1. Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist nicht dadurch vorgeprägt, dass die Tätigkeit einer aus- bzw. weitergebildeten Dentalhygienikerin als sog. „arztähnliche Leistung“ der ärztlichen Leistung umsatzsteuerrechtlich gleichgestellt wird. Das Sozialversicherungsrecht kennt keinen dem steuerrechtlichen Begriff entsprechenden Begriff einer der ärztlichen Tätigkeit „ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit“.
2. Bei der nach § 7 SGB IV vorzunehmenden Gewichtung der Indizien ist zu berücksichtigen, dass die Leistungen der Prophylaxe und Dentalhygiene, die in einer zahnärztlichen Praxis im Namen und für die Rechnung der Zahnärzte und -ärztinnen Patienten und Patientinnen gegenüber erbracht werden, ärztliche Leistungen sind, deren Erbringung einem speziellen öffentlich-rechtlichen Rechtsregime unterliegt. Für eine selbstständige Tätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne müssen vor diesem regulatorischen Hintergrund gewichtige Indizien bestehen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichtes Berlin vom 19. Februar 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Beklagte 14 Prozent und der Kläger 86 Prozent. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen selbst.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Betriebsprüfungsbescheides, mit dem die Beklagte dem Kläger gegenüber für den Zeitraum vom 1. November 2010 bis zum 31. Dezember 2015 Beiträge zur Sozialversicherung und Umlagebeträge zur U1 und U2 für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 in der Zahnarztpraxis des Klägers in Höhe von zuletzt 40.739,80 Euro festgesetzt hat.
Der Kläger, ein Fachzahnarzt für Kieferorthopädie, betrieb bis zum 31. Dezember 2015 eine kieferorthopädische Praxis in Berlin. Zum 1. Januar 2016 übergab er seine Praxis an eine Praxisnachfolgerin.
Die Beigeladene zu 1 war nach eigenen Angaben seit Februar 2007 als Dentalhygienikerin in der Zahnprophylaxe im Rahmen von Auftragsverhältnissen/Honorarverträgen zunächst in zwei verschiedenen anderen Zahnarztpraxen tätig. Mit Bescheid vom 29. Januar 2007 bewilligte ihr die Bundesagentur für Arbeit (BA) zur Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis zum 31. Oktober 2007 einen Gründungszuschuss in Höhe von monatlich 1.041,90 Euro. Die Beigeladene zu 1 war bis zum 29. Februar 2008 versichertes Mitglied der Techniker Krankenkasse (TK). Sie ist seither privat krankenversichert.
Die Beigeladene zu 1 und der Kläger schlossen am 25. September 2010 einen teilweise handschriftlich ergänzten, im Übrigen vorgefertigten „Vertrag über freie Mitarbeit“, wonach die Beigeladene zu 1 ab dem 6. Oktober 2010 Aufgaben der Abrechnung und Prophylaxe übernehmen sollte. Der Kläger beschäftigte zu diesem Zeitpunkt keine Mitarbeiterinnen zur Zahnprophylaxebehandlung. Er schloss den Vertrag, damit seine Patienten und Patientinnen eine solche Behandlung bekommen konnten.
Der Vertrag hat folgenden (wörtlich wiedergegebenen) Inhalt:
§ 1 Tätigkeit ZMV – Abrechnung
Frau [Beigeladene zu 1] wird ab dem 6. Oktober 2010 Aufgaben der Abrechnung und Prophylaxe übernehmen.
§ 2 Weisungsfreiheit
Der Mitarbeiter unterliegt bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeiten keinen Weisungen des Auftraggebers. Gegenüber den anderen Angestellten der Firma hat der freie Mitarbeiter keine Weisungsbefugnis.
§ 3 Arbeitsaufwand/Betriebliche Anwesenheit
Art und Umfang der dem freien Mitarbeiter nach § 1 übertragenen Aufgaben machen eine betriebliche Anwesenheit von ca. 17 Stunden pro Woche erforderlich.
§ 4 Arbeitszeit/Konkurrenz/Verschwiegenheit
Im Übrigen unterliegt der freie Mitarbeiter in der Ausgestaltung seiner Arbeitszeit keinen Einschränkungen. Der freie Mitarbeiter darf auch für andere Auftraggeber tätig sein, mit Ausnahme unmittelbarer Konkurrenzfirmen. Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, über ihm im Rahmen seiner Tätigkeit bekannt gewordene betriebliche Interna, insbesondere Geschäftsgeheimnisse, Stillschweigen zu bewahren.
§ 5 Vergütung
Als Vergütung wird ein monatliches Pauschalhonorar von ca. 500,- vereinbart. Grundlage für dieses Honorar ist ein durchschnittlicher Zeitaufwand ca 55std. im Monat. Wird dieser Zeitaufwand durch die Übernahme zusätzlicher Aufgaben nachweislich überschritten, erhält der freie Mitarbeiter für jede Arbeitsstunde ein Honorar von EUR. Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, zusätzlich geleistete Arbeitsstunden innerhalb von 4 Wochen nach Anfall bzw. zum Monatsende abzurechnen.
§ 6 Sonstige Ansprüche/Versteuerung
Mit der Zahlung der in § 5 vereinbarten Vergütung sind alle Ansprüche des freien Mitarbeiters gegen den Auftraggeber aus diesem Vertrag erfüllt. Für die Versteuerung der Vergütung hat der freie Mitarbeiter selbst zu sorgen.
§ 7 Fälligkeit
Das vereinbarte Pauschalhonorar wird jeweils zum Monatsanfang fällig. Die Auszahlung erfolgt unbar. Der freie Mitarbeiter wird innerhalb von 14 Tagen nach Beginn des freien Mitarbeiterverhältnisses dem Auftraggeber ein Konto benennen, auf das das Honorar angewiesen werden kann.
§ 8 Ausschlussklausel
Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis und solche, die mit diesem Vertrag in Verbindung stehen, sind innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit, spätestens jedoch innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind verfallen. Der Ausschluss gilt nicht, soweit ein Anspruch auf der Haftung wegen Vorsatzes beruht.
§ 9 Kündigung
Die Kündigung des Vertrags ist spätestens am 15. eines Monats für den Schluss des Kalendermonats zulässig. [9]
§ 10 Sonstiges
Von der Möglichkeit des Abschlusses eines Anstellungsvertrags ist in Anwendung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit bewusst kein Gebrauch gemacht worden. Eine Umgehung arbeitsrechtlicher oder arbeitsgesetzlicher Schutzvorschriften ist nicht beabsichtigt. Dem freien Mitarbeiter soll vielmehr die volle Entscheidungsfreiheit bei der Verwertung seiner Arbeitskraft belassen werden. Eine über den Umfang dieser Vereinbarung hinausgehende persönliche, wirtschaftliche oder soziale Abhängigkeit wird nicht begründet. [10]
§ 11 Nebenabreden
Nebenabreden und Änderungen des Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dieses Formerfordernis kann weder mündlich noch stillschweigend aufgehoben oder außer Kraft gesetzt werden. Die etwaige Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestimmungen berührt die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht.
Der Vertrag enthielt den handschriftlichen Zusatz: „1 Schlüssel (BA 091056 6.1) erhalten“.
Unter dem Datum 9. Dezember 2015 unterzeichnete allein die Beigeladene zu 1 den o. g. Vertrag erneut, nach eigenen Angaben im Hinblick auf den ab Januar 2016 anstehenden Übergang der Praxis des Klägers auf die Praxisnachfolgerin.
Die Beigeladene zu 1 führte Zahnprophylaxe-Behandlungen in den Praxisräumen des Klägers an einem ihr dort zur Verfügung gestellten Behandlungsstuhl aus. Sie beschaffte dafür auf eigene Rechnung die bei der Behandlung verwendeten Materialien und Instrumente. Dazu gehörten neben der Arbeitskleidung Küretten, Scaler zur Parodontitisbehandlung, Parosonden, kleine und große Bürsten, Handstücke, Sauger und sog. Trays, d. h. Behältnisse, in denen bestimmte Instrumente und sonstige Arbeitsmittel für die Behandlung bereitgestellt und/oder nach Gebrauch ordnungsgemäß abgelegt und maschinell gereinigt werden. Die Beigeladene zu 1 besaß einen eigenen Praxisschlüssel, um nach eigenen Angaben Patienten/Patientinnen auch außerhalb der Praxisöffnungszeiten behandeln zu können. Sie behandelte in der Praxis des Klägers seine Patienten und Patientinnen und eigene. Für die Behandlung der Patienten/Patientinnen, die sie nach ihren Angaben „auf Wunsch“ des Klägers durchführte, stellte sie den Patienten und Patientinnen die Rechnung unter dem Praxislogo des Klägers und Angabe des Praxiskontos aus. Die Zahlungen erfolgten entsprechend der Rechnungen auf das Praxiskonto des Klägers. Die Beigeladene zu 1 stellte dem Kläger gegenüber für die Behandlung dieser Patientinnen und Patienten die konkret bezeichneten Einzelleistungen im Bereich der Prophylaxe nach geleisteten Arbeitsstunden monatlich oder zweimonatlich in Rechnung. Die Arbeitstage und Stunden listete sie dazu - adressiert an den Kläger - auf. Die stundenweise Vergütung betrug nach ihren eigenen Angaben anfangs 22,50 Euro, später 25,00 Euro. Für den Zeitraum zwischen 4. Oktober 2010 und 29. Dezember 2015 rechnete sie gemäß der Abrechnung vom 27. Dezember 2014 für konkret benannte Einzeltage zwischen dem 23. November 2014 und 27. Dezember 2014 einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.587,50 Euro ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte Bezug genommen (Bl. I/37 ff Verwaltungsakte). Eigenen Kundinnen und Kunden stellte die Beigeladene zu 1 nach eigenen Angaben gesonderte Rechnungen in eigenem Namen aus und vereinnahmte den Rechnungsbetrag selbst.
