1. Die materielle Präklusionswirkung gem. § 7 Abs 2 PrüfvV 2014 setzt grundsätzlich voraus, dass der MDK im Rahmen eines ordnungsgemäßen Prüfverfahrens konkret bezeichnete Unterlagen anfordert, die das Krankenhaus nicht innerhalb der vorgesehehenen Frist an den MDK vorlegt. Eine pauschale Anforderung "sämtlicher prüfungsrelevanter Unterlagen" kann die Rechtsfolge des § 7 Abs 2 PrüfvV für sich genommen nicht auslösen.
2. Dies besagt jedoch nicht, dass die Präklusionswirkung bei pauschaler Unterlagenanforderung von vornherein ausgeschlossen ist. Vielmehr können zu der pauschalen Unterlagenanforderung besondere Umstände des einzelfalls hinzutreten, die unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung in § 7 Abs 2 PrüfvV gleichwohl die Präklusionswirkung auszulösen vermögen.
3. Derartige besondere Umstände des Einzelfalls liegen u. a. vor, wenn die den Vergütungsanspruch des Krankenhauses begründende Unterlage erst nach Unterlagenanforderung und Gutachtenserstellung seitens des MDK durch das Krankenhaus erstellt wird.
Krankenversicherung - Krankenhausvergütung
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- Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 25. Mai 2020 wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
- Der Streitwert wird auf 1.766,20 € festgesetzt.
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Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin betreibt eine nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassene Hochschulklinik. Für den 2001 geborenen und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Z.... wurde am 9. Mai 2016 wegen einer fraglichen chronischen Infektion der proximalen Tibiae beidseits Krankenhausbehandlung zur Durchführung einer percutanen Biopsie verordnet. Die stationäre Behandlung erfolgte vom 13. bis 15. Mai 2016. Im Entlassbericht vom 14. Mai 2016 gab die Klägerin als Hauptdiagnose Verdacht auf Brodieabszess proximale Tibiae (D48.0), DD: chronische rekurrierende multifokale Osteomyelitis ebendort (M86.36) an. Im Operationsbericht vom 24. Mai 2016 wurde der Operations- und Prozedurenschlüssel (OPS 2016) 1-480.7 (Biopsie ohne Inzision an Knochen und Gelenken - Perkutane [Nadel-]Biopsie an Knochen: Tibia und Fibula) angegeben und die Operation wie folgt beschrieben: "Nach Lokalisation im BV erfolgte die Stichinzision sowohl medial als auch lateral im Bereich der proximalen Tibiametaphyse rechtes Kniegelenk. Eingehen mit der Jamshidi-Nadel in Richtung der radiologisch identifizierbaren zystischen, sklerotischen Läsionen. Gewinnung von mikrobiologischen und histologischen Proben. Nachfolgend Hautnaht und Wundverschluss."
Mit Schlussrechnung vom 1. Juni 2016 kodierte die Klägerin die Hauptdiagnose M86.36 und den OPS 1-503.7 (Biopsie durch Inzision - Biopsie an Knochen durch Inzision: Tibia und Fibula) und stellte der Beklagten auf Grund der angesteuerten Diagnosis Related Group (DRG 2016) I12B (Knochen- und Gelenkinfektion / -entzündung mit verschiedenen Eingriffen am Muskel-Skelett-System und Bindegewebe mit schweren CC, mit Revision des Kniegelenkes oder Osteomyelitis, Alter < 16 Jahre) insgesamt einen Betrag von 4.755,49 € in Rechnung.
