend gemacht. Dabei hatten sie allein gerügt, die Kürzung der Bruttokaltmiete um 91 €/Monat sei fehlerhaft. Die Ablehnung des Modernisierungszuschlags i.H.v. 10,67 €/Monat war nicht Gegenstand des Prüfauftrags. Deshalb hat das Sozialgericht zurecht nicht geprüft, ob den Klägern ein weiterer Leistungsanspruch aufgrund dieser vertraglichen Verpflichtung zugestanden hätte (vgl. BSG, Urteil vom 13. Februar 2014, B 4 AS 22/13 R).

 

b.

 

Die Kläger haben bereits vor dem SG zulässigerweise den Streitgegenstand auf die Höhe der Leistungen für die KdUH begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011, B 4 AS 119/10 R [32]).

 

c.

 

Die Klägerin ist Berechtigte i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB II. Sie hatte das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze von § 7a noch nicht erreicht, hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, war erwerbsfähig und hilfebedürftig.

 

Zu den Anspruchsgrundlagen für die Geltendmachung weiteren Leistungen gehört auch die Hilfebedürftigkeit i.S.v. § 9 SGB II, die durch die bislang bewilligten Leistungen nicht vollständig abgedeckt worden sein darf (vgl. etwa BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 11/20 R [13, 28]).

 

Die Klägerin verfügte über kein bedarfsdeckendes Einkommen oder ein die Hilfebedürftigkeit ausschließendes Vermögen. Der Senat hat sich davon überzeugen, dass sie den vollständigen Kindergeldbetrag in dem streitgegenständlichen Zeitraum an ihren Sohn weitergeleitet hatte (§ 1 Abs. 1 Nr. 8 Alg II-V i.d.F. bis zum 31. Juli 2016). Soweit es nach der Eidesstattlichen Versicherung des Sohns gelegentlich für Besorgungen für ihn verwendet wurde, ist dies unschädlich. "Weiterleiten an das Kind" im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 8 Alg II-V bedeutet, dass das Kindergeld so in dessen Bereich gelangt, dass es von diesem zur Existenzsicherung eingesetzt werden kann. Dies kann auch erfolgen, indem das Kindergeld auftragsgemäß für Besorgungen verwendet wird.

 

Der Leistungsanspruch des minderjährigen Klägers ergibt sich aus der Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin (§ 7 Abs. 2 S. 1 SGB II).

 

3.

 

Die Kläger hatten in dem streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Übernahme weiterer KdU über die vom Beklagten im Teilanerkenntnis vom 11. August 2022 anerkannten Beträge hinaus. Das vom Beklagten angefochtene Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II besteht ein Anspruch auf Leistungen für die KdU und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf der Hilfebedürftigen solange zu berücksichtigen, wie es diesen nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

 

Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist unter Zugrundelegung der sog. Produkttheorie zu ermitteln. Dabei ist die Prüfung der Bedarfe für Unterkunft und der für die Heizung grundsätzlich getrennt vorzunehmen. Dies gilt ungeachtet der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Kostensenkungsaufforderungen (§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II) und der nach dem streitigen Zeitraum eingeführten Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 10 SGB II (dazu und zum folgenden: BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 11/18 R; Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 40/19 R, juris).

 

Bei der Prüfung der Angemessenheit der KdU sind in einem ersten Schritt die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Bruttokaltmiete festzulegen. Dabei muss das Produkt aus Wohnfläche und -standard eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete („Referenzmiete“) ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R [13]). Der Quadratmeterpreis sowie die angemessene Wohnungsgröße ergeben die angemessene Miete. In einem zweiten Schritt ist die konkrete (=subjektive) Angemessenheit im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit notwendiger Einsparungen einschließlich eines Umzugs, zu prüfen. Abschließend ist zu klären, ob die Leistungsberechtigten eine abstrakt angemessene Wohnung hätten anmieten können (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 22/20 R [ 23]).

 

a.

