Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 20. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung des Freibetrages des § 226 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch -SGB- V bei der Verbeitragung von Kapitalleistungen aus Kapitallebensversicherungen.
Der Kläger bezieht eine Altersrente wegen Schwerbehinderung i.H.v. 1.593,95 € und ist bei der Beklagten seit dem 9. November 2019 freiwillig kranken- sowie pflegeversichert.
Zu Gunsten des Klägers hatte dessen ehemaliger Arbeitgeber eine Direktversicherung bei der C. Lebensversicherung AG abgeschlossen. Die Versicherungsnehmereigenschaft wurde erst auf den Kläger übertragen, nachdem die Versicherung bereits beitragsfrei weitergeführt worden war (Schreiben der E. Lebensversicherung - ehemals C. Lebensversicherung AG - vom 13. Juli 2021). Der ehemalige Arbeitgeber des Klägers hatte zu dessen Gunsten eine weitere Direktversicherung bei der M. Lebensversicherungs-AG abgeschlossen. Versicherungsnehmer war hier durchgehend der ehemalige Arbeitgeber des Klägers (Schreiben der M. Pensionskasse AG vom 20. Juli 2021).
Am 26. November 2019 erhielt der Kläger von der C. Lebensversicherung AG eine Kapitalauszahlung i.H.v. 23.570,91 €. Mit Bescheid vom 10. Februar 2020 erhob die Beklagte erstmals Beiträge zur Kranken- (157,97 €) und Pflegeversicherung (34,26 €), u.a. unter Berücksichtigung monatlicher beitragspflichtiger Einnahmen i.H.v. 1/120 des Zahlbetrages der C. Lebensversicherung AG (196,42 €) rückwirkend ab 9. November 2019. Zudem wurde ein Auffüllbetrag i.H.v. 841,91 € berücksichtigt. Mit Änderungsbescheid vom 13. Februar 2020 wurde aufgrund einer Erhöhung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage ein höherer Auffüllbetrag ab 1. Januar 2020 berücksichtigt. Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 25. Februar 2020 legte der Kläger Widerspruch gegen diese Bescheide ein. Er brachte verschiedene Fehler der Bescheide an (Nichtberücksichtigung seiner Rente, fehlerhafter Beitragssatz zur Pflegeversicherung wegen Elterneigenschaft). Zudem sei die Verbeitragung der Betriebsrente unklar.
Von der M. Lebensversicherungs-AG erhielt der Kläger am 2. März 2020 eine Kapitalauszahlung i.H.v. 49.273,46 €. Nach einer entsprechenden Meldung der M. Lebensversicherungs-AG vorab erhob die Beklagte mit Bescheid vom 26. Februar 2020 Beiträge zur Kranken- (163,96 €) und Pflegeversicherung (35,04 €) ab dem 1. März 2020 unter Berücksichtigung weiterer beitragspflichtiger Einnahmen aus kapitalisierten Betriebsrenten i.H.v. insgesamt 607,03 € monatlich (plus Auffüllbetrag).
Mit Bescheid vom 27. April 2020 erhob die Beklagte vom 9. November 2019 bis 30. November 2019 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung unter Berücksichtigung der Rente i.H.v. 1.593,95 € und passte den Beitragssatz zur Pflegeversicherung an (Krankenversicherungsbeitrag 281,09 €; Pflegeversicherungsbeitrag 54,61 €). Ab dem 1. Dezember 2019 bis 29. Februar 2020 erhob sie Beiträge unter Berücksichtigung der Rente sowie einer kapitalisierten Betriebsrente i.H.v. 196,42 € (Krankenversicherungsbeitrag 281,09 €; Pflegeversicherungsbeitrag 54,61 €). Ab dem 1. März 2020 erhob sie Beiträge unter Berücksichtigung der Rente sowie kapitalisierter Betriebsrenten i.H.v. 607,03 € (Krankenversicherungsbeitrag 345,56 €; Pflegeversicherungsbeitrag 67,13 €).