Für die Nutzung der Praxisräume und des Behandlungsstuhls entrichtete die Beigeladene zu 1 an den Kläger keine Vergütung oder Mietzahlungen. Nach ihren eigenen Angaben betrug das Verhältnis der von ihr auf eigene Rechnung behandelten Patientenschaft zu derjenigen des Klägers 50:50.
Die Beigeladene zu 1 war im streitigen Zeitraum noch für drei andere Auftraggeber auf der Basis von freien Mitarbeiterverträgen tätig, darunter in der Zeit ab dem 1. Oktober 2007 bis zum 20. Dezember 2011 nach eigenen Angaben im Verwaltungsverfahren als Schwangerschaftsvertretung sowie im Rahmen der Einarbeitung einer Angestellten in jeweils anderen kieferorthopädischen Praxen.
Ein Bericht zur Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamtes Zehlendorf vom 24. Juli 2014 betreffend die Praxis des Klägers stellte fest, die Ausübung der Tätigkeit der Prophylaxe durch die Beigeladene zu 1 sei in der Selbständigkeit nicht zulässig. Es ergehe eine Kontrollmitteilung an das Wohnsitzfinanzamt. Dem Kläger gegenüber als anstelle der Arbeitnehmerinnen Haftendem forderte das Finanzamt in einem Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom Juli 2014 für die Zeit vom Januar 2010 bis zum Dezember 2013 Lohnsteuer in Höhe von insgesamt 247,56 Euro nach. Die Forderung betraf nicht die Beigeladene zu 1, sondern andere Mitarbeiterinnen. Im Zuge einer (weiteren) Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamtes für Körperschaften III für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum Dezember 2015 ergaben sich keine Beanstandungen (Bescheid des Finanzamtes vom 7. Oktober 2016).
Mit Bescheid vom 29. Juni 2017 stellte die Clearingstelle der Beklagten fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 im Bereich Bürotätigkeiten im Rahmen der Betreuung QM, ZMV seit dem 1. Dezember 2016 für die Praxisnachfolgerin des Klägers auf der Basis eines Vertrags vom 30. November 2016 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werde.
In der Zeit vom 19. April 2016 bis zum 18. Oktober 2016 führte die Beklagte nach Angabe des Prüfzeitraums vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2015 eine Betriebsprüfung bei dem Kläger durch. Die Beigeladene zu 1 beantwortete dabei auf Aufforderung der Beklagten in einem schriftlichen Fragebogen Fragen zu den Umständen ihrer Tätigkeit bei dem Kläger. Gemäß dieser Angaben vom 30. April 2016 bejahte die Beigeladene zu 1 die Frage nach ihrer Eingliederung in den betrieblichen Arbeitsablauf des Klägers mit einer Eingliederung „nach Arbeitszeiten“. Die Frage, ob regelmäßige Arbeitszeiten vereinbart seien, verneinte sie zwar, verwies aber auf eine Arbeit nach Bedarf an festen Tagen. Gleichzeitig bejahte sie die Frage, ob ihr Weisungen hinsichtlich der Ausführung ihrer Arbeiten erteilt worden seien, ebenso die Frage, ob sie durch ihren Auftraggeber verpflichtet sei, eine bestimmte Produktpalette zu vertreiben bzw. vom Auftraggeber vorgeschriebene Dienstleistungen nach vorgeschriebenem Muster zu erbringen. Sie gab ferner an, verpflichtet zu sein, die Arbeiten persönlich auszuführen und über ihre Tätigkeit auf Anfrage mündlich berichten zu müssen. Wegen der Einzelheiten wird auf ihre Erklärung vom 30. April 2016 Bezug genommen.
In einem an den Kläger gerichteten Bescheid vom 22. August 2016 stellte die Beklagte eine Nachforderung für den Prüfzeitraum in Höhe von 209,97 Euro fest. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass der Kläger hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 weitere Nachricht erhalten werde.
Mit Schreiben vom 5. September 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 Sozialversicherungsbeiträge nachzufordern und Säumniszuschläge festzusetzen. Der Kläger erhielt dazu Gelegenheit zur Stellungnahme.
Mit Bescheid vom 19. Oktober 2016 stellte die Beklagte eine sich aus der Betriebsprüfung ergebende Nachforderung in Höhe von insgesamt 47.499,80 Euro fest. Darin enthalten waren Beiträge zu allen vier Zweigen der Sozialversicherung sowie Umlagen nach dem Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (U1 und U2) für den Zeitraum vom 1. November 2010 bis zum 31. Dezember 2015 und Säumniszuschläge in Höhe von 6.760,00 Euro seit dem 1. Oktober 2014.
Zur Begründung führte die Beklagte aus: Im Ergebnis der stichprobenweise durchgeführten Prüfung bestehe für die Beigeladene zu 1 Versicherungs- und Beitragspflicht. Die Beklagte bezog sich dazu u. a. auf die Feststellung des Finanzamtes Zehlendorf im Bericht zur Lohnsteuer-Außenprüfung. Die Tätigkeit werde im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt. Die Beklagte bezog sich dabei vor allem auf die eigenen Angaben der Beigeladenen vom 30. April 2016 . Demgemäß sei sie weisungsgebunden hinsichtlich des Ortes und der Art und Weise der Tätigkeiten. Ihre Bezahlung erfolge nach Stunden, ein unternehmerisches Risiko sei nicht erkennbar. Für die Beurteilung der Tätigkeit als Dentalhygienikerin sei das Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG) zu beachten. Danach seien ein Teil der zu erbringenden Leistungen Aufgaben, die ein Zahnarzt an dafür qualifiziertes Praxispersonal mit abgeschlossener Ausbildung wie Dentalhygienikerinnen delegieren könne. Zulässig sei nur die Delegation an qualifiziertes Personal, das in einem Beschäftigungsverhältnis zum Zahnarzt stehe, da der Zahnarzt die Leistung nicht nur anordnen, sondern auch überwachen müsse. Eine selbständige Ausübung der Zahnprophylaxe verstoße vor diesem Hintergrund gegen das ZHG. Soweit sich der Kläger auf Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes beziehe, wonach die Beigeladene zu 1 als selbständige Unternehmerin anzusehen sei (Beschluss des BFH vom 12. Oktober 2004 – V R 54/03 ), sei dies für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nicht bindend. Die Beklagte berücksichtigte bei Feststellung der Beitragsnachforderung nur die Entgelte, die die Beigeladene zu 1. dem Kläger für ihre Arbeitsstunden nachweislich in Rechnung stellte.
Mit seinem Widerspruch vom 8. November 2016 machte der Kläger u. a. geltend, die Beigeladene zu 1 sei nicht in seinen Betrieb eingegliedert. Außerdem unterliege sie hinsichtlich Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsausführung keinem Weisungsrecht. Allein die Vorgabe bestimmter Arbeitstage oder diejenige, wonach die Tätigkeit entsprechend den anerkannten Regeln zur Zahnheilkunde zu erfolgen habe, begründeten kein Beschäftigungsverhältnis. Solche Vorgaben seien vielen selbständigen Tätigkeiten immanent. Zur Ausübung der Tätigkeit habe die Beigeladene zu 1 eigene Materialien verwendet, dies begründe ihr unternehmerisches Risiko. Ihre Tätigkeit als Subunternehmerin des Klägers verstoße nicht gegen das ZHG; das entspreche auch der Rechtsprechung des BFH (Hinweis auf Urteil vom 12. Oktober 2004 - V R 54/03 - ). Außerdem seien für die Beigeladene zu 1 die Einkünfte aus der Tätigkeit für den Kläger nicht die einzigen. Es sei zu prüfen, ob sie die Beitragsbemessungsgrenze überschreite und Beitragsfreiheit in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung bestehe. Schließlich habe Lohnsteueraußenprüfung für die Jahre 2014 und 2015 für den Kläger zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2017 zurück.