Die Beklagte beglich zunächst die Forderung und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Sachen mit einer Voll- und Fehlbelegungsprüfung. Dies teilte sie der Klägerin mit Schreiben vom 15. Juni 2016 mit und gab zusätzlich an, sowohl die Hauptdiagnose M86.36 als auch der OPS 1-503.7 seien nicht plausibel. In seiner Prüfanzeige vom 16. Juni 2016 benannte der MDK als Prüfanlässe die Überschreitung der unteren Grenzverweildauer, die Hauptdiagnose sowie die Prozedur 1-503.7 und bat um Übersendung "der Epikrise sowie alle(r) weiteren für die Beurteilung der zur Prüfung angezeigten Aspekte erforderlichen Unterlagen". Die Sachverständige im MDK Dr. Korn gelangte in ihrem Gutachten vom 11. Oktober 2016 zu der Einschätzung, dass zwar die Hauptdiagnose plausibel sei, nicht jedoch der OPS 1-503.7. Stattdessen sei der OPS 1-481.7 (Biopsie ohne Inzision an Knochen mit Steuerung durch bildgebende Verfahren: Tibia und Fibula) zu kodieren. Ferner hätte die stationäre Behandlung um einen Tag verkürzt werden können. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2016 teilte die Beklagte der Klägerin das Prüfergebnis des MDK mit und forderte die Überweisung des sich aus der nunmehr angesteuerten DRG I64A (Osteomyelitis; Alter < 16 Jahre) ergebenden Differenzbetrags in Höhe von 2.822,44 €.
Mit Schreiben vom 25. November 2016 widersprach die Klägerin der Änderung des OPS und legte den mit einem Nachtrag vom 3. November 2016 versehenen Operationsbericht vom 24. Mai 2016 vor. Der Nachtrag lautet: "Nach Stichinzision Spreizen des Subkutangewebes und der Musculus tibialis anterior Loge zur Freilegung des Knochens (Rö-Dokumentation). Dann eingehen mit der Jamshidi-Nadel.". Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 13. Dezember 2016 darauf hin, dass ihrer Ansicht nach weder das Gesetz noch die maßgebliche Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV 2014) einen Widerspruch gegen das MDK-Gutachten vorsähen, mahnte mit weiterem Schreiben vom 1. Februar 2017 die Rückerstattung an und erklärte am 15. Mai 2017 die Aufrechnung in Höhe von 2.774,45 € mit einem anderen (unstrittigen) Behandlungsfall.
Die Klägerin hat am 10. Oktober 2019 Klage zum Sozialgericht Dresden (SG) erhoben und die Zahlung von 1.766,20 € begehrt. Die Kürzung wegen des Überschreitens der unteren Grenzverweildauer werde akzeptiert; die Hauptdiagnose sei unstreitig. Streitig sei allein die Änderung des OPS. Dieser sei in der ursprünglichen Fassung des Operationsberichts durch einen internen Fehler mit 1-480.7 angegeben worden. Dies habe man nunmehr durch den Nachtrag vom 3. November 2016 korrigiert. Die Verwertung dieses Nachtrags sei auch nicht ausgeschlossen, da § 7 Abs. 2 PrüfvV 2014 keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist beinhalte.
Mit Gerichtsbescheid vom 25. Mai 2020 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt:
"Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12), jedoch nicht begründet. Der Klägerin stand zwar wegen der stationären Behandlung anderer Versicherter ein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.766,20Euro zu. Dieser ist infolge der Aufrechnungserklärung der Beklagten erloschen. Die Voraussetzungen des § 387 BGB sind erfüllt. Schulden danach zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch wegen überzahlter Vergütung für die Behandlung des Versicherten, mit dem die Beklagte aufrechnete, besteht. Die Klägerin hatte wegen der stationären Behandlung des Versicherten vom 13. bis 15. Mai 2016 keinen Anspruch auf die der Beklagten in Rechnung gestellte Vergütung nach DRG I12B nebst weiteren Vergütungsbestandteilen in Höhe von 4.755,49 Euro, sondern nur einen um 1.766,20 Euro geringeren Anspruch.
...
Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; alle mwN). Diese Voraussetzungen waren dem Grunde nach erfüllt; sie sind zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht streitig. Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei DRGKrankenhäusern wie jenem der Klägerin nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V (idF durch Art 1 Nr 3 Fallpauschalengesetz - FPG - vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 7 Krankenhausfinanzierungsreformgesetz - KHRG - vom 17.3.2009, BGBl I 534) und § 17b KHG (idF durch Art 1 Nr 4 KHRG; vgl entsprechend BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 15 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 12; BSGE 123, 50 = SozR 4-2500 § 109 Nr 61, RdNr 10). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen <FPVn>) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der KKn und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 9 Buchst a KHRG) mit der DKG als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 11 KHRG) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPVn auf der Grundlage des § 9 Abs 1 S 1 Nr 3 KHEntgG (idF durch Art 19 Nr 3 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG – vom 26.3.2007, BGBl I 378). Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert (vgl § 1 Abs. 6 Satz 1 FPV 2016; zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus -, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 S 1 KHG und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 13). Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu Letzteren gehören die FPVn selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (<ICD-10-GM> hier in der Version 2016) und die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen OPS (hier in der Version 2016). Schließlich gehören zu den einbezogenen Regelungskomplexen die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2016 (Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien Version 2016 für das G-DRG-System gemäß § 17b KHG). Hierdurch erlangen die dem Groupierungsalgorithmus vorgelagerten DKR-Regelungen über die Eingabe der in ICD-10-GM und OPS enthaltenen kodierfähigen Angaben in die Groupierungsmaske jedes Jahr zwischen den Vertragspartnern erneut Geltung (vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 17; zu deren normativer Wirkung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 18, 24; vgl zum Ganzen BSG Urteil vom 19. Juni 2018 - B 1 KR 39/17 R - Juris RdNr 12 f). Die Anwendung der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 51 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-5562 § 2 Nr 1 RdNr 15; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 8 RdNr 14).
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den streitigen Betrag für OPS 1-503.7. Einer Geltendmachung steht § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV vom 4. August 2014, in Kraft bis 31. Dezember 2016 (nachfolgend: PrüfvV 2014), entgegen. Die seit 1. Januar 2017 in Kraft getretene Prüfverfahrensvereinbarung vom 3. Februar 2016 ist vorliegend nicht anzuwenden. Sie gilt für die Überprüfung bei Patienten, die ab diesem Zeitpunkt in ein Krankenhaus aufgenommen werden (§ 13 Abs. 1 PrüfvV 2016). Der hiesige Versicherte wurde jedoch 2016 und damit vor dem Inkrafttreten der PrüffV 2016 im Krankenhaus der Klägerin behandelt. Nach § 7 Abs. 2 PrüffV 2014 richtet sich die Prüfung vor Ort nach den Vorgaben des § 276 Absatz 4 SGB V. Bei einer Prüfung im schriftlichen Verfahren kann der MDK die Übersendung einer Kopie der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Das Krankenhaus hat die Unterlagen innerhalb von 4 Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MDK zu übermitteln. Erfolgt dies nicht, hat das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag. Die Klägerin hat den mit Nachtrag vom 3. November 2016 ergänzten OP-Bericht weder dem MDK noch bis zum Zeitpunkt dessen Gutachtens vorgelegt. Vielmehr hat sie ihn am 25. November 2016 an die Krankenkasse und damit nach Erstellung des MDK-Gutachtens vom 11. Oktober 2016 gesandt und somit verspätet eingereicht. Das Schreiben des MDK vom 6. Juni 2016 zur Vorlage von Unterlagen löst dabei die Frist des § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2014 aus. Es handelt sich um die Prüfung einer sachlich-rechnerischen Richtigkeit, auf die seit der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2016 (vgl. § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V) auch die PrüfvV anzuwenden sind. Der MDK hat unter konkreter Darstellung, welche Punkte Prüfanlässe darstellen, um Vorlage der Epikrise sowie aller weiteren für die Beurteilung der zur Prüfung angezeigten Aspekte erforderlichen Unterlagen aufgefordert. Dies reicht nach Ansicht des Gerichts zur Auslösung der Frist aus. Es obliegt der Klägerin als derjenigen, die einen Anspruch auf Vergütung unter Einbeziehung des OPS 1-503.7 geltend macht, diejenigen Unterlagen, die sich in ihrem Machtbereich befinden, vorzulegen, damit der aus ihrer Sicht bestehende Anspruch dargetan und begründet wird. Es ist nicht Aufgabe der Beklagten oder des MDK, Unterlagen anzufordern, die einen Anspruch begründen. Dies obliegt allein der Klägerin. Bei der Regelung des § 7 Abs. 2 Sätze 3 und 4 PrüfvV 2014 handelt es sich um eine materiell rechtliche Ausschlussfrist, wie das BSG in seinem Urteil vom 19. November 2019 – B 1 KR 33/18 R – juris RdNr. 16 festgestellt hat. ... Dem schließt sich das Gericht nach eigener Prüfung an. Die Ermächtigungsgrundlage für die Einführung einer materiellen Ausschlussfrist ist in § 17c KHG gegeben. Die Ausschlussfrist, welche die Vergütungsforderung auf die unstreitigen Teile begrenzt, ist unter Berücksichtigung des dauerhaften Vertragsrahmens und Gleichordnungsverhältnisses zwischen Krankenkasse und Krankenhaus mit einer damit einhergehenden ständig professionellen Zusammenarbeit und Kenntnis der gegenseitigen Interessenstrukturen verhältnismäßig. Demzufolge ist die Klägerin mit der Vergütungsforderung für diesen Teil ausgeschlossen.