Der Kläger hielt seinen Widerspruch aufrecht und führte, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, ergänzend aus, es bestehe eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung, da der für Pflichtversicherte geltende Freibetrag hinsichtlich der Direktversicherungen nicht berücksichtigt werde. Mit Bescheid vom 25. Juni 2020 wurden die Beiträge für die Zeit ab dem 1. Juli 2020 aufgrund einer Rentenanpassung neu festgesetzt.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2020 zurück. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Kapitalauszahlungen seien über die Vorschriften für freiwillig Krankenversicherte zu verbeitragen. Für freiwillig Versicherte fehle ein Verweis auf die Vorschrift zum Freibetrag, weshalb dieser nicht zu berücksichtigen sei.
Hiergegen hat der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, am 30. Dezember 2020 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben.
Mit Änderungsbescheid vom 12. Januar 2021 hat die Beklagte die Beiträge ab dem 1. Januar 2021 aufgrund eines gestiegenen Zusatzbeitrags zur Krankenversicherung neu festgesetzt. Das zugrunde gelegte Einkommen ist unverändert geblieben. Mit Änderungsbescheid vom 21. Juni 2021 wurden Beiträge ab dem 1. Juli 2021 unter Berücksichtigung von Einkommen i.H.d. Beitragsbemessungsgrenze festgesetzt. Mit Bescheid vom 28. Juni 2021 wurde dies jedoch korrigiert und lediglich Einkommen in Form einer (leicht erhöhten) Rente sowie der kapitalisierten Betriebsrenten in Höhe des bisher zugrunde gelegten Betrages berücksichtigt.
Nachdem der Kläger zunächst auch die grundsätzliche Verbeitragung der Kapitalauszahlungen in Frage gestellt hatte, hat er sich mit seiner Klage zuletzt nur noch gegen die Nichtberücksichtigung des Freibetrages im Rahmen der Berechnung des Krankenversicherungsbeitrags gewehrt. Hier bestehe eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Die Beklagte hat im Wesentlichen die im Widerspruchsbescheid vorgetragen Gründe wiederholt.
Das Sozialgericht Gießen hat die Klage mit Urteil vom 20. Oktober 2021 abgewiesen. Der Bescheid vom 10. Februar 2020 in der Fassung der Bescheide vom 13. Februar 2020, 26. Februar 2020, 27. April 2020 und 25. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2020 in der Fassung der Bescheide vom 12. Januar 2021, 21. Juni 2021 und 28. Juni 2021 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines Freibetrages im Rahmen der Beitragsberechnung zur Krankenversicherung. Gegenstand der Klage sei der Bescheid vom 10. Februar 2020 sowie alle ergangenen Änderungsbescheide. Die vor Erlass des Widerspruchsbescheides ergangenen Änderungsbescheide seien nach § 86 Sozialgerichtsgesetz -SGG- bereits Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gewesen. Die nach Klageerhebung ergangenen Änderungsbescheide seien nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens. Die Klage sei unbegründet. Zwischen den Beteiligten sei nicht (mehr) die grundsätzliche Verbeitragung der Kapitalleistungen aus den Direktversicherungen streitig. Eine Verbeitragung i.H.v. monatlich 1/120 der Kapitalleistung über 10 Jahre hinweg ergebe sich aus § 240 SGB V i.V.m. §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler. Diese Verbeitragung sei verfassungsgemäß, da vorliegend nur Beiträge eingezahlt worden seien, während der ehemalige Arbeitgeber des Klägers Versicherungsnehmer der Versicherungen gewesen sei (stRspr, Bundesverfassungsgericht -BverfG-, Beschluss des Ersten Senats vom 07. April 2008 – 1 BvR 1924/07 -, juris; Beschluss des Ersten Senats vom 6. September 2010 - 1 BvR 739/08 -, juris; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. September 2010 – 1 BvR 1660/08 -, juris; Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 30. März 2011 - 12 KR 24/09 R -, juris).