 

Die für eine Absenkung der KdU vorgeschriebene Kostensenkungsaufforderung war erfolgt. Bereits unter dem 25. September 2015 hatte der Beklagte den Klägern mitgeteilt, dass die KdU der nur noch aus zwei Personen bestehenden Bedarfsgemeinschaft unangemessen hoch seien. Sie waren aufgefordert worden, die Unterkunftskosten bis zum 31. März 2016 zu senken bzw. Senkungsbemühungen vorzulegen. Die Kläger hatten die Möglichkeit, mit dem Beklagten in einen Dialog über die für sie ab 1. April 2016 gültigen angemessenen KdU einzutreten.

 

Die Kostensenkungsaufforderung ist inhaltlich nicht zu beanstanden. Notwendig war nur die Benennung des - seinerzeit - aus Sicht des Beklagten für angemessen gehaltenen Höchstmietpreises (BSG, Urteil vom 1. Juni 2010, B 4 AS 78/09 R, [15]).

 

Die im Februar 2020 erfolgte Korrektur des Konzepts und die Gewichtung zur Herstellung der Repräsentativität der Datenerhebung im Juli 2022 stellen kein unzulässiges Nachschieben von Gründen für das Kostensenkungsverfahren dar; vielmehr hat der Beklagte die seinerzeit gewonnenen Erkenntnisse lediglich anders bewertet (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 65/09 R [28]; Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 11/18 R [33]). Eine in unzulässiger Weise beeinträchtigte Rechtsverteidigung der Kläger ist darin ebenfalls nicht zu sehen. Sie hatten Gelegenheit, sich im Klage- und Berufungsverfahren zu den neuen Werten zu äußern.

 

b.

 

Bei der Bestimmung der angemessenen KdU hat der Beklagte zu Recht auf eine Wohnfläche von 60 qm für den Zwei-Personen-Haushalt abgestellt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 9. Mai 2012, L 5 AS 2/09; vgl. auch BSG, Urteil vom 14. Februar 2013, B 14 AS 61/12 R [21]). Eine Erhöhung der abstrakt angemessenen Wohnfläche ist hier nicht im Streit.

 

c.

 

Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle. Allerdings ist die gerichtliche Überprüfung auf eine nachvollziehende Kontrolle im Sinne einer Verfahrenskontrolle beschränkt (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 24/18 R [26]; Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 11/20 R [22]; Urteil vom 5. August 2021, B 4 AS 82/20 R [34]). Die Verpflichtung zur Amtsermittlung ist begrenzt durch die Mitwirkungslast der Beteiligten. Eine ins Einzelne gehende Überprüfung bestimmter Detailfragen - wie etwa Einzelheiten der Repräsentativität und Validität der erhobenen Daten - verlangt, dass fundierte Einwände erhoben werden. Diese müssen insbesondere über ein bloßes Bestreiten der Stimmigkeit der Daten hinausgehen, oder aber auf eine Verletzung der in § 22c SGB II für eine Satzungsregelung enthaltenen Vorgaben hindeuten (BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 22/20 R [30]; Urteil vom 5. August 2021, B 4 AS 82/20 R [34]; bestätigt im Beschluss vom 4. Januar 2022, B 4/14 AS 187/21 B [6]).

 

d.

 

Entgegen der Auffassung des SG scheitert die Schlüssigkeit der Mietwerterhebung nicht an der - neuen - Vergleichsraumbildung in dem Korrekturbericht vom Februar 2020. Die Bestimmung von drei VR im Landkreis in der Korrektur 2020 ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Insoweit bezieht sich der Senat auf seine bisherige Rechtsprechung und verweist vollumfänglich auf die dortigen Ausführungen (vgl. Urteil vom 15. April 2021, L 5 AS 391/19 ZVW; Nichtzulassungsbeschwerde vom BSG verworfen mit Beschluss vom 4. Januar 2022, B 4/14 AS 187/21 B).

 

An dieser Auffassung vermögen auch die Überlegungen des SG nichts zu ändern.

 

a.a.

 

Beim maßgeblichen örtlichen VR handelt es sich um „ausgehend vom Wohnort der Leistungsberechtigten ausreichend große Räume der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit, die insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen“. Dabei ist zunächst das Zuständigkeitsgebiet eines Jobcenters ein VR. Dieses kann indes - aufgrund örtlicher Gegebenheiten - in mehrere VR zu unterteilen sein, wobei allzu kleinteilige Vergleichsräume zu vermeiden sind (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 24/18 R [22, 33]).

