I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 17.670,56 Euro festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
Der Kläger, ein Einrichtungsträger, begehrt vom beklagten Sozialhilfeträger trotz einer bestandskräftigen Leistungsablehnung gegenüber dem Hilfeempfänger die Übernahme der Kosten in Höhe von 17.670,56 Euro, die für dessen Aufenthalt in seiner Einrichtung entstanden sind.
Der Kläger betreibt die stationäre Einrichtung M3 (AMH) in M4-Stadt zur Versorgung von Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten. Hierfür schlossen die Beteiligten die Leistungsvereinbarung vom 27.08.2014 zur Festlegung von Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen nach §§ 75 ff SGB XII. Im Rahmen der inhaltlichen Angaben wurde die Zielgruppe festgelegt. In dem Unterpunkt Aufnahmekriterien und -voraussetzungen werden folgende Punkte aufgezählt:
* Zugehörigkeit zum Personenkreis nach SGB XII § 67,
* Persönliches Vorstellungsgespräch mit Hausführung,
* Sozialpädagogische Abklärung der Notwendigkeit einer stationären Aufnahme bzw. Abklärung der Kostenträgerschaft gemäß Bayreuther Vereinbarung,
* Die Aufnahme setzt die Anwendung des gültigen Hilfeplanverfahrens für die Wohnungslosenhilfe des Bezirks Oberbayern voraus,
* Möglichst unmittelbare Aufnahme bei positiver Entscheidung,
* Klärung möglicher Ansprüche,
* Medizinische Erstuntersuchung,
* Erhebung der Erst-Anamnese und
* Erkennbare Bereitschaft zur Suchtmittelfreiheit innerhalb der Einrichtung.
Daneben besteht eine Vergütungsvereinbarung zwischen den Beteiligen.
Der Kläger zeigte dem Beklagten am 26.11.2018 die Aufnahme des am 1967 geborenen Herrn L. (künftig L) an. L ist kroatischer Staatsbürger. Am 06.12.2018 wurde ein förmlicher Antrag nachgereicht. Am 19.12.2018 fragte der Kläger beim Beklagten per E-Mail an, ob die Unterlagen vollständig seien. Am 09.01.2019 wurde ein Hilfeplan vorgelegt und Unterlagen zur Krankenversicherung. Am 16.01.2019, 12.02.2019 und 27.02.2019 fragte der Kläger per E-Mail an, wie es mit der Kostenübernahme aussehe. Am 07.03.2019 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er zur abschließenden Bearbeitung einen Nachweis zum aufenthaltsrechtlichen Status von L benötige. Mit Schreiben vom 07.03.2019 erkundigte sich der Beklagte bei der Ausländerbehörde nach dem aufenthaltsrechtlichen Status von L. Mit E-Mail vom 12.03.2019 wies der Kläger auf den Status von L als EU-Bürger hin. Am 09.04.2019 zeigte der Kläger dem Beklagten an, dass L am 03.04.2019 eine ganztägige Arbeit als Hausmeister aufgenommen hatte. Mit Schreiben vom 02.05.2019 an den Kläger legte der Beklagte dar, dass § 23 Abs. 3 SGB XII einer Leistungsbewilligung für die Zeit bis zur Arbeitsaufnahme entgegenstehe.
Mit Bescheid vom 24.05.2019 bewilligte der Beklagte für L Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten in der Einrichtung AMH für die Zeit ab 03.04.2019. Mit Schreiben vom 24.05.2019 wandte sich der Beklagte nochmals an die Ausländerbehörde.
Mit Bescheid vom 13.09.2019 lehnte der Beklagte die Gewährung von Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten für die Zeit von 26.11.2018 bis 02.04.2019 gegenüber L ab. Es bestehe ein Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 SGB XII. Dieser Bescheid wurde von L nicht angefochten. Der Kläger teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 21.10.2019 mit, dass der Kläger mit der getroffenen Entscheidung nicht einverstanden sei.