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung des in § 226 Abs. 2 Satz 2 SGB V geregelten Freibetrags (Geltung ab 1. Januar 2020). Nach § 226 Abs. 2 Satz 2, 1. HS SGB V sei von den monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach § 229 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 ein Freibetrag in Höhe von einem Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches abzuziehen, wenn die monatlichen Beitragspflichtigen Einnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 insgesamt ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches überschritten würden. Wäre der Kläger in der Krankenversicherung der Rentner gesetzlich krankenversichert, so würde diese Vorschrift Anwendung finden und für das Jahr 2020 ein Freibetrag i.H.v. 159,25 € von dem monatlich berücksichtigten Einkommen aus den Kapitalleistungen und für das Jahr 2021 ein Freibetrag i.H.v. 164,50 € abgezogen werden. Diese Vorschrift finde für den freiwillig versicherten Kläger jedoch keine Anwendung. Denn weder in § 240 SGB V noch in den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler finde sich ein Verweis auf § 226 Abs. 2 SGB V. Diese Normen enthielten auch keine dem § 226 Abs. 2 Satz 2 SGB V entsprechende Freibetragsregelung. Vielmehr sehe § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, dass bei freiwillig Versicherten die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen sei. Dies führe nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung des Klägers. Das erkennende Gericht sehe hierin keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz -GG-, Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er verwehre dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürften jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen seien. Der Gleichheitssatz sei dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt würden, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten. Die Grenzen, die der allgemeine Gleichheitssatz dem Gesetzgeber vorgebe, können sich von lediglich auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen erstrecken. Es gelte ein am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierter, stufenloser Prüfungsmaßstab, der nicht abstrakt, sondern nur nach dem jeweils betroffenen Sach- und Regelungsbereich näher bestimmbar sei. Der Gesetzgeber unterliege insbesondere dann einer strengeren Bindung, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpfe, die für den Einzelnen nicht verfügbar seien. Relevant für das Maß der Bindung sei zudem die Möglichkeit der Betroffenen, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Differenzierungskriterien zu beeinflussen. Maßgebend sei, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen könnten. Jedoch muss auch in diesem Kontext der weite sozialpolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der sozialstaatlichen Ordnung berücksichtigt werden; sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers seien anzuerkennen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetztes unvereinbar seien (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 2016 - 12 KR 6/15 R -, Rn. 24 ff., juris, m.w.N.).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs sei das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nicht vorliege. Dass die grundsätzliche beitragsrechtliche Ungleichbehandlung von Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten verfassungsgemäß sei, hätten das Bundessozialgericht und das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden. Zur Begründung sei insbesondere darauf hingewiesen, dass das Gesetz typisierend von einer geringeren Schutzbedürftigkeit der freiwillig versicherten Mitglieder aus gehen dürfe (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. Dezember 2002 - 1 BvR 527/98 -, juris; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 13. Dezember 2002 – 1 BvR 1660/96 -, juris; BSG, Urteil vom 7. November 1991 - 12 RK 37/90 -, juris; Urteil vom 26. Mai 2004 - 12 P 6/03 R -, juris; Urteil vom 30. November 2016 - 12 KR 6/15 R juris; vgl. ebenso: Klaus Peters, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 226 SGB V (Stand: 14.04.2021), Rn. 74). Dieser Rechtsprechung schließe sich das erkennende Gericht an. Gleiches treffe auch auf den Kläger zu, der während seines Erwerbslebens Einkommen über der Betragsbemessungsgrenze verdient habe und damit weniger schutzbedürftig sei, als Personen, die unterhalb dieser Grenze lägen.
