L 11 KR 3181/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 KR 5305/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3181/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Das Hilfsmittelbegehren auf die Versorgung mit einem PTBS-Assistenzhund konkretiert sich mit dem Kauf des Hundes auf den selbst beschafften Hund.
2. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch nach § 18 Abs 6 SGB IX ist, dass die Kostenbelastung des Leistungsberechtigten wesentlich auf der Leistungsversagung des Rehabilitationsträgers beruht (vorliegend verneint).
3. Ein unter Beachtung des Bedarfs eines Menschen mit Behinderungen speziell ausgebildeter Hund, der aufgrund seiner Fähigkeiten und erlernten Assistenzleistungen dazu bestimmt ist, diesem Menschen die selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, zu erleichtern oder behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen, stellt grundsätzlich ein Hilfsmittel iSd § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V und keinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens dar.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.09.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.




Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Kosten für die Anschaffung und Ausbildung eines PTBS-Assistenzhundes sowie die Übernahme zukünftiger Kosten (Versorgungspauschale) streitig.

Die 1985 geborene Klägerin ist bei der beklagten Krankenkasse krankenversichert. Sie leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), einer rezidivierenden depressiven Störung, einer dissoziativen Störung und Epilepsie. Bei ihr sind ein Grad der Behinderung (GdB) iHv 80 sowie die Merkzeichen G und B festgestellt. Die Klägerin bezieht Leistungen (Pflegegeld) der bei der Beklagten geführten Pflegekasse ab März 2020 nach Pflegegrad 2. Seit März 2021 erhält sie durch den Beigeladenen Leistungen der Eingliederungshilfe in Form des Ambulant Betreuten Wohnens (ABW) durch eine Fachkraft, derzeit im Umfang von 275 Minuten je Woche (ca 20 Stunden im Monat, monatliche Vergütungspauschale 1.651,53 €)
 
Am 20.03.2018 verordnete H wegen einer komplexen Traumafolgestörung einen Assistenzhund. Am 23.03.2018 kaufte sich die Klägerin den Labrador Retriever D (geb am 26.01.2018).

Am 06.04.2018 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die Anschaffung, Ausbildung und den Unterhalt für einen PTBS-Assistenzhund. Assistenzhunde seien als Hilfsmittel anerkannt und den Blindenführhunden gleichgestellt. Ohne eine sehr vertraute Person könne sie das Haus nicht verlassen. Sie habe große Angst vor Menschen, habe sich aber schon immer wohl mit Tieren gefühlt. Der PTBS-Assistenzhund wäre auch auf ihre Bedürfnisse maßgeschneidert, werde sie aus ihren dissoziativen Zuständen rausnehmen und für Abstand vor fremden Menschen sorgen. Er werde eine Panikattacke erkennen und sie an einen sicheren Ort bringen. Er werde sie aus Alpträumen wecken und sie ermutigen, aktiver zu werden, sie beruhigen, wenn es ihr nicht gut gehe und vieles mehr. Nicht mal zu Hause fühle sie sich richtig wohl. Sie erlaube sich vieles nicht, was ihr guttun würde. Der Assistenzhund sei ihr Weg zur Selbstständigkeit und zur Besserung in allen Bereichen ihres Lebens. Was ihr ein Assistenzhund geben könne, könne von keiner Person ersetzt werden, da sie sich nicht auf Menschen einlassen könne, diesen nicht vertraue und vor ihnen Angst habe. Die Klägerin hat einen (undatierten) Kostenvoranschlag des Deutschen Assistenzhunde-Zentrums D1 über Kosten für Ausbildung eines Hundes iHv 4.908,00 €, eine eigene Kostenaufstellung iHv insgesamt 10.588,00 € (Anschaffung 1.400,00 €, Fahrtkosten, Hundesteuer, Versicherung, Unterhalt) sowie über monatliche Kosten (Unterhalt 167,00 € und Tierkrankenschutzsicherung 50,00 €) und ein ärztliches Attest des N vom 08.02.2018 (Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Klinikums E) vorgelegt.

Mit Schreiben vom 23.04.2018 bestätigte die Beklagte den Antragseingang und schaltete am 26.04.2018 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B (MDK) ein. Mit Schreiben vom 09.05.2018 wies die Beklagte darauf hin, dass der MDK noch Unterlagen benötige und die Entscheidungsfrist nicht eingehalten werden könne. Der MDK nahm unter dem 16.05.2018 durch den S dahingehend Stellung, dass eine Leistungspflicht der Beklagten für einen PTBS-Assistenzhund aus sozialmedizinischer Sicht nicht gesehen werde. Sog PTBS-Assistenzhunde würden für die Einschränkungen einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung ausgebildet. Ein Therapiehund sei bei der hier beantragten Konstellation kein Hilfsmittel iSd § 33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die hier beantragte Leistung diene weder dem unmittelbaren Behinderungsausgleich noch der Sicherung der Krankenbehandlung, sondern setze an den Folgen der Erkrankung an (mittelbarer Behinderungsausgleich bezüglich der Mobilität). Die gesetzliche Krankenversicherung schulde hier nur einen Basisausgleich in Bezug auf die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens. Die hier beantragte Leistung überschreite das Maß des Notwendigen. Zudem sei auf eine mögliche Gefährdung der Klägerin durch den Hund im Falle eines epileptischen Anfalls hinzuweisen.

Mit Bescheid vom 17.05.2018 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Es handle sich um keinen Fall des mittelbaren Behinderungsausgleichs im Bereich der Mobilität. Der Assistenzhund diene nicht dazu, das Grundbedürfnis auszugleichen, da keine Erkrankung bzw Lähmung des Bewegungsapparates vorliege. In einer erläuternden E-Mail vom 17.05.2018 regte die Beklagte an, die Kläger möge sich an das örtliche Landratsamt im Hinblick auf Leistungen der Eingliederungshilfe wenden.

Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin am 18.05.2018 Widerspruch ein. Vorliegend gehe es nicht um eine Mobilitätsbehinderung. Psychische Erkrankungen seien nicht auf dem gleichen Niveau wie andere Erkrankungen. Nur weil sie zwei Beine und zwei Augen habe, heiße es lange nicht, dass sie in ihrer Mobilität nicht eingeschränkt sei. Sie könne das Haus nicht verlassen. Sie könne nichts alleine machen. Sie könne nicht fremden Leuten vertrauen. Der Assistenzhund würde ihr auch im Falle eines epileptischen Anfalls helfen. Es gehe nicht um einen Therapiehund, sondern um einen Assistenzhund. Eine gefahrlose Orientierung sei zurzeit nicht möglich, da sie in Panik gerate, falls sie ohne eine ganz vertraute Person sei.

Weiterhin brachte sie zur Begründung ihres Widerspruchs vor, dass Assistenzhunde speziell ausgebildete Hunde seien, die Aufgaben erlernten, um dem speziellen schwerbehinderten Menschen im Alltag zu helfen. Assistenzhunde seien zwar nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt, jedoch seien sie künftig in den Assistenzbedarf mit einbezogen (Hinweis auf BT-Drucksache 18/8428). Der Assistenzhund diene der Sicherung ihrer Krankenbehandlung. Schon als Kind habe sie einen besseren Bezug zu Tieren als zu Menschen gehabt. Sie könne Menschen nicht vertrauen und ohne eine vertraute Person fühle sie sich sehr schlecht. Oft ende dies in einer Panikattacke oder in einem dissoziativen Zustand. Wenn Tiere dabei seien, reduziere sich die Gefahr einer Dissoziation. Ein Assistenzhund könne ihr aktiv helfen, indem er einen dissoziativen Zustand erkenne und für ihre Sicherheit sorge. Ein Assistenzhund könne sie außerdem in anderen wichtigen Bereichen unterstützen. Er fordere sie auf, das Haus zu verlassen und bei Apathie aktiv zu werden. Er könne ihre Alpträume unterbrechen, das Licht anmachen und ihr helfen, morgens aus dem Bett zu kommen. Er schaffe Distanz zwischen ihr und anderen Menschen. Sie bemerke oft die Situationen nicht, in denen es ihr schlecht gehe. In solchen Situationen könne der Hund helfen, eine Situation zu erkennen und diese zu verlassen. Für diese Situation reichten Psychotherapie und medikamentöse Behandlung nicht, um ihre Lebenssituation zu verbessern. Allein eine vertraute Person ermögliche es ihr zurzeit, im Außenbereich zu sein. In ihrem Fall gebe es nur zwei Personen, ihren Mitbewohner und ihren Vater. Ihre Freizeit dürfe nicht von diesen Personen abhängig sein, da diese nicht immer zur Verfügung stünden und nicht immer wüssten, wie sie ihr am besten helfen könnten. Ein Assistenzhund sei 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche bei ihr. Der Heilungsverlauf werde durch einen Assistenzhund positiv beeinflusst. Die psychotherapeutische Behandlung sei erforderlich und wichtig, werde aber die Wirkung erst in Zukunft zeigen. Während dieser Zeit müsse ihre Krankenbehandlung gesichert werden. Sie müsse in der Lage sein, ihre ärztlichen Termine wahrzunehmen und zwar unabhängig von der Verfügbarkeit einer vertrauten Person. Sie müsse in der Lage sein, die Alltagseinkäufe zu erledigen, in die Apotheke zu gehen, aus dem Haus zu gehen, um an die frische Luft zu kommen. Ein Assistenzhund ermögliche ihr, dass sie im Hier und Jetzt bleibe. Er verhindere dissoziative Zustände und unterbreche die vorhandenen. Der Assistenzhund diene auch dem Basisausgleich in Bezug auf die Grundbedürfnisse im täglichen Leben. Als Stelle für das Training ihres PTBS-Assistenzhundes habe sie das Deutsche Assistenzhunde-Zentrum gewählt. Dieses Zentrum habe eine langjährige Erfahrung in diesem Bereich. Es handele sich um das größte Zentrum für Assistenzhunde. Sie habe schon Kontakt mit dem Zentrum aufgenommen und das Training angefangen. Die für sie passende Trainerin befinde sich in D1. Sie habe bereits 20 Trainingsstunden mit ihrer Trainerin und ihrem zukünftigen Hund erfolgreich absolviert.

Der MDK blieb in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 03.08.2018 bei seiner Beurteilung, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungen nicht erfüllt seien. Angezeigt seien im vorliegenden Fall psychotherapeutische Maßnahmen sowie eine psychiatrische, ggf teilstationäre oder stationäre Behandlung.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2018 den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 17.05.2018 als unbegründet zurück. Ein Hilfsmittel sei von der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitige und mildere und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffe. Nach der geltenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) werde zwischen einem mittelbaren und einem unmittelbaren Funktionsausgleich unterschieden. Ein unmittelbarer Funktionsausgleich liege vor, wenn ein Hilfsmittel die ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktion ausgleiche, indem es die entsprechende Körperfunktion ermögliche oder diese weitgehend ersetze (zB Prothesen). Soweit das Hilfsmittel die ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktion weder ganz noch weitgehend ersetzen könne, handle es sich um einen mittelbaren Behinderungsausgleich. In diesen Fällen komme ein Leistungsanspruch nur dann in Betracht, soweit es um den angemessenen Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung gehe. Ein PTBS-Assistenzhund könne eine Behinderung nicht mittelbar oder auch unmittelbar ausgleichen. Das Behandlungsziel sei das „nicht Alleinsein“, „Begleitung im Alltag“, „aktiver werden“, „bei Alpträumen wecken“ und „Sicherheit geben“. Von daher könne der PTBS-Assistenzhund am ehesten als Hilfsmittel angesehen werden, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern. Die Gutachten des MDK stellten fest, dass der Assistenzhund derzeit nicht als Hilfsmittel zugelassen sei. Die hier beantragte Leistung diene weder dem unmittelbaren Behinderungsausgleich noch der Sicherung der Krankenbehandlung, sondern setze an den Folgen der Erkrankung an. Die gesetzliche Krankenversicherung schulde hier nur einen Basisausgleich in Bezug auf die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens. Die hier beantragte Leistung überschreite das Maß des Notwendigen. Zudem sei auf eine mögliche Gefährdung der Klägerin durch den Hund im Falle eines epileptischen Anfalls hinzuweisen. Schließlich sei hinsichtlich der entstandenen Kosten die Einhaltung des Beschaffungsweges zweifelhaft.

Gegen den am 22.09.2018 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 18.10.2018 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Der Assistenzhund könne nicht sämtliche Einschränkungen, die in ihrer psychischen Gesundheit bestünden, in dem Sinne ausgleichen, dass sie nicht mehr vorhanden wären. Der Hund könne aber wie der Blindenführhund dafür sorgen, dass sie sich im täglichen Leben wieder orientieren könne, wieder ihre Wohnung verlassen könne, wieder unter Menschen gehen könne, ihre kommunikativen Fähigkeiten wiederentdecken und wieder aufbauen könne. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum der eine Hund ein Hilfsmittel darstellen solle und der andere nicht. Der Verweis des MDK auf eine psychotherapeutische sowie stationäre oder ambulante psychiatrische Behandlung sei unsinnig. Sie - die Klägerin - unterziehe sich solcher Behandlung seit Jahren mit mäßigem Erfolg. Sie habe den Beschaffungsweg eingehalten. Wegen des PTBS-Assistenzhundes habe sie einen langen und ausführlichen Kontakt zu Frau R im Kompetenzcenter Soziale Dienste S1 gehabt. Von Frau R habe sie die Auskunft erhalten, dass sie sich eine schriftliche Antragstellung sparen könne, da die Beklagte keine Assistenzhunde bezahle. Frau R habe sie durchaus unterstützt, eine andere Möglichkeit der Finanzierung des Hundes zu finden, und so verhindert, dass sie bereits im Januar einen schriftlichen Antrag auf die Finanzierung eines PTBS-Assistenzhundes bei der Beklagten gestellt habe. Sie habe den Hund am 23.03.2018 gekauft. Dies sei unaufschiebbar gewesen, da nicht viele beliebige Welpen, die als PTBS-Assistenzhunde geeignet seien, zur Verfügung und zum Verkauf stünden.