Der Kläger erhob am 17.12.2019 Klage zum Sozialgericht München auf Zahlung von 17.670,56 Euro nebst Zinsen. Der Beklagte habe diesen Betrag für die Leistungen, die der Kläger an L erbracht habe, zu zahlen.
Aufgrund der geschlossenen Leistungsvereinbarung nach §§ 75 ff SGB XII bestünden wechselseitige Verpflichtungen, der Kläger habe eine Aufnahmeverpflichtung, der Beklagte eine Verpflichtung zur unverzüglichen Entscheidungsfindung. Die Abklärung der Kostenträgerschaft und die Prüfung der Zugehörigkeit des jeweiligen Antragstellers zum Personenkreis nach § 67 SGB XII sei ausdrücklich Gegenstand der Vereinbarung und obliege naturgemäß dem Beklagten als Leistungsträger. Entweder bestehe eine unmittelbare Pflicht des Beklagten zur unverzüglichen Entscheidung oder es sei eine entsprechende vertragliche Nebenpflicht nach § 61 SGB X i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB. In Handlungsleitlinien der Wohnungslosenhilfe vom 11.07.2011 werde eine Entscheidungsfindung möglichst innerhalb von zwei Wochen befürwortet. In Ziffer 4.3.3 der Gemeinsamen Richtlinie der bayerischen Bezirke zu §§ 67 bis 69 SGB XII werde eine vorläufige örtliche Zuständigkeit festgelegt für den Fall, dass nicht innerhalb von vier Wochen feststeht, ob Nichtsesshaftigkeit vorliegt. Es bestehe deshalb ein Zahlungsanspruch des Klägers unabhängig von einem Leistungsanspruch der betroffenen Person.
Die betroffenen Personen entsprechend der Leistungsvereinbarung erst aufzunehmen, wenn die Kostenzusage vorliege, sei nicht die gelebte Praxis. Es könnte dann keine Beteiligung der Einrichtung an der Ermittlung des Sachverhalts und der Antragstellung erfolgen. Manche Hilfebedürftige würden dann die Hilfe nicht erhalten. Die Sozialhilfe habe gemäß § 18 SGB XII mit Kenntnis des Hilfebedarfs einzusetzen. Wenn ein Hilfebedarf und ein Anspruch bestehen, aber erst eine Kostenzusage abgewartet werden müsse, würde ein Leistungsanspruch bis dahin rechtswidriger Weise unerfüllt bleiben. Aus diesen Gründen erfolge zuerst die Aufnahme in die Einrichtung und dann werde die Kostenübernahme geklärt. Die Einrichtung könne aber nicht regelmäßig und vollständig das Risiko tragen, dass kein Leistungsanspruch bestehe und dann auch keine Kosten übernommen werden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn zwischen Antrag und Entscheidung mehr als vier Monate vergangen seien. Zumindest habe der Beklagte ggf. sofort mitzuteilen, dass ein Leistungsanspruch nicht gesehen werde und daher die Aufnahme auf eigenes Risiko der Einrichtung erfolge.
Der Zahlungsanspruch könne sich auch aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) ergeben oder einem Schadensersatzanspruch aus § 61 SGB X i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB.
Ein Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts an das Landgericht wurde vom Landessozialgericht aufgehoben und der Rechtsweg zu den Sozialgerichten bejaht.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 17.670,56 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist darauf, dass sich aus den abstrakt-generellen Vereinbarungen nach §§ 75 SGB XII ein Zahlungsanspruch nicht herleiten lasse. Zur Begründung eines Schuldverhältnisses bedürfe es eines Schuldbeitritts zur individuellen Zahlungspflicht einer leistungsberechtigten Person durch Bewilligungsbescheid. Die Leistung gegenüber L sei zurecht abgelehnt worden wegen § 23 Abs. 3 SGB XII. Ein Anspruch aus GoA könne nicht bestehen, weil der Kläger kein Geschäft des Beklagten besorgt habe. Der Beklagte habe durch die Leistung des Klägers auch nichts erlangt im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, weil L keinen Leistungsanspruch gehabt habe.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen eigenständigen, von einer Bewilligung gegenüber dem Hilfeempfänger L unabhängigen, Anspruch auf Übernahme der Kosten für die an L erbrachten Leistungen.