 

Schon anhand dieser Definition zeigt sich, dass das Mietpreisniveau kein Kriterium für den Vergleichsraum sein muss und zu Recht von dem Beklagten nicht für die Definition des VR herangezogen wurde. Gerade die Überlegung der Zusammenfassung von Regionen mit ähnlichem Mietniveau lag ja der im ursprünglichen Konzept angewendeten „Clusteranalyse“ zugrunde. Der Beklagte hatte dafür Orte im gesamten Landkreis mit ähnlichem Mietpreisniveau zusammengefasst. Das BSG hat jedoch eine solche weitere Aufteilung von Städten und Gemeinden innerhalb eines Vergleichsraums für unzulässig gehalten (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 41/18 R [33] -„Flickenteppich“).

 

Es ist nicht als zwingend anzusehen, den Landkreis Harz als einen einheitlichen, homogenen Lebensraum zu betrachten. Es bestehen signifikante Unterschiede in der Erreichbarkeit und Verbindung der einzelnen Orte untereinander. Die Bevölkerungsdichte, Infrastruktur und die Wirtschaftsstrukturen sind sehr unterschiedlich ausgeprägt. Daher konnte der Landkreis in mehrere VR unterteilt werden.

 

Die in der Korrektur 2020 für die drei VR im Landkreis angewendeten Maßstäbe sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Die VR entsprechen den vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBSR) definierten Mittelbereichen für die politische Regionalplanung. Für das Land Sachsen-Anhalt gehören zu den Mittelzentren laut Landesentwicklungsplan 2010 (LEP 2010) Wernigerode, Q. und als Mittelzentrum mit oberzentralen Teilfunktionen H. (Punkt 2.1, Z. 37).

 

Das Mittelzentrum Wernigerode sowie dessen Verflechtungsbereiche, also B. (Harz), I. (Harz), Oberharz am Brocken und die Gemeinde N. verfügen über einen ausreichend großen Wohnungsmarkt.

 

Nach dem Korrekturbericht 2020 ist auch die Erreichbarkeit der jeweiligen Mittelzentren mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gegeben. Ob dieser im Einzelfall ausreicht, um Leistungsbeziehern bei einem aus Kostengründen erforderlichen Umzug die Aufrechterhaltung des sozialen Umfelds zu sichern, kann offenbleiben. Denn bei der Vergleichsraumbildung ist nicht zu prüfen, ob generell Bezieher von Leistungen nach dem SGB II entsprechend der örtlichen Verkehrsstruktur den gesamten Vergleichsraum erreichen können. Insoweit ist ausreichend, dass dies durch den Individualverkehr sichergestellt werden kann (BSG, Urteil vom 5. August 2021, B 4 AS 82/20 R [26 f.]).

 

b.b.

 

Bedenken hinsichtlich der 2020 erfolgten Neubestimmung der VR ergeben sich auch nicht aus den daraus folgenden, z.T. niedrigeren Angemessenheitswerten. Denn die Ermittlung der Angemessenheit der Mietkosten bezweckt nicht, den Leistungsberechtigten eine höchstmögliche Miete zukommen zu lassen (BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 22/20 R [33]).

 

c.c.

 

Für eine durch die Neubildung der VR begünstigte Gefahr einer sozialen Segregation innerhalb der einzelnen VR gibt es keinen Anhaltspunkt.

 

Unzulässig ist es nach der Rechtsprechung des BSG, durch Berücksichtigung nur ausgewählter, „billiger“ Stadtteile bei der Datenerhebung zur Entstehung oder Verfestigung von sozialen Brennpunkten beizutragen (BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 22/20 R [37]). Vielmehr ist auf die Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten räumlichen Vergleichsraum abzustellen (BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R [35]).

 

Der Beklagte hatte die Datenerhebung im gesamten Landkreis bzw. in den drei VR durchgeführt. Insbesondere liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, dass er nur Daten aus bestimmten - günstigen - Wohngebieten erhoben hätte. Zwar wurden die Datensätze der Bestandsmieten anonymisiert, weshalb Angaben zur konkreten Lage der erfassten Wohnungen fehlen. Jedoch sind Kennzeichen von großen Wohnblocks eine identische Größe und hohe Anzahl der einzelnen Wohnungsklassen. In den vorliegenden Rohdaten finden sich neben gleich großen Wohnungen auch eine Vielzahl solcher, die hiervon signifikante Unterschiede aufweisen.

