L 9 AS 572/19

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 29 AS 591/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 572/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 6/23 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Auch eine vorläufige Leistungsbewilligung nach § 328 Abs. 1 SGB III kann Grundlage eines Erstattungsanspruches nach §§ 102 ff. SGB X sein (entgegen BSG, Urteil vom 30. Januar 2002, B 5 RJ 6/01, juris, Rn. 21).

2. Ein kommunales Jobcenter kann einen Erstattungsanspruch nach § 105 SGB X gegen die Optionskommune haben.

3. EU-Bürger, die nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der bis zum 28. Dezember 2016 geltenden Fassung von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, haben einen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII a. F., wenn sich ihr Aufenthaltsrecht verfestigt hat, was regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in Deutschland, der von der Ausländerbehörde geduldet wird, der Fall ist (Aufgabe der Rechtsprechung des Senats vom 29. September 2016, L 9 AS 427/16 B ER).

4. Eine Optionskommune, die Sozialhilfeträger ist, hat Kenntnis i.S.d. § 105 Abs. 3 SGB X von den Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit, sobald das kommunale Jobcenter entsprechende Kenntnis hat.

5. Entsteht ein Erstattungsanspruch des kommunalen Jobcenters gegen die Optionskommune, gilt der Anspruch des Leistungsempfängers gegen die Optionskommune nach § 107 SGB X als erfüllt, womit er ein Recht zum Behaltendürfen der Leistungen erlangt, das einer Rückforderung der Leistungen ihm gegenüber entgegensteht. Die Leistungen, die er als SGB II-Leistungen vorläufig erhalten hat, gelten dadurch als SGB XII-Leistungen.


Auf die Berufung wird das Urteil das Sozialgerichts Gießen vom 9. Juli 2019 abgeändert und die Rückforderung im Bescheid vom 11. Juli 2016 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12. Juli 2016 aufgehoben; im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.


Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die endgültige Festsetzung und Rückforderung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für März bis September 2015.

Die 1952 geborene Klägerin (früher: Klägerin zu 2.) ist spanische Staatsangehörige, ebenso wie ihr 1952 geborener und während des Berufungsverfahrens verstorbener Ehemann und Rechtsvorgänger, der frühere Kläger zu 1. (im Folgenden: Ehemann). Beide hielten sich seit Januar 2013 im Bundesgebiet auf und lebten in einem gemeinsamen Haushalt. Der Beklagte ist ein kommunales Jobcenter, das vom Beigeladenen als Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet wurde.

Der Ehemann der Klägerin war vom 30. April 2013 bis 11. Oktober 2013 und vom 26. Februar bis 26. August 2014 (als Reinigungskraft) erwerbstätig. 

Mit Bescheid vom 8. April 2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehemann vorläufig gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II i. V. m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 1. März 2015 bis 31. August 2015 in Höhe von monatlich 530,59 Euro für die Klägerin und von 530,60 Euro für deren Ehemann. Die Bewilligung ergehe bis zur Entscheidung des EuGH in dem Verfahren C 67/14 vorläufig. 

Vom 26. April 2015 bis Ende August 2015 war der Ehemann der Klägerin als Zeitungszusteller mit einer monatlichen Arbeitszeit von acht Stunden tätig. Sein Lohn betrug 37,42 Euro für April 2015, 89,40 Euro für Mai 2015, 83,98 Euro für Juni 2015, 88,30 Euro für Juli 2015 und 108,38 Euro für August 2015. 

Mit Bescheid vom 29. Juli 2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann erneut vorläufig Leistungen für September 2015 bis Februar 2016, für September in der Höhe des Bescheides vom 8. April 2015. 

Ab September 2015 war der Ehemann der Klägerin als Reinigungskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 2,5 Stunden und einem Lohn von 25,00 Euro wöchentlich beim Autohaus C. beschäftigt. Zusätzlich arbeitete er ab Oktober 2015 wieder als Zeitungszusteller zu einem monatlichen Lohn von 100,00 Euro. 

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2015 setzte der Beklagte die Leistungen für März bis November 2015 endgültig nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 328 SGB III fest, indem er feststellte, dass kein Anspruch auf Leistungen bestanden habe. Die zu erstattende Überzahlung betrage für die Klägerin 4.854,43 Euro und für ihren Ehemann 6.383,10 Euro. Hiergegen legten die Klägerin und ihr Ehemann unter dem 10. Dezember 2015 Widerspruch ein. 

Am 14. Januar 2016 beantragten sie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) bei dem Beigeladenen. Dieser lehnte den Antrag mit Bescheid vom 7. März 2016 ab und begründete dies damit, dass die Klägerin und ihr Ehemann leistungsberechtigt nach dem SGB II seien und deswegen nach § 21 Satz 1 SGB XII keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII hätten. Widerspruch hiergegen wurde nicht erhoben. 

Mit Änderungsbescheid vom 11. Juli 2016 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann endgültig Leistungen für die Zeit von Oktober 2015 bis Februar 2016. Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 11. Juli 2016 setzte der Beklagte den Erstattungsbetrag für März bis September 2015 fest und forderte von der Klägerin 3.777,83 Euro und von ihrem Ehemann 4.958,04 Euro.
 