Das Landessozialgericht hat den Rechtsweg zu den Sozialgerichten bindend festgestellt. Der Kläger macht im Sinne der Klagebefugnis eigene Rechte geltend.
Die Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben. Danach kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat. Nach der Rechtsprechung des BSG entsteht im Rahmen des sog. sozialhilferechtlichen Dreieckverhältnisses (grundlegend BSG, Urteil vom 28.10.2008, B 8 SO 22/07 R) ein Zahlungsanspruch eines Einrichtungsträgers (oder eines ambulanten Dienstes) dann, wenn durch Bewilligung gegenüber dem Hilfeempfänger ein Schuldbeitritt zur zivilrechtlichen Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers gegenüber der Einrichtung bzw. dem Dienst erfolgt. Die Einrichtung erwirbt durch den Verwaltungsakt einen zivilrechtlichen Zahlungsanspruch gegenüber der Sozialhilfebehörde. Der Kläger behauptet keinen Schuldbeitritt, sondern einen Zahlungsanspruch im Rahmen eines gleichgeordneten Vertragsverhältnisses unabhängig von diesem Verwaltungsakt. Dies ist im Rahmen einer echten Leistungsklage in der Begründetheit der Klage zu prüfen.
II. Die Klage ist unbegründet, weil ein Zahlungsanspruch nicht besteht. Es fehlt an einer gesetzlichen Grundlage hierfür.
1. Die Frage, ob in dieser strittigen Zeit ein Leistungsanspruch des Herrn L bestand oder nicht, ist durch den bestandskräftigen Ablehnungsbescheid vom 13.09.2019 bindend verneint. Damit besteht kein Zahlungsanspruch aus dem sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis.
2. Ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) gemäß § 61 SGB X i.V.m. §§ 677 ff BGB kann nicht bestehen, weil diese Regelungen nach der Risikozuordnung der §§ 75 ff SGB X im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis grundsätzlich nicht anwendbar sind (BSG, Urteil vom 25.09.2014, B 8 SO 8/13 R, Rn. 20; abweichende Sonderregelungen vgl. Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 677 Rn. 7a).
3. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch analog §§ 812 ff BGB besteht nicht, weil der Beklagte durch die Leistungen des Klägers an L nichts erlangt hat und keine Aufwendungen erspart hat. Der Ablehnungsbescheid vom 13.09.2019 stellt verbindlich fest, dass für die strittige Zeit keine Leistungspflicht des Beklagten gegenüber L bestand.
4. Unmittelbar aus den Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII ergibt sich kein Zahlungsanspruch (BSG, Urteil vom 20.09.2012, B 8 SO 20/11 R, Rn. 12). In diesen Verträgen wird lediglich ein Rahmen für die generelle Leistungserbringung und Vergütung gesetzt, kein Anspruch im Einzelfall begründet (laut BSG Normverträge, BSG, Urteil vom 08.03.2017, B 8 SO 20/15 R, Rn. 20).
Die Bedeutung von § 75 Abs. 6 SGB XII, der ab 01.01.2020 dem Leistungserbringer einen Vergütungsanspruch einräumt, kann hier dahinstehen, weil der Leistungszeitraum davorlag (es spricht aber einiges dafür, dass es beim sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis bleibt und der Leistungserbringer nunmehr einen öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruch beim Sozialgericht geltend machen kann).
5. Der Kläger macht keinen unmittelbaren Zahlungsanspruch geltend, der mangels Bewilligungsbescheid und aufgrund der Vereinbarungen als solche, wie eben dargelegt, nicht bestehen kann. Er beruft sich auf die Verletzung einer vertraglichen Haupt- oder Nebenpflicht aus den Vereinbarungen.