 

Im Übrigen ergäbe sich der vom SG befürchtete Effekt der sozialen Segregation in genau der gleichen Weise, wenn der ganze Landkreis Harz ein VR wäre. Die örtlichen, teilweise erheblichen Unterschiede im Mietpreisniveau träten auch dann zutage.

 

Gerade der einheitliche, abstrakte Angemessenheitswert für den VG gewährleistet aber die mit dessen Festlegung - auch - verfolgte Steuerungswirkung auf dem örtlichen Wohnungsmarkt. Denn die Deckelung der Aufwendungen gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II nach einem nicht erforderlichen Umzug innerhalb des VR verlangt aus Gründen der Gleichbehandlung eine einheitliche abstrakte Angemessenheitsgrenze (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 41/18 R [35]). Schon anhand dieser Argumentation ist erkennbar, dass das BSG ein einheitliches/ähnliches Mietniveau innerhalb eines VR nicht als notwendig voraussetzt.

 

Soweit das SG gemeint hat, aus den Ausführungen auf Bl. 10 des Korrekturberichts ergäbe sich die Aufgabe des „homogenen Wohn- und Lebensraums“ zugunsten einer vorzunehmenden Einzelfallprüfung, ist dies nicht nachvollziehbar. Dort ist lediglich die Rechtsprechung des BSG zur Unzumutbarkeit eines Umzugs über den gesamten Vergleichsraum hinweg wiedergegeben worden.

 

e.

 

Der Senat hat auch im Übrigen keine Bedenken gegen die Ermittlung der abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete.

 

Die Kläger haben weder im Klage- noch im Berufungsverfahren fundierte Einwände erhoben. Sie haben lediglich allgemein auf die Angemessenheit ihrer Miete verwiesen. Daher hatte der Senat über die nachvollziehende Verfahrenskontrolle hinaus keine ins Einzelne gehende Überprüfung bestimmter Detailfragen vorzunehmen.

 

Die Mietwerterhebung 2012 in der Fassung des Korrekturberichts vom Februar 2020 und der im Juli 2022 erfolgten Gewichtung der Bruttokaltmiete bei den Bestandsmieten beruht für den hier streitigen Zeitraum auf einem schlüssigen Konzept. Der Beklagte hat im Rahmen der Methodenfreiheit ein Konzept zur empirischen Ableitung der angemessenen Bruttokaltmiete gewählt. Die dafür erforderlichen methodischen Voraussetzungen sind erfüllt und nachvollziehbar (vgl. zu den Anforderungen im einzelnen etwa BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R [19]).

 

Das Konzept des Beklagten ist eine geeignete Entscheidungsgrundlage. Denn es erscheint dem Senat überzeugend und es ist im gerichtlichen Verfahren nicht schlüssig infrage gestellt worden. Der Beklagte hat die Beanstandungen des ursprünglichen Konzepts aus dem Jahr 2012 durch die Nachbesserung im Februar 2020 und die Gewichtung im Juli 2022 ausgeräumt. Die zur Ermittlung der angemessenen Kosten gewählten Methoden sind plausibel. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Datenerhebungen und -auswertungen „unschlüssig“, also willkürlich oder widersprüchlich wären oder auf fehlerhaften Prämissen beruhten. Ein Verstoß gegen die vom BSG postulierten Grundsätze ist nicht erkennbar.

 

aa.

 

Der Gegenstand der Beobachtung ist im Einzelnen nachvollziehbar definiert worden. Es wurden Daten aus dem gesamten Landkreis zugrunde gelegt. Dass der Beklagte für die Erhebung der Bestandsmieten keine Datensätze des Beklagten beigezogen hat, ist unschädlich (BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 22/20 R [32]).

 

bb.

 

Die Art und Weise der Datenerhebung in den drei VR ist hinreichend deutlich dargestellt worden und stößt ebenfalls nicht auf Bedenken. Die Mietwerterhebung im Landkreis basierte auf einer umfangreichen Vermieterbefragung. Im Rahmen einer Zufallsstichprobe wurden dann ca. 3.500 kleinere Vermieter angeschrieben.