Zur Einhaltung des Beschaffungsweges hat die Klägerin vorgetragen, dass sie am 25.01.2018 bei der Sozialarbeiterin der Beklagten, Frau R, einen Termin gehabt habe, um sich über die Kostenübernahme eines Assistenzhundes zu informieren. Sie habe Frau R die Frage gestellt, ob die Beklagte die Kosten eines PTBS-Assistenzhundes übernehme. Frau R habe sich bei einer Kollegin informiert und anschließend berichtet, dass die Beklagte eine Kostenübernahme für Assistenzhunde nicht übernehme werde, dass es keine Ausnahmen gebe und dass ein Antrag wenig Sinne mache, da er ohnehin abgelehnt werden würde. Sie - die Klägerin - würde nur ihre Zeit verschwenden. Anschließend habe Frau R sie unterstützt und ihr Vorschläge unterbreitet, auf welchem Wege möglicherweise ein Assistenzhund finanzieren werden könne (Stiftungen, Deutsche Rentenversicherung, Landratsamt). Eine formelle Ablehnung, wenn auch nicht schriftlich, sei für sie - die Klägerin - ganz deutlich gewesen. Nach dem ersten Termin bei Frau R im Januar 2018 habe sie zu ihr Kontakt per E-Mail gehabt. Die Klägerin hat den E-Mail-Verkehr mit Frau R vorgelegt (Blatt 114/134 der SG-Akten).

Für die Anschaffung und Pflege des Hundes hat sie ihre Aufwendungen iHv 9.613,91 € beziffert (Anschaffung Hund 1.400,00 €, Tierarzt 461,81€, Versicherung 926,10 €, Training 2.207,00 €, Grundtraining 549,00 €, Hundesteuer 210,00 €, Fahrtkosten zum Züchter je 200 Kilometer zwei Fahrten à 20 Cent = 80,00 €, Fahrten zum Training nach D1 à 300 Kilometer à 20 Cent * 20 = 1.200,00 €, Futterkosten gemäß § 10 Abs 3 Eingliederungshilfeverordnung seit 2018 172,00 € pro Monat, seit Juli 2019 177,00 €/Monat = 2.580,00 €, insgesamt 9.613,91 €). Sie hat folgenden Nachweis bzw. Rechnungen vorgelegt:
- undatierter Kaufvertrag (Blatt 42 der SG-Akten) über einen Labrador Retriever (Wurfdatum 26.01.2018)                                                                                                                  1.400,00 €,
- Tierarztrechnung vom 28.03.2018 (Blatt 33 der SG-Akten)                                  28,05 €,
- Tierarztrechnung vom 03.04.2018 (Blatt 32 der SG-Akten)                                  79,35 €,
- Rechnung vom 06.04.2018 (Blatt 36 der SG-Akten) Hundeschule S3, Welpengruppe
135,00 €,
- Versicherungsschein der A-AG vom 06.04.2018 (Blatt 21 ff der SG-Akten) über eine Haftpflicht- und Tierkrankenschutzversicherung mit einer monatlichen Versicherungsprämie iHv                                                                                                66,14 €,
- Tierarztrechnung vom 09.04.2018 (Blatt 31 der SG-Akten)                                 61,74 €,
- Tierarztrechnung vom 18.04.2018 (Blatt 30 der SG-Akten)                                 102,44 €,
- Tierarztrechnung vom 16.05.2018 (Blatt 29 der SG-Akten)                                 53,47 €,
- Bescheid der Stadt W vom 17.05.2018 (Blatt 44 der SG-Akten) über Hundesteuer für das Jahr 2018 iHv                                                                                                      90,00 €.
- Tierarztrechnung vom 05.06.2018 (Blatt 28 der SG-Akten)                                  56,61 €,
- Rechnung vom 06.06.2018 (Blatt 41 der SG-Akten) Deutsches Assistenzhunde-Zentrum D1, Erstberatung, Welpentest, Hausbesuch, 16,5 Trainingsstunden    1.227,00 €,
- Rechnung vom 16.06.2018 Hundeschule S3, Spielgruppe für Welpen und Junghunde                                                                                                                        135,00 €,
- Rechnung vom 04.07.2018 Deutsches Assistenzhunde-Zentrum D1, sechs Therapiestunden                                                                                                            360,00 €,
- Rechnung vom 16.08.2018 Deutsches Assistenzhunde-Zentrum D1, zwei Trainingsstunden                                                                                                              120,00 €,
- Rechnung vom 01.09.2018 (Blatt 38 der SG-Akten) Deutsches Assistenzhunde-Zentrum D1, zwei Trainingsstunden                                                                   120,00 €,
- Rechnung vom 08.09.2018 Hundeschule S3, 10 Übungsstunden zur freien Einteilung                                                                                                                        180,00 €,
- Rechnung vom 24.10.2018 Deutsches Assistenzhunde-Zentrum D1, zwei Trainingsstunden (Blatt 20 der SG-Akten)                                                            120,00 €,
- Bescheid Stadt W vom 09.01.2019 (Blatt 43 der SG-Akten) über Hundesteuer für 2019 iHv                                                                                                                           120,00 €,
- Rechnung vom 04.02.2019 Deutsches Assistenzhunde-Zentrum D1, 1,75 Trainingsstunden                                                                                                              105,00 €,
- Rechnung vom 25.02.2019 Deutsches Assistenzhunde-Zentrum D1, zwei Trainingsstunden (Blatt 19 der SG-Akten)                                                            120,00 €,
- Tierarztrechnung vom 08.05.2019 (Blatt 27 der SG-Akten)                                  94,86 €,
- Rechnung vom 20.05.2019 Hundeschule S3, Hilfe für Leinenrambo & Co (Blatt 18 der SG-Akten)                                                                                                                99,00 €,

Die Klägerin hat die Stellungnahmen der R1 vom 17.10.2019 (Blatt 62 ff der SG-Akten) sowie vom 19.07.2019 (Blatt 65 ff der SG-Akten) vorgelegt. Danach könne der beantragte Assistenzhund am ehesten die krankheitsbedingten Einschränkungen reduzieren und damit zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Auf Grund der vielen traumatisierenden Erfahrungen, die die Klägerin gemacht habe, könne sie kein Vertrauen zu fremden Menschen haben. Es dauere sehr lange, bis sie sich jemandem anvertrauen könne. Sie müsse über die Situation stets die Kontrolle haben, sonst überwältige sie ihre Angst und sie sei dann nicht mehr in der Lage, etwas zu machen. Durch diese Tatsache könne sie von Außenstehenden keine Hilfe annehmen. Ein Assistenzhund könne diese krankheitsbedingten Einschränkungen in einem Maße reduzieren, was durch Menschen und professionelle Helferinnen nicht geleistet werden könne. Hinzu komme, dass sie krankheitsbedingt nicht in der Lage sei, selbstständig neue soziale Kontakte aufzubauen, eine Lebenspartnerschaft zu beginnen und einen Freundeskreis zu haben. Familiäre Beziehungen, die sie stützen könnten, bestünden nicht. Hilfe durch Menschen könne sie krankheitsbedingt nur sehr begrenzt annehmen. Es gebe in ihrem Umfeld keine verlässliche, sehr vertraute Person. Sie sei in absehbarer Zeit nicht in der Lage, eine solche Beziehung aufzubauen. Dies verdeutliche, dass die Klägerin einen Assistenzhund zur Alltagsbewältigung und zur Stabilisierung benötige. Durch einen Assistenzhund könnten teilweise Dissoziationen verhindert werden. Sie könne durch einen solchen Hund in der Lage sein, ihre Wohnung selbstständig zu verlassen und alltägliche Erledigungen wie Einkaufen, Arztbesuche, Spaziergänge und Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu bewältigen. Die Klägerin habe schon seit ihrer Kindheit einen guten Bezug zu Tieren. Der Umgang mit ihnen sei für die Klägerin deutlich einfacher als mit Menschen. Ein Hund vermittle ihr Schutz, Ruhe und Kraft und fördere den Abbau von Spannungen, was mit Menschen leider nicht möglich sei.

Weiterhin hat die Klägerin das Attest der E1 vom 04.11.2019 (Blatt 73 der SG-Akten) vorgelegt. Der auf psychiatrischer Indikation eingesetzte Assistenzhund sei gerade auf dem Boden der Epilepsie zu begrüßen, diese könne nicht als Argument gegen die Kostenübernahme eingesetzt werden.