Ein Vergütungsanspruch ergibt sich auch nicht aus der Möglichkeit der Korrektur nach § 7 Abs. 5 PrüfvV 2014. Dies setzt voraus, dass eine MDK-Prüfung noch nicht abgeschlossen ist. Vorliegend hat die Klägerin jedoch den geänderten OP-Bericht nach Erstellung des MDK-Gutachtens und dessen Bekanntgabe an die beklagte Krankenkasse und damit verspätet nach Abschluss des Prüfverfahrens eingereicht. Die Möglichkeit eines seitens der Krankenkasse freiwilligen Nachverfahrens (vgl. § 9 PrüfvV 2016) bestand nach der PrüfvV 2014 nicht."
Mit ihrer am 29. Juni 2020 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehr weiter. Bereits im Operationsbericht vom 24. Mai 2016 in seiner ursprünglichen Fassung seien die Stichinzision und das anschließende Eingehen mit der Jamshidi-Nadel beschrieben. Bereits damit sei eine Biopsie durch Inzision belegt, so dass es auf die Verwertbarkeit des Nachtrags vom 3. November 2016 nicht entscheidend ankomme. Rein vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass die Präklusionswirkung des § 7 Abs. 2 PrüfvV voraussetze, dass der MDK die zur Prüfung benötigten Unterlagen konkret benennt. Dies sei vorliegend nicht erfolgt. Der vom MDK vorgeschlagene OPS 1-481.7 sei für Biopsien ohne Inzision vorgesehen und daher von vornherein ausgeschlossen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 25. Mai 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie für die Behandlung vom 13. bis 15. Mai 2016 weitere 1.766,20 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Ergänzend hat sie ein weiteres Gutachten des Sachverständigen im MDK Y...., Facharzt für Chirurgie und Gefäßchirurgie, vom 11. November 2022 vorgelegt. Darin hat der Sachverständige ausgeführt, im Operationsbericht vom 24. Mai 2016 in seiner ursprünglichen Fassung sei lediglich eine kleine Stichinzision und nicht eine Inzision zur Freilegung des Operationsgebiets dokumentiert. Damit werde die Operation in typischer Art und Weise beschrieben. Bei der zum Einsatz gekommenen Jamshidi-Nadel handele es sich um eine Stanznadel, die durch das Weichteilgewebe bis zum Knochen geführt werde (vorliegend unter Bildwandlerkontrolle), um dann Stanzbiopsien zu gewinnen. Da diese Nadel relativ dick sei, werde sie nie durch die Haut gestochen, sondern zur Vermeidung traumatischer Hautverletzungen zuvor eine kleine Stichinzision vorgenommen. Der Nachtrag vom 3. November 2016 dokumentiere hingegen - für den Fall, dass die Operation tatsächlich so durchgeführt worden sei - ein gänzlich anderes Vorgehen, nämlich eine Inzision zur Freilegung des Operationsgebiets (und damit den von der Klägerin kodierten OPS 1-503.7). Bei Stanzbiopsien mittels Jamshidi-Nadel sei es jedoch absolut unüblich, den Knochen freizulegen. Wenn das Zielgebiet offen präpariert werde, könne man in der Regel eine bessere Biopsie durch Probeentnahme mittels Skalpell, Schere oder scharfem Löffel erzielen. Prinzipiell mache das im Nachtrag beschriebene Vorgehen keinen Sinn.