Der Kläger hat am 16. März 2017 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben. Ihm sei kein Direktions- oder Weisungsrecht gegenüber der Beigeladenen zu 1 zugekommen, er hätte in einem (gedachten) Streitfall keine Befugnis oder Rechtsmacht gehabt, ihr Weisungen zu erteilen. Die auf seinen Wunsch von der Beigeladenen zu 1 behandelten Patienten und Patientinnen erhielten als Erstinformation entweder von ihm selbst oder seinen Praxismitarbeiterinnen lediglich die Visitenkarte der Klägerin. Die Patienten/Patientinnen vereinbarten dann mit der Beigeladenen zu 1 direkt einen Behandlungstermin. Ihre „eigenen“ Patientinnen und Patienten“ habe die Beigeladene zu 1 dagegen direkt – d. h. ohne vorherigen Kontakt zur Praxis oder deren Mitarbeiterinnen – persönlich telefonisch oder per E-Mail kontaktiert. Für alle ihre Behandlungen habe die Beigeladene zu 1 die Termine ohne Zutun von Mitarbeiterinnen der Praxis des Klägers vereinbart. Die Beigeladene zu 1 habe allein darauf zu achten gehabt, dass ihre sämtlichen Behandlungstermine stets außerhalb der Praxisöffnungszeiten lagen, damit überwiegend am Wochenende, frühmorgens oder am Freitag, da die klägerische Praxis an diesem Tag geschlossen gewesen sei. Wegen der Einzelheiten der mündlichen Angaben der Beigeladene zu 1 und des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 19. Februar 2019 wird im Übrigen auf das dortige Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Mit Urteil vom 19. Februar 2019 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom gleichen Tage aufgehoben. Mit dem Teilabhilfebescheid vom gleichen Tage hatte die Beklagte zuvor die Festsetzung der Säumniszuschläge in Höhe von 6.760,00 Euro aufgehoben. Nach Ansicht des Sozialgerichts spreche für die selbständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 bereits, dass die Vertragsparteien mit dem ausdrücklich auch so bezeichneten „Vertrag über freie Mitarbeit“ eine selbständige Tätigkeit vereinbaren wollten. Das Bundessozialgericht (BSG) habe zwar klargestellt, dass dem dokumentierten Willen der Vertragsparteien nur dann indizielle Bedeutung zukomme, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspreche und er durch weitere Aspekte gestützt werde (Hinweis auf BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R – ). Die Kammer habe aus den Angaben des Klägers und der Beigeladenen zu 1 im Termin zur mündlichen Verhandlung zu den tatsächlichen Verhältnissen der Tätigkeit die Überzeugung gewonnen, dass von einer Eingliederung der Beigeladenen zu 1 in die Arbeitsorganisation der klägerischen Praxis und von einer Weisungsgebundenheit tatsächlich nicht ausgegangen werden könne. Ein Widerspruch der tatsächlichen Verhältnisse zum dokumentierten Parteiwillen bestehe somit nicht. Einzelaufträge oder Weisungen des Klägers an die Beigeladene zu 1 habe es nicht gegeben, diese sei insbesondere nicht in die kieferorthopädischen Behandlungen durch den Kläger eingebunden gewesen, denn die Zahnprophylaxe sei kein notwendiger Bestandteil der kieferorthopädischen Behandlung. Die Beigeladene zu 1 habe weder mit dem Kläger selbst noch dessen Angestellten zusammengearbeitet, sie sei noch nicht einmal zu denselben Zeiten wie diese anwesend gewesen. Sie habe über einen eigenen Praxisschlüssel verfügt und ihre Termine stets selbst mit den Patienten/Patientinnen direkt vereinbart. Sie sei nicht in einen Dienstplan der Praxis eingebunden gewesen und hätte sich auch nicht mit den übrigen Angehörigen der Praxis hinsichtlich der Termine abstimmen müssen. Zeitliche Absprachen mit dem Kläger habe es nur insoweit gegeben, als die Beigeladene zu 1 ihre Termine außerhalb der (regulären) Praxiszeiten habe durchführen müssen. Da sie ihren eigenen Kunden auch Rechnungen im eigenen Namen ausgestellt habe, sei dadurch (nach außen) klar erkennbar gewesen, dass sie selbständig tätig sei. Eine nur teilweise Eingliederung in den Praxisbetrieb sei zwar dadurch gegeben, dass sie die Behandlungen in den Praxisräumen durchgeführt habe und einen Teil ihrer Rechnungen im Namen des Klägers gestellt habe. Für diese Patientengruppe sei sie deshalb nicht ohne Weiteres als Selbständige zu erkennen gewesen, zumal die Bezahlung der Rechnungen auch direkt an den Kläger erfolgt sei. Dieser Gesichtspunkt und die Nutzung der Praxisräume sprächen für eine Beschäftigung. Die Behandlung von Patienten und Patientinnen des Klägers habe jedoch nur rund die Hälfte der durchgeführten Behandlungen betroffen. Außerdem habe die Klägerin die von ihr benutzten Materialien selbst gekauft und insoweit keine Betriebsmittel des Klägers genutzt. Gerade mit Blick darauf könne ihr ein gewisses unternehmerisches Risiko nicht abgesprochen werden. Angesichts des Gesamtbildes stehe die Arbeitsleistung mit dem Willen der Vertragsparteien für eine freie Mitarbeit im Einklang.
Die Beklagte hat gegen das Urteil am 14. März 2019 Berufung eingelegt.
Die tatsächlichen Verhältnisse der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 sprächen entgegen den Feststellungen des Sozialgerichts für eine abhängige Beschäftigung. Die Beigeladene zu 1 habe ihre Tätigkeit in den Räumen des Klägers ausgeübt und die dort vorhandene Ausstattung unentgeltlich genutzt. Gemäß ihren Angaben im Verwaltungsverfahren seien die Tage, an denen sie ihre Leistungen zu erbringen hatte, vorgegeben gewesen. Sie sei gerade nicht frei in ihrer Zeiteinteilung gewesen, da sie ihre Leistungen außerhalb der (regulären) Praxisöffnungszeiten zu erbringen hatte. Sie sei verpflichtet gewesen, eine bestimmte Produktpalette zu vertreiben bzw. vorgeschriebene Dienstleistungen nach entsprechendem Muster zu erbringen. Ihre Weisungsgebundenheit ergebe sich im Übrigen zwingend aus den Vorschriften des ZHG. So hätten das Bayerische Landessozialgericht und das Finanzgericht Nürnberg jeweils im Fall einer Dentalhygienikerin ausgeführt, dass deren Leistungen (z. B. Zahnpolitur) solche seien, die ein Zahnarzt zwar an dafür qualifiziertes Prophylaxe-Personal delegieren dürfe. Es handele sich aber dennoch um Tätigkeiten in Ausübung der Zahnheilkunde. Deren Delegation sei nur an Personen zulässig, die in einem Beschäftigungsverhältnis zu dem Arzt/einer Ärztin stünden. Daraus folge u. a. , dass verantwortliche Zahnärzte/-ärztinnen während der Zeit einer solchen Behandlung in der Praxis jederzeit für Rückfragen oder bei Komplikationen anwesend sein müssten. Das bedinge, dass auch die Beigeladene zu 1 einem umfassenden Weisungsrecht des Klägers unterstanden habe. Eine demgegenüber selbständige Erbringung dieser Leistungen sei demgemäß rechtswidrig.
Die Beigeladene zu 1 habe schließlich kein nennenswertes Unternehmerrisiko gehabt. Der für die Beschaffung ihres eigenen Arbeitsmaterials erforderliche Kapitaleinsatz sei gering. Sie habe kein nennenswertes Wagniskapital einzusetzen gehabt, insbesondere keine Behandlungsstühle anschaffen, keine Behandlungsräume anmieten, kein Personal beschäftigen müssen. Der Einsatz auch der eigenen Arbeitskraft sei nicht mit dem Risiko des Verlustes erfolgt. Sie habe in Anbetracht der stundenweise vereinbarten festen Vergütung ihre Einnahmen allein dadurch steigern können, dass sie mehr Stunden gearbeitet hätte. Auch spreche die Höhe ihres Stundenlohnes nicht für eine selbständige Tätigkeit, denn er sei nicht so hoch, dass er realistisch eine Eigenvorsorge zulasse. Die Beigeladene zu 1 habe gerade nicht am wirtschaftlichen Erfolg der Tätigkeit teilgehabt. Nach Erkenntnissen des Bayerischen Landessozialgerichts lägen die Einnahmen aus einer solchen Tätigkeit (für Zahnärzte und -ärztinnen) bei etwa 150,00 Euro pro Stunde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Februar 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hilfsweise,
Beweis zu erheben über den hauptberuflichen Schwerpunkt der Beigeladenen zu 1 im Streitzeitraum, um ermitteln zu können, ob § 5 Abs. 5 SGB V einschlägig ist und eine Kranken- und Pflegeversicherung hier ausscheiden muss.
Ob die Beigeladene zu 1 Behandlungstermine gerade für seine Praxisräumlichkeiten oder für andere Räume vereinbart habe, habe ihrer freien Entscheidung oblegen. Die Patienten und Patientinnen hätten auch gewusst, dass es sich um eine eigenständige Dienstleistung der Beigeladenen zu 1 gehandelt habe und nicht etwa ein Vertrag mit der Praxis des Klägers abgeschlossen worden sei. Die Beigeladene zu 1 habe die Praxisräume ausschließlich dann genutzt, wenn die Praxis geschlossen gewesen sei, damit habe sie gerade nicht arbeitsteilig mit dem Kläger zusammengearbeitet. Sie sei vollkommen frei und unkontrolliert tätig gewesen. Außerdem habe das BSG ausgeführt, dass gesetzliche Vorgaben an die Organisation z. B. eines Krankenhauses bei der Statusbeurteilung nicht beachtlich seien.