Im weiteren Verlauf hat die Klägerin ua vorgetragen, dass das letzte Training mit dem Hund im Februar 2019 stattgefunden habe. Ihr Mitbewohner habe sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zum Training nach D1 begleiten können. Sie könne die Termine alleine nicht wahrnehmen. Hinzu komme, dass der gekaufte Hund sich nicht in die gehoffte Richtung entwickelt habe. Es sei fraglich, ob das Training als Assistenzhund durch den aktuellen Hund gemacht werden könne. Ein Eignungstest wäre nötig, bevor ein Assistenzhundetraining mit dem aktuellen Hund weitergeführt werden könne. Aus finanziellen Gründen habe sie sich für eine Selbstausbildung (eine Ausbildung, die von einem Assistenzhundetrainer begleitet werde) anstatt eine Fremdausbildung entschieden. Diese bürge gegenüber der Fremdausbildung das Risiko, dass ein Hund sich als ungeeignet erweise.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das SG hat mit den Beteiligten am 09.09.2020 eine mündliche Verhandlung durchgeführt und die Klägerin persönlich angehört. Die Klägerin hat ua angegeben, dass der Hund die Ausbildung begonnen, aber noch nicht abgeschlossen habe. Es sei eine Frage, ob der Hund überhaupt geeignet sei. Er erkenne nicht, wann sie dissoziiere. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 09.09.2020 (Blatt 196/198 der SG-Akten) Bezug genommen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09.09.2020 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung und Übernahme der für die Anschaffung, Ausbildung und Unterhalt eines PTBS-Assistenzhundes aufgewandten und noch aufzuwendenden Kosten. Unabhängig von der Frage, ob vorliegend der Beschaffungsweg eingehalten worden sei, seien die Voraussetzungen des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht erfüllt. Bei einem PTBS-Assistenzhund handle es sich grundsätzlich um ein Hilfsmittel des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V. Wenn davon ausgegangen werde, dass der Assistenzhund vorliegend dem Versorgungsziel des Erfolgs einer Krankenbehandlung diene, stehe der Klägerin hieraus kein Anspruch zu, da eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode vorliege. Sofern ein Hilfsmittel den Erfolg der Krankenbehandlung iSd § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V sichern solle und dabei in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmetholde iS von § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V eingesetzt werde, sei Voraussetzung für einen Anspruch des Versicherten, dass die neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) anerkannt worden sei. Die Methode des Einsatzes eines speziell zur Behandlung von PTBS und insbesondere zur Behandlung der klägerischen Beeinträchtigungen ausgebildeten Assistenzhundes sei zum maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufs des Hundes und auch derzeit nicht durch den GBA anerkannt. Ein Ausnahmefall, in dem eine Behandlungsmetholde ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des GBA zur Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen sei, liege nicht vor. Allenfalls könne durch den Assistenzhund die Behinderung der Klägerin ausgeglichen werden. Anders als die im Hilfsmittelverzeichnis unter den Positionsnummern 07.99.09.0 gelisteten Blindenführhunde, die nach der Rechtsprechung dem unmittelbaren Behinderungsausgleich iS von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V dienten, weil sie die durch die Blindheit erschwerte Orientierungsfähigkeit und damit die erschwerte Möglichkeit der unbehinderten Fortbewegung ausglichen und damit einen Funktionsausgleich böten, der unmittelbar die Behinderung betreffe und nicht erst bei den Folgen der Behinderung in bestimmten Lebensbereichen einsetze, diene der PTBS-Assistenzhund vorliegend nicht dem unmittelbaren Behinderungsausgleich. Die Klägerin leide nicht an einer durch ein Hilfsmittel unmittelbar kompensierbaren Behinderung mit der Folge, dass ein unmittelbarer Behinderungsausgleich nicht möglich sei. Nach den Ausführungen von N und S2 solle der PTBS-Assistenzhund der Klägerin dazu verhelfen, sich eine Alltagsstruktur zu erarbeiten. Ausweislich der Stellungnahme der R1 werde der PTBS-Assistenzhund vorliegend zur Alltagsbewältigung und Stabilisierung benötigt. Damit diene der PTBS-Assistenzhund ersichtlich nicht der Herstellung oder Verbesserung einer beeinträchtigten Körperfunktion. Vielmehr solle der PTBS-Assistenzhund die Folgen der Behinderung der Klägerin ausgleichen. Soweit davon ausgegangen werde, dass der Assistenzhund dem Ausgleich der Folgen der Behinderung diene, um das Grundbedürfnis des Erschließens eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums und jedenfalls in Zuständen der Dissoziation auch des Gehens, Stehens, Sehens und Hörens zu befriedigen, scheide ein Leistungsanspruch nach dem SGB V aus, da der Assistenzhund vorliegend nicht erforderlich sei. Konkret bedeute erforderlich iS des § 33 Abs 1 SGB V, dass das Hilfsmittel geeignet (objektive Erforderlichkeit) und unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der Betroffenen notwendig (subjektive Erforderlichkeit) sein müsse und im Vergleich zu anderen Behandlungsmöglichkeiten wirtschaftlicher sei, um entweder den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Notwendig iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V meine, dass das Hilfsmittel unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse zwangsläufig unentbehrlich oder unvermeidlich sei. An der Unentbehrlichkeit fehle es etwa, wenn bereits ein funktionsgleiches Hilfsmittel vorhanden sei (Mehrfachausstattung), wenn das Hilfsmittel selten eingesetzt werde oder wenn die Befriedigung des Bedürfnisses auch auf wirtschaftlichere Art und Weise möglich sei. Es bestünden keine Zweifel daran, dass der PTBS-Assistenzhund grundsätzlich dafür sorgen könne, dass sich die Klägerin in ihrem Alltag besser zurechtfinde. Allerdings bestünden bereits Zweifel an der objektiven Geeignetheit, denn der ausgewählte PTBS-Assistenzhund sei nicht in der Lage, Dissoziationszustände der Klägerin zu erkennen. Auch die behandelnde R1 spreche davon, dass ein PTBS-Assistenzhund teilweise die Dissoziation verhindern und unterbrechen könne. Es sei unklar, ob der gekaufte Hund für die Ausbildung noch geeignet sei. Es sei weiter zu berücksichtigen, dass der Einsatz eines PTBS-Assistenzhundes auch Risiken berge. Insoweit sei anzumerken, dass zu dem PTBS-Assistenzhund eine besondere soziale Beziehung aufgebaut werde, die durch besondere Ereignisse, insbesondere den Tod des Hundes, beendet und erschüttert werden könne. Gerade bei Traumapatienten erscheine es nicht abwegig, dass der Verlust eines engen Begleiters wie eines Assistenzhundes erneut zu einer psychischen Destabilisierung führe. Eine derartige Angst habe die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung angedeutet. Verfüge der Hund über spezielle Fähigkeiten, die über diejenigen eines im üblichen Umfang gut ausgebildeten und gutmütigen Hundes hinausgingen und die es ihm gerade ermöglichten, den erkrankten Menschen aus dissoziativen Phasen herauszuholen bzw diese zu durchbrechen, verfüge er gleichzeitig über Fähigkeiten, die es ihm erlaubten, die Psyche des betroffenen Menschen in besonderer Weise zu beeinflussen. Unabhängig davon, dass damit das Risiko bestehe, dass der Hund möglicherweise auch ungünstige psychische Reaktionen auslösen könne, sei nicht untersucht, welchen Anforderungen der Hund exakt gerecht werden müsse und welche Qualifikation er aufweisen müsse. Jedenfalls sei die subjektive Erforderlichkeit nicht gegeben. Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass der bisher nicht vollständig ausgebildete PTBS-Assistenzhund ihr bereits dazu verhelfe, beispielsweise zum Briefkasten gehen zu können. Sie habe seit ihrer Kindheit einen guten Bezug zu Tieren, da diese ihr Schutz, Ruhe und Kraft vermittelten und den Abbau von Spannungen förderten. Der PTBS-Assistenzhund habe während des letzten großen epileptischen Anfalls neben der Klägerin am Bett gesessen, sie beschützt bzw überwacht, bis ihr Mitbewohner dazu gekommen sei. Daraus ergebe sich jedoch, dass das Bedürfnis der Klägerin durch einen generell gut ausgebildeten normalen Hund ebenso gut zu befriedigen sei, was zusätzlich zu der hier nicht bestehenden Erforderlichkeit zur Folge habe, dass es sich um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handele. Im Rahmen der Erforderlichkeit sei zudem das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten, wonach Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssten und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürften. In diesem Zusammenhang seien die hohen Kosten des PTBS-Assistenzhundes mit knapp 10.588,00 € sowie 290,00 € je Monat zu berücksichtigen. Dieser von der Beklagten aufzuwendende Betrag stehe in einem unwirtschaftlichen Verhältnis zu den Vorteilen, die die Anschaffung des Assistenzhundes für die Klägerin bewirken würden, da die Bedürfnisse der Klägerin fast ausnahmslos ebenso gut durch einen gut ausgebildeten normalen Hund befriedigt werden könnten.

Gegen das ihren Bevollmächtigten am 05.10.2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.10.2020 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Die Ausbildung des am 23.03.2018 gekauften streitigen Hundes im Deutschen Assistenzhunde-Zentrum sei nicht beendet, sondern abgebrochen worden. PTBS-Assistenzhunde seien weder normale Hunde noch Therapiehunde. PTBS-Assistenzhunde zählten wie Blindenführhunde und Diabetikerwarnhunde zu den Assistenzhunden. PTBS-Assistenzhunde würden speziell für die Einschränkungen einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung ausgebildet. Hierzu zähle das gesamte Spektrum der dissoziativen Störungen. Sie würden speziell für ihre Arbeit ausgewählt und über 18 bis 24 Monate ausgebildet, um Aufgaben auszuführen, die aktiv das Leben mit der posttraumatischen Belastungsstörung erleichterten. Ein PTBS-Assistenzhund könne Menschen mit Behinderung auf vielfältige Art und Weise helfen, ihr Leben zu bestreiten und eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und die zwangsläufige Isolation der Menschen zu verhindern. Bei einem PTBS-Betroffenen sei der Alltag bestimmt durch Flash-Backs, Dissoziationen und Alpträume. Der PTBS-Assistenzhund helfe dann, diese zu unterbrechen und sie zu trösten. Durch einen PTBS-Assistenzhund sei der PTBS-Betroffene niemals alleine. Ein PTBS-Assistenzhund werde individuell auf die Anforderungen und Einschränkungen für jeden Betroffenen ausgebildet. Sie - die Klägerin - könne ihr Grundbedürfnis nach Eigenständigkeit nicht mit anderen (technischen) Hilfsmitteln erreichen, da es für ihre Erkrankung außer einem ausgebildeten PTBS-Assistenzhund keine weiteren technischen Hilfsmittel gebe. Dies sei fachärztlich bestätigt. Für die Ausbildung von Assistenzhunden gebe es bereits seit vielen Jahren Dachverbände, die Standards in allen Bereichen der Assistenzhundeausbildung, dem Training und der Assistenzhundepartnerschaft setzten. Derzeit würden in der Praxis lediglich Blindenführhunde als speziell ausgebildete Assistenzhunde unter bestimmten Umständen für Blinde oder sehbehinderte Menschen auf Antrag durch die gesetzlichen Krankenversicherungen bewilligt. Der Blindenführhund sei ein Hilfsmittel iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V und im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V aufgeführt. Therapie- und Begleithunde, die auch als Assistenzhunde bezeichnet würden, gebe es auch in anderen Bereichen. Für den Einsatz dieser Hunde gebe es die nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V geregelte mögliche Einzelfallprüfung. Der Bundesrat habe am 10.02.2017 die Bundesregierung aufgefordert (BR-Drucksache 742/16), dass durch eine Änderung des § 33 SGB V die Möglichkeit geschaffen werden solle, Assistenzhunde in das Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V aufzunehmen. Die Beklagte übersehe, dass sich neue Möglichkeiten entwickelt hätten, Hunde als ausgleichende Hilfsmittel auszubilden und einzusetzen. Die Hilfestellung durch einen Assistenzhund weiche nicht wesentlich von der eines Blindenhundes ab, da in beiden Fällen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nur in Begleitung des Hundes möglich sei. Die Frage, ob und inwieweit Assistenzhunde zu bewilligen seien, sei im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und des in Artikel 3 Abs 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) verankerten Benachteiligungsverbots zu betrachten. Für eine volle und wirksame Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sei es daher unumgänglich, weitere Assistenzhunde zu gewähren, damit Menschen mit bestimmten Beeinträchtigungen im Bereich Diabetes, Epilepsie und PTBS, für die keine anderen technischen und therapeutischen Angebote zur Verfügung stünden oder ausreichend Wirksamkeit zeigten, nach Einzelfallprüfung einen Assistenzhund als Leistung der gesetzlichen Krankenkasse erhalten könnten. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seiner Entscheidung vom 07.02.2020 (B 3 KR 7/19) im Hinblick auf die UN-BRK sowie Artikel 3 Abs 3 Satz 2 GG ausgeführt, dass der Anspruch auf ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich nicht von vornherein auf eine Minimalversorgung beschränkt sei. Vielmehr komme ein Anspruch auf Versorgung bereits in Betracht, wenn das Hilfsmittel wesentlich dazu beitragen oder zumindest maßgeblich Erleichterung bringen würde, Versicherten auch nur den Nahbereich im Umfeld der Wohnung in zumutbarer Weise zu erschließen. Die behandelnden Ärzte hätten nachvollziehbar ausgeführt, dass der Hund dem Ausgleich einer Behinderung und vermutlich auch der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung diene. Bei einem ausgebildeten Assistenzhund handle es sich auch nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Viele Menschen mit PTBS hätten positive Erfahrungen mit Assistenzhunden gemacht, da sie durch Anwesenheit und Körpernähe die notwendige Ruhe und Sicherheit vermittelten. Die Hunde lernten in ihrer Ausbildung konkrete Aufgaben, zB den Menschen mit Panikattacken zum Ausgang zu bringen oder das Handy zu bringen. Besonders bedeutsam sei, dass sie rechtzeitig die Flash-Backs erkennen und anzeigen könnten, sodass der Mensch rechtzeitig die in der Psychotherapie erlernten Methoden anwenden könne. Neben den Aufgaben als Assistenztiere hätten die sorgfältig ausgesuchten und ausgebildeten Tiere auch eine hohe emotionale Wirkung, die für den allgemeinen Gesundheitszustand förderlich sei. Die Frage der Assistenzhunde sei aktuell noch einmal in den Fokus des Gesetzgebers gelangt und zwar mit dem Gesetzesentwurf zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung sowie zur landesrechtlichen Bestimmung der Träger der Sozialhilfe (Teilhabe-Stärkungsgesetz). Der Entwurf sehe einen Abschnitt 2b Assistenzhunde vor (nunmehr §§ 12 e-j Behindertengleichstellungsgesetz <BGG>, eingefügt durch Gesetz vom 02.06.2021 <BGBl I, 1387> mit Wirkung zum 01.07.2021).

Die Klägerin beantragt,

 

 

  1. das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.09.2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17.05.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.09.2018 zu verurteilen, ihr die Kosten für die Anschaffung und Ausbildung des Hundes D in Höhe von 9.613,91 € zu erstatten und zukünftige Kosten für dessen Unterhalt und seine weitere Ausbildung zu übernehmen,
    zur Frage der medizinischen Voraussetzungen der beantragten Kostenübernahme für einen Assistenzhund ein medizinisches Sachverständigengutachten gemäß § 106 SGG einzuholen,
    zur Frage der Eignung des Hundes D ein Sachverständigengutachten einzuholen.


Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es bestehe kein Primäranspruch der Klägerin auf die begehrte Sachleistung. Der Assistenzhund diene nicht der Vorbeugung einer drohenden Behinderung, da die Beeinträchtigungen der Klägerin bereits eingetreten und weitgehend feststehend seien. Um den Erfolg der Krankenbehandlung iS von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V zu sichern, sei die Behindertenbegleitung schon deshalb nicht erforderlich, weil der Assistenzhund nicht der Herstellung oder Verbesserung einer beeinträchtigten Körperfunktion der Klägerin zu dienen bestimmt sei. Vielmehr solle der PTBS-Assistenzhund die Folgen der Behinderung ausgleichen. Zudem würde es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handeln, sodass zunächst eine positive Entscheidung des GBA abzuwarten wäre. Auch liege weder ein Fall des unmittelbaren Behinderungsausgleichs vor noch sei der Assistenzhund im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs zu gewähren. Bezüglich Blindenführhunden werde angenommen, dass diese unmittelbar eine Behinderung ausglichen. Für Assistenzhunde gelte dies nicht. Blindenführhunde glichen unmittelbar eine Behinderung aus, weil sie die durch die Blindheit erschwerte Orientierungsfähigkeit und damit die erschwerte Möglichkeit der ungehinderten Fortbewegung ausglichen und damit einen Funktionsausgleich böten, der unmittelbar die Behinderung betreffe und nicht erst bei den Folgen der Behinderung in bestimmten Lebensbereichen einsetze (Hinweis auf BSG 25.02.1981, 5a 5 RKn 35/78). Der Vergleich der Klägerin mit einem Blinden sei nicht stimmig. Der Assistenzhund würde im Falle der Klägerin, deren dissoziative Persönlichkeitsstörung eine erschwerte Orientierung mit sich brächte, nicht unmittelbar die dissoziative Identitätsstörung kompensieren, sondern nur eine Ausprägung dieser, nämlich die erschwerte Orientierungsfähigkeit, abmildern. Es würden lediglich die Folgen der dissoziativen Identitätsstörung abgeschwächt. Die dissoziative Störung als Teil einer komplexen PTBS, die das Erleben verschiedener Identitäten und Persönlichkeiten mit sich bringe, die dann wiederum erst zu einer verminderten Orientierung führe, etwa, weil die Klägerin in die Rolle eines Kindes und damit in Hilflosigkeit falle, werde durch einen Assistenzhund nicht unmittelbar ausgeglichen. Voraussetzung für einen unmittelbaren Behinderungsausgleich wäre, dass die Klägerin überhaupt an einer durch ein Hilfsmittel kompensierbaren Behinderung leide. Dies sei nicht der Fall, die Leiden der Klägerin könnten weder durch einen Assistenzhund noch durch sonstige Hilfsmittel unmittelbar ausgeglichen werden. Auch komme kein mittelbarer Behinderungsausgleich in Betracht. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs erstrecke sich allein auf einen Basisausgleich. Als allgemeine Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, die im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs durch das begehrte Hilfsmittel erschlossen werden müssten, seien das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Ernährung, elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die Mobilität im eigenen Wohnumfeld einschließlich der Schaffung und Erschließung eines körperlichen und geistigen Freiraums anerkannt. Mobilität in diesem Sinne erfasse den Nahbereich der Wohnung, wie ihn ein Gesunder zu Fuß für kurze Spaziergänge und Besorgungen des Alltags regelmäßig erschließe. Vorliegend sei allerdings nicht ersichtlich, dass die Klägerin zur Erschließung des Nahbereichs gerade eines Assistenzhundes bedürfe. Auch ein gut ausgebildeter normaler Hund genüge den Anforderungen der Klägerin. Das gute Verhältnis der Klägerin zu Tieren, die anders als menschliche Kontakte keine Forderungen an sie stellten, die Ruhe, Sicherheit und die Kraft, die ein Hund vermittele und ausstrahle, all dies seien keine exklusiv einem Assistenzhund vorbehaltenen Eigenschaften. Auch E1 habe im November 2019 bestätigt, dass die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt sehr von ihrem Assistenzhund profitiert habe. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin über keinen fertig ausgebildeten Assistenzhund verfügt. Es spreche daher alles dafür, dass bereits das Halten eines Hundes, dessen Ausbildung und Training der Klägerin Halt, Sicherheit und eine Aufgabe vermitteln könne, ohne dass die spezifische Qualifikation als Assistenzhund notwendig gewesen sei. Auch die Vermittlung der notwendigen Ruhe und Sicherheit wäre durch einen normalen, gut ausgebildeten Hund ebenso gewährleistet. Das Ziel, die Klägerin in einen Zustand zu versetzen, die Dinge des täglichen Lebens eigenständig erledigen zu können, ohne sich selbst oder andere dabei zu gefährden, können ebenso erreicht werden. Es fehle an einem einheitlichen Qualitätsstandard für Assistenzhunde. Die Prüfung der Erforderlichkeit des Hilfsmittels müsse sich auf den von der Klägerin angeschafften Hund beziehen, da sich ein möglicher Leistungsanspruch auf diesen konkretisiert habe. Die Ausbildung des durch die Klägerin selbst beschafften Hundes sei zwischenzeitlich unterbrochen und nicht abgeschlossen worden, sodass nicht davon ausgegangen werden könne, dass dieser Hund eine Qualifikation erreicht habe, die über diejenige eines gewöhnlichen, gut ausgebildeten Hundes hinausgehe. Zudem sei unklar, ob der Hund für eine Ausbildung überhaupt noch geeignet sei und jemals geeignet gewesen sei. Denn der beschaffte Hund könne auch die Dissoziationszustände der Klägerin nicht erkennen. Das SG sei zu Recht davon ausgegangen, dass die hohen Kosten des von der Klägerin begehrten PTBS-Assistenzhundes außer Verhältnis zu den hiermit möglicherweise erzielbaren Vorteilen für die Klägerin stünden, da diese weitgehend ebenso durch einen gut ausgebildeten normalen Hund erzielt werden könnten. Etwas Anderes ergebe sich nicht aus der UN-BKR. Bei dem beantragten Hilfsmittel handle es sich auch um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Ein Assistenzhund unterscheide sich nicht wesentlich von einem gut ausgebildeten gewöhnlichen Hund. Das noch nicht in Kraft getretene Teilhabe-Stärkungsgesetz verfolge das Ziel, dass Menschen mit Behinderung der Zutritt nicht wegen einer Begleitung durch einen Assistenzhund oder Blindenführhund verweigert werden dürfe. Artikel 9 des Gesetzesentwurfs sehe daher vor, dass in das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) ein neuer Abschnitt 2b „Assistenzhund“ eingeführt werde. Die neu einzuführenden §§ 12 e-f BGG sähen die Möglichkeit der Zertifizierung von Ausbildungsstellen für Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaften vor sowie Bestimmungen zur Prüfung von Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaften. Unabhängig davon, dass dieses Gesetz noch nicht in Kraft getreten sei, sei Regelungsgegenstand des Teilhabe-Stärkungsgesetzes nicht das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine Ausweitung des gesetzlichen Leistungsanspruchs der Versicherten sei damit nicht verbunden. Schließlich würden die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 SGB V nicht vorliegen. Die Leistungserbringung sei nicht unaufschiebbar gewesen. Auch sei der Beschaffungsweg nicht eingehalten worden. Die Klägerin habe den Antrag am 06.04.2018 gestellt. Der Assistenzhund sei bereits am 23.03.2018, dh zeitlich vor der Antragstellung erworben worden. Bei dem Gespräch mit der Sachbearbeiterin der Beklagten Frau R am 25.01.2018 habe es sich um eine allgemeine Beratung gemäß § 13 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zu diversen Themenstellungen gehandelt, in der ua die Möglichkeit der Anschaffung eines Therapiehundes besprochen worden sei. Der Klägerin sei durch Frau R die aktuelle Rechtslage in Bezug auf die Kostenübernahme von Assistenzhunden dargelegt worden. Eine Ablehnung eines Antrages habe darin nicht gelegen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 22.06.2022 den Landkreis R2 als Träger der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß § 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und mitgeteilt, dass die Klägerin seit März 2021 laufend im Leistungsbezug der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung stehe. Die Klägerin erhalte Leistungen in Form des ambulant betreuten Wohnens (ABW). Zusätzlich habe die Klägerin im Juni 2022 bei dem Beigeladenen einen Antrag auf Kostenübernahme für einen Assistenzhund im Rahmen der Eingliederungshilfe gestellt, der wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen worden sei, da die Einleitung eines weiteren Verwaltungsverfahrens zu demselben Verfahrensgegenstand grundsätzlich nicht zulässig sei. Ein weiteres Verwaltungsverfahren neben dem Verfahren gegenüber der Beklagten sei unzulässig. Der Beigeladene sei als Träger der Eingliederungshilfe nicht zuständig. Zwar seien Assistenzhunde nicht als Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenkassenversicherung aufgenommen worden. Die Kostenübernahme für Assistenzhunde durch die Krankenkasse erfolge im Rahmen der Einzelfallprüfung. In § 33 Abs 1 SGB V bestehe eine Regelung, unter die neben dem Blindenhund auch ein Assistenzhund fallen könne. Das SG habe im streitgegenständlichen Urteil im Falle der Klägerin völlig zu Recht die Klage auf Kostenübernahme eines PTBS-Assistenzhundes abgewiesen. Es sei unstreitig, dass die Klägerin die Voraussetzungen des leistungsberechtigten Personenkreises nach § 99 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) erfülle. Auch seien in § 113 Abs 2 SGB IX als Leistungen der sozialen Teilhabe insbesondere Hilfsmittel erwähnt. Jedoch sei die beantragte Leistung weder angemessen noch notwendig oder wirtschaftlich. Gemäß § 104 Abs 2 SGB IX sei Wünschen des Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richteten, nur dann zu entsprechen, soweit die gewünschten Leistungen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sowie angemessen seien. Die Wünsche der Leistungsberechtigten gölten als nicht angemessen, wenn die Höhe der Kosten der gewünschten Leistung die Höhe der Kosten für eine vergleichbare Leistung von Leistungserbringern, mit denen eine Vereinbarung bestehe, unverhältnismäßig übersteige und der Bedarf nach der Besonderheit des Einzelfalls durch die vergleichbare Leistung gedeckt werden könne. Genau dies sei hier der Fall. Die extrem hohen Kosten eines PTBS-Assistenzhundes stünden in einem unwirtschaftlichen Verhältnis zu den Vorteilen bei der Anschaffung desselbigen. Die Bedürfnisse der Klägerin könnten fast ausnahmslos ebenso gut durch einen konventionell ausgebildeten Hund befriedigt werden. Des Weiteren sei unklar, ob der bereits angeschaffte Hund für die Ausbildung überhaupt geeignet sei. Leistungen der Eingliederungshilfe würden auf Antrag erbracht (§ 108 SGB IX). Der Beigeladene sei zu keiner Zeit in die Entscheidung über die Notwendigkeit und Anschaffung eines Assistenzhundes eingebunden gewesen. Die Sicherstellung der persönlichen Mobilität der Klägerin sei keinesfalls ausschließlich durch einen ausgebildeten Assistenzhund sichergestellt. Die persönliche Mobilität werde bereits im Rahmen des ABW iHv 275 Minuten pro Woche bzw ca 20 Stunden pro Monat an Betreuungsleistungen durch eine ausgebildete Fachkraft gewährt und sichergestellt. Die Leistungen würden explizit als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in Form von Begleitungen der Klägerin durch eine Fachkraft bei Terminen aller Art, Einkäufen, Freizeitbegleitung etc gewährt. Die laufenden monatlichen vom Beigeladenen übernommenen Kosten betrügen derzeit 1.695,20 €. Dieser Eingliederungshilfebedarf sei in einem persönlichen Gesamtplanverfahren unter Beteiligung der Klägerin im September 2021 festgestellt worden.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 27.10.2022 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie keine Hilfsmittel in Anspruch nehme. Ihr sei weiterhin Pflegegrad 2 zuerkannt. Die Pflege werde von ihrer Schwester übernommen. Im Zusammenhang mit der Eingliederungshilfe werde sie von einem Hilfsverein unterstützt. Bis August seien es 275 Minuten gewesen. Derzeit werde ein neuer Hilfsplan erstellt. Sie werde beim Einkauf begleitet, was aber sehr schwierig sei, da sie fremden Leuten nicht vertraue. Sie gehe viel spazieren, um Bewegung zu haben. Weitere Kosten anlässlich der Ausbildung des Hundes seien nicht entstanden.

Der Senat hat zuletzt bei den behandelnden Ärzten aktuelle Befundberichte eingeholt. Die F hat mit Schreiben vom 10.11.2022 (Blatt 239 f der Senatsakten) über ihre kontinuierliche fachpsychiatrische Behandlung seit Mai 2021 berichtet. Die Klägerin leide an einer komplexen Störung aus posttraumatischer Belastungsstörung, einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, und an einer dissoziativen Störung. Es bestünden eingeschränkte Konzentrationsleistungen, eine deutliche Grübelneigung, Neigung zu Dissoziationen, die Klägerin sei dadurch deutlich belastet, erhebliche Störung der Vitalgefühle, deutlich negativ getönte Befindlichkeit, pessimistische Grundstimmung, fehlende Zukunftsorientierung, diffuse Ängste, erhebliche Insuffizienzgefühle und ein verarmter Antrieb. Es finde eine umfassende psychopharmakologische Behandlung sowie eine ambulante Psychotherapie statt. Durch engmaschige Behandlung habe sich leider der Zustand der Klägerin nicht gebessert.

Die R1 hat mit Schreiben vom 18.11.2022 (Blatt 242 ff der Senatsakten) die Diagnosen komplexe Traumafolgestörung, rezidivierende depressive Episoden, aktuell schwere Episode, dissoziative Amnesie, dissoziative Fugue, Epilepsie, generalisierter tonisch-klonischer Anfall, dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen, multiple Persönlichkeitsstörung, generalisierte Angststörung, Panikstörung, Zwangshandlungen, andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung sowie Essattacken nach psychischen Störungen mitgeteilt. Es erfolge eine tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie mit starkem traumatherapeutischem Schwerpunkt zur Stabilisierung und Alltagsbewältigung. Das Gesamtbild habe sich verschlechtert anlässlich des Auszuges ihres Mitbewohners im Sommer 2020, als die Klägerin mit ihren Tieren in dem kleinen Haus zurückgeblieben sei.