Mit Beschluss vom 15. Dezember 2022 hat der Senat die Berufung gem. § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Berichterstatter übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das SG festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die geltend gemachte Vergütung i. H. v. 1.766,20 € hat. Das SG hat die rechtlichen Grundlagen der Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung zutreffend dargestellt und - im Ergebnis - ebenso zutreffend entschieden, dass die Regelung in § 7 Abs. 2 PrüfvV 2014 dem geltend gemachten weiteren Vergütungsanspruch entgegensteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird - vorbehaltlich der nachfolgenden ergänzenden Ausführungen - auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist Folgendes anzufügen:
Der streitgegenständliche OPS 1-503.7 (Biopsie durch Inzision - Biopsie an Knochen durch Inzision: Tibia und Fibula) wird durch die Angaben im Operationsbericht vom 24. Mai 2016 nicht belegt. Beschrieben wird dort eine Stichinzision zur Durchführung einer Stanzbiopsie. Wie sich bereits aus dem OPS 1-48 (Biopsie ohne Inzision an Knochen und Gelenken) und den zugehörigen OPS 1-480 (Perkutane [Nadel-]Biopsie an Knochen) bzw. 1-481 (Biopsie ohne Inzision an Knochen mit Steuerung durch bildgebende Verfahren) ergibt, ist die perkutane (d. h. "durch-die-Haut") Durchführung einer Biopsie (Gewebeentnahme) für sich genommen nicht gleichzusetzen mit einem Eingriff mittels Inzision. Dies gilt auch und insbesondere für eine Nadel-Biopsie an Knochen. Eine Stichinzision zum Hineinschieben/Durchführen einer Nadel oder eines dünnen Rohrs erfüllt mithin die Definition der OPS 1-480 bzw. 1-481, beschreibt also eine Biopsie ohne Inzision. Mit Inzision i. S. d. OPS 1-50 bis 1-58 (und damit auch i. S. d. OPS 1-503.7) wird folglich ein chirurgischer Einschnitt zur "Freilegung" und "übersichtlichen Darstellung" des Operationsgebiets bezeichnet. Die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen im MDK Y.... sind daher zutreffend. Ein solcher chirurgischer Einschnitt geht aus dem Operationsbericht vom 24. Mai 2016 in seiner ursprünglichen Fassung gerade nicht hervor.
Demzufolge kommt es entscheidend darauf an, ob der Nachtrag vom 3. November 2016, der den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen im MDK Y.... im Gutachten vom 11. November 2022 zufolge den streitigen OPS belegen würde, zur Prüfung herangezogen werden kann oder auf Grund der Regelungen in § 7 Abs. 2 PrüfvV 2014 einem Beweisverwertungsverbot unterliegt. Letzteres ist hier der Fall.
§ 7 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 PrüfvV 2014 lauten:
"Bei einer Prüfung im schriftlichen Verfahren kann der MDK die Übersendung einer Kopie der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Das Krankenhaus hat die Unterlagen innerhalb von 4 Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MDK zu übermitteln. Erfolgt dies nicht, hat das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag."