Mit Widerspruchsbescheiden vom 12. Juli 2016 wies der Beklagte die Widersprüche zurück. Zur Begründung legte er dar, dass der Ehemann der Klägerin nur ein Aufenthaltsrecht wegen Arbeitsuche und nicht aus einer Eigenschaft als Arbeitnehmer oder aus anderen Gründen habe. Für den Zeitraum ab März „2016“ (richtig: 2015) bestehe kein Aufenthaltsrecht mehr aus einer früheren Tätigkeit nach § 2 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU, da die unfreiwillige Arbeitslosigkeit nach einem Zeitraum von weniger als einem Jahr Beschäftigung eingetreten sei und der Sechs-Monats-Zeitraum nach Beginn der Arbeitslosigkeit zum 26. März 2015 geendet habe. In der Zeit von März bis Oktober 2015 habe der Ehemann der Klägerin auch kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU gehabt. Diese Anforderungen lägen frühestens ab Oktober 2015 vor, denn erst ab diesem Monat sei er nach den vorgelegten Unterlagen bei zwei Arbeitgebern gleichzeitig mit einer Arbeitszeit von insgesamt wöchentlich 4,5 Stunden beschäftigt gewesen. In den davorliegenden Monaten, also von März bis September 2015, genüge der Umfang der Tätigkeit diesen Anforderungen nicht. In dieser Zeit sei er monatlich lediglich acht Stunden, also wöchentlich ca. zwei Stunden, bei der Mittelhessen Medienzustellgesellschaft C. (MMZ) beschäftigt gewesen, wo er monatlich lediglich zwischen knapp 40,00 Euro und 90,00 Euro und im August knapp 110,00 Euro verdient habe, wobei er im September 2015 offensichtlich nicht gearbeitet habe. Die Tätigkeit im Autohaus M. habe er dagegen erst im September 2015 begonnen. Dort habe er wöchentlich 2,5 Stunden gearbeitet und im September 2015 100,00 Euro erzielt. Der Gesamtumfang der vom Ehemann der Klägerin von März bis September 2015 ausgeübten Tätigkeiten habe wöchentlich lediglich zwischen 2 und 2,5 Stunden betragen, wobei das monatlich erzielte Einkommen durchschnittlich 82,30 Euro, also wöchentlich weniger als 20,00 Euro, betragen habe. 

Am 3. August 2016 haben sowohl die Klägerin (S 29 AS 592/16) als auch ihr Ehemann (S 29 AS 591/16) Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben. 

Mit Beschluss vom 13. Januar 2017 hat das Sozialgericht den Lahn-Dill-Kreis beigeladen, weil er als leistungspflichtig in Betracht komme (§ 75 Abs. 2, 2. Alt. Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Mit Beschluss vom 9. Juli 2019 hat das Sozialgericht das Verfahren S 29 AS 591/16 mit dem Verfahren S 29 AS 592/16 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des Verfahrens S 29 AS 591/16 verbunden. 

Zur Begründung haben die Klägerin und ihr Ehemann vorgetragen, dass gemäß der Rechtsauffassung des BSG nach sechsmonatigem Aufenthalt dieser als verfestigt gelte, so dass das Ermessen, das das SGB XII einräume, auf Null schrumpfe und Hilfe zum Lebensunterhalt erbracht werden müsse, zumindest so lange, wie die Ausländerbehörde das Freizügigkeitsrecht nicht entziehe und bestandskräftig zur Ausreise auffordere. Es bestehe damit ein Anspruch nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII gegen den Beigeladenen. Dem stehe nicht entgegen, dass dieser im streitigen Zeitraum keine Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit gehabt habe. Denn er müsse sich die Kenntnis des Beklagten zurechnen lassen. Mit dem SGB II-Antrag bestehe auf Seite des Sozialhilfeträgers immer schon die Kenntnis der Notlage, weil das Jobcenter immer vom Sozialhilfeträger als gemeinschaftliche Einrichtung mitgetragen werde, womit die Kenntnis rechtlich ausgelöst werde. Der Ehemann der Klägerin verfüge über kein Grundvermögen in Spanien, weder ein Haus noch eine Wohnung. Er sei im Sommer 2015 zu Besuch in Spanien gewesen, um Ausweisdokumente zu erneuern. Im Zusammenhang mit dieser Reise habe er erklärt, man fahre nach Spanien, um den „Pass zu renovieren“.