Die E1 hat mit Schreiben vom 22.11.2022 (Blatt 245 ff der Senatsakten) über eine Epilepsie unklarer Genese seit dem 31. Lebensjahr sowie eine komplexe Traumafolgestörung und eine dissoziative Störung berichtet. Die dissoziativen Anfälle träten häufig, dh mehrmals pro Woche auf und gingen mit einer Bewusstseinsstörung einher. Die Klägerin finde dann zum Teil aus der Stadt nicht mehr zurück nach Hause und sei schon von ihrem Hund nach Hause gebracht worden. Es sei der Klägerin nicht möglich, mit ihr zu telefonieren, weil es wahrscheinlich zum Auftreten von dissoziativen Anfällen führen würde. Kontaktaufnahmen erfolgten per E-Mail. Auf neurologischem Fachgebiet wirkten sich die epileptischen und nicht epileptischen dissoziativen Anfälle auf die Gehfähigkeit der Klägerin aus. Es bestehe eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Bezüglich der klinischen Auswirkungen im Alltag sei es nicht relevant, ob die Anfälle epileptischer oder dissoziativer Genese seien. Bezüglich der im Rahmen von dissoziativen Anfällen auftretenden Orientierungsstörung bestehe die Notwendigkeit einer ständigen Begleitperson. Auf neurologischem Fachgebiet erfolge eine medikamentöse Therapie der Epilepsie.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin wurde nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt und ist im Übrigen statthaft.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 17.05.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.09.2018 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, die Kosten für einen Assistenzhund zu übernehmen. Dagegen wendet sich die Klägerin statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs 1 und 4, 56 SGG). Nachdem sie sich am 23.03.2018 den Hund D gekauft sowie mit seiner Ausbildung zum Assistenzhund begonnen hat und ihr dadurch Kosten für die Anschaffung des Hundes (nebst Fahrtkosten), dessen Unterhalt (Versicherung, Hundesteuer, Tierarzt, Futterkostenpauschale) und Ausbildung (nebst Fahrtkosten) entstanden sind, wobei die im Klageverfahren eingereichten Rechnungen allesamt bezahlt sind, hat sie insofern ihr Begehren zulässigerweise auf Kostenerstattung gerichtet (vgl zB BSG 22.04.2015, B 3 KR 3/14 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 45). Die Klägerin hat die bei Zahlungsklagen grundsätzlich erforderliche Bezifferung des Anspruchs (auf 9.613,91 €) vorgenommen. Betrifft ein Zahlungsanspruch einen abgeschlossenen Vorgang aus der Vergangenheit, ist er zur Vermeidung eines ansonsten im Raum stehenden zusätzlichen Streits über die Höhe des Anspruchs konkret zu beziffern; es muss also grundsätzlich ein bestimmter (bezifferter) Zahlungsantrag gestellt und dargelegt werden, wie sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetzt (BSG 10.04.2008, B 3 KR 20/07 R, SozR 4-2500 § 39 Nr 15; BSG 20.11.2008, B 3 KR 25/07 R, SozR 4-2500 § 133 Nr 3). Neben dem Erstattungsbegehren macht die Klägerin für die Zukunft einen Anspruch auf Übernahme weiterer Ausbildungs- und Unterhaltskosten für den Hund D geltend. Dabei beschränkt sich das Hilfsmittelbegehren der Klägerin sowie die angefochtene Entscheidung der Beklagten auf Aufwendungen bzw Leistungen betreffend den von ihr im März 2018 beschafften Hund. Denn das Leistungsbegehren auf Versorgung mit einem PTBS-Assistenzhund hat sich spätestens mit der im Frühjahr 2018 begonnenen Ausbildung auf den konkreten Hund bezogen. Zudem hat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 23.08.2018 über die Anschaffung des Hundes und den Beginn der Ausbildung unterrichtet, sodass für die Beklagte bei Entscheidung durch Widerspruchsbescheid vom 10.09.2018, der dem angefochtenen Bescheid seine Gestalt gibt (§ 95 SGG), nur noch Anlass bestand, die Hilfsmittelversorgung bezogen auf diesen Hund zu prüfen. Die Klägerin hat ausweislich ihres in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Antrages ihr Begehren auf den Hund D konkretisiert. Unter diesen Umständen braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die Klägerin einen Sachleistungsanspruch auf einen „neuen“ gebrauchsfertigen und ausgebildeten Assistenzhund hat, denn sie hat den streitigen Hilfsmittelanspruch auf den selbst beschafften Hund konkretisiert (vgl BGS 20.11.1996, 3 RK 5/96, BSGE 79, 261). 

Der Klägerin steht ein Erstattungs- bzw Leistungsanspruch gegen die Beklagte weder auf krankenversicherungs- noch eingliederungshilferechtlicher Grundlage zu.

Dabei ist die Beklagte leistender Rehabilitationsträger iSd § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX, der gegenüber der Leistungsberechtigten - vorliegend der Klägerin - umfassend und ausschließlich zuständig ist. Denn die Beklagte hat den Antrag der Klägerin auf Versorgung mit einem Assistenzhund nicht weitergeleitet, sondern als originär für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§§ 5 Nr 1, 6 Abs 1 Nr 1 SGB IX) zuständiger Rehabilitationsträger über ihren Teilhabeantrag entschieden. Eine Aufspaltung des klägerischen Begehrens in zwei separate Leistungsanträge, nämlich in einen Antrag auf Hilfsmittelversorgung in Gestalt eines Assistenzhundes nach dem SGB V durch die Beklagte und einen weiteren Antrag auf Gewährung von Leistungen zur sozialen Teilhabe (§ 5 Nr 5 SGB IX) durch den Träger der Eingliederungshilfe (§ 6 Abs 1 Nr 7 SGB IX) scheidet aus. Es handelt sich um ein einheitliches Leistungsgeschehen. Die Klägerin begehrt die Versorgung mit einem Assistenzhund und hat dieses Begehren mit umfassenden Teilhabebedarfen „in allen Bereichen ihres Lebens“ begründet (vgl zur Auslegung eines Teilhabeantrags zB BSG 04.04.2019, B 8 SO 12/17 R, B 8 SO 12/17 R, BSGE 128, 43). Eine Weiterleitung durch die Beklagte ist nicht erfolgt, sodass sie als erstangegangener Leistungsträger für die Hilfsmittelversorgung der Klägerin zuständig geworden ist (§ 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX). Die Zuständigkeit als erstangegangener Rehabilitationsträger erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen der Antragstellerin und dem leistenden Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (zB BSG 15.03.2018, B 3 KR 18/17 R, BSGE 125, 198; BSG 24.04.2016, B 8 SO 20/14 R; BSG 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, BSGE 113, 40 mwN). Dadurch wird eine nach außen verbindliche Zuständigkeit des leistenden Rehabilitationsträgers geschaffen, die intern - zwischen den verschiedenen Rehabilitationsträgern - die Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers unberührt lässt und die Träger insoweit auf den nachträglichen Ausgleich nach § 16 SGB IX und §§ 102 ff SGB X verweist (BSG 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, BSGE 113, 40 mwN). Die Zuständigkeit des leistenden Rehabilitationsträgers gegenüber dem Leistungsberechtigten im Außenverhältnis begründet eine eigene gesetzliche Verpflichtung und bildet für den Leistungsberechtigten den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der erbrachten Leistung (BSG 26.02.2020, B 5 R 1/19 R, juris Rn 12). Die Zuständigkeit des leistenden Rehabilitationsträgers im Außenverhältnis ist umfassend und ausschließlich, dh die Beklagte ist im Verhältnis zur Klägerin für das Rehabilitationsgeschehen anlässlich der Versorgung mit dem Hund D allein zuständig (zB BSG 08.08.2019, B 3 KR 21/18 R, KrV 2020, 34; BSG 14.05.2014, B 11 AL 6/13 R).

Hinsichtlich der von der Klägerin aufgewandten Kosten für den Hund D kann sie einen Erstattungsanspruch nicht auf § 13 Abs 3 oder 3a SGB V stützen, da diese Regelung auf die von ihr begehrten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht anwendbar ist (§ 13 Abs 3 Satz 2 und Abs 3a Satz 9 SGB V). § 18 Abs 1 bis 5 SGB IX hält ein eigenständiges, in sich geschlossenes System bei Überschreitung von Entscheidungsfristen mit entsprechenden Sanktionen vor (BSG 08.08.2019, B 3 KR 21/18 R, KrV 2020, 34; BSG 15.03.2018, B 3 KR 18/17 R, BSGE 125, 189). Dies hat zur Folge, dass allein die Hilfsmittel, die der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dienen, dem Fristen- und Rechtsfolgenregime des § 13 Abs 3a SGB V unterliegen (BSG 18.06.2020, B 3 KR 14/18 R, BSGE 130, 219; BSG 15.03.2018, B 3 KR 18/17 R, BSGE 125, 189). Dabei bildet den Maßstab für die Systemabgrenzung allein das objektive Recht, nicht die subjektiven Vorstellungen der Betroffenen (BSG 15.03.2018, B 3 KR 18/17 R, BSGE 125, 189). Die systemgerechte Zuordnung des jeweils zu beurteilenden Hilfsmittels richtet sich nach dessen Funktionalität und Zwecksetzung (BSG 15.03.2018, B 3 KR 18/17 R, BSGE 125, 189). Vorliegend ist das von der Klägerin begehrte Hilfsmittel Assistenzhund als Leistung zur medizinischen Rehabilitation zu qualifizieren, weil es auf den Zweck des Behinderungsausgleichs gerichtet ist. Der Krankenbehandlung dient es nicht.

Bei der Versorgung mit einem (sächlichen) Hilfsmittel handelt es sich nach der Rechtsprechung des BSG dann nicht um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation iS von § 13 Abs 3a Satz 9 SGB V, wenn der Einsatz des Hilfsmittels der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dient (BSG 15.03.2018, B 3 KR 18/17 R, BSGE 125, 189; BSG 11.05.2017, B 3 KR 30/15 R, BSGE 123, 144). Danach dienen Hilfsmittel dann der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung, wenn sie im Rahmen einer Krankenbehandlung, dh zu einer medizinisch-therapeutischen Behandlung einer Erkrankung als der Kernaufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V eingesetzt werden. Krankenbehandlung umfasst dabei nach der Definition des § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V die notwendigen Maßnahmen, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Das umschreibt die kurative Therapie einer Krankheit, wozu auch medizinische Untersuchungs- und Diagnostikverfahren gehören. Insoweit unterliegt auch das Hilfsmittel selbst den Vorschriften zur Qualitätssicherung vertragsärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, insbesondere dem Erfordernis der positiven Empfehlung durch den GBA, soweit die Verwendung des Hilfsmittels untrennbar mit einer neuen Methode verbunden ist (BSG 15.03.2018, B 3 KR 18/17 R, BSGE 125, 189). Dagegen gehören - neben den Hilfsmitteln zur Sicherung einer Heilbehandlung iS von § 47 Abs 1 Nr 2 SGB IX - sowohl Hilfsmittel zur Vorbeugung vor Behinderung iS von § 33 Abs 1 Satz 1, Variante 2 SGB V als auch Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich iS von § 33 Abs 1 Satz 1, Variante 3 SGB V zu den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zwar unabhängig davon, ob sie dem unmittelbaren oder dem mittelbaren Behinderungsausgleich dienen (BSG 15.03.2018, B 3 KR 18/17 R, BSGE 125, 189). Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich und zur Vorbeugung vor Behinderung werden nicht mit dem vorrangigen Ziel eingesetzt, auf die Krankheit, dh auf den regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand als solchen, kurativ-therapeutisch einzuwirken. Sie sollen vielmehr in erster Linie die mit diesem regelwidrigen Zustand bzw mit der Funktionsbeeinträchtigung verbundene (oder im Falle der Vorbeugung zu erwartende) Teilhabestörung ausgleichen, mildern, abwenden oder in sonstiger Weise günstig beeinflussen, um die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern und Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken (vgl § 1 SGB IX).