Etwas Anderes ergebe sich nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. März 2020 (Beschluss des Ersten Senats vom 15. März 2020 - 1 BvL 16/96 u.a., juris). Darin habe das Bundesverfassungsgericht über Fragen zur Verfassungsmäßigkeit der Erschwerung des Zugangs freiwillig Versicherter zur Krankenversicherung der Rentner zu entscheiden und die Zugangsregelung für verfassungswidrig erklärt. Denn der Gesetzgeber habe im Rahmen der Gesetzesänderung nicht mehr an die von ihm selbst gewählte Typik angeknüpft und ein Kriterium eingeführt, das weder einem typisierten Schutzbedürfnis entspreche noch einen Zusammenhang mit der Beteiligung an der Solidargemeinschaft herstelle. Jedoch habe das Bundesverfassungsgericht darin nicht entschieden, dass allein die Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze eine Schlechterstellung freiwillig Versicherter gegenüber Pflichtversicherten nicht rechtfertige. Es habe vielmehr die Einschätzung des Gesetzgebers im Grundsatz verfassungsrechtlich gebilligt, dass, wer über der Jahresarbeitsentgeltgrenze verdiene, des Schutzes der Pflichtversicherung nicht mehr bedürfe (vgl. ebenso BSG, Urteil vom 26. Mai 2004 - 12 P 6/03 R Rn. 16, juris; ähnlich Landessozialgericht -LSG- für das Land NRW, Urteil vom 16. Januar 2007 - L 11 KR 64/06 -, Rn. 20, juris). Soweit Versicherte wie der Kläger weiterhin die Voraussetzungen für eine Pflichtmitgliedschaft als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erfüllten, sei eine von der Beitragsbemessung bei Pflichtversicherten abweichende Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen nach § 240 SGB V weiterhin verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2006 - 12 P 2/06 R -, Rn. 21. juris).
Hinsichtlich der Höhe des Krankenversicherungsbeitrages im Übrigen seien weder Bedenken geltend gemacht worden, noch seien Fehler ersichtlich. Insbesondere habe die Beklagte die Einkommenshöhen richtig bestimmt und den richtigen Beitragssatz sowie Zusatzbeitrag zugrunde gelegt.
Der Kläger hat gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 29. Oktober 2021 zugestellte Urteil am 2. November 2021 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht erhoben und zur Begründung zunächst Gesetzgebung und Rechtsprechung zur Verbeitragung von Betriebsrenten bei pflichtversicherten und freiwillig versicherten Rentnern dargestellt. Freiwillig versicherte Betriebsrentner und andere Krankenkassenmitglieder, die in den Anwendungsbereich des § 240 SGB V fielen, könnten von dem Betriebsrentenfreibetrag nicht profitieren, so dass die übrigen Betriebsrentner ihnen gegenüber bessergestellt würden. Dem Gesetzgeber sei zwar nicht jede Differenzierung verwehrt, trotz des Gebotes von Art. 3 Abs. 1 GG alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Differenzierungen bedürften jedoch der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Differenzierungsausmaß angemessen seien, wobei der weite sozialpolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der sozialstaatlichen Ordnung zu beachten sei (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 26. Februar 2019, 12 KR 17/18 R). Insbesondere könne der Gesetzgeber in Bezug auf die Beitragspflicht von Versorgungsleistungen eine Teilgruppe herausgreifen und sie zu höheren Beitragszahlungen heranziehen, sofern dies sachlich gerechtfertigt sei. Dafür benenne der Gesetzgeber hier insbesondere die Erhöhung der Attraktivität der betrieblichen Altersversorgung und die Verteilungsgerechtigkeit als Ziel (Bundestagsdrucksache -BT-Drs.- 19/15438, S. 1, 8). Zwar hätten sowohl das Bundessozialgericht als auch das Bundesverfassungsgericht schon mehrfach entschieden haben, dass die auf § 240 SGB V beruhenden Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler für sich genommen in Einklang mit höherrangigem Gesetzes- und Verfassungsrecht stünden, sowie dass die grundsätzliche beitragsrechtliche Ungleichbehandlung von Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten verfassungsgemäß sei (vgl. nur: BSG, Urteil vom 10. Oktober 2017, B 12 KR 16/16 R) und es daher auch konsequent sei, den ab 1. Januar 2020 neu geschaffenen Betriebsrentenfreibetrag nicht auf freiwillig Versicherte anzuwenden, da § 240 Abs. 1 Satz 2 SGBV vorsehe, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen solle und außerdem der Freibetrag