Der Beigeladene hat vorgetragen, für den Zeitraum März bis September 2015 bestehe kein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII. Der Antrag vom 14. Januar 2016 sei mit Bescheid vom 7. März 2016 abgelehnt worden. Der Beigeladene habe den Hinweis erhalten, dass der Ehemann der Klägerin über Grundvermögen in Spanien verfüge. Die Zeugin H. habe erklärt, dass die Familie gelegentlich nach Spanien fliege, um Renovierungsarbeiten an ihrem Haus oder ihrer Wohnung vorzunehmen. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten sich bisher zu diesem Vortrag nicht erklärt. Außerdem liege der Ausschlussgrund des § 21 Satz 1 SGB XII vor. Denn die Klägerin und ihr Ehemann seien unstreitig erwerbsfähige Leistungsberechtigte und daher dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II. Soweit das BSG in seinem Urteil vom 3. Dezember 2015 (B 4 AS 44/14 R) eine andere Auffassung vertrete, könne dem nicht gefolgt werden. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten sich im maßgeblichen Zeitraum zum Zwecke der Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten. Insofern ergebe sich zudem der Leistungsausschluss auch aus § 23 Abs. 3 SGB XII. Etwas anderes folge auch nicht aus der Ermessensnorm des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII. Denn die Klägerin und ihr Ehemann verfügten über ausreichende soziale Absicherung im Heimatstaat. Auch das LSG Darmstadt habe in seinem Beschluss in dem Verfahren L 9 AS 427/16 B ER entschieden, dass der Anwendung der Vorschriften des Dritten Kapitels des SGB XII bereits § 21 Satz 1 SGB XII entgegenstehe und auch kein Anspruch auf Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII bestehe. Die Geltendmachung eines Anspruchs der Klägerin und ihres Ehemannes gegen den Beigeladenen sei auch nicht wegen § 107 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ausgeschlossen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. Juli 2019 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Ehemann der Klägerin habe kein nachwirkendes Aufenthaltsrecht aus seiner früheren Erwerbstätigkeit, weil bei ihm die unfreiwillige Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung am 26. August 2014 eingetreten sei und der Sechs-Monats-Zeitraum daher mit Ablauf des 26. Februar 2015 geendet habe. Bis einschließlich Februar 2015 habe der Beklagte auch Leistungen erbracht. Die vom Ehemann der Klägerin im April 2015 aufgenommene Tätigkeit als Zeitungszusteller sowie auch die Tätigkeit als Putzkraft ab September 2015 begründeten jeweils für sich betrachtet nicht die maßgebliche Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Freizügigkeitsgesetzes/EU. Denn die Tätigkeiten stellten sich als völlig untergeordnet und unwesentlich dar. Der Ehemann der Klägerin habe mit seiner Tätigkeit als Zeitungszusteller lediglich 37,42 Euro für April 2015, 89,40 Euro für Mai 2015, 83,98 Euro für Juni 2015, 88,30 Euro für Juli 2015 und 108,38 Euro für August 2015 erwirtschaftet. Die wöchentliche Arbeitszeit habe zwei Stunden betragen. Dies erfülle das erforderliche Mindestmaß der Teilnahme am Wirtschaftsleben nicht. Gleiches gelte für die im September 2015 aufgenommene Tätigkeit als Putzkraft. Die wöchentliche Arbeitszeit habe mit 2,5 Stunden nur geringfügig höher als diejenige als Zeitungszusteller gelegen. Der Verdienst im Monat September 2015 habe lediglich 100,00 Euro betragen. Erst ab Oktober 2015 habe er beide Tätigkeiten nebeneinander ausgeübt, was in der Gesamtschau eine andere Wertung zulasse. Damit habe sich der Ehemann der Klägerin zum Zwecke der Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalte, sodass er von der Leistungsgewährung nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen gewesen sei. Auch die Klägerin habe deshalb keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Es bestehe zudem kein Anspruch auf Gewährung von Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII gegen den Beigeladenen. In der vorliegenden Konstellation bestehe bereits kein Vorrang des Erstattungsanspruchs gegenüber einem anderen Leistungsträger. Folglich komme keine alternative Verurteilung des Beigeladenen in Betracht. Im Fall der vorläufigen Bewilligung von Leistungen richte sich der Erstattungsanspruch nach dem Urteil des BSG vom 30. Januar 2002 (B 5 RJ 6/01 R, juris, Rn. 21) gegen den Leistungsempfänger selbst und nicht gegen einen anderen verpflichteten Leistungsträger. Selbst wenn eine Verurteilung des Beigeladenen in Betracht zu ziehen sei, bestehe vorliegend kein Leistungsanspruch gegen ihn. Einem solchen Anspruch stehe bereits der Wortlaut des § 21 Satz 1 SGB XII entgegen. Selbst wenn man mit dem BSG davon ausginge, dass der Leistungsausschluss in der vorliegenden Konstellation nicht eingreife, habe der Beigeladene im Klageverfahren zutreffend ausgeführt, dass überdies der Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII in der Fassung vom 2. Dezember 2006 bei alleiniger Einreise zum Zweck der Arbeitsuche auch für Sozialhilfeleistungen gelte. Soweit der Beigeladene hinsichtlich der Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII das Ermessen dahingehend ausgeübt habe, dass ein Anspruch nach dem SGB XII nicht bestehe, da die Klägerin und ihr Ehemann als Staatsangehörige eines EU-Mitgliedslandes ohne Gefährdung hochrangiger Rechtsgüter in ihre Heimat zurückkehren könnten und dort sozial abgesichert seien, könne die Kammer hierin trotz eines über sechs Monate andauernden Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland keine ermessensfehlerhafte Entscheidung erkennen. Auf die Ausführungen in dem Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. September 2016 (L 9 AS 427/16 B ER) werde Bezug genommen. 

Am 29. November 2019 haben die Klägerin und ihr Ehemann anwaltlich vertreten Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. 

Zur Begründung tragen sie vor, der Ehemann der Klägerin sei durchaus auch im streitgegenständlichen Zeitraum Arbeitnehmer gewesen. Er habe jedenfalls einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII gegen den Beigeladenen. Der Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII führe nicht zum Ausschluss von Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII. Hinsichtlich der nach § 18 Abs. 1 SGB XII erforderlichen Kenntnis des beigeladenen Sozialhilfeträgers sei auf die diesem zuzurechnende Kenntnis des Beklagten zu verweisen.

Die Klägerin beantragt wörtlich,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 9. Juli 2019 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11. Juli 2016 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12. Juli 2016 abzuändern und der Klägerin und ihrem Rechtsvorgänger die endgültige Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II auch für den Zeitraum 1. März 2015 bis zum 30. September 2015 in gesetzlicher Höhe zu gewähren, 
hilfsweise, 
den Beigeladenen zu verpflichten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 1. März 2015 bis zum 30. September 2015 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts Gießen für zutreffend. Ergänzend trägt er vor, dass das Sozialgericht unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 30. Januar 2002 (B 5 RJ 6/01, juris) festgestellt habe, dass in der vorliegenden Situation kein Vorrang des Erstattungsanspruches gegenüber einem Leistungsträger zum Tragen komme, da sich im Fall einer vorläufigen Bewilligung der Erstattungsanspruch gegen den Leistungsempfänger selbst richte.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er hält die Berufung für unbegründet und ist ebenfalls der Auffassung, dass sich nach dem Urteil des BSG vom 30. Januar 2002 (B 5 RJ 6/01, juris, Rn. 21) bei einer vorläufigen Entscheidung nach § 328 Abs. 1 SGB III der Erstattungsanspruch gegen den Leistungsempfänger und nicht gegen den anderen verpflichteten Leistungsträger richte.

Der Ehemann der Klägerin ist am 24. März 2021 verstorben. Die Klägerin hat erklärt, das Verfahren für ihn als Rechtsnachfolgerin fortzuführen.

Der Berichterstatter hat am 29. April 2022 mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt. Wegen dessen Inhalts wird auf das Protokoll vom 29. April 2022 Bezug genommen. 

Mit Verfügung vom 5. Mai 2022 hat der Senat darauf hingewiesen, dass er der ständigen Rechtsprechung des BSG folgt, wonach EU-Bürger, die nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a. F. von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, nach der bis zum 28. Dezember 2016 geltenden Rechtslage einen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII a. F. haben, wenn sich das Aufenthaltsrecht verfestigt hat, was regelmäßig ab einem sechsmonatigen tatsächlichen Aufenthalt in Deutschland, der von der Ausländerbehörde geduldet wird, der Fall sei. Die entgegenstehende Rechtsauffassung im Beschluss vom 29. September 2016 (L 9 AS 427/16 B ER) werde aufgegeben.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakte Bezug genommen, die der Entscheidung zugrunde gelegen haben.