Die Beigeladene zu 1 habe ein Unternehmerrisiko, weil sie durch geschickte Terminierungen und zügiges Arbeiten ihren Verdienst deutlich hätte steigern können. Sie hätte auch jederzeit Personal einsetzen können. Für ihre Dienstleistung, die sie für die Patientenschaft des Klägers erbracht habe, habe dieser ihr eine anteilige Vergütung aus den auf sein Praxiskonto eingehenden Zahlungen geschuldet. Seine Praxisnachfolgerin habe ab dem 1. Januar 2016 zu den identischen Bedingungen mit der Beigeladenen zu 1 weitergearbeitet. U. a. für diese Tätigkeit habe die Clearingstelle der Beklagten in einem Bescheid 2016 festgestellt, dass eine selbständige Tätigkeit vorliege. Schließlich habe für die Beklagte nach dem Bescheid vom 22. August 2016 keine Rechtsgrundlage mehr zur Verfügung gestanden, denn mit diesem Bescheid habe sie die Betriebsprüfung bereits beendet.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat der Kläger schließlich die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakten (2 Bde.) und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 143, 144 i. V. m. § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hätte den Bescheid der Beklagten, zuletzt in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19. Februar 2019, nicht aufheben dürfen. Die Klage des Klägers ist zwar zulässig, aber hinsichtlich der mit dem Bescheid erhobenen Beiträge unbegründet. Die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 ist dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig.
I. Rechtsgrundlage für die Feststellung der Versicherungspflicht und der Beitragsforderung ist § 28p Abs. 1 Sätze 1, 4 und 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) in der maßgeblichen Fassung vom 15. April 2015 (BGBl I S. 583). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre (Satz 1). Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern (Abs. 1 Sätze 4 und 5). § 10 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) stellt die Umlagen zum Ausgleichsverfahren insoweit den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gleich (Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 10. Dezember 2019 - B 12 R 9/18 R - BSGE 129, 247, Rn. 12, zitiert nach juris).
II. Die Beklagte hat als zuständiger Träger der Rentenversicherung ohne Rechtsfehler von der Ermächtigung des § 28p Abs. 1 SGB IV Gebrauch gemacht. Die rückwirkende Festsetzung von Beiträgen für den Zeitraum vom 1. November 2010 bis zum 31. Dezember 2015 ist rechtmäßig erfolgt.
1. Der Kläger wurde vor Erlass des Bescheides vom 19. Oktober 2016 mit Schreiben vom 5. September 2016 angehört.
Die mit dem streitgegenständlichen Bescheid erfolgte Festsetzung ist inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Beigeladene zu 1 war in ihrer Tätigkeit der Erbringung und Abrechnung von Prophylaxeleistungen für den Kläger im Rahmen einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt tätig und unterlag insoweit der Versicherungspflicht in den hier streitigen Zweigen der Sozialversicherung und der Umlage nach dem AAG (2.). Gründe der Bestandskraft oder des Vertrauensschutzes stehen der Festsetzung nicht entgegen (dazu 3.). Die Beklagte hat die Beiträge auch in zutreffender Höhe erhoben (dazu 4.). Die Beitragsforderung ist schließlich nicht verjährt (5.).
2. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der GKV, der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ( § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - und § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI -, jeweils in der Fassung vom 21. Dezember 2015 , BGBl I S. 2408; § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - in der Fassung vom 22. Dezember 2011 , BGBl I S. 670 sowie § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III - in der Fassung vom 20. Dezember 2011, BGBl I S. 2854).
a. Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat folgt, setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass Beschäftigte von der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber persönlich abhängig sind. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sind und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht unterliegen. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 - B 12 R 15/19 R - Rn. 13, zitiert nach juris). Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d. h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R –, BSGE 128, 191-205, Rn. 14, zitiert nach juris).
b. Für die Beurteilung der Tätigkeit als Dentalhygienikerin bzw. Erbringerin von Prophylaxeleistungen im Mund-/Zahnbereich (vgl. die Abrechnung der Beigeladenen zu 1 auf Bl. I/37 und die Buchungsübersichten, Bl. I/38 ff der Verwaltungsakte) gelten keine abweichenden (eigenen) Maßstäbe. Die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit erfolgt nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder. Es ist bereits deshalb möglich, dass ein und derselbe Beruf - je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis - entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R –, BSGE 128, 191-205, Rn. 18, zitiert nach juris). Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist auch nicht dadurch vorgeprägt, dass die Tätigkeit einer aus- bzw. weitergebildeten Dentalhygienikerin als sog. „arztähnliche Leistung“ der ärztlichen Leistung umsatzsteuerrechtlich gleichgestellt wird. Das Sozialversicherungsrecht kennt keinen dem Steuerrecht entsprechenden (eigenen) Begriff einer der ärztlichen Tätigkeit „ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit“ (so aber § 4 Abs. 1 Nr. 14 a) Umsatzsteuergesetz - UStG), sondern die Begriffe des Beschäftigten bzw. Selbständigen und den Weisungs- oder Arbeitgeber nach § 7 SGB IV (mit Ausnahme der in § 2 SGB VI aufgelisteten versicherungspflichtigen Selbständigen). Die steuerrechtlich erfolgte Gleichstellung der ärztlichen und arztähnlichen Tätigkeit beruht im Wesentlichen darauf, dass es sich umsatzsteuerrechtlich um gleichartige Umsätze handelt und die Kosten ärztlicher Heilbehandlung damit gesenkt werden sollen. Dies soll unabhängig davon gelten, welcher Wirtschaftsteilnehmer den steuerrechtlichen Umsatz bewirkt (dazu Bundesfinanzhof – BFH, Beschluss vom 12. Oktober 2004 – V R 54/03 –, zitiert nach juris). Die Sozialversicherung dient hingegen neben der sozialen Absicherung des Einzelnen auch dem Schutz der Mitglieder der Pflichtversicherungssysteme, die in einer Solidargemeinschaft zusammengeschlossen sind (vgl. für das Verhältnis zur arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung entsprechend ausgeführt von BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R –, BSGE 128, 191-205, Rn. 19, zitiert nach juris).
c. Für die Beurteilung der Versicherungspflicht ist im Fall des Klägers von dem vertraglichen Rechtsverhältnis auszugehen, auf dem die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 beruht. Maßgebend sind danach nicht die einzelnen Arbeitseinsätze der Beigeladenen zu 1, sondern der ihrer Tätigkeit zugrundeliegende "Vertrag über freie Mitarbeit" und das durch diesen bestimmte Rechtsverhältnis. In diesem Vertrag hat sich die Beigeladene zu 1 gegenüber dem Kläger verpflichtet, „ab dem 6. Oktober 2010 Aufgaben der ZMV-Abrechnung (ZMV = Abkürzung für den Beruf der Zahnmedizinischen Verwaltungsassistentin) und Prophylaxe im Umfang von ca. 17 Stunden pro Woche“ zu erbringen. Nach übereinstimmenden Angaben der Beigeladenen zu 1 und des Klägers wurden die einzelnen Arbeitseinsätze der Beigeladenen zu 1 nicht gesondert und individuell vereinbart. Der Vertrag hatte deshalb nicht bloß Rahmencharakter, sondern es entstand bereits mit seinem Abschluss die rechtliche Verpflichtung zur Leistung der Arbeitseinsätze, auch wenn diese nur an einzelnen Tagen pro Woche erfolgten (vgl. zu dieser Unterscheidung BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R –, Rn. 21, zitiert nach juris).
d. Im Fall des Klägers überwiegen bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung die Indizien für eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1., jedenfalls soweit diese Leistungen für den Kläger und dessen Patientenschaft erbracht hat.
aa. Ausgangspunkt der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung ist der in dem maßgeblichen Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien. Wenn Divergenzen zwischen der Vertragsdurchführung und der Vereinbarung bestehen, geht die gelebte Praxis der formellen Vereinbarung grundsätzlich vor (BSG, aaO, Rn. 24). Vertraglich haben der Kläger und die Beigeladene zu 1 in § 10 des Vertrags über freie Mitarbeit ausdrücklich vereinbart, dass die Beigeladene zu 1 nicht in einem Anstellungsverhältnis stehen soll. Dieser Parteiwille wird bestätigt durch die Bezeichnung des Gegenstandes des Vertrags („freie Mitarbeit“) und die teilweise im Vertrag verwendeten Begriffe („Auftraggeber“, „Honorar“) sowie der ausdrücklichen Vereinbarung der Freiheit von Weisungen u. a. hinsichtlich der Ausgestaltung der Arbeitszeit (§ 2 des Vertrags). Einzelne verwendete Begriffe und Elemente des Vertrags sind allerdings für ein Arbeitsverhältnis typisch. So regelt § 3, dass Art und Umfang der von der Beigeladenen zu 1 zu leistenden Aufgaben eine betriebliche Anwesenheit von ca. 17 Stunden pro Woche erforderlich machen. Auch die Verwendung der Begriffe Arbeitszeit und Arbeitsstunden (§§ 4 und 5 des Vertrags) weist in Richtung eines Arbeitsverhältnisses.
bb. Bei der Gewichtung der Indizien ist zu berücksichtigen, dass die Leistungen der Prophylaxe und Dentalhygiene, die in einer zahnärztlichen Praxis im Namen und für die Rechnung der Zahnärzte und -ärztinnen Patienten und Patientinnen gegenüber erbracht werden, ärztliche Leistungen sind. Ihre Erbringung und Abrechnung unterliegt einem speziellen öffentlich-rechtlichen Rechtsregime.