an der Freigrenze des § 226 Abs. 2 Satz 1 SGB V anknüpfe, die für freiwillig Versicherte ebenfalls nicht gelte. Allerdings sei dem zu entgegnen, dass das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 15. März 2000 (BVerfG, 15.3.2000, 1 BvL 16/96, NJW 2000, 2730, 2734) bei dem damals geltenden unterschiedlich hohen Beitragssatz die Frage aufgeworfen habe, ob eine unterschiedliche beitragsrechtliche Belastung der Versorgungsbezüge bei freiwillig Versicherten und pflichtversicherten Rentnern durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt sei, zumal Versorgungsbezüge für beide Vergleichsgruppen Entgeltersatzcharakter hätten und sie in gleicher Weise unter Einsatz der Arbeitskraft erworben worden seien (BVerfG a.a.O:). Diese Problematik habe der Gesetzgeber damals gelöst, indem er auch für pflichtversicherte Rentner die Beitragsbelastung vom halben auf den vollen Beitragssatz angehoben und somit an die Höhe der Beitragspflicht der freiwillig versicherten Rentner angeglichen habe. Diese Gleichbehandlung werde nun durch das GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetz und § 226 Abs. 2 SGB V in verfassungswidriger Weise wieder aufgebrochen und freiwillig Versicherten würden vor dem Hintergrund der Freibetragsregelung zu Unrecht schlechter gestellt.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 20. Oktober 2021 sowie den Bescheid vom 10. Februar 2020 in der Fassung der Bescheide vom 13. Februar 2020, vom 26. Februar 2020, vom 27. April 2020, vom 25. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2020, in der Fassung der Bescheide vom 12. Januar 2021, vom 21. Juni 2021, 28. Juni 2021 und 21. Juni 2022 insoweit aufzuheben, als die Beklagte darin Beiträge zur Krankenversicherung aus Kapitalleistungen aus den Versicherungen der C. Lebensversicherung AG sowie der M. Lebensversicherungs-AG seit dem 1. Januar 2020 ohne Berücksichtigung des Freibetrages des § 226 Abs. 2 Satz 2 SGB V erhebt.
Die Beklagte beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf ihre Bescheide sowie die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung; ergänzend legt sie eine Kopie eines weiteren Beitragsbescheids vom 21. Juni 2022 vor; das zugrunde gelegte Einkommen ist unverändert geblieben.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Beratung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht Gießen hat die Klage zu Recht mit Urteil vom 20. Oktober 2021 abgewiesen. Die angefochtenen Beitragsbescheide - einschließlich des Beitragsbescheids vom 21. Juni 2022, der gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist - sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung seit 1. Januar 2020 zu Recht ohne Berücksichtigung des Freibetrages gemäß § 226 Abs. 2 SGB V festgesetzt. Die Nichtberücksichtigung freiwillig versicherter Betriebsrentner im Rahmen der Freibetragsregelung des § 226 Abs. 2 SGB V verstößt insbesondere nicht gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG; die Besserstellung pflichtversicherter Betriebsrentner ist gerechtfertigt.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils. Sie sind überzeugend und würdigen die fallentscheidenden Aspekte unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen höchstrichterlichen und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung vollständig.
Ergänzend ist anzumerken:
Im Gesetzgebungsverfahren war die Problematik der Nichtberücksichtigung freiwillig versicherter Betriebsrentner bekannt und wurde diskutiert (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht BT-Drs. 19/15877, Fraktionsmeinung Bündnis 90/Die Grünen; Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. Stellungnahme, Ausschuss-Drs. 19(14)120(4), S. 5; GKV-Spitzenverband, Stellungnahme, Ausschuss-Drs. 19(14)120(6.1.), S. 3). Im Ausschussbericht heißt es bei der Fraktionsmeinung der SPD sogar: „Hinsichtlich der freiwillig Versichertenhabe man die bestehende Problematik thematisiert und sich gewünscht, auch dafür noch eine Lösung finden zu könne. Leider habe sich an dieser Stelle gezeigt wie inkonsistent das beitragsrecht ausgestaltet sei. Daher sei es erforderlich, das beitragsrecht als Ganzes noch einmal auf den Prüfstand zu stellen, um auf diese Weise für mehr Gerechtigkeit und Klarheit sorgen zu können“ (Beschlussempfehlung und Bericht BT-Drs. 19/15877, S. 12).