Entscheidungsgründe

Die Berufung hat überwiegend Erfolg.

1. Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil alle Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG). 
Der Tod des Ehemannes der Klägerin, des früheren Klägers zu 1., steht einer Entscheidung des Senats nicht entgegen. Das Verfahren war nicht nach § 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 239 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) insoweit unterbrochen. Denn im Zeitpunkt seines Todes war der frühere Kläger zu 1. durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten (vgl. § 246 Abs. 1 Satz 1, 1. Hs. ZPO). Die von ihm erteilte Vollmacht ist durch seinen Tod nicht erloschen, § 86 Hs. 1 ZPO. Die Klägerin führt das Verfahren als Sonderrechtsnachfolgerin insoweit fort, §§ 56 Abs. 1 Nr. 1, 57 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Sie ist kraft Gesetzes an die Stelle des verstorbenen Klägers zu 1. getreten (Parteiänderung kraft Gesetzes).

2. Der Hauptantrag ist so auszulegen, dass die Klägerin zum einen die Aufhebung der Rückforderungen im Bescheid vom 11. Juli 2016 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12. Juli 2016 begehrt. Der Bescheid vom 7. Dezember 2015 ist dabei nicht Verfahrensgegenstand, weil er durch den Bescheid vom 11. Juli 2016 ersetzt wurde. Zum anderen begehrt sie von dem Beklagten die endgültige Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Dieser Antrag ist so zu verstehen, dass die bereits erfolgte vorläufige Leistungsbewilligung nach dem SGB II für endgültig erklärt wird. Der Klägerin geht es nicht um eine doppelte Zahlung von Leistungen nach dem SGB II, sondern darum, die bereits erhaltenen Leistungen behalten zu dürfen. 

3. Von diesem Begehren ausgehend ist die Berufung zulässig und überwiegend begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Klage insgesamt abgewiesen.
a) Der Hauptantrag hat hinsichtlich der begehrten Endgültigerklärung keinen Erfolg (aa), jedoch hinsichtlich der angegriffenen Rückforderungen (bb). 
aa) Die Klage, die auf die Endgültigerklärung (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a. F. i. V. m. § 328 Abs. 2 SGB III) der Leistungen nach dem SGB II für März bis September 2015 gerichtet ist, ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, 56 SGG) statthaft, weil die Klägerin die Leistungen bereits erhalten hat und keine höheren Leistungen begehrt, sondern lediglich einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen geltend macht. Der Anspruch der Klägerin ist auch zulässigerweise auf den Erlass eines Grundurteils gerichtet, das zulässig sein kann, wenn im Streit lediglich das Behaltendürfen einer bereits erbrachten Leistung steht (vgl. BSG, Urteil vom 9. März 2022, B 7/14 AS 30/21 R, juris, Rn. 14). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. 
Sie ist aber unbegründet. Denn die Klägerin und ihr Ehemann haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II nach §§ 7 ff., 19 ff. SGB II. Sie waren nämlich nach dem damals geltenden und hier anwendbaren Recht von diesen Leistungen ausgeschlossen. Für die von der Klägerin verfolgten Ansprüche nach dem SGB II von März bis September 2015 ist das für diesen Zeitraum geltende Recht anzuwenden, weil eine hiervon abweichende Regelung fehlt (Geltungszeitraumprinzip, vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016, B 14 AS 53/15 R, juris). Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a. F. sind ausgenommen - also keine leistungsberechtigten Personen i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. -, Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Zu dieser Personengruppe gehörten die Klägerin und ihr Ehemann. Ein anderes Aufenthaltsrecht existierte nicht.
Ein materielles Aufenthaltsrecht ergibt sich zunächst nicht aus einem nachwirkenden Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU wegen einer Tätigkeit von mindestens einem Jahr. Denn in dem maßgeblichen Zeitraum zwischen dem 30. April 2013 und dem 26. August 2014 war der Ehemann der Klägerin insgesamt lediglich 11 Monate und 11 Tage erwerbstätig, sodass dahinstehen kann, ob er diese Tätigkeit als Arbeitnehmer ausgeübt hat. Das Freizügigkeitsrecht hätte damit nur für sechs Monate unberührt bleiben können (§ 2 Abs. 3 Satz 2 Freizügigkeitsgesetz/EU), sodass es zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums (März 2015) jedenfalls nicht mehr bestand. 
Die bis zum 26. August 2014 ausgeübte Tätigkeit kann auch nicht zusammen mit der zeitlich nachfolgenden, ab 26. April 2015 ausgeübten Tätigkeit den Jahreszeitraum erreichen. Zwar setzt § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU keinen ununterbrochenen Zeitraum von einem Jahr voraus. Ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers als Arbeitnehmer kann aber nicht auf Beschäftigungszeiten gestützt werden, die zeitlich vor einer länger als sechs Monate andauernden Arbeitslosigkeit liegen (BSG, Urteil vom 29. März 2022, B 4 AS 2/21 R, juris, Rn. 29).
Der Ehemann der Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU freizügigkeitsberechtigt. Der freizügigkeitsrechtliche Begriff des Arbeitnehmers ist als autonomer Begriff des Gemeinschaftsrechts unionsrechtlich zu bestimmen und nicht eng auszulegen. Arbeitnehmer i. S. von Art. 45 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, die keinen so geringen Umfang hat, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt (BSG, st. Rspr., z. B. Urteil vom 9. März 2022, B 7/14 AS 30/21 R, juris, Rn. 20 m. w. N.). Für die hierzu notwendige Gesamtbewertung der Ausübung der Tätigkeit als Beschäftigung und damit der Zuweisung des Arbeitnehmerstatus sind insbesondere die Arbeitszeit, der Inhalt der Tätigkeit, eine Weisungsgebundenheit, die Vergütung, der Arbeitsvertrag und die Beschäftigungsdauer in Bezug zu nehmen (BSG, Urteil vom 27. Januar 2021, B 14 AS 42/19 R, juris, Rn. 21 m. w. N.; vgl. Schreiber, SGb 2018, 698 ff.). 
Nach diesem Maßstab war die Tätigkeit, die der Ehemann der Klägerin vom 26. April 2015 bis September 2015 ausgeübt hat, nur unwesentlich und untergeordnet und konnte keinen Arbeitnehmerstatus begründen. Die Tätigkeit als Zeitungszusteller beschränkte sich auf eine Arbeitszeit von acht Stunden im Monat bei einer Vergütung von etwa 90,00 Euro monatlich. Die anschließend aufgenommene Tätigkeit als Putzkraft übte er 2 ½ Stunden in der Woche bei einer Vergütung von 25,00 Euro in der Woche aus. Damit liegt ein Fall vor, in dem der Betroffene nur sehr wenige Stunden gearbeitet hat und in dem die Ausgestaltung der Tätigkeit nicht auf eine Eingliederung in den inländischen Arbeitsmarkt schließen lässt (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2022, B 4 AS 2/21 R, juris, Rn. 21). Die weiteren Umstände der Tätigkeit führen zu keiner anderen Bewertung.
In Ermangelung einer Arbeitnehmereigenschaft entfällt zugleich der nachgehende Schutz nach § 2 Abs. 3 Freizügigkeitsgesetz/EU.
Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a. F. ist auch mit EU-Recht vereinbar (siehe EuGH vom 11. November 2014, Rs. C-333/13 (Dano), NJW 2015, 145; EuGH vom 15. September 2015, Rs. C 67/14 (Alimanovic), NJW 2016, 555; EuGH vom 25. Februar 2016, Rs. C-299/14 (Garcia-Nieto), NJW 2016, 1145; BSG, Urteil vom 15. Mai 2022, B 7/14 AS 27/21 R, juris, Rn. 22 m. w. N.). 
Er ist zudem jedenfalls deshalb auch mit dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) vereinbar, weil die Klägerin und ihr Ehemann auf der Grundlage des bis zum 28. Dezember 2016 geltenden Rechts grundsätzlich Zugang zu existenzsichernden Leistungen nach dem SGB XII hatten (siehe BSG, Urteil vom 15. Mai 2022, B 7/14 AS 27/21 R, juris, Rn. 23). 