Die Anwendung der Bestimmungen der PrüfvV 2014 unterliegt den allgemeinen für Gesetze geltenden Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft; eine Beschränkung auf eine eng am Wortlaut orientierte, nur durch systematische Erwägungen unterstütze Auslegung findet nicht statt (BSG, Urteil vom 18. Mai 2021 - B 1 KR 32/20 R - juris Rn. 20). Die Regelungen in § 7 Abs. 2 PrüfvV 2014 schaffen einen Ausgleich zwischen dem Anspruch des Krankenhauses auf vollständige Vergütung der erbrachten erforderlichen Krankenhausbehandlungen und einem zügigen Abschluss des Prüfverfahrens im Sinne der Beschleunigung und damit zugleich der Rechtssicherheit. Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang auch der in § 1 Satz 2 PrüfvV 2014 besonders hervorgehobenen Verpflichtung der Krankenhäuser, des MDK und der Krankenkassen zur vertrauensvollen, konstruktiven und konsensorientierten Zusammenarbeit zu (BSG, Urteil vom Urteil vom 10. November 2021 – B 1 KR 43/20 R – juris Rn. 30, 33; Urteil vom 10. November 2021 – B 1 KR 16/21 R – juris Rn. 25). Es handelt sich demnach um ein Geflecht aus gegen- und wechselseitigen Rechten und Pflichten bzw. Obliegenheiten. Hierbei ist es grundsätzlich Aufgabe des MDK, die aus seiner Sicht prüfrelevanten Begründungselemente durch die Auswahl und Benennung der Unterlagen selbst so einzugrenzen, dass die Anspruchsprüfung konzentriert erfolgen kann. Das betroffene Krankenhaus muss ausreichend Gelegenheit erhalten, sich zur Sache zu äußern und darf erst dann präkludiert werden, wenn es diese Möglichkeit aus von ihm zu vertretenen Gründen versäumt hat, weil es seinen Obliegenheiten nicht nachgekommen ist; eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist enthält die Regelung in § 7 Abs. 2 PrüfvV hingegen nicht (BSG, Urteil vom Urteil vom 10. November 2021 – B 1 KR 43/20 R – juris Rn. 8, 26).
Die materielle Präklusionswirkung gem. § 7 Abs. 2 PrüfvV 2014 setzt damit grundsätzlich voraus, dass der MDK im Rahmen eines ordnungsgemäßen Prüfverfahrens konkret bezeichnete Unterlagen anfordert, die das Krankenhaus aber nicht innerhalb der Frist von vier Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung (§ 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV 2014) an den MDK vorlegt. Eine pauschale Anforderung „sämtlicher prüfungsrelevanter Unterlagen“ kann die Rechtsfolge des § 7 Abs. 2 PrüfvV daher für sich genommen nicht auslösen (BSG, Urteil vom 22. Juni 2022 – B 1 KR 27/21 R – juris Rn. 14). Die vorliegend in der Prüfanzeige des MDK vom 16. Juni 2016 enthaltene und an die Klägerin gerichtete Bitte um Übersendung "der Epikrise sowie alle(r) weiteren Unterlagen für die Beurteilung der zur Prüfung angezeigten Aspekte erforderlichen Unterlagen“ reichte daher - für sich genommen - nicht aus, um die materielle Präklusionswirkung auszulösen. Dies besagt jedoch nicht, dass die Präklusionswirkung damit endgültig ausgeschlossen ist. Vielmehr können zu der pauschalen Unterlagenanforderung Umstände des Einzelfalls hinzutreten, die unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung in § 7 Abs. 2 PrüfvV 2014 (s. o.) gleichwohl die Präklusionswirkung auszulösen vermögen. So liegt es hier. Die maßgebliche Unterlage - der Nachtrag zum Operationsbericht vom 3. November 2016 - ist erst nach der Unterlagenanforderung durch den MDK und auch erst nach Gutachtenserstellung angefertigt worden. Der MDK hatte von vornherein keine Möglichkeit, bei seiner Anforderung vom 16. Juni 2016 diese Unterlage konkret zu benennen. Den Umstand, dass diese Unterlage erst nach der Unterlagenanforderung und der Gutachtenserstellung angefertigt worden ist, hat die Klägerin zu vertreten.
Ob und unter welchen Umständen diese Obliegenheits- und Pflichtenzuordnung auch dann gilt, wenn andere Unterlagen (z. B. externe Befunde, Laborbefunde, histologische Befunde, schriftliche Auswertungen bildgebender Diagnostik etc.) dem Krankenhaus verspätet vorliegen, war vorliegend nicht zu entscheiden. Gleiches gilt für die Frage, ob - unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Y.... - die Geltendmachung des OPS 1-503.7 auch aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots (Stichpunkt: fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten; vgl. BSG, Urteil vom 26. April 2022 - B 1 KR 5/21 R - juris Rn. 12 f.) ausgeschlossen wäre.
Die Revision war nicht zuzulassen; Revisionsgründe (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 Satz 1, 40 Gerichtskostengesetz (GKG).