Dazu gehört an erster Stelle der sog. Arztvorbehalt. Gemäß § 1 Abs. 1 des ZHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1987 (BGBl I, S. 1225), in der maßgeblichen Fassung des Änderungsgesetzes vom 2. Dezember 2007 (BGBl I, 2686, S. 2701), in Kraft seit dem 1. Januar 2008, bedarf derjenige, der im Geltungsbereich des Gesetzes die Zahnheilkunde dauernd ausüben will, einer Approbation als Zahnarzt nach Maßgabe des Gesetzes. Gemäß § 1 Abs. 3 der Berufsordnung der Zahnärztekammer Berlin (BO) in der hier maßgeblichen Fassung vom 30. Januar 1997, zuletzt geändert am 28. April 2007 (ABl. 2008 S. 864), sind Leistungen i. S. des § 1 Abs. 3 ZHG durch den Zahnarzt persönlich zu erbringen. Die Erbringung zahnärztlicher Leistungen ist damit grundsätzlich schon berufsrechtlich approbierten Zahnärzten und Zahnärztinnen vorbehalten.
Eine Durchführung von Leistungen der Zahnheilkunde durch nichtärztliche Mitarbeiterinnen ist (berufsrechtlich) nur in engen Grenzen und unter Beachtung weiterer Vorgaben zulässig. Dies soll sicherstellen, dass die Gesamtverantwortung für die Leistung in ärztlichen Händen verbleibt.
Zur Zahnheilkunde gehören nach dem ZHG grundsätzlich auch die Prophylaxe-Tätigkeiten, auch wenn diese von Prophylaxe-Assistentinnen oder Dentalhygienikerinnen in einer zahnärztlichen Praxis verrichtet werden. Das ergibt sich inzident aus § 1 Abs. 5 ZHG. Dieser bestimmt bereits in der ab 2010 geltenden Fassung:
„Approbierte Zahnärzte können insbesondere folgende Tätigkeiten an dafür qualifiziertes Prophylaxe-Personal mit abgeschlossener Ausbildung wie zahnmedizinische Fachhelferin, weitergebildete Zahnarzthelferin, Prophylaxehelferin oder Dental-Hygienikerin delegieren: Herstellung von Röntgenaufnahmen, Entfernung von weichen und harten sowie klinisch erreichbaren subgingivalen Belägen, Füllungspolituren, Legen und Entfernen provisorischer Verschlüsse, Herstellung provisorischer Kronen und Brücken, Herstellung von Situationsabdrücken, Trockenlegen des Arbeitsfeldes relativ und absolut, Erklärung der Ursache von Karies und Parodontopathien, Hinweise zu zahngesunder Ernährung, Hinweise zu häuslichen Fluoridierungsmaßnahmen, Motivation zu zweckmäßiger Mundhygiene, Demonstration und praktische Übungen zur Mundhygiene, Remotivation, Einfärben der Zähne, Erstellen von Plaque-Indizes, Erstellung von Blutungs-Indizes, Kariesrisikobestimmung, lokale Fluoridierung z.B. mit Lack oder Gel, Versiegelung von kariesfreien Fissuren.“
Speziell für den Bereich der Kieferorthopädie bestimmt § 1 Abs. 6 ZHG (in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung):
„In der Kieferorthopädie können insbesondere folgende Tätigkeiten an zahnmedizinische Fachhelferinnen, weitergebildete Zahnarzthelferinnen oder Dental-Hygienikerinnen delegiert werden: Ausligieren von Bögen, Einligieren von Bögen im ausgeformten Zahnbogen, Auswahl und Anprobe von Bändern an Patienten, Entfernen von Kunststoffresten und Zahnpolitur auch mit rotierenden Instrumenten nach Bracketentfernung durch den Zahnarzt.“
Diese Bestimmungen beinhalten die im Bereich der Zahn-Prophylaxe typischen Leistungen. Sie entbinden den Zahnarzt nicht vom Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung schlechthin. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben ist nicht nur Voraussetzung dafür, dass die Behandlung der Patienten/Patientinnen ohne Rechtsverstoß überhaupt erfolgen darf (ansonsten gilt das Verbot der Leistungserbringung), sondern auch Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Abrechnung und für die Begründung eines Vergütungsanspruchs. Das gilt für jede Behandlung, also sowohl im Fall der Behandlung von gesetzlich Versicherten im Verhältnis zu den Krankenkassen als Kostenträgern als auch grundsätzlich im Fall einer privatärztlichen Behandlung im Verhältnis zu den Patienten und Patientinnen.
Das ZHG sowie das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 611, § 613 BGB) sowie § 15 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 32 der Zulassungsordnung für Vertragsärzte wie auch diejenige für Zahnärzte und Zahnärztinnen (Zahnärzte-ZV, zuletzt in der Fassung vom 11. Juli 2021, BGBl. I S. 2754) sehen vor, dass Vertrags(-zahn)ärzte und -ärztinnen die ärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis zu erbringen haben (vgl. für die vertragszahnärztliche Tätigkeit ausgeführt von Haage, in: Einführung in das Berufsrecht der Zahnärzte, Rn. 107, beck-online). Dem entsprechen auch der Bundesmantelvertrag (BMV-Ä) gemäß § 15 Abs. 1 und der Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) in § 9 Abs. 1 Satz 1 BMV-Z.
Die Gebührenordnung für Zahnärzte (Stand: 5. Dezember 2011 – GOZ) bestimmt für privat versicherte Patienten und Patientinnen, dass approbierte Zahnärzte und Zahnärztinnen Gebühren nur für selbstständige zahnärztliche Leistungen berechnen können, die sie selbst erbracht haben oder die unter ihrer Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (sog. „eigene Leistungen“, vgl. zur Gebühr § 4 Abs. 2 GOZ). Zu den gebührenpflichtigen Leistungen, die demgemäß durch den Zahnarzt oder die -ärztin abzurechnen sind, gehören auch prophylaktische Leistungen, dabei u. a. die professionelle Zahnreinigung und lokale Fluoridierung zur Verbesserung der Zahnhartsubstanz, zur Kariesvorbeugung und –behandlung mit Lack oder Gel, je Sitzung (so Ziffer 1040 und 1020 GOZ in der Fassung 2012). Die professionelle Zahnreinigung wird seit 2012 gemäß der (ärztlichen) Abrechnungsziffer 1040 vergütet (für Leistungen vor 1. Januar 2012 erbracht galt die Übergangsbestimmung des § 11 GOZ, diese löste die analoge, hilfsweise Anwendung von anderen Ziffern ab, vgl. dazu Hinweise der Zahnärztekammer Berlin in MBZ 2012, S. 5 f., https://www.zaek-berlin.de, recherchiert am 16. Februar.2023). Damit lassen auch diese Bestimmungen keine andere Auslegung der Leistungserbringung zu (so auch Bayerisches LSG, Urteil vom 14. Dezember 2010 – L 5 R 886/08 –, Rn. 20 f., zitiert nach juris).
Eine spezifische demgegenüber niedriger bewertete Gebührenziffer für die (eigenständige) Leistung der Dentalhygienikerin oder vergleichbarer nichtärztlicher Leistungserbringerinnen sehen weder der Einheitliche Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (BEMA) für die gesetzliche Krankenversicherung noch die GOZ für privatärztliche Leistungen vor.
Diese Vorgaben erfassen auch sogenannte ärztliche IGeL-Leistungen, d. h. individuelle Gesundheitsleistungen durch Vertragszahnärzte und -ärztinnen. Dies sind Leistungen, die über das Maß des medizinisch Erforderlichen (i. S. des § 12 SGB V) hinausgehen bzw. auch wegen ihrer Neuartigkeit (noch) nicht im Leistungskatalog der GKV vertreten sind. Solche Leistungen sind nicht Gegenstand der Versorgung im Rahmen der GKV. Patienten und Patientinnen müssen ihnen ausdrücklich zustimmen oder sie ausdrücklich wünschen, damit ein Vergütungsanspruch überhaupt entstehen kann (so § 1 Abs. 2 Satz 2 GOZ: „Leistungen, die über das Maß einer zahnmedizinisch notwendigen zahnärztlichen Versorgung hinausgehen, darf er nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden sind.“). Die Leistung muss aus ärztlicher Sicht medizinisch erforderlich, empfehlenswert oder zumindest vertretbar sein (vgl. die Hinweise dazu in Deutsches Ärzteblatt 105, Heft 26 vom 27. Juni 2008, S. A-1470). Bei der Erbringung solcher Leistungen – auch durch Dritte namens der Ärztinnen und Ärzte – kommt ein privatrechtlicher Vertrag (mit den Ärztinnen/Ärzten) zustande. Diese Leistungen können allein nach der GOZ abgerechnet werden. Das gilt auch dann, wenn es sich nur ästhetisch indizierte Leistung handelt.