In der tatsächlichen Praxis sei es notwendig, Hilfesuchende in die Einrichtung aufzunehmen, bevor eine Bewilligungsentscheidung vorliege. Dies sei aufgrund des spezifischen Hilfebedarfs und der notwendigen Antragsbegründung in Zusammenarbeit mit dem Hilfesuchenden unvermeidbar. Damit werde dem Einrichtungsträge das Risiko auferlegt, trotz Leistung keine Bezahlung zu erhalten, wenn sich im Laufe des Verwaltungsverfahrens herausstellt, dass ein Leistungsanspruch nicht besteht. Dieses Risiko vergrößert sich, desto länger das Verwaltungsverfahren dauert. Deshalb bestehe die Pflicht oder Nebenpflicht des Beklagten, zügig zu entscheiden. Diese Pflicht bilde sich in den Handlungsleitlinien der Wohnungslosenhilfe und in der Gemeinsamen Richtlinie zu §§ 67 - 69 SGB XII ab. Diese Pflicht habe der Beklagte hier verletzt entsprechend § 61 SGB X i.V.m. § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB. Daraus ergebe sich der Zahlungsanspruch des Klägers für die strittige Zeit von 26.11.2019 bis 02.04.2019.
Zunächst ist anzumerken, dass entsprechend der Argumentation des Klägers, dass nicht die übliche, sondern die überlange Bearbeitungszeit die Pflichtverletzung war, die übliche Bearbeitungszeit aus der Forderung herauszunehmen wäre. Sodann ist festzuhalten, dass sich die Entscheidung des Beklagten nach Einreichung des förmlichen Antrags am 06.12.2018 nur formal bis zum Ablehnungsbescheid vom 13.09.2019 verzögert hatte. Bereits mit dem Bewilligungsbescheid vom 24.05.2019 für die Zeit ab 03.04.2019 war das Risiko des Klägers auf die Zeit zwischen 26.11.2018 bis 02.04.2019 begrenzt.
Die Vereinbarungen nach §§ 75 SGB XII sind öffentlich-rechtliche Verträge und deshalb grundsätzlich §§ 53 SGB X anwendbar (BSG, Urteil vom 08.03.2017, B 8 SO 20/15 R, Rn. 20). Nach § 61 SGB X gelten die Vorschriften des BGB ergänzend und nur soweit die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs nichts Abweichendes regeln.
Es ist zweifelhaft, dass aus den Vereinbarungen nach § 75 SGB XII ein Sekundäranspruch, etwa auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB abgeleitet werden kann, wenn schon ein Primäranspruch daraus von vornherein ausgeschlossen ist. Ein Zahlungsanspruch ist aber auch aus anderen Gründen abzulehnen.
Es liegt schon keine (Neben-)Pflichtverletzung vor. Nach den Vorgaben der Leistungsvereinbarung hat die Aufnahme erst nach der positiven Bewilligungsentscheidung zu erfolgen. Dies ergibt sich eindeutig aus den Aufnahmekriterien und -voraussetzungen unter "möglichst unmittelbare Aufnahme bei positiver Entscheidung". Damit fällt das Risiko für eine Aufnahme vor einer Bewilligung insgesamt in den Bereich des Klägers. Das gilt ungeachtet einer Verzögerung der Entscheidung. Soweit die behördeninternen Richtlinien auf eine Beschleunigung der Entscheidung ausgerichtet sind, dient das nicht der Minderung des Risikos des Klägers, das dieser laut der Vereinbarung gar nicht eingehen soll, sondern dem Interesse des Hilfebedürftigen an einer baldigen Hilfeerbringung.
Wenn die Vereinbarungen nach § 75 ff SGB XII die tatsächliche Praxis nicht abbilden und dadurch ein erhebliches finanzielles Risiko für den Kläger entsteht, kann der Kläger gemäß § 77 SGB XII während oder nach Ablauf des Vereinbarungszeitraums mit dem Beklagten in Verhandlungen treten, um risikoangemessene Regelungen anzustreben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwertbeschluss beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG (bezifferte Geldleistung, gemäß § 43 Abs. 1 GKG ohne Zinsen).