bb) Die Klage gegen die Rückforderungsverfügungen ist als isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1, 1. Alt. SGG) zulässig. Sie ist auch begründet.
(1) Ermächtigungsgrundlage für die Rückforderungen ist § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a. F. i. V. m. § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III.
(2) Die Rückforderungen sind formell rechtmäßig. Ob die erforderliche Anhörung (§ 24 SGB X) durchgeführt wurde, kann dahinstehen. Denn eine Anhörung wurde jedenfalls mit Durchführung des Vorverfahrens nachgeholt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).
(3) Die Rückforderung sind aber materiell rechtswidrig. 
Nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III sind aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringere Höhe anerkannt wird. 
Zwar liegt eine wirksame endgültige Entscheidung vor, aus der sich, im Vergleich mit der vorläufigen Leistungsbewilligung, der von dem Beklagten bezifferte Erstattungsbetrag ergibt, wobei die Klägerin keinen Vertrauensschutz genießt und auch kein Rückforderungsermessen eingeräumt ist.
Die Rückforderungsentscheidungen sind aber gleichwohl rechtswidrig, weil der Beklagte gegen den Beigeladenen einen Erstattungsanspruch hatte (a) und daher den der Klägerin und ihrem Ehemann gezahlten Betrag nicht von diesen zurückfordern durfte (b).
(a) Der Beklagte hatte einen Erstattungsanspruch gegen den Beigeladenen in Höhe des Betrages, den er von der Klägerin zurückfordert.
(aa) Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts, des Beklagten und des Beigeladenen kann auch eine vorläufige Leistung nach § 328 Abs. 1 SGB III Grundlage eines Erstattungsanspruchs nach §§ 102 ff. SGB X sein. Dies entspricht – soweit ersichtlich – auch der allgemeinen Meinung in der Literatur (siehe z. B. Hengelhaupt, in Hauck/Noftz, SGB III, Lfg. 4/18, VIII/18, § 328 Rn. 313; Kallert, in Gagel, SGB II/III, 77. EL März 2020, § 328 SGB III Rn. 89a; im Ergebnis auch Schmidt-De Caluwe, in Heinz/Schmidt-De Caluwe/Scholz, SGB III, 7. Aufl. 2021, § 328 Rn. 59). Bereits § 102 SGB X zeigt zudem, dass auch bei einer bloß vorläufigen Leistungsbewilligung ein Erstattungsanspruch gegen einen anderen Träger entstehen kann. 
Die gegenteilige Auffassung des BSG in seinem Urteil vom 30. Januar 2002 (B 5 RJ 6/01 R, juris, Rn. 21), auf das sich das Sozialgericht stützt, wurde vom BSG nicht begründet, ist ein obiter dictum und zudem – soweit ersichtlich – singulär geblieben. 
(bb) Einem Erstattungsanspruch steht nicht entgegen, dass der Beigeladene als zugelassener kommunaler Träger zugleich Rechtsträger des beklagten Jobcenters ist. Ein Erstattungsanspruch nach §§ 102 bis 105 SGB X ist zwar grundsätzlich zwischen Untergliederungen desselben Rechtsträgers ausgeschlossen. Etwas anderes gilt aber, wenn die Einrichtung so verselbständigt ist, dass zwischen ihnen auch ein Insichprozess zulässig wäre, was im Verhältnis von Jobcenter und Sozialamt einer Optionskommune anerkannt ist (P. Becker, in: Hauck/Noftz, SGB X, Lfg. 3/19, VI/19, vor §§ 102-114 SGB X Rn. 26; vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015, B 14 AS 15/14 R, juris, Rn. 43). So liegen die Dinge hier. Der Beigeladene ist ein zugelassener kommunaler Träger i. S. d. § 6a SGB II, sog. Optionskommune. Nach § 6a Abs. 5 SGB II errichten und unterhalten die kommunalen Träger besondere Einrichtungen für die Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB II. Eine solche Einrichtung ist der Beklagte.
(cc) Der Erstattungsanspruch des Beklagten ergibt sich aus § 105 SGB X. Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, soweit der zuständige oder zuständig gewesene Träger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.
(aaa) Der Beklagte hat der Klägerin und ihrem Ehemann tatsächlich Sozialleistungen erbracht, nämlich vorläufige Leistungen nach dem SGB II. Auch aufgrund vorläufiger Bewilligung erbrachte Leistungen sind tatsächlich erbrachte Leistungen im Sinne der §§ 102 ff. SGB X (vgl. jurisPK-SGB X 2. Aufl./Prange, § 105 Rn. 32.1, Stand: 25.08.2022). 
(bbb) Der Beklagte war unzuständiger Leistungsträger. Für die Leistung zuständig ist der Sozialleistungsträger, der im Hinblick auf den erhobenen Sozialleistungsanspruch nach materiellem Recht richtigerweise anzugehen, d. h. passivlegitimiert ist (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2016, B 1 KR 25/16 R, juris, Rn. 10). Dies war nicht der Beklagte. Denn die Klägerin und ihr Ehemann hatten – wie bereits ausgeführt – keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. 
(ccc) Der Beigeladene ist zuständiger Leistungsträger i. S. d. § 105 Abs. 1 SGB X und hat keine Leistungen erbracht. Die Klägerin und ihr Ehemann hatten gegen ihn einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 23 SGB XII in der hier anwendbaren, bis zum 28. Dezember 2016 geltenden Fassung.
Beide waren leistungsberechtigt im Sinne des Sozialhilferechts, weil sie im streitgegenständlichen Zeitraum ihren Lebensunterhalt nicht i. S. d. § 19 Abs. 1 i. V. m. § 27 Abs. 1 SGB XII aus eigenen Kräften und Mitteln decken konnten. Sie waren bedürftig. Es ist nichts dafür erkennbar, dass sie Einkommen oder Vermögen hatten, das ihrem Anspruch entgegenstand. Insbesondere sind keine belastbaren Umstände dafür ersichtlich, dass sie eine Immobilie in Spanien gehabt hätten.
Der Anwendbarkeit des SGB XII steht § 21 Satz 1 SGB XII nicht entgegen. Danach erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Die erwerbsfähige Klägerin und ihr erwerbsfähiger Ehemann waren danach nicht von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen, weil die Systemabgrenzung zwischen SGB II und SGB XII zwar grundsätzlich an das Kriterium der Erwerbsfähigkeit anknüpft, jedoch nicht hierauf reduziert werden kann, mithin differenzierter ist: I. S. d. § 21 Satz 1 SGB XII leistungsberechtigt sind auch die Personen grundsätzlich nicht, die auch bei Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II) von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind (BSG, Urteil vom 30. August 2017, B 14 AS 31/16 R, juris, Rn. 33 ff.). 
Einem Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII stand ferner nicht die mangelnde Kenntnis des Beigeladenen entgegen. Die Klägerin und ihr Ehemann haben zwar (zunächst) lediglich bei dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II beantragt. Allerdings liegt die nach § 18 Abs. 1 SGB XII erforderliche Kenntnis des Beigeladenen vor, weil dieser sich die Kenntnis des Beklagten aufgrund des Antrages nach dem SGB II zurechnen lassen muss (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 39).
Dem Anspruch nach § 23 SGB XII stand auch nicht der Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII a. F. entgegen. Danach haben Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen (1. Alt.), oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (2. Alt.), sowie ihre Familienangehörige keinen Anspruch auf Sozialhilfe. 
Die Klägerin und ihr Ehemann sind nicht eingereist, um Sozialhilfe zu erlangen. Dafür wäre Voraussetzung, dass dieser Zweck den Einreiseentschluss geprägt hat (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 45). Dafür ist aber nichts ersichtlich. 
Ihr Aufenthaltsrecht ergibt sich zwar allein aus dem Zweck der Arbeitsuche. Dieser Leistungsausschluss (2. Alt. des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII a. F.) ist aber gleichwohl nicht einschlägig, wenn ein Anspruch auf Inländergleichbehandlung nach Art. 1 Europäisches Fürsorgeabkommen (EFA) besteht (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, B 4 AS 43/15 R, juris). Dies ist hier der Fall. Die Klägerin und ihr Ehemann waren als spanische Staatsangehörige vom persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens umfasst, weil Spanien Unterzeichnerstaat ist. Zudem hat die Bundesrepublik keinen Vorbehalt im Hinblick auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII erklärt. Die Klägerin und ihr Ehemann haben sich im streitigen Zeitraum auch erlaubt i. S. d. Art. 11 EFA in Deutschland aufgehalten. Denn sie verfügten über das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche. Der Ehemann der Klägerin war arbeitsuchend und hatte begründete Aussicht, eingestellt zu werden (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a Freizügigkeitsgesetz/EU). Diese Aussicht bestätigte sich ab Oktober 2015, weil er ab diesem Zeitpunkt zwei Tätigkeiten ausübte, was auch den Beklagten veranlasste, die Arbeitnehmereigenschaft anzuerkennen.