Voraussetzung einer erlaubten Erbringung von Leistungen der Zahnprophylaxe und ihrer Abrechnung durch Zahnärzte/Zahnärztinnen ist damit grundsätzlich, dass diese Leistungen zumindest unter zahnärztlicher Aufsicht und nach fachlicher Weisung erbracht werden (Bayerisches LSG, aaO). Als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung würde die entsprechende Organisation einer Leistungserbringung ohne jegliche zahnärztliche Aufsicht gegen den Arztvorbehalt verstoßen, der in § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V geregelt ist. Ein Verstoß gegen den Arztvorbehalt führt im Bereich der GKV regelmäßig zum Verlust bzw. Nichtentstehen des Vergütungsanspruchs. Der Vergütungsanspruch setzt voraus, dass Leistungen insgesamt unter Beachtung der einschlägigen Qualitätsvorgaben erbracht werden. Verstöße führen dazu, dass die Leistung insgesamt nicht zu vergüten ist (zuletzt BSG, Urteil vom 26. April 2022 – B 1 KR 26/21 R -, Rn. 18 ff zitiert nach juris für die Krankenhausbehandlung). Eine Leistungserbringung durch die Mitarbeiterin in alleiniger (fachlicher) Verantwortung in einem Fall, in dem mit dem Arzt ein Behandlungsvertrag geschlossen wurde, wäre dagegen – auch als privatärztliche Behandlung - zumindest berufsrechtswidrig (zur Frage der Zulässigkeit und Wirksamkeit einer von diesen Vorgaben abweichenden Individualvereinbarung oder AGBs für delegationsfähige Leistungen im Rahmen der privatärztlichen Abrechnung von Wahlleistungen nach GOÄ - Privatliquidation -, Spickhoff, NZS 2008, 57, 60 ff.).
Diese rechtlichen Rahmenbedingungen für die Erbringung der Leistungen im Auftrag von Zahnärztinnen und Zahnärzten bedingen im Regelfall eine Eingliederung der Prophylaxetätigkeit nichtärztlicher Mitarbeiterinnen in die Organisations- und Weisungsstruktur der zahnärztlichen Praxis. Der Senat kann für die Beurteilung der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1 in der Sozialversicherung offen lassen, ob eine Prophylaxe-Tätigkeit durch nichtärztliche dritte Personen überhaupt ohne jegliche Einbindung in eine ärztlich geleitete Praxisstruktur nach dem maßgeblichen Berufsrecht und Leistungserbringungsrecht erbracht werden und selbständig abgerechnet werden könnte. Denn für eine selbstständige Tätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne müssen vor diesem regulatorischen Hintergrund gewichtige Indizien bestehen. Gewichtige Indizien in Richtung einer selbständigen Tätigkeit bestehen für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1, für die sie ein Entgelt vom Kläger erhalten hat, nicht. Nur dieses Entgelt hat die Beklagte einer Beitragspflicht unterworfen (dazu cc. und dd.).
cc. Zur Überzeugung des Senats unterlag die Klägerin Weisungen seitens des Klägers und war in den Praxisbetrieb eingebunden. Beides ergibt sich für den Senat aus den Angaben, welche die Beigeladene zu 1 im Verwaltungsverfahren auf dem Vordruck der Beklagten am 30. April 2016 getätigt hat. Diese Angaben erscheinen deshalb von besonderer Aussagekraft, weil sie noch zeitnah zur Tätigkeit und gänzlich unverstellt gemacht wurden. Demgemäß konnte die Beigeladene zu 1 ihre Arbeitszeit nicht gänzlich frei festlegen, sondern arbeitete nach Bedarf und an vorgegebenen Tagen in den Räumlichkeiten der Praxis des Klägers. Sie hatte Weisungen zu beachten und eine bestimmte Produktpalette bei der Arbeit zu nutzen bzw. vorgeschriebene Dienstleistungen nach Muster zu erbringen. Dass sie demgegenüber – auch nach dem späteren Vortrag des Klägers – keine Einzelweisungen während einer Behandlung zu beachten hatte, kann der Senat im Hinblick auf ihre fachliche Ausbildung als wahr unterstellen. Das ist aber – gerade bei Diensten höherer Art – nicht untypisch und spricht nicht gegen eine Beschäftigung. Bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auf das Stärkste eingeschränkt sein. Dennoch kann die Dienstleistung fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird. Die Weisungsgebundenheit verfeinert sich in diesen Fällen zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe (so BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R –, Rn. 29, zitiert nach juris). So hat auch der beschäftigte Chefarzt eines Krankenhauses regelmäßig keine fachlichen Einzelweisungen zu beachten und ist dennoch fremdbestimmt tätig. Schließlich sind berufsrechtliche Weisungsrechte nicht vom Begriff der "Weisungen" i. S. von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ausgenommen (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, Rn. 15, juris zu steuerberatungsrechtlichen Weisungsrechten). Selbst eine Freiheit bei Ort und Zeit der Tätigkeit spricht in der modernen Arbeitswelt nicht zwingend für Selbstständigkeit. Es kommt auch nicht darauf an, dass der Kläger das ihm zustehende Weisungsrecht – nach dem Vortrag im Klageverfahren – faktisch nicht ausgeübt hat. Ein rein faktisches, nicht rechtlich gebundenes und daher jederzeit änderbares Verhalten der Beteiligten ist nicht maßgeblich. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren (allgemein dazu BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, Rn. 15, zitiert nach juris).
Die Eingliederung der Beigeladenen zu 1 in den Betrieb der Praxis des Klägers begründet sich in zweierlei Hinsicht. Zum einen in organisatorischer Hinsicht, auch soweit sie – besonders unter Berücksichtigung der übereinstimmenden Angaben im Klageverfahren – zu Zeiten in der Praxis tätig werden sollte, in denen keine anderen Mitarbeiterinnen zugegen waren, insbesondere außerhalb der regulären Sprechzeiten. Denn auch die Zuweisung von insoweit „randständigen“ Arbeitszeiten in einem Betrieb ist eine betriebliche Vorgabe und auch eine Eingliederung in den Betrieb i. S . einer funktionsgerechten Teilhabe und damit fremdbestimmt. Dies gilt vor allem dann, wenn sie einem reibungslosen Praxisbetrieb dient und darauf ausgelegt ist, dass die Prophylaxe-Arbeiten den übrigen Praxis-Betrieb nicht behindern. Das zweite Element einer Arbeitsteilung und Einbindung zeigt sich darin, dass die Beigeladene zu 1 ihre Rechnungen für die Praxis unter deren Logo erstellte und so Zahlungen an die Praxis für die Leistungen veranlasste. Sie war damit zumindest in die Abrechnungsstruktur der Praxis eingebunden. Eine Liquidation ihrer Leistungen direkt den Patienten/Patientinnen gegenüber erfolgte gerade nicht (vgl. in diesem Zusammenhang - LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. März 2022 – L 9 BA 3774/18 –, Rn. 72 zur Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Berater mit Hinweis auf BSG, Urteile vom 27. April 2021 - B 12 KR 27/19 R -, Rn. 15 und vom 19. Oktober 2021 - B 12 R 1/21 R -, Rn. 23, Vertretungsärztin in Gemeinschaftspraxis, jeweils zitiert nach juris). Damit erscheinen die Behandlungsleistungen auch von außen betrachtet als Teil des Leistungsspektrums der Praxis, damit arbeitsteilig erbracht.
An der Einordnung der Prophylaxe-Tätigkeit zum rechtlichen Typus der abhängigen Beschäftigung ändert schließlich eine zugleich und daneben ausgeübte "selbständige" Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 mit Leistungen unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung nichts, zumal eine solche Tätigkeit nicht ohne den organisatorischen Rahmen betrachtet werden könnte, den die Tätigkeit im Namen des Klägers bot (dazu BSG, Urteil vom 7. Juli 2020 – B 12 R 17/18 R –, Rn. 29 ff., zitiert nach juris, in einem vergleichbaren Fall).
dd. Selbst bei Annahme, dass der Kläger – wie das die Beigeladene zu 1 und er übereinstimmend im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht entgegen den früheren Angaben im Verwaltungsverfahren bekundet haben – der Beigeladenen zu 1 keinerlei (fachliche) Weisungen erteilt und keine organisatorische Eingliederung vorgelegen hätte, weil er und andere Mitarbeiterinnen nicht vor Ort waren, unterlag die Beigeladene zu 1 jedenfalls keinem nennenswerten Unternehmerrisiko. Für ein Unternehmerrisiko, welches die Selbständigkeit kennzeichnet, kommt es darauf an, ob eigenes Kapital und/oder die eigene Arbeitskraft ggf. auch ohne jeglichen Ertrag eingesetzt wurde, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder personellen Mittel also ungewiss ist (vgl. zuletzt Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18. November 2022 – L 1 BA 91/19 –, Rn. 61, zitiert nach juris).