Vorliegend soll der Assistenzhund nicht der kurativen Krankenbehandlung der komplexen psychiatrischen Erkrankung der Klägerin mit depressiven Episoden, Angstzuständen, Zwängen, einer schweren Störung der Anpassungsfähigkeit, Flash Backs und dissoziativen Zuständen dienen, sondern allein dem Behinderungsausgleich. Schon definitionsgemäß ist ein Assistenzhund ein unter Beachtung des individuellen Bedarfs eines Menschen mit Behinderungen speziell ausgebildeter Hund, der aufgrund seiner Fähigkeiten und erlernten Assistenzleistungen dazu bestimmt ist, diesem Menschen die selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, zu erleichtern oder behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen (vgl § 12e Abs 3 Satz 1 BBG, eingeführt durch Gesetz vom 02.06.2021 <BGBl I, 1387> mit Wirkung zum 01.07.2021). Die Klägerin hat das begehrte Hilfsmittel selbst durchgehend als Assistenzhund bezeichnet und von einem „Therapiehund“ abgegrenzt (so auch die Begründung ihres Bevollmächtigten, vgl Schriftsatz vom 29.04.2021, Bl 89 der Senatsakten). Durch den Einsatz des Assistenzhundes soll nicht in erster Linie auf den durch die gravierende psychische Erkrankung regelwidrigen bzw funktional beeinträchtigten Zustand mit dem Ziel der Heilung oder Besserung in einem kurativ-therapeutischen Sinne eingewirkt werden. Vielmehr bleibt der durch psychische Erkrankungen bedingte regelwidrige psychopathologische Zustand als solcher trotz Einsatzes des Hilfsmittels Assistenzhund im Wesentlichen unverändert, wenn auch der Umgang mit dem Hund ggf positive Effekte auf den Gesundheitszustand der Klägerin haben mag (zB Beruhigung, Stressregulierung). Der Einsatz des Assistenzhundes soll hauptsächlich die aus der psychischen Erkrankung resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen (zB dissoziative Orientierungsstörung, Antriebsstörung, Angst, Kontaktstörung) ausgleichen, um der Klägerin wieder eine zumindest weniger beeinträchtigte Teilhabe in der Gesellschaft zu ermöglichen. Der Assistenzhund soll der Klägerin ermöglichen, ihren Alltag trotz ihrer psychischen Erkrankung innerhäuslich und außerhäuslich zu bewältigen, insbesondere ihre Wohnung ohne Begleitperson selbstständig zu verlassen, einzukaufen, Ärzte aufzusuchen, Spaziergänge zu machen, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Das Hilfsmittel Assistenzhund setzt mithin vorrangig erst an den Folgen des regelwidrigen Körper- oder Geisteszustands an und dient nicht dessen Behandlung oder gar Wiederherstellung. Kurativ-therapeutisch wird die Klägerin medikamentös, psychotherapeutisch und fachärztlich (neurologisch, psychiatrisch) behandelt. Der Einsatz eines Therapiehundes im Rahmen einer ärztlich verantworteten Krankenbehandlung (vgl dazu zB BSG 08.08.2019, B 3 KR 21/18 R, KrV 2020, 34) bzw als Teil eines ärztlich verordneten Therapiekonzepts (BSG 07.05.2020, B 3 KR 7/19 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 54) ist weder bisher erfolgt noch geplant (vgl im Übrigen zum Erfordernis einer positiven Bewertung einer neuen Behandlungsmethode durch den GBA auch im Bereich der Hilfsmittelversorgung zB BSG 11.05.2017, B 3 KR 17/16 R, USK 2017-43). Dies alles entnimmt der Senat den im Klage- und Berufungsverfahren vorgelegten bzw eingeholten Stellungnahmen der R1, E1 und der F.

Mithin kommt als Anspruchsgrundlage für das Erstattungsbegehren allein § 18 SGB IX in Betracht. Diese Regelung lautet:
„(1) Kann über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Antragseingang bei dem leistenden Rehabilitationsträger entschieden werden, teilt er den Leistungsberechtigten vor Ablauf der Frist die Gründe hierfür schriftlich mit (begründete Mitteilung).
(2) In der begründeten Mitteilung ist auf den Tag genau zu bestimmen, bis wann über den Antrag entschieden wird. In der begründeten Mitteilung kann der leistende Rehabilitationsträger die Frist von zwei Monaten nach Absatz 1 nur in folgendem Umfang verlängern:
1. um bis zu zwei Wochen zur Beauftragung eines Sachverständigen für die Begutachtung infolge einer nachweislich beschränkten Verfügbarkeit geeigneter Sachverständiger,
2. um bis zu vier Wochen, soweit von dem Sachverständigen die Notwendigkeit für einen solchen Zeitraum der Begutachtung schriftlich bestätigt wurde und
3. für die Dauer einer fehlenden Mitwirkung der Leistungsberechtigten, wenn und soweit den Leistungsberechtigten nach § 66 Absatz 3 des Ersten Buches schriftlich eine angemessene Frist zur Mitwirkung gesetzt wurde.
(3) Erfolgt keine begründete Mitteilung, gilt die beantragte Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Die beantragte Leistung gilt auch dann als genehmigt, wenn der in der Mitteilung bestimmte Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag ohne weitere begründete Mitteilung des Rehabilitationsträgers abgelaufen ist.
(4) Beschaffen sich Leistungsberechtigte eine als genehmigt geltende Leistung selbst, ist der leistende Rehabilitationsträger zur Erstattung der Aufwendungen für selbstbeschaffte Leistungen verpflichtet. Mit der Erstattung gilt der Anspruch der Leistungsberechtigten auf die Erbringung der selbstbeschafften Leistungen zur Teilhabe als erfüllt. Der Erstattungsanspruch umfasst auch die Zahlung von Abschlägen im Umfang fälliger Zahlungsverpflichtungen für selbstbeschaffte Leistungen.
(5) Die Erstattungspflicht besteht nicht,
1. wenn und soweit kein Anspruch auf Bewilligung der selbstbeschafften Leistungen bestanden hätte und
2. die Leistungsberechtigten dies wussten oder infolge grober Außerachtlassung der allgemeinen Sorgfalt nicht wussten.
(6) Konnte der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Leistungsberechtigten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese vom Rehabilitationsträger in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Anspruch auf Erstattung richtet sich gegen den Rehabilitationsträger, der zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung über den Antrag entschieden hat. Lag zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung noch keine Entscheidung vor, richtet sich der Anspruch gegen den leistenden Rehabilitationsträger.“

Ein Erstattungsanspruch nach § 18 Abs 4 und 5 SGB IX besteht nicht, weil die beantragte Leistung nicht gemäß § 18 Abs 3 SGB IX als genehmigt gilt. Die Beklagte hat innerhalb der Entscheidungsfrist des § 18 Abs 1 SGB IX über den Antrag der Klägerin auf Versorgung mit einem Assistenzhund entschieden. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Klägerin bei der Beklagten am 06.04.2018 einen (Rehabilitations-)Antrag auf Versorgung mit einem Assistenzhund gestellt hat. 

Ein Antrag ist eine empfangsbedürftige einseitige Willenserklärung, die nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>) und dem Meistbegünstigungsgrundsatz auszulegen ist (zB Ulrich in jurisPK-SGB IX, 3. Auflage 2018, Stand 27.12.2022, § 14 SGB IX Rn 48). Der Antrag ist an keine Form gebunden (vgl § 9 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch <SGBX>). Inhaltlich muss dieser auf eine bestimmte Teilhabeleistung zielen. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt (§ 19 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch <SGB IV>). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V), und zwar nach Maßgabe des § 33 SGB V. Bei einem erstmalig entstehenden Versorgungsbedarf - wie vorliegend - ist eine vertragsärztliche Verordnung des Hilfsmittels erforderlich (§ 33 Abs 5a; ferner § 73 Abs 2 Nr 7 SGB V). Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 Satz 1 SGB V) zu erbringen.

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe beinhaltet erst das Antragsschreiben der Klägerin vom 06.04.2018 betreffend „die Kosten für die Anschaffung, Ausbildung und Unterhalt für einen PTBS-Assistenzhund“, dem die vertragsärztliche Verordnung sowie ein Kostenvoranschlag beigefügt waren (Eingang bei der Beklagten am 06.04.2018), einen Rehabilitationsantrag. Die Vorsprache der Klägerin in dem persönlichen Beratungsgespräch am 25.01.2018 (vgl Einladungsschreiben Bl 134 der SG-Akten) bei der Mitarbeiterin des „CompetenceCenter Soziale Dienste“ der Beklagten, Sozialpädagogin R, stellt dagegen (noch) keinen Teilhabeantrag dar. Die Klägerin hat eingestanden, dass sie sich im Rahmen dieses Beratungsgespräches über eine Kostenübernahme eines Assistenzhundes informieren wollte und durch Frau R nach Rücksprache die Information erhalten hat, dass die Beklagte die Kosten für Assistenzhunde nicht übernehmen und einen Antrag - so er denn gestellt würde - ablehnen „würde“. Damit beinhaltet dieses Gespräch weder einen Antrag auf Versorgung mit einem Assistenzhund noch eine Ablehnung eines Antrages, sondern eine Beratung bzw Auskunft iSd §§ 14, 15 SGB I. Wie sich aus dem nachfolgenden E-Mail-Verkehr zwischen der Klägerin und Frau R ergibt, hat Frau R über alternative Finanzierungsmöglichkeiten für einen Assistenzhund unverbindlich informiert. Zudem hat sie mit E-Mail vom 27.02.2018 (Bl 114 der SG-Akten) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie ohne einen Antrag keine Ablehnung erteilen dürfe und sie für eine Entscheidung über einen Antrag zudem gar nicht zuständig wäre. Auch mit E-Mail vom 27.03.2018 (Bl 124 der SG-Akten) hat sie darauf hingewiesen, dass für eine (schriftliche) Ablehnung ein (schriftlicher) Antrag bei der Beklagten erforderlich sei, und eine Antragsvorlage an die Klägerin übersandt. Daraus entnimmt der Senat, dass sich die Beteiligten seinerzeit noch in einem (unverbindlichen) Beratungs- und Auskunftsverfahren befanden. Die vertragsärztliche Verordnung eines Assistenzhundes wurde am 20.03.2018 ausgestellt. Das Antragsschreiben der Klägerin vom 06.04.2018 betreffend „die Kosten für die Anschaffung, Ausbildung und Unterhalt für einen PTBS-Assistenzhund“, dem die vertragsärztliche Verordnung sowie ein Kostenvoranschlag beigefügt waren, ging am 06.04.2018 bei der Beklagten ein. Nachdem die Beklagte mit Ablehnungsbescheid vom 17.05.2018 über den Antrag vom 06.04.2018 entschieden hat, hat sie die Entscheidungsfrist des § 18 Abs 1 SGB IX eingehalten.

Auch steht der Klägerin gegen die Beklagte kein Kostenerstattungsanspruch nach § 18 Abs 6 SGB IX zu. Denn bei der Versorgung mit einem Assistenzhund handelt es sich um keine unaufschiebbare Leistung. Auch fehlt es an der Kausalität zwischen der Leistungsablehnung durch die Beklagte und den der Klägerin entstandenen Kosten. Schließlich hat die Beklagte die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt.

Es lag keine unaufschiebbare Leistung vor. Ob Unaufschiebbarkeit vorliegt, ist nach dem medizinisch und rehabilitationswissenschaftlich zu beurteilenden objektiven Bedarf zu bestimmen. Dem Betroffenen darf es nicht möglich oder zumutbar sein, vor der Beschaffung der begehrten Leistung die Entscheidung des Rehabilitationsträgers abzuwarten. Bis zur Entscheidung darf also zum Zeitpunkt der tatsächlichen Ausführung der Leistung keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestehen (Ulrich in jurisPK-SGB IX, 3. Auflage, Stand 27.12.2022, § 18 SGB IX Rn 53). Bei medizinischen Leistungen sind im Wesentlichen nur echte Eilfälle iS eines zur Lebenserhaltung notwendigen akuten Behandlungsbedarfs und vergleichbar dringende Bedarfslagen erfasst (Ulrich in jurisPK-SGB IX, 3. Auflage, Stand: 27.12.2022, § 18 SGB IX Rn 54; ferner zB Senatsurteil vom 22.02.2022, L 11 KR 881/21, BeckRS 2022, 4720 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des BSG zur Parallelvorschrift des § 13 Abs 3 SGB V). Eine solche Dringlichkeit lag nicht vor. Dies macht die Klägerin auch ausdrücklich nicht (mehr) geltend (Bl 96 der SG-Akten). Vielmehr war es der Klägerin auch im Hinblick auf die deutlichen behinderungsbedingten Teilhabeeinschränkungen zumutbar, vor dem Kauf des Hundes im März 2018 sowie dem anschließenden Beginn des Trainings mit Welpengruppe, Erstberatung, Hausbesuch und den ersten Trainingsstunden (vgl Rechnungen vom 06.04.2018 der Hundeschule S3 <Blatt 36 der SG-Akten> sowie vom 06.06.2018 des Deutschen Assistenzhunde-Zentrums D1 < Blatt 41 der SG-Akten>) zunächst eine Entscheidung der Beklagten abzuwarten.

Ein Kostenerstattungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 18 Abs 6 Satz 1, 2. Alt SGB IX. Danach sind die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung, soweit die Leistung notwendig war, zu erstatten, wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch der Leistungsberechtigten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Eine Ablehnung „zu Unrecht“ liegt nur vor, wenn ein entsprechender Sach- oder Dienstleistungsanspruch auf die beschaffte Leistung besteht. Denn ein Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als eine Teilhabe-Leistung, die die Rehabilitationsträger systemkonform allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG 07.05.2020, B 3 KR 7/19 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 54; BSG 07.05.2013, B 1 KR 53/12 R, USK 2013-67; vgl ferner zum Erstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V zB BSG 24.09.1996, 1 RK 33/95, BSGE 79, 125; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190; BSG 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, BSGE 98, 26 (vgl BSG 17.12.2019, B 1 KR 18/19 R, Rn 8 - juris). Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ist somit, dass der selbstbeschaffte Hund nebst Ausbildungs- und Unterhaltskosten zu den Leistungen gehört, welche die Rehabilitationsträger als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben, und dass die Beklagte ihren Antrag auf Versorgung mit dem Hilfsmittel „Assistenzhund“ zuvor zu Unrecht abgelehnt hat, somit Kausalität zwischen Ablehnung und Selbstbeschaffung vorliegt.