Selbst wenn sich die Klägerin und ihr Ehemann nicht auf das EFA berufen könnten und damit der Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII a. F. eingriffe, hätten sie einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt, nämlich nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII a. F. Gemäß dieser Vorschrift kann im Übrigen Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Nach der Rechtsprechung des BSG zu § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII a. F. ist das Ermessen des Sozialhilfeträgers auf Null reduziert, wenn sich das Aufenthaltsrecht verfestigt hat, was regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in Deutschland der Fall ist (siehe zuletzt BSG, Urteil vom 18. Mai 2022, B 7/14 AS 27/21 R, juris, Rn. 33). Darauf, ob die Möglichkeit einer Heimkehr eines vom Leistungsausschluss erfassten EU-Ausländers in sein Heimatland besteht, kommt es hierbei nicht an (BSG, Urteil vom 30. August 2018, B 14 AS 31/16 R, juris, Rn. 49). 
Die Klägerin und ihr Ehemann haben sich im Zeitpunkt des Beginns des streitgegenständlichen Zeitraums bereits zwei Jahre und zwei Monate in Deutschland aufgehalten. Umstände, die einer Ermessensreduzierung auf Null entgegenstehen, sind nicht erkennbar (siehe dazu BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 58). Die Ausländerbehörde hat auch keine konkreten Schritte zur Beendigung des Aufenthaltes eingeleitet. Außerdem ließen die Lebensumstände der Klägerin und ihres Ehemannes nicht darauf schließen, dass sie nicht auf Dauer im Inland verweilen würden. Der Anspruch besteht in der Höhe der von dem Beklagten gewährten SGB II-Leistungen. Das Ermessen des Beigeladenen war nämlich sowohl dem Grunde nach als auch der Höhe nach auf Null reduziert (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 2016, B 14 AS 35/14 R, juris, Rn. 45). Das Leistungsniveau des SGB II entspricht im vorliegendem Fall dem des SGB XII.
Der Senat gibt seine Rechtsprechung, wonach beim einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der bis zum 28. Dezember 2016 geltenden Fassung kein Leistungsanspruch nach § 23 Abs. 1 SGB XII bestehe (Beschluss vom 26. September 2016, L 9 AS 643/16 B ER, juris, R. 33), auf. Da er vorher auf seine geänderte Rechtsauffassung hingewiesen hat, liegt keine (mit Art. 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG nicht vereinbare) Überraschungsentscheidung vor. 
(ddd) Die von dem Beklagten erbrachten Leistungen und die von dem Beigeladenen an sich zu erbringenden Leistungen sind auch zweckidentisch. Beide Leistungen sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
(eee) Es liegt auch kein Fall des § 102 SGB X vor. Eine vorläufige Leistungsbewillligung nach § 328 Abs. 1 SGB III fällt nicht hierunter, weil sie nicht wegen unklarer Zuständigkeit ergeht (P. Becker, in: Hauck/Noftz, a.a.O., § 102 SGB X Rn. 28).
(fff) Die Leistungserbringung des Beklagten war auch bis auf die fehlende Zuständigkeit rechtmäßig. Insbesondere hat er keine Leistungen erbracht, die nicht in seinen Leistungskatalog fallen (vgl. P. Becker, in: Hauck/Noftz, a.a.O., § 105 SGB X Rn. 31). 
(ggg) Einem Erstattungsanspruch des Beklagten steht schließlich auch nicht die Regelung des § 105 Abs. 3 SGB X entgegen, nach der der Abs. 1 gegenüber Trägern der Sozialhilfe nur von dem Zeitpunkt an gilt, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorliegen. 
Zwar erfolgt in diesem Rahmen keine Wissenszurechnung über § 18 SGB XII, weil andernfalls die Vorschrift des § 105 Abs. 3 SGB X leerliefe. Die Sozialhilfeträger müssen sich die Kenntnis anderer Träger im Erstattungsverhältnis grundsätzlich nicht nach § 18 SGB XII zurechnen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juni 2005, 5 C 30/04, juris, Rn. 11). Durch § 105 Abs. 3 SGB X wird eine Kenntniszurechnung aber nicht generell ausgeschlossen (ebenso Weber, in BeckOK Sozialrecht Rolfs u. a., 67 Ed. Stand 1.12.2022, § 105 SGB X Rn. 26 zur Kenntnis einer beauftragten Stelle im Rahmen einer Delegation).
Vorliegend war die Kenntnis des Beklagten dem Beigeladenen ausnahmsweise zuzurechnen. Der Beigeladene ist eine Optionskommune, also ein zugelassener kommunaler Träger nach § 6a SGB II, der den Beklagten als besondere Einrichtung nach § 6a Abs. 5 SGB II zur Wahrnehmung der Aufgaben nach dem SGB II errichtet hat. Die Pflicht zur Errichtung einer besonderen Einrichtung nach § 6a Abs. 5 SGB II soll lediglich sicherstellen, dass der zugelassene kommunale Träger die Aufgaben nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II nicht mit denjenigen vermischt, die er als Sozialhilfeträger erfüllen muss, und hat haushalterische Ursachen (BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 24/17 R, juris, Rn. 39). Dabei ist die Einrichtung einer juristischen Person möglich, aber nicht notwendig (Weißenberger, in Eicher u. a., SGB II, 5. Aufl. 2021, § 6a Rn. 26; Münder, in: Münder/Geiger, SGB II, Lehr- und Praxiskommentar, 7. Aufl. 2021, § 6a Rn. 13). Wird keine juristische Person gegründet, erhält die Optionskommune mit Kenntnis des Jobcenters ebenfalls Kenntnis. Denn ebenso wie Handlungen, Willen und Erklärungen eines Außenvertretungsorgans einer kommunalen Gebietskörperschaft solche der juristischen Person selbst sind, sog. Organtheorie (siehe O. Schmitt, Die Kompetenzabgrenzung zwischen Gemeindevorstand und Gemeindevertretung in der Hessischen Kommunalverfassung, 2004, S. 97; vgl. auch Stelkens, JA 2016, 1013, 1019), ist auch das Wissen des Außenvertretungsorgans prinzipiell Wissen der juristischen Person selbst. Durch die fakultative Errichtung einer juristischen Person kann sich nichts anderes ergeben, weil sich die Optionskommune durch eine solche Maßnahme nicht dieser Zurechnung entziehen kann. Für eine solche Kenntniszurechnung spricht auch der Sinn des § 105 SGB X. Der spezielle Zweck des § 105 SGB X ist es, durch einen nachträglichen Anspruch den Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn von Anfang an der nach der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung zuständige Leistungsträger gehandelt hätte (P. Becker, in: Hauck/Noftz, a.a.O., § 105 SGB X Rn. 3). 
Der Wissenszurechnung widerspricht auch nicht die Entscheidung des BSG vom 8. Dezember 2022 (B 7/14 AS 11/21 R). Zwar hat nach dem (im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats vorliegenden) Terminbericht das BSG einen Erstattungsanspruch nach § 105 SGB X abgelehnt, weil der beigeladene Sozialhilfeträger - die Stadt Dessau-Roßlau - keine positive Kenntnis von der Leistungspflicht i. S. d. § 105 Abs. 3 SGB X hatte. Allerdings war das dort beklagte Jobcenter Dessau-Roßlau kein zugelassener kommunaler Träger, sondern eine gemeinsame Einrichtung von Bundesagentur für Arbeit und der Stadt Dessau-Roßlau nach § 44b SGB II, also von zwei unterschiedlichen juristischen Personen des öffentlichen Rechts. 
Eine andere Sichtweise hätte in Konstellationen wie der vorliegenden zur Folge, dass der Betroffene dem Jobcenter vorläufig bewilligte Leistungen nach dem SGB II erstatten müsste, obwohl er einen Anspruch gegen dessen (kommunalen) Träger auf Leistungen nach dem SGB XII in derselben Höhe hatte. Dem Jobcenter wäre dann aber jedenfalls aus Gründen von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –) verwehrt, diesen Anspruch gegen den Leistungsempfänger geltend zu machen, wenn es diesen nicht unverzüglich über das Bestehen eines SGB XII-Anspruches informiert oder den SGB XII-Träger hierüber in Kenntnis setzt. Insofern besteht nämlich zumindest eine Beratungs- und Aufklärungspflicht (§§ 13, 14 SGB I). Beides hat der Beklagte indes nicht getan. 
(hhh) Der Erstattungsanspruch des Beklagten besteht in der Höhe des von der Klägerin und ihrem Ehemann geforderten Betrag (§ 105 Abs. 2 SGB II), weil das Leistungsniveau von Arbeitslosengeld II einerseits und Sozialhilfe andererseits vorliegend identisch ist.
(bb) Das Entstehen des Erstattungsanspruches des Beklagten gegenüber dem Beigeladenen steht einer Rückforderung von der Klägerin entgegen.
Besteht ein Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. SGB X eines Trägers gegen einen anderen, folgt aus der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X ein Recht des Leistungsempfängers zum Behaltendürfen. Mit dem Eintreten der Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X erlangt der Sozialleistungsberechtigte das Recht, die Zahlung des Erstattungsberechtigten zu behalten, d. h. er muss die Leistung nicht an den nachrangig zuständigen Träger zurückerstatten (BSG, Urteil vom 18. Oktober 1992, Rar 12/88, juris, Rn. 3). 