Diese Voraussetzung erfüllte die Beigeladene zu 1 nicht. Sie erhielt von dem Kläger einen festen Lohn für geleistete Arbeitsstunden und hatte keinen Verdienstausfall zu befürchten. Der Stundenlohn wurde unabhängig davon gezahlt, ob für die Leistung von Krankenkassen oder der Patientenschaft auf die Rechnung hin eine Vergütung erfolgte. Ein Inkassorisiko bestand für die Beigeladene zu 1 nicht. Die Tatsache, dass sie nur ein Entgelt für geleistete Arbeitsstunden erhielt, ist dagegen nicht spezifischer Ausdruck eines Unternehmerrisikos. Diese Folge trifft auch jede Aushilfskraft, die zur Abfederung von Belastungsspitzen arbeitet. Die Beigeladene zu 1 setzte kein nennenswertes Wagniskapital ein. Sie unterhielt keine eigenen Betriebsräume und sie schuldete für die Nutzung des Behandlungsstuhls und der Räumlichkeiten (einschließlich Licht, Strom und Wärme) dem Kläger kein Nutzungsentgelt und keine Mietzahlungen. Sie hatte allein die verwendeten Instrumente selbst zu finanzieren. Angesichts der übrigen (Betriebs-)Kosten und ihres monatlichen Einkommens sind diese Aufwendungen allerdings nicht von entscheidendem Gewicht. Gemäß einer kurzen Marktrecherche im einschlägigen Online-Fachhandel kostet ein Set bestehend aus zehn Instrumenten für eine professionelle Zahnreinigung 37,82 Euro (vgl. https://www.dentale-instrumente.de/de/zahnsteinentferner, recherchiert am 16. Februar 2023 ). Selbst bei Berücksichtigung hochpreisiger Instrumente zur dauerhaften Nutzung mit einem Preis von ca. 20,00 - 25,00 Euro pro Instrument (z. B. Scaler oder Küretten, vgl. https://www.mf-dental.de/Instrumente/Kueretten-Scaler/), liegen die Anschaffungskosten weit unter der monatlichen festen Vergütung.
Für die Beigeladene zu 1 bestand auch nicht die Chance, durch unternehmerisches Geschick ihre Arbeit so effizient zu gestalten, dass sie das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu ihren Gunsten entscheidend hätte beeinflussen können. Denn sie partizipierte entgegen dem klägerischen Vortrag gerade nicht an den durch sie erwirtschafteten Erträgen aus den Prophylaxe-Behandlungen. Diese standen allein dem Kläger zu. Allein die Möglichkeit, einen stundenabhängigen Arbeitslohn durch mehr Arbeitsstunden zu steigern, stellt schließlich kein Unternehmerrisiko dar, weil die Tätigkeit gerade nicht das Risiko in sich trägt, unvergütet zu bleiben.
Soweit die Beigeladene zu 1 auch eigene Patienten und Patientinnen in den Räumlichkeiten des Klägers behandeln durfte, begründet das kein Unternehmerrisiko in der Tätigkeit für den Kläger, die der Beitragspflicht unterzogen wurde. Diese weitere Tätigkeit ist vielmehr davon getrennt zu betrachten (s. o.), ein möglicher Ertrag daraus war für das Unternehmerrisiko ihrer Tätigkeit für den Kläger gänzlich ohne Bedeutung. Denn diese weiteren Tätigkeiten hatten auf die (feste) monatliche Vergütung nach Stunden keinerlei Einfluss.
ee. Die Feststellungen im Bescheid der Clearingstelle der Beklagten vom 29. Juni 2017 rechtfertigen keine andere Betrachtung. Der Bescheid betraf von vornherein einen anderen Vertrag der Beigeladenen zu 1, nämlich zur Praxisnachfolgerin des Klägers (vom 1. Dezember 2016) und kann schon deshalb weder Tatbestands- noch Indizwirkung zugunsten des Klägers entfalten. Vor allem betraf der Bescheid ausweislich seines Inhalts eine qualitativ ganz andere Tätigkeit der Beigeladenen zu 1, nämlich Bürotätigkeit, konkret die Abrechnung von erbrachten Behandlungen.
e. Aus der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1 folgt die Versicherungspflicht in allen vier Zweigen der Sozialversicherung und nach § 10 i. V. m. § 3 AAG die Umlagepflicht. Die Beigeladene zu 1 ist nicht deshalb gemäß § 5 Abs. 5 SGB V nicht versicherungspflichtig in der Kranken- und sozialen Pflegeversicherung, weil sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Hauptberuflich ist eine selbständige Tätigkeit dann, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit bildet (Felix, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 5 SGB V – Stand: 30.11.2022 - Rn. 147 m. w. N. aus der Rechtspr.). Für die Beigeladene zu 1 ist nicht nachgewiesen, dass sie in der streitigen Zeit überwiegend, also mehr als 50 %, ihrer Arbeitszeit, selbständig tätig war und auch mehr als 50 % ihrer Einnahmen aus dieser Tätigkeit generierte. Nach ihren eigenen Angaben war sie in der Praxis des Klägers zu 50 % für ihn tätig. Es kann insoweit offen bleiben, ob sie mit den weiteren Tätigkeiten, die sie unter eigenem Namen abrechnete, tatsächlich selbständig tätig war. Denn ein Verhältnis von 50:50 reicht für die hauptberuflich selbständige Tätigkeit nicht aus. Vielmehr muss die hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit eine Beschäftigung deutlich übersteigen (vgl. nur BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 4/13 R –, Rn. 16, zitiert nach juris). Dieses Verhältnis trägt die Beigeladene zu 1 aber selbst nicht vor und ein solches ergibt sich auch nicht aus den Feststellungen der Beklagten oder der Aktenlage. Soweit die Beigeladene zu 1 in der streitigen Zeit weiter in zwei anderen Zahnarztpraxen tätig war, fehlen Anhaltspunkte dafür, dass diese Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1 tatsächlich selbständig ausgeübt wurden und wirtschaftlich und tatsächlich die Tätigkeit für den Kläger deutlich überwogen. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass sie auch insoweit als Dentalhygienikerin im Rahmen einer funktionsgerechten Teilhabe in anderen Arztpraxen gearbeitet hat. Dafür sprechen ihre handschriftlichen Ergänzungen in der Erklärung vom 30. April 2016, wonach sie bei weiteren Zahnärztinnen und Zahnärzten eine Angestellte eingearbeitet hat (bis 31. Dezember 2010 ) bzw. als Schwangerschaftsvertretung in einer kieferorthopädischen Praxis („Adentics“ bis zum 20. Dezember 2011 ) tätig war. Beide Tätigkeiten werden typischerweise arbeitsteilig erbracht und gerade nicht selbständig. Auch für die weiteren Tätigkeiten als Dentalhygienikerin in zahnärztlichen Praxen gelten im Übrigen die o. g. berufsrechtlichen Vorgaben.
3. Die Beklagte war nicht gehindert, die Versicherungspflicht für die Beigeladene zu 1 mit dem angefochtenen Bescheid im Betriebsprüfungsverfahren festzustellen. Gründe der Bestandskraft oder des Vertrauensschutzes stehen dem nicht entgegen.
a. Der Kläger kann sich gegenüber der Beitragsforderung nicht darauf berufen, wegen des Bescheides vom 22. August 2016 habe die Beklagte danach keine Beitragsforderungen mehr im Rahmen der Betriebsprüfung erheben dürfen. Insbesondere hat dieser Bescheid weder das Betriebsprüfungsverwaltungsverfahren förmlich abgeschlossen, mit der Folge etwa, dass die Beklagte mit Blick auf seine Bindungswirkung (§ 77 SGG) nur nach Maßgabe der §§ 44 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X – die Beiträge noch rückwirkend hätte festsetzen können, noch ergibt sich aus dem Bescheid, dass die Frage der Sozialversicherungspflicht der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 außerhalb des Betriebsprüfungsverfahrens beurteilt werden sollte (vgl. zu einem entsprechenden Fall LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20. Juni 2016 – L 2 R 276/16 B ER –, Rn. 19 – 23, zitiert nach juris).