Beide Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zum einen fehlt es bereits an einem vorherigen Antrag auf Versorgung mit einem Assistenzhund und damit an der fehlenden Kausalität zwischen Antragsablehnung und Selbstbeschaffung. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG muss die Kostenbelastung der Leistungsberechtigten wesentlich auf der Leistungsversagung des Rehabilitationsträgers beruhen (vgl zB etwa BSG 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, BSGE 113, 40). Hieran fehlt es, wenn dieser vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre, oder wenn die Leistungsberechtigte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (BSG 24.04.2018, B 1 KR 29/17 R, SozR 4-2500 § 2 Nr 11; BSG 02.07.2015, B 3 KR 3/15 RH, Rn 9, juris; BSG 22.04.2015, B 3 KR 3/14 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 45; BSG 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, BSGE 113, 40; BSG 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R, BSGE 105, 170; BSG 16.12.2008, B 1 KR 2/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 20). Mögliche Anhaltspunkte für eine Vorfestlegung kann etwa das Eingehen eines Verpflichtungsgeschäfts oder das Verhalten der Leistungsberechtigten bei der Antragstellung sein. Unschädlich sind dagegen Auswahlentscheidungen, die die Leistungsberechtigte nicht endgültig binden und die regelmäßig Voraussetzung für den Leistungsantrag sind. Eine vorherige Antragstellung ist auch dann erforderlich, wenn mit der Versagung der Leistung durch den Leistungsträger zu rechnen ist (Schifferdecker in BeckOGK, Stand 01.05.2022, § 13 SGB V Rn 94 mwN).

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin bereits vor Antragstellung bei der Beklagten am 06.04.2018 auf den von ihr am 23.03.2018 erworbenen Hund D und dessen Ausbildung festgelegt war. Dies folgt daraus, dass sie den Hund bei einem Züchter am 23.03.2018 rechtsverbindlich gekauft und an ihm Eigentum erworben hat (schuldrechtlicher Kaufvertrag und dingliches Erfüllungsgeschäft). Sie hat sich mit der Auswahl des Hundewelpen endgültig gebunden. Denn in dem Kaufvertrag übernahm der Verkäufer keinerlei Gewähr für dessen künftige Beschaffenheit und schloss jegliche Gewährleistung aus. Vielmehr wies er darauf hin, dass der Welpe sich in der Wachstumsphase befindet, ständigen Veränderungen unterworfen ist und sich zukünftige Umstände wesentlich auf seinen Zustand, Charakter und sein Befinden auswirken. Ein Umtausch bzw eine Rückgabe des Hundes je nach Eignung und Entwicklung war damit ausgeschlossen. Durch die endgültige Festlegung auf den Hund D hat sich die Klägerin des Weiteren für eine Selbstausbildung dieses Hundes und damit auch gegen die Versorgung mit einem ausgebildeten Assistenzhund, wie es der Versorgungsrealität bei Blindenführhunden entspricht (vgl Hilfsmittelverzeichnis <HVM> Positionsnummer 07.99.09), entschieden. Denn mit dem Erwerb des unausgebildeten Welpen war zwingend verbunden, dass im Anschluss mit dessen Ausbildung zu einem Assistenzhund begonnen werden musste. Der Erwerb des unausgebildeten Welpen und die Ausbildung zu einem Assistenzhund bilden dabei einen einheitlichen und zusammenhängenden Komplex (vgl BSG 19.06.2001, B 1 KR 23/00 R, SozR 3-2500 § 28 Nr 6; BSG 22.03.2005, B 1 KR 3/04 R, USK 2005-68), weil der Hund nur durch eine Ausbildung überhaupt die für einen Assistenzhund unabdingbaren Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben kann. Ein unausgebildeter Hund kommt von vornherein nicht als Hilfsmittel in Betracht. Mit dem eigenmächtigen Erwerb des Hundes waren die weiteren Schritte quasi bereits endgültig vorgezeichnet und festgelegt. Die nachträglich getroffene Entscheidung der Beklagten vom 17.05.2018 war nicht mehr geeignet, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen. Dass die Klägerin nach der erteilten Auskunft und Beratung durch Frau R im Falle ihrer Antragstellung mit einer Ablehnung der Beklagten rechnen musste, führt nicht dazu, dass sie ohne vorherige Antragstellung sich den Hund selbst beschaffen durfte. Denn es ist Aufgabe der Krankenkasse bzw des Leistungsträgers, nach den rechtlichen Rahmenbedingungen sowie unter Berücksichtigung der vorhandenen Versorgungsstrukturen über die Versorgung mit einem Hilfsmittel zu entscheiden, vorliegend auch über Qualitätsanforderungen eines Assistenzhundes.

Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Die Kostenerstattung setzt voraus, dass die selbst beschaffte Teilhabe-Leistung zu den Leistungen gehört, die die Rehabilitationsträger systemkonform allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG 07.05.2020, B 3 KR 7/19 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 54; BSG 07.05.2013, B 1 KR 53/12 R, USK 2013-67; vgl ferner zum Erstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V zB BSG 24.09.1996, 1 RK 33/95, BSGE 79, 125; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190; BSG 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, BSGE 98, 26). Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ist somit, dass der selbstbeschaffte Hund sowie die Leistungen (insbesondere Ausbildung) zu den Leistungen gehören, welche die Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Versorgungsanspruchs mit dem Hilfsmittel kommt § 33 Abs 1 Satz 1, Variante 3 SGB V in Betracht; Variante 2 scheidet aus, weil die Behinderung schon eingetreten ist. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Der Anspruch auf Versorgung besteht im Hinblick auf die „Erforderlichkeit im Einzelfall“ nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüberhinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen.

Dem geltend gemachten Anspruch auf einen Assistenzhund steht grundsätzlich nicht entgegen, dass dieser - im Gegensatz zum Blindenführhund (Positionsnummer 07.99.09) - nicht im Hilfsmittelverzeichnis (HVM) der gesetzlichen Krankenversicherung aufgeführt ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG beinhaltet das HMV keine abschließende, die Leistungspflicht der Kranken- und Pflegekassen im Sinne einer „Positivliste“ beschränkende Regelung (zB BSG 24.01.2013, B 3 KR 22/11 R, BSGE 113, 33). Es handelt sich vielmehr um eine reine Auslegungs- und Orientierungshilfe für die medizinische Praxis und hat für die Gerichte nur die Qualität einer unverbindlichen Auslegungshilfe. Einerseits steht deshalb dem Leistungsbegehren einer Versicherten nicht entgegen, dass ein von ihr beanspruchtes Hilfsmittel (noch) nicht im HMV eingetragen ist. Andererseits vermag aus diesem Grund umgekehrt allein die Aufnahme eines Gegenstands in das HMV den Leistungsanspruch einer Versicherten nicht zu stützen, wenn sich die Aufnahmeentscheidung gemessen an den Voraussetzungen des § 33 SGB V als fehlerhaft darstellt. Anspruch auf Versorgung hat eine Versicherte ungeachtet der Fassung des HMV nur, wenn die beanspruchte Hilfe tatsächlich als Hilfsmittel iSd § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V zu qualifizieren ist. Ein unter Beachtung des Bedarfs eines Menschen mit Behinderungen speziell ausgebildeter Hund, der aufgrund seiner Fähigkeiten und erlernten Assistenzleistungen dazu bestimmt ist, diesem Menschen die selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, zu erleichtern oder behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen, stellt grundsätzlich ein Hilfsmittel iSd § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V und keinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens dar (vgl LSG Niedersachen-Bremen 18.02.2020, L 16 KR 253/18, ZFSH/SG 2020, 295 mwN).

Bei dem streitigen Hund handelt es sich aber um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Die Einordnung als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens hängt davon ab, ob ein Gegenstand seiner Konzeption nach den Zwecken des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V dienen soll oder - falls dies nicht so ist - den Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen jedenfalls besonders entgegenkommt und von körperlich nicht beeinträchtigten Menschen praktisch nicht genutzt wird (vgl zB BSG 22.04.2015, B KR 3/14 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 45; BSG 07.10.2010, B 3 KR 5/10 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 32). Die Krankenversicherung deckt nur den Sonderbedarf von Kranken und behinderten Menschen. Hingegen ist ein Gegenstand, mag er auch Kranken und/oder behinderten Menschen in hohem Maße helfen, nicht als Hilfsmittel der Krankenversicherung zu gewähren, wenn er bereits von seiner Konzeption her nicht vorwiegend für Kranke und/oder behinderte Menschen gedacht ist (BSG 24.09.2002, B 3 P 125/01 R, Rn 14 - juris). Abzustellen ist für die Unterscheidung nach der Rechtsprechung des BSG auf die Zweckbestimmung des Gegenstandes, die einerseits aus der Sicht der Hersteller, andererseits aus der Sicht der tatsächlichen Benutzer zu bestimmen ist: Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker und behinderter Menschen entwickelt und hergestellt worden sind und die ausschließlich oder ganz überwiegend auch von diesem Personenkreis benutzt werden, sind danach nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen, selbst wenn sie, wie zB Brillen oder Hörgeräte, millionenfach verbreitet sind; umgekehrt ist ein Gegenstand auch bei geringer Verbreitung in der Bevölkerung und trotz eines hohen Verkaufspreises nach der Rechtsprechung als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens einzustufen, wenn er schon von der Konzeption her nicht vorwiegend für Kranke und behinderte Menschen gedacht ist. Handelt es sich hingegen um einen Gegenstand, der zwar allgemein als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens angesehen wird, in seiner konkret zu beurteilenden Form und Gestaltung aber so erheblich von diesem abweicht, weil er für die Zwecke behinderter Menschen weiterentwickelt oder umgewandelt und deshalb nicht mehr ebenso benutzbar ist wie im Alltag nicht behinderter Menschen, dann liegt ein Hilfsmittel vor (BSG 15.11.2007, B 3 P 9/06 R, SozR 4-3300 § 40 Nr 7). Übertragen auf einen Hund ist entscheidend, dass dieser spezifisch auf die Bedürfnisse eines behinderten Menschen ausgebildet ist und aufgrund seiner erlernten Fähigkeiten und Assistenzleistungen dazu bestimmt ist, dem behinderten Menschen die selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, zu erleichtern oder behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen. Ein so ausgebildeter Hund ist auf die besonderen Bedürfnisse erkrankter oder behinderter Menschen ausgerichtet und konzipiert. Ein solcher Hund wird von gesunden Menschen nicht benötigt und regelmäßig auch nicht in Anspruch genommen (vgl Titz, SGb 2020, 409/410 mwN). 

Der streitige Hund D war und ist jedoch kein auf die spezifischen behinderungsbedingten Bedürfnisse der Klägerin ausgebildeter Assistenzhund. Der Hund wurde im Januar 2018 geboren. Die Klägerin erwarb ihn im März 2018 als Welpen von einem „gewöhnlichen“ Züchter der Hunderasse Retriever. Der Züchter wies ausdrücklich darauf hin, dass sich der Welpe noch in der Wachstumsphase befindet und ständigen Veränderungen unterworfen ist sowie die zukünftige Erziehung und Haltung sich auf dessen Charakter und Eigenschaften auswirken wird (undatierter Kaufvertrag, Bl 42 der SG-Akten). Im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung im März 2018 und Antragstellung im April 2018 sowie der Entscheidung der Beklagten im Mai 2018 verfügte der Hund D über keinerlei auf die Behinderung der Klägerin zugeschnittene spezifische Fertigkeiten, ihr die selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, zu erleichtern oder behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen. Die Klägerin selbst hat eingestanden, dass nur sehr wenige Hunde für eine Ausbildung zu einem Assistenzhund geeignet sind und diese besondere Eigenschaften aufweisen müssen (Schreiben vom 23.03.2020, Bl 96, 98 der SG-Akten; Schreiben vom 14.04.2021, Bl 107 f der LSG-Akten). Im Hinblick auf die Problematik, dass nicht jeder Hund für eine Ausbildung als Assistenzhund geeignet ist, werden zur Sicherstellung der Qualitätsanforderungen bei Blindenführhunden ua zu Beginn der Ausbildung ein Mindestalter von 15 Monaten, bestimmte Charaktereigenschaften für gesunde Junghunde (friedfertig, intelligent, wesensfest, nervenstark, belastbar, gut sozialisiert, hohe Frustrationstoleranzgrenze, geringe emotionale Erregbarkeit, wenig territoriale, nicht sozial expansive, kaum jagdlich interessierte Hunde), ein tierärztlicher Eignungs- und Gesundheitsnachweis und ein Wesenstest verlangt (vgl Nr 07.99.09 HMV). Unabhängig von der Frage, ob diese Anforderungen an einen Blindenführhund vollständig auf einen PTBS-Assistenzhund übertragen werden können, so ist im Hinblick auf die erheblichen Kosten für Anschaffung und Ausbildung eines Assistenzhundes jedenfalls erforderlich, dass vor der verbindlichen Auswahl des Hundes und vor Beginn seiner Ausbildung dessen charakterliche und gesundheitliche Eignung nachgewiesen sein muss (vgl auch § 12l Nr 1 BGG). Der von der Klägerin erworbene Hund erfüllte die Voraussetzungen für einen Assistenzhund nicht und dieser kann die besonderen spezifischen Fähigkeiten auch nicht mehr erwerben, weil seine Ausbildung abgebrochen wurde und nicht mehr aufgenommen werden kann. Dies entnimmt der Senat den Angaben der Klägerin und den eingereichten Unterlagen. Die charakterliche und gesundheitliche Eignung des erworbenen Hundes wurde nicht nachgewiesen, weder durch eine tierärztliche Bescheinigung oder die Bestätigung eines „Gespannprüfers“. Weiterhin wurde die im Frühjahr 2018 begonnene Ausbildung im Deutschen-Assistenzhunde-Zentrum D1 im Februar 2019 abgebrochen. Dazu hat die Klägerin neben Problemen mit der Anfahrt darauf verwiesen, dass der gekaufte Hund sich nicht wie erhofft entwickelt hat (Schreiben vom 23.03.2020, Bl 98 der SG-Akten). Auch aus ihrer Sicht war unklar und zweifelhaft, ob die Ausbildung überhaupt erfolgreich fortgeführt werden kann. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 09.09.2020 hat die Klägerin nochmals betont, dass sie die Ausbildung des Hundes abbrechen musste und die Eignung des Hundes fraglich ist. Sie hat insbesondere eingestanden, dass dieser ihre dissoziativen Zustände nicht erkennt. Gerade aber die häufig auftretenden dissoziativen Zustände mit Auswirkungen auf die Orientierung stehen aus Sicht der Klägerin und ihren Ärztinnen im Vordergrund (Schreiben der Klägerin vom 14.04.2021, Bl 109 f der Senatsakten). Kann der Hund aber gerade in diesem Bereich nicht helfen, so fehlen ihm die auf die spezifischen Bedürfnisse der Klägerin zugeschnittenen Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Erbringung der erforderlichen Assistenzleistungen. Schließlich spricht gegen eine charakterliche Eignung des Hundes für eine Ausbildung zu einem Assistenzhund, dass die Klägerin ausweislich der Rechnung der Hundeschule S3 vom 20.05.2019 einen Kurs „Hilfe für Leinenrambo & Co“ in Anspruch nehmen musste, ein deutliches Indiz, dass der Hund über grundlegende Charaktereigenschaften für einen Assistenzhund nicht verfügt. Damit fehlt es - bezogen auf den für den Erstattungsanspruch maßgeblichen Zeitpunkt der Selbstbeschaffung - am erforderlichen Nachweis für die charakterliche und gesundheitliche Eignung des erworbenen Hundes. Der weitere Verlauf belegt zudem, dass diese von Anfang an nicht vorhanden war und auch nicht mehr erworben werden kann.