Der erstattungsberechtigte Leistungsträger ist dann verpflichtet, den Erstattungsanspruch geltend zu machen. Er hat auch kein Wahlrecht zwischen der Geltendmachung eines Erstattungsanspruches gegenüber einem anderen Leistungsträger und einer Aufhebung seiner Leistungsbewilligung verbunden mit einem Erstattungsverlangen gegenüber dem Leistungsempfänger, z. B. nach §§ 44 ff., 50 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2011, B 4 AS 203/10 R, juris, Rn. 19). 
Diese Grundsätze gelten auch für einen Erstattungsanspruch nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III, sodass dessen Geltendmachung gegenüber dem Adressaten der vorläufigen Leistung bis zur Höhe des eigenen Erstattungsanspruchs gegen den anderen Leistungsträger verwehrt ist, soweit § 107 SGB X eingreift (Hengelhaupt, in Hauck/Noftz, a.a.O., § 328 Rn. 313; Kallert, in Gagel, a.a.O., § 328 Rn. 89a). 
Unerheblich für die Erfüllungsfiktion und damit das Behaltendürfen ist, dass der Beklagte keinen Erstattungsanspruch gegen den Beigeladenen geltend gemacht hat und dass dies wegen der inzwischen abgelaufenen Ausschlussfrist (§ 111 SGB X) nicht mehr möglich ist. Denn der Erstattungsanspruch entsteht ohne besonderen Feststellungsakt oder Willensäußerung eines Beteiligten kraft Gesetzes, wenn seine Voraussetzungen erfüllt sind (BSG, Urteil vom 28. März 2000, B 8 KN 3/98 U R, juris, Rn. 18 f.), im Falle des § 105 SGB X mit Erbringung der Leistung (siehe P. Becker, a.a.O., vor §§ 102-114, Rn. 82). 
Auf die Frage, ob der auf Erstattung in Anspruch genommene Sozialleistungsträger berechtigt ist, dem Erstattungsgläubiger seine gegenüber dem Leistungsberechtigten ergangenen bindenden Verwaltungsakte entgegenzuhalten (siehe dazu BSG, Urteil vom 20. März 2018, B 2 U 16/16 R, juris, Rn. 14), kommt es nicht an. Denn der bestandskräftige Ablehnungsbescheid des Beigeladenen ist zu einem Zeitpunkt ergangen, in dem die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X bereits eingetreten war. Diese Wirkung konnte er nicht mehr beseitigen. 