 

cc.

 

Die Angebotsmieten flossen nicht in die Berechnung der relevanten Mietwerte ein, sondern waren maßgeblich für die Prüfung der Anmietbarkeit (Korrekturbericht 2020, S. 13). Diese wurden zudem mit den erhobenen Neuvertragsmieten abgeglichen.

 

In nicht zu beanstandender Weise wurden Wohnungen herausgenommen, die das Ergebnis der Mietwertermittlung verfälschen könnten (Filterfragen, fehlende Plausibilität, Substandard- oder Luxussegment, in Wohn- und Pflegeheimen, gewerblich genutzt, Werkswohnungen, Freundschaftsmieten sowie möblierte Wohnungen).

 

Ebenfalls nicht in die Datenerhebung aufgenommen wurden zunächst Wohnungen mit weniger als 30 qm. Es ist aber nachvollziehbar, dass in dem Korrekturbericht vom Februar 2020 die Wohnungsgrößen an die Richtlinien der Wohnungsbauförderung Sachsen-Anhalt angepasst wurden (Korrekturbericht 2020, S. 1) und nunmehr auch Wohnungen von 25 bis unter 30 qm erfasst werden (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R [26] zu „Dresden“).

 

Des Weiteren ist es nicht zu beanstanden, dass die Mieten unberücksichtigt blieben, die vor letztmals mehr als vier Jahren vor der Erhebung neu vereinbart oder verändert worden waren.

 

dd.

 

Auch war der Umfang der erhobenen Daten ausreichend repräsentativ. Insoweit kann auf das Urteil des Senats vom 15. April 2021 (L 5 AS 391/19 ZVW, juris) verwiesen werden.

 

Allerdings stammen die erhobenen Daten nicht proportional von institutionellen Vermietern und sog. „Klein- oder Privatvermietern“. Nach Mitteilung des Beklagten wurden ca. 13 % der Daten von Privatvermietern erhoben. Das Verhältnis der Privatvermieter zu den institutionellen Vermietern beträgt im VR Wernigerode aber 54% (laut Zensus 2011).

 

Im vorliegenden Fall hat es der Beklagte für erforderlich angesehen, eine Gewichtung der Datensätze von privaten und institutionellen Vermietern vorzunehmen (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 5. August 2021, B 4 AS 82/20 R [40 f.]). Hintergrund ist, dass eine Stichprobenauswertung (wie hier bei den „Klein- oder Privatvermietern“) nur dann als repräsentativ bezeichnet werden kann, wenn alle wesentlichen Teilgruppen der Grundgesamtheit entsprechend ihres Anteils in der Stichprobe enthalten sind bzw. bei der Auswertung entsprechend gewichtet werden. Ein unterschiedliches Preisniveau verschiedener Vermietergruppen könnte anderenfalls unberücksichtigt bleiben und der Wohnungsmietmarkt wäre nicht realitätsgerecht abgebildet.

 

Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden. Entgegen der anfänglichen Behauptung des Beklagten haben in den erhobenen Daten signifikante Preisunterschiede vorgelegen. Dies ergab sich aus den tabellarischen Übersichten den Nettokaltmiete in den einzelnen Vergleichsräumen, die der Beklagte getrennt für die Wohnungsgrößen vorgelegt hat. Die Firma Analyse und Konzepte hat in den Stellungnahmen vom 28. April, 16. Mai und 22. Juli 2022 dargestellt und bestätigt, dass aufgrund von signifikanten Unterschieden aus statistischen Gründen eine Gewichtung der Vermietertypen geboten war (angewandte Testverfahren: Quantilsregression in R sowie ein T-Test). Bedenken bestehen insoweit nicht. So hat die Firma A. und K. zum einen nachvollziehbar dargelegt, dass die Daten der privaten Vermieter aus dem VR Wernigerode ausreichend sind, um darauf eine Gewichtung zu stützen (304 Datensätze bei einer erforderlichen Spanne von 68 bis 378 Datensätzen). Zum anderen ist die Methode der Gewichtung selbst anhand einer Beispielsrechnung erläutert und sind sodann die neuen Werte für alle Wohnungsgrößen in allen VR errechnet und mitgeteilt worden.