Bezogen auf den konkret beschafften Hund D fehlt es unter diesen Umständen im vorliegenden Einzelfall zudem an der in Bezug auf den angestrebten Behinderungsausgleich unabdingbaren Erforderlichkeit (vgl zB Lungsreas in Becker/Kingreen, 8. Auflage 2022, § 33 Rn 9 ff; Nolte in BeckOGK, Stand 01.03.2021, § 33 SGB V Rn 17 ff, Pitz in jurisPK-SGB V, 4. Auflage 2020, Stand 05.01.2023, § 33 Rn 41 ff). Ziel des Einsatzes des PTBS-Assistenzhundes war und ist es, dass die Klägerin trotz ihrer psychischen Erkrankung mit depressiven Episoden, Angstzuständen, Zwängen, einer schweren Störung der Anpassungsfähigkeit, Flash Backs und dissoziativen Zuständen in die Lage versetzt wird, ihre Wohnung selbstständig zu verlassen und alltägliche Erledigungen wie Einkaufen, Arztbesuche, Spaziergänge und Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sicher zu bewältigen. Im Hinblick darauf, dass dissoziative Zustände mit Orientierungsstörungen bei der Klägerin häufig auftreten, muss ein Assistenzhund spezifisch auf solche Situationen ausgebildet sein und „Hilfestellung“ anbieten können. Dies ist aber - wie dargelegt - bei dem Hund der Klägerin nicht der Fall, sodass es bereits an der objektiven Erforderlichkeit fehlt.   

Auch nach Eingliederungshilferecht besteht kein Primäranspruch, weil die Versorgung mit dem konkret angeschafften Hund zur Erreichung der Teilhabeziele nicht erforderlich ist. Im Hinblick auf die mangels Weiterleitung des Rehabilitationsantrags nach § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX begründete umfassende Prüfungs- und ggf auch Leistungszuständigkeit der Beklagten als zuerst angegangene Leistungsträgerin hatte diese alle Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der Bedarfssituation der Klägerin rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind, insbesondere auch, ob der Assistenzhund zur sozialen Teilhabe dient und ob die Klägerin diese Vorteile nach ihren individuellen Fähigkeiten und der privaten Lebensgestaltung tatsächlich nutzen kann. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft iS von § 55 SGB IX (in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung <aF>) bzw die Leistungen zur sozialen Teilhabe iS von § 76 SGB IX (in der seit dem 01.10.2020 geltenden Fassung) haben die Aufgabe, dem behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, und schließen ausdrücklich subsidiär an die vorrangigen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation an. Deshalb gehören zu den Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft solche Hilfsmittel, die den Ausgleich einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bezwecken und daher zwar regelmäßig - ebenso wie die Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation - die Alltagsbewältigung betreffen, aber nicht mehr von der medizinischen Teilhabe umfasst sind. Es handelt sich dabei insbesondere um Hilfsmittel, die dem behinderten Menschen den Kontakt mit seiner Umwelt, nicht nur mit Familie und Nachbarschaft, sowie die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben ermöglichen (vgl § 76 Abs 1 und Abs 2 Nr 8, § 84 SGB IX; ferner zB BSG 07.05.2020, B 3 KR 7/19 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 54). Aber auch Leistungen zur sozialen Teilhabe nach § 76 SGB IX müssen im Einzelfall erforderlich sein (vgl dazu zB BSG 19.05.2022, B 8 SO 23/20 R, juris, Rn 17; BSG 11.09.2020, B 8 SO 22/18 R, SozR 4-3500 § 53 Nr 10); Luthe in jurisPK-SGB IX, 3. Auflage 2018, Stand 10.11.2022, § 76 Rn 15, 50). Daher ist die Versorgung mit dem hier streitigen Hund, der - wie dargelegt - nicht die spezifischen behinderungsbedingten Teilhabebedarfe der Klägerin „ausgleichen“ kann, nicht erforderlich.

Unter diesen Umständen und im Hinblick auf die Konkretisierung ihres Begehrens auf den Hund D kann der Senat offenlassen, ob ein auf die spezifischen behinderungsbedingten Erfordernisse der Klägerin ausgebildeter Assistenzhund ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich iSd neueren Rechtsprechung des BSG zu § 33 SGB V darstellt (vgl (BSG 10.09.2020, B 3 KR 15/19 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 55; BSG 07.05.2020, B 3 KR 7/19 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 54). Nach der Rechtsprechung des BSG ist von der Krankenkasse nur das Hilfsmittel zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mindert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Denn unter dem Oberbegriff der Rehabilitation als Leistungen zur Teilhabe in der Gesellschaft (vgl zB § 5 SGB IX) ist die medizinische Rehabilitation - in Abgrenzung zur beruflichen, sozialen und die Bildung betreffenden Rehabilitation - auf die Teilhabe am täglichen Leben, einschließlich der mit medizinischen Mitteln zu bewirkenden Selbstbestimmung und Selbstversorgung gerichtet. Zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören danach das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens. Zum körperlichen Freiraum gehört - zum Ausgleich bei eingeschränkter Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang „an die frische Luft zu kommen“ oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (zB Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Bei der Prüfung eines Anspruchs auf ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich darf das zu befriedigende Grundbedürfnis der Erschließung des Nahbereichs nicht zu eng gefasst werden in Bezug auf die Art und Weise, wie sich Versicherte den Nahbereich der Wohnung zumutbar und in angemessener Weise erschließen. Dies folgt unter Beachtung der Teilhabeziele des SGB IX (vgl § 11 Abs 2 Satz 3 SGB V), insbesondere die Selbstbestimmung der behinderten Menschen und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern (vgl § 1 Satz 1 SGB IX), aus dem verfassungsrechtlichen Benachteiligungsverbot des Art 3 Abs 3 Satz 2 GG als Grundrecht und objektive Wertentscheidung iVm dem Recht auf persönliche Mobilität nach Art 20 UN-BRK (BSG 07.05.2020, B 3 KR 7/19 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 54). Dem ist dadurch Rechnung zu tragen, dass im Rahmen des Behinderungsausgleichs zu prüfen ist, ob der Nahbereich ohne ein Hilfsmittel nicht in zumutbarer und angemessener Weise erschlossen werden kann und insbesondere durch welche Ausführung der Leistung diese Erschließung des Nahbereichs für einen behinderten Menschen durch ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich verbessert, vereinfacht oder erleichtert werden kann. Hinzu kommt ggf die Prüfung, ob eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität zur Wahrnehmung eines anderen Grundbedürfnisses notwendig ist. Dabei ist dem Wunsch- und Wahlrecht des behinderten Menschen (vgl § 8 Abs 1 Satz 1) volle Wirkung zu verschaffen. Dies bedeutet auch, dass die Leistung dem Leistungsberechtigten viel Raum zu eigenverantwortlicher Gestaltung der Lebensumstände lässt und die Selbstbestimmung fördert (vgl § 8 Abs 3 SGB IX) (BSG 07.05.2020, B 3 KR 7/19 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 54). Der Anspruch auf ein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung zum Behinderungsausgleich ist danach nicht von vornherein auf einen Basisausgleich im Sinne einer Minimalversorgung beschränkt. Vielmehr kommt ein Anspruch auf Versorgung im notwendigen Umfang bereits in Betracht, wenn das begehrte Hilfsmittel wesentlich dazu beiträgt oder zumindest maßgebliche Erleichterung verschafft, Versicherten auch nur den Nahbereich im Umfeld der Wohnung in zumutbarer und angemessener Weise zu erschließen (BSG 07.05.2020, B 3 KR 7/19 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 54). Im Falle eines neuen Antrages der Klägerin auf Versorgung mit einem PTBS-Assistenzhund in der Zukunft hätte der leistende Rehabilitationsträger iSd § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX - ggf nach Einschaltung weiterer Rehabilitationsträger (§ 15 Abs 2 SGB IX) und in Abstimmung mit diesen (§ 19 SGB IX) - den Rehabilitationsbedarf der Klägerin umfassend anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 SGB IX und unverzüglich festzustellen sowie im Hinblick auf die von der Klägerin eindrücklich geschilderten sowie von ihren behandelnden Fachärztinnen im Einzelnen dargelegten gravierenden behinderungsbedingten Teilhabeeinschränkungen unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts der Klägerin die erforderlichen Teilhabeleistungen zu bewilligen. Der Verweis des MDK (Stellungnahme vom 03.08.2018) auf psychotherapeutische Maßnahmen sowie eine psychiatrische, ggf teilstationäre oder stationäre Behandlung dürfte dabei deutlich zu kurz greifen (vgl BSG 07.05.2020, B 3 KR 7/19 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 54) und nicht ansatzweise den Rehabilitationsbedarf der Klägerin sowie den bisherigen Behandlungsverlauf sowie die aktuelle Behandlungssituation erfassen. Auch der Umstand, dass ein PTBS-Assistenzhund neben der Erschließung des Nahbereichs auch Freizeitinteressen dienen kann, dürfte nicht bereits die Erforderlichkeit des Hilfsmittels zur Befriedigung des Grundbedürfnisses nach Mobilität ausschließen (BSG 07.05.2020, B 3 KR 7/19 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 54). Soweit ein PTBS-Assistenzhund auch Auswirkungen auf die soziale Teilhabe hätte, wären auch die vom Träger der Eingliederungshilfe erbrachten Assistenzleistungen des ABW in den Blick zu nehmen, zu überprüfen und ggf eine Kostenbeteiligung des beigeladenen Eingliederungshilfeträgers in Betracht zu ziehen (vgl BSG 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, BSGE 113, 40).

Der entscheidungserhebliche Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat war nicht verpflichtet, entsprechend den Anträgen der Klägerin Ziffer 2 und 3 in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ein medizinisches Sachverständigengutachten zu den „medizinischen Voraussetzungen … der Kostenübernahme für einen Assistenzhund“ und ein Sachverständigengutachten „zur Frage der Eignung des Hundes D“ einzuholen. Unabhängig von der Frage, ob diese Anträge überhaupt hinreichend bestimmt sind, kommt es für die Entscheidung des Senats auf diese Beweisthemen nicht an. Der geltend gemachte Erstattungs- und Leistungsanspruch scheitert an dem nicht eingehaltenen Beschaffungsweg sowie der fehlenden Hilfsmitteleigenschaft des angeschafften Hundes, sodass die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zu den Gesundheitsstörungen und Behinderungen der Klägerin nicht erforderlich war. Auch bedurfte es keiner Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der (aktuellen) Eignung des Hundes D, weil der streitige Anspruch der Klägerin schon an dem nicht eingehaltenen Beschaffungsweg sowie dem - bezogen auf den maßgleichen Zeitpunkt der Selbstschaffung im März 2018 - fehlenden Nachweis für die charakterliche und gesundheitliche Eignung des erworbenen Hundes gescheitert ist. Eine sachverständige Begutachtung des aktuellen Zustandes im Jahr 2023 kann diesen Nachweis nicht ersetzen. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

 

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