Dennoch hat sich der Gesetzgeber für eine Freibetragsregelung in § 226 Abs. 2 SGB V ausschließlich für pflichtversicherte Betriebsrentner entscheiden. Diese beitragsrechtliche Ungleichbehandlung von Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten ist vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus Sicht des Senats verfassungsgemäß. Das Gesetz darf typisierend von einer geringeren Schutzbedürftigkeit der freiwillig versicherten Mitglieder ausgehen (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 2016, B 12 KR 6/15 R m.w.N.). Hinzu kommt: Die Versicherten- und Einnahmenstruktur ist zwischen den versicherungspflichtigen und den freiwillig versicherten Rentnern (auch weiterhin) verschieden. Die Zahl der freiwillig versicherten Rentner ist zudem wesentlich niedriger als die der versicherungspflichtigen Rentner. Außerdem kommt bei den freiwillig Versicherten dem Arbeitseinkommen und anderen bei ihnen beitragspflichtigen Einnahmen (aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung) größere Bedeutung zu als bei Versicherungspflichtigen (vgl. Peters, Zur Betriebsrentenfreibetragsregelung in § 226 Abs. 2 Satz 2 SGB V, NZS 2021, 207).
Auch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. März 2000 (1 BvL 16/96 u.a.) lässt sich nach Auffassung des Senats eine grundgesetzwidrige Ungleichbehandlung freiwillig versicherter Betriebsrentner gegenüber pflichtversicherten Betriebsrentnern durch die Freibetragsregelung in § 226 Abs. 2 SGB V nicht ableiten. Das Bundesverfassungsgericht hat es als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG angesehen, dass Mitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherung dann von der Krankenversicherung der Rentner nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V a.F. ausgeschlossen sind, wenn sie nicht seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums seit Beginn ihrer Erwerbstätigkeit aufgrund einer Pflichtversicherung versichert waren. Zeiten der freiwilligen Mitgliedschaft waren nach der damaligen durch das Bundesverfassungsgericht beanstandeten Rechtslage nicht ausreichend; hierdurch wurden insbesondere Beschäftigte benachteiligt, die über der Beitragsbemessungsgrenze verdient und sich infolgedessen freiwillig in der Gesetzlichen Krankenversicherung versichert haben. In dem Beschluss heißt es u.a.:
„Diese Benachteiligung ist jedenfalls so lange mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, wie die Beitragsbelastung der Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung im Rentenalter auf Grund der unterschiedlichen gesetzlichen Berechnungsgrundlagen die oben dargestellten erheblichen Differenzen (vgl. unter A II) [Beitragsbemessung in der Pflichtversicherung einerseits und der freiwilligen Krankenversicherung andererseits, Anm. durch Senat] aufweist (BVerfG, Beschluss vom 15. März 2000 – 1 BvL 16/96 –, BVerfGE 102, 68-99, Rn. 83).“
Infolge der Freibetragsregelung gemäß § 226 Abs. 2 SGB V kommt es indes nicht zu solchen „erheblichen Differenzen“ in der Beitragsbelastung freiwillig Versicherter wie es der damals gesetzlich vorgesehene „dauerhafte Ausschluss“ freiwillig Versicherter von der günstigeren Pflichtversicherung für Rentner bedeutete. Das Gesetz darf auch insoweit noch typisierend von einer geringeren Schutzbedürftigkeit der freiwillig versicherten Mitglieder ausgehen (BSG, Urteil vom 30. November 2016 – B 12 KR 6/15 R m.w.N.).
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegen: Eine höchstrichterliche Entscheidung zur Nichtanwendung des § 226 Abs. 2 SGB V auf die Festsetzung der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung liegt bisher nicht vor.