Der Bescheid vom 22. August 2016 war bereits nach seinem objektiven Erklärungsgehalt nicht geeignet, die Betriebsprüfung abzuschließen oder (zumindest) eine (weitere) Beitragsforderung auszuschließen. Zwar enthält er einen Verfügungssatz, wonach die aus der Prüfung sich ergebende Nachforderung insgesamt 209,97 Euro beträgt. Der Bescheid schloss das Betriebsprüfungsverfahren jedoch nicht ab. Er bezieht sich im Folgenden auf den Lohnsteuerprüfbericht vom 24. Juli 2014, welcher Feststellungen für andere Mitarbeiterinnen des Klägers trifft. Hinsichtlich der Beigeladenen zu 1 enthält dieser Bericht gerade keine Feststellungen, sondern es wurde eine Mitteilung an das Wohnsitzfinanzamt veranlasst. Entscheidend ist aber, dass der Bescheid vom 22. August 2016 hinsichtlich der getroffenen Feststellungen für die Beigeladene zu 1 den unmissverständlichen Hinweis enthielt, dass noch weitere Nachricht kommen würde. Ein objektiver Dritter als maßgeblicher Adressat musste deshalb davon ausgehen, dass mit der Feststellung die Betriebsprüfung noch nicht abschlossen war. Schließlich hat selbst der Kläger das Verfahren nicht als abgeschlossen verstanden. Denn auf die danach am 5. September 2016 versandte Anhörung zur Beitragspflicht der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 nahm sein Steuerberater dezidiert am 15. September 2016 in der Sache Stellung und übersandte weitere Unterlagen. Beides ergäbe keinen Sinn, wenn der Kläger das Betriebsprüfungsverfahren seinerzeit bereits für endgültig abgeschlossen gehalten hätte. Aus den von der Klägerbevollmächtigten angeführten Entscheidungen des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 14. Oktober 2015 – L 8 R 474/15 –) sowie des LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 20. Juni 2016 – L 2 R 276/16 B ER –, jeweils zitiert nach juris) ergibt sich kein anderes Ergebnis. Denn der Erklärungs- und Regelungsgehalt eines Bescheides – damit auch dessen Bindungswirkung – bestimmt sich auch im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens nach dem für ihn zu ermittelnden objektiven Empfängerhorizont im Einzelfall (§ 133 BGB, so explizit auch das LSG Nordrhein-Westfalen, aaO). Der Hinweis in dem Bescheid ist deshalb einem Vergleich mit anderen Bescheiden in anderen Betriebsprüfungsverfahren nicht zugänglich.
b. Der Bescheid der Lohnsteueraußenprüfung vom 7. Oktober 2016 enthält bereits keine Feststellungen zur Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1, die einer Feststellung im Rahmen der Betriebsprüfung entgegen stehen könnten.
c. Auch der Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 29. Januar 2007, mit dem diese der Beigeladenen zu 1 zur Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis zum 31. Oktober 2007 einen Gründungszuschuss gewährte, steht der Feststellung von Sozialversicherungspflicht nicht entgegen. Zum einen bezog er sich auf einen früheren (beendeten) Zeitraum, zum anderen erging er gegenüber der Beigeladenen zu 1 und traf keine Regelung für das hier streitige, konkrete Auftragsverhältnis.
d. Die Beklagte war berechtigt, die Beiträge zur Sozialversicherung für den Zeitraum ab dem 1. November 2010 rückwirkend festzusetzen, obwohl der Zeitraum außerhalb des angekündigten Prüfzeitraums (ab 2012) lag. Die Träger der Rentenversicherung sind berechtigt, im Rahmen der Betriebsprüfung auch Beiträge für Zeiträume zu erheben, die nicht in dem angekündigten Prüfzeitraum, sondern außerhalb liegen. Denn die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten zur Beitragshöhe „im Rahmen der Betriebsprüfung“ gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erstreckt sich auf alle anlässlich der Prüfung gefundenen Erkenntnisse in Bezug auf Versicherungs- und Beitragspflicht (so auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. Juli 2007 – L 1 RA 248/03 –, Rn. 25; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 2. März 2022 – L 9 BA 32/19 –, Rn. 73, zitiert nach juris)
4. Die Beklagte hat die Beiträge zur Sozialversicherung und zum AAG für den Zeitraum schließlich der Höhe nach zutreffend auf der Grundlage der Entgelte festgesetzt, die die Beigeladene zu 1 für ihre Tätigkeit vom Kläger als Vergütung erhalten hat.
5. Auf Verjährung kann sich der Kläger für die Beiträge der Jahre 2010 und 2011 nicht berufen.
Beiträge verjähren gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Gesamtsozialversicherungsbeiträge werden gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig. Gemessen daran lief die regelmäßige Verjährungsfrist für die Beiträge für 2010 und 2011 mit Ablauf des Jahres 2014 bzw. 2015 ab. Gleichwohl waren die Ansprüche der Beklagten nicht verjährt. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Die lange Verjährung muss gegen sich gelten lassen, wer als Beitragspflichtiger seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz). Vorsatz muss nicht schon im Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge vorliegen: Wenn noch während des Laufs der vierjährigen Verjährungsfrist Vorsatz eintritt, genügt das zur Anwendung der dreißigjährigen Verjährung.
Der Kläger musste aufgrund des Lohnsteueraußenprüfungsberichts vom 24. Juli 2014 eine Beitragspflicht für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 für möglich halten. Es besteht zwar kein Gleichlauf zwischen Steuerreicht und Sozialversicherungsrecht (dazu bereits oben). Der Lohnsteueraußenprüfungsbericht verwies aber bereits auf § 1 ZHG, der auch maßgebend die sozialversicherungsrechtliche Betrachtung der Tätigkeit beeinflusst (dazu ausführlich oben). Der Senat verweist im Übrigen auf die Ausführungen der Beklagten auf S. 5 oben des Ausgangsbescheids (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 136 Abs. 3 SGG).
6. Der Senat muss sich schließlich auch in Kenntnis des Antrages des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht gedrängt fühlen, die dort benannten Ermittlungen anzustrengen.
Dem hilfsweise gestellten Antrag,
Beweis zu erheben über den hauptberuflichen Schwerpunkt der Beigeladenen zu 1. im Streitzeitraum, um ermitteln zu können, ob § 5 Abs. 5 SGB V einschlägig ist und eine Kranken- und Pflegeversicherung hier ausscheiden muss.
ist bereits deshalb nicht zu folgen, weil er untauglich ist. Bei der gestellten Beweisfrage, ob ein hauptberuflich selbständiger Schwerpunkt i. S. des § 5 Abs., 5 SGB V vorliegt, handelt es sich um eine rechtliche Kategorie und eine Bewertung, die nicht dem Beweis zugänglich ist.
Wird die Beweisfrage so verstanden, dass die weiteren Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1 für andere Auftraggeber Gegenstand der Ermittlungen sein sollen, so handelt es sich um einen Antrag allgemein auf Aufklärung ins Blaue, dem das Gericht nicht nachgehen muss. Von einem solchen Antrag ist auszugehen, wenn er erst die Beweisaufnahme selbst die entscheidungs- bzw. beweiserheblichen Tatsachen aufdecken soll, bzw. die allein den Zweck haben, dem Beweisführer, der keine oder jedenfalls nicht genügend Anhaltspunkte für seine Behauptungen angibt, erst die Grundlage für substantiierte Tatsachenbehauptungen zu verschaffen. Als bloße Beweisermittlungsanträge sind solche Anträge darauf gerichtet, die von Amts wegen vorzunehmende Sachverhaltsaufklärung, die im Ermessen des Gerichts steht, noch einmal zu überdenken (Mushoff, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, § 103 SGG - Stand: 12. Dezember 2022 – Rn. 150). Da der Kläger einen Ausforschungsantrag ins Blaue gestellt hat, ist nichts zu veranlassen. Er hat keine genügenden Anhaltspunkte dafür benannt, dass die Tätigkeiten der Beigeladenen
zu 1 für weitere Auftraggeber Kriterien aufwiesen, die ihre rechtliche Qualifizierung als hauptberuflich selbständige Tätigkeiten tragen. Der bloße Vortrag, die Beigeladene zu 1 sei auch für andere Auftraggeber tätig gewesen, legt nicht dar, warum diese Tätigkeiten selbständig sein sollen und überdies den Schwerpunkt in zeitlicher und wirtschaftlicher Hinsicht bildeten.
Die hinreichende Substantiierung des Beweisthemas war dem anwaltlich vertretenen Kläger auch ohne weiteren (gerichtlichen) Hinweis zumutbar. Denn bereits mit dem Widerspruch hat der Kläger allgemein darauf hingewiesen, die Beklagte hätte die weiteren Honorare der Klägerin aus anderen Auftragsverhältnissen ermitteln müssen, um zu prüfen, ob daraus Beitragsfreiheit resultiere. Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid ihrerseits darauf repliziert, dass selbst bei Annahme, dass die Beigeladene zu 1 auch für weitere Auftraggeber als Dentalhygienikerin tätig war, daraus (noch) keine hauptberuflich selbständige Tätigkeit folgen könne, weil diese Tätigkeit im Zweifel im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird (S. 4 unten Widerspruchsbescheid).
Die Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Klage des Klägers allein betreffend die Säumniszuschläge vor dem Sozialgericht Erfolg hatte, weil die Beklagte insoweit einen Änderungsbescheid (gemäß § 96 SGG) erlassen hat (§ 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 1 und § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung).
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).