 

Ausgehend von dem Mietwohnungsbestand in Zwei- und Mehrfamilienhäusern beträgt im VR Wernigerode der Anteil am relevanten Mietbestand 2.437 (= ca. 10%) (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R [21]: 10% nicht erforderlich). Für die Auswertung der Bestandsmieten ist die Nettokaltmiete Tabellenrastern mit 5 Wohnungsgrößen zugeordnet worden. Insgesamt sind für jedes Tabellenfeld im VR Wernigerode mindestens 175 Mietwerte erhoben worden. Auf die Größenklasse für zwei Personen entfallen sogar 540 Datensätze.

 

ee.

 

Da im Verfahren keine weiteren substantiierten Argumente gegen die Schlüssigkeit des Konzepts vorgetragen worden sind, kann der Senat hinsichtlich der weiteren Prüfungsschritte (u.a. Anwendung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze und fehlende Segregationsbewegung) auf sein Urteil vom 15. April 2021 (L 5 AS 391/19 ZVW, juris) verweisen.

 

ff.

 

Zur Festlegung der Bruttokaltmiete waren noch die Betriebskosten zu ermitteln. Auch hier haben anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze Anwendung gefunden.

 

Ergänzend zu den Ausführungen im Urteil vom 15. April 2021 (L 5 AS 391/19 ZVW, juris) ist lediglich darauf hinzuweisen, dass der Beklagte im Rahmen der nunmehr erfolgten Gewichtung der Daten nach Vermietertypen auch die Betriebskosten neu berechnet hat. Dies ist folgerichtig; insoweit kann auf die obigen Ausführungen zur Herstellung der Repräsentativität der Datenerhebung Bezug genommen werden.

 

Insgesamt ergab sich für den VR Wernigerode und einem Zweipersonenhaushalt eine angemessene Bruttokaltmiete von 309 € im Zeitraum vom 1. August 2012 bis 31. Juli 2014.

 

f.

 

Mit der Indexfortschreibung des Konzepts zum Stichtag 1. August 2014 und der Umsetzung in der Richtlinie vom 2. Februar 2015 wurde den Anforderungen an eine regelmäßige Aktualisierung der Daten Rechnung getragen.

 

Die erfolgte Indexfortschreibung begegnet inhaltlich keinen Bedenken, sie erfolgte analog der Regelungen für qualifizierte Mietspiegel. Dass dabei auf den Preisindex für die Entwicklung der Mietkosten in Sachsen-Anhalt (getrennt nach Wohnungskaltmieten und Wohnungsnebenkosten in Abt. 2.2.4.1 und 2.2.4.2 des Verbraucherpreisindex) abgestellt wurde, ist zu akzeptieren.

 

Schließlich ist auch der Vergleich der Indexentwicklung von Dezember 2011 (Stichtag der ersten Datenerhebung für den Bericht 2012) bis August 2014 (Ablauf der Zwei-Jahresfrist nach Inkrafttreten der ersten Richtlinie) von der Methodenfreiheit im Rahmen des schlüssigen Konzepts gedeckt. Es war nicht etwa zwingend notwendig, die Indexierung an der Zwei-Jahresfrist für die Laufzeit der Richtlinie (1. August 2012 bis 31. Juli 2014) auszurichten. Stehen mehrere Schätzgrundlagen zur Auswahl, darf sich der Grundsicherungsträger auf die Daten stützen, die ihm am besten geeignet erscheinen. Der Stichtag Dezember 2011 spiegelt die zu diesem Zeitpunkt vorgefundenen Mietpreise im Landkreis besser als die - nur über eine weitere Indexierung ermittelbaren - Werte am 1. August 2012 wieder.

 

Im Rahmen der erfolgten Gewichtung im Juli 2022 ergab sich für den VR Wernigerode und einen Zweipersonenhaushalt eine Bruttokaltmiete von nunmehr 316,20 €. Diese ist mit dem Teilanerkenntnis in der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits berücksichtigt worden.

 

4.