b) Der Hilfsantrag hat keinen Erfolg. 
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts, des Beklagten und des Beigeladenen scheidet zwar eine Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 SGG nicht bereits deshalb aus, weil es lediglich um eine Anfechtungsklage geht. Zwar wäre in diesem Fall eine Verurteilung des Sozialhilfeträgers ausgeschlossen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juli 2018, L 7 AS 1875/17, juris, Rn. 83). Die Klägerin und ihr Ehemann haben aber bereits im erstinstanzlichen Verfahren zusätzlich eine Verpflichtungsklage erhoben. 
Allerdings steht einer Verurteilung jedenfalls entgegen, dass ein Anspruch gegen den Beigeladenen nach § 107 SGB X bereits erfüllt ist. Die Leistungen, die der Beklagte gewährt hat, gelten damit als Leistungen nach dem SGB XII (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2011, B 4 AS 203/10 R, juris, Rn. 20; jurisPK-SGB X 2. Aufl./Burkicak, § 107 Rn. 24 f., Stand: 19.12.2022). 

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Das Unterliegen der Klägerin war nur geringfügig, weil sie mit ihrem zentralen Anliegen – dem Behaltendürfen der bewilligten Leistungen – obsiegt hat. Der Beigeladene ist nicht zur Kostentragung verpflichtet, weil er nicht verurteilt wurde und auch keinen Antrag gestellt hat.

5. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen, § 160 Abs. 2 Nr. Nr. 1 SGG.
 

Rechtskraft
Aus
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