 

Ein Fall einer vorübergehenden oder dauerhaften subjektiven Unzumutbarkeit eines Umzugs oder einer Kostensenkung lässt sich nicht feststellen. Dies würde zwar nicht zur Angemessenheit der tatsächlichen KdUH führen, könnte jedoch eine Verlängerung der Frist für eine Kostensenkung erforderlich machen (BSG, Urteil vom 22. August 2012, B 14 AS 13/12 R, juris, Rn. 30). Die Darlegungslast für eine fehlende Möglichkeit und/oder die Unzumutbarkeit der geforderten Kostensenkung liegt beim Leistungsberechtigten. Nur bei schlüssiger Darlegung vergeblicher Suchaktivitäten liegt die Beweislast für eine zumutbare Kostensenkung bei der Behörde. Es müssen daher stets Einwände zur Unmöglichkeit eines Wohnungswechsels vorgebracht werden (BSG, Urteil vom 19. März 2008, B 4 AS 43/06 R, juris, Rn. 15, Urteil vom 13. April 2011, B 14 AS 32/09 R, juris, Rn. 13).

 

a.

 

Gründe dafür, dass die Regelfrist von sechs Monaten unzureichend gewesen und eine abweichende Festlegung der Kostensenkungsfrist erforderlich gewesen wäre, sind nicht ersichtlich. Solche Umstände haben die Kläger nicht vorgetragen. Sie haben lediglich auf die Stellungnahme des Vermieters verwiesen, wonach eine Absenkung der Betriebskosten nicht möglich wäre. Aus diesem Umstand lässt sich aber nicht schließen, dass eine anderweitige Senkung der Wohnkosten, etwa durch Umzug, ausgeschlossen gewesen wäre.

 

b.

 

Auch im Hinblick auf die Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II kommt eine Unzumutbarkeit der Kostensenkung nicht in Betracht. Es ist hier zu prüfen, ob die ermittelten angemessenen Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere im Hinblick auf die Zumutbarkeit notwendiger Einsparungen einschließlich eines Umzugs, konkret angemessen sind. Dies gilt sowohl für eine zu hohe Bruttokaltmiete als auch für zu hohe Heizkosten (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 10/18 R, juris, Rn. 21 und vom 12. Juni 2013, B 14 AS 60/12 R, juris, Rn. 30). Ein Wohnungswechsel ist unzumutbar, wenn in einer alternativ zu beziehenden Wohnung insgesamt keine höheren Brutto-Warmkosten als bisher anfielen. Soweit die tatsächlichen Gesamtaufwendungen die Vergleichskosten nicht übersteigen, sind Kostensenkungsmaßnahmen nicht zumutbar. Übersteigen jedoch die tatsächlichen Gesamtkosten die Vergleichswerte, ist eine Kostensenkung durch Wohnungswechsel im Grundsatz zumutbar (BSG, a.a.O., juris, Rn. 33).

 

Der Beklagte hatte die vollen Aufwendungen für die Heizung i.H.v. 73 €/Monat übernommen. Daher gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein Wohnungswechsel nicht zu einer Kostensenkung geführt haben würde, weil in einer alternativ zu beziehenden Wohnung insgesamt niedrigere Bruttowarmkosten entstünden (BSG, Urteil vom 21. Juli 2021, B 14 AS 31/20 R [51).

 

c.

 

Der Beklagte war auch nicht im Wege der Ermessensausübung verpflichtet, wegen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die gesamten Bruttowarmkosten zu prüfen, ob von einer Kostensenkungsaufforderung abzusehen ist (§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Zum einen ist § 22 Abs. 10 SGB X, der eine Gesamtangemessenheitsgrenze ausdrücklich regelt, erst zum 1. August 2016 in Kraft getreten. Zum anderen geht das Konzept des Beklagten ausdrücklich nicht von einer Gesamtangemessenheitsgrenze aus (BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 11/20 R [27], Juris).

 

III.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). Die Frage der Bestimmung des VR und die Anforderungen an ein schlüssiges Konzept sind obergerichtlich geklärt. Es handelt sich um tatrichterliche Beweiswürdigungen für allgemeine Prüfungsmaßstäbe (BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R [20], Juris).

 

Rechtskraft
Aus
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