L 9 R 855/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 3202/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 855/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 2. März 2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, die Beklagte sei verpflichtet, etwaige „zukünftige Nachzahlungen ab 0,01 € bedingungslos an die Klägerin auszuzahlen“.

Die Beklagte bewilligte der 1960 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 29.03.2006 und Änderungsbescheid vom 24.05.2006 für die Zeit ab 16.01.2006 eine große Witwenrente aus der Versicherung ihres am 16.01.2006 verstorbenen Ehemanns unter Anrechnung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung (Witwenrente nach § 65 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch). Änderungen des Zahlbetrages der großen Witwenrente erfolgten u.a. mit den Bescheiden vom 18.05.2010, 31.01.2013, 28.12.2015, 26.02.2019 und 16.05.2019.

Mit Bescheid vom 14.02.2020 verfügte die Beklagte, dass aufgrund einer Änderung der Berechnungsgrundlagen für den Beitrag zur Krankenversicherung/Pflegeversicherung die Rente ab dem 01.01.2020 neu berechnet werde. Für die Zeit vom 01.01.2020 bis 29.02.2020 betrage die Nachzahlung 0,46 €. Der Bescheid enthielt folgenden Zusatz: „Um Ihnen eventuell entstehende Buchungsgebühren zu ersparen, werden wir wegen der Geringfügigkeit dieses Betrages eine Überweisung nur auf Ihren ausdrücklichen Wunsch vornehmen.“

Nach dem Aktenvermerk der Beklagten (Herr F vom 02.07.2020) rief der Sohn der Klägerin am 02.07.2020 bei der Beklagten an und bat um Auskunft, weshalb sich die Rente zum 01.03.2020 verändert habe. Auf den Hinweis des F auf den Bescheid vom 14.02.2020 und die Veränderung des Zusatzbeitrages zur Krankenversicherung zum 01.01.2020, gab der Sohn der Klägerin an, dass die Mutter diesen Bescheid nicht erhalten habe. Nach dem Aktenvermerk des F begehrte er die Übersendung des Bescheides sofort per Mail oder Fax an die Fax-Nummer der Mutter. Mit der vom Sachbearbeiter angekündigten Versendung per Post zeigte er sich nicht einverstanden und vertrat die Auffassung, er könne den Versandweg bestimmen (so der Vermerk).

Bei der Agentur für Arbeit in K ist am 10.08.2020 der vom bevollmächtigten Rechtsanwalt der Klägerin, H, H1, formulierte Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.02.2020 eingegangen, der mit der Bitte verbunden war, diesen gemäß § 84 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) weiterzuleiten. Der Bescheid vom 14.02.2020 sei bei der Klägerin erstmals am 07.07.2020 eingegangen. Für die verweigerte Nachzahlung in Höhe von 0,46 € gebe es keine Rechtsgrundlage und die Beklagte werde aufgefordert, ihr jeden auch nur geringfügigen Nachzahlungsbetrag ab 0,01 € zukünftig unaufgefordert auszuzahlen. Mit Schreiben vom 25.09.2020 teilte die Klägerin der Beklagten selbst mit, dass entgegen des Vortrages im Widerspruch vom 10.08.2020 ihr der Bescheid vom 14.02.2020 erst am 10.07.2020 zugegangen sei.

Mit an die Bevollmächtigten gesandtem Widerspruchsbescheid vom 02.12.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Widerspruch sei unzulässig, weil im Bescheid vom 14.02.2020 darauf hingewiesen worden sei, dass eine Nachzahlung des geringfügigen Betrages von 0,46 € auf ausdrücklichen Wunsch hin vorgenommen werde. Eine diesbezügliche Beschwer, eine Rechtsbeeinträchtigung, liege von vornherein nicht vor. Sofern in Zukunft die Auszahlung geringfügiger Beträge gewünscht werde, genüge hierzu eine kurze schriftliche Mitteilung. Die Auszahlung des Nachzahlungsbetrages von 0,46 € werde veranlasst.

Mit einem Schreiben vom 15.12.2020 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Das Schreiben trägt den Eingangsstempel des Bürgermeisteramtes der Gemeinde W vom 16.12.2020, welches die Klage an das SG weitergeleitet hat und dort am 17.12.2020 eingegangen ist. Zur Begründung hat die Klägerin, zwischenzeitlich wieder anwaltlich vertreten (Schriftsatz vom 19.01.2021), vorgetragen, die Beklagte wolle auch zukünftige Nachzahlungen in rechtswidriger Weise von einer weiteren Zahlungsaufforderung der Klägerin abhängig machen, was sich dem Widerspruchsbescheid entnehmen lasse. Sie mache die Zahlung – nicht die Auszahlung – insoweit erneut rechtswidrig von einer schriftlichen Zahlungsaufforderung abhängig, obwohl sie die Zahlungsverpflichtung bereits selbst festgestellt habe. Ferner wird geltend gemacht, die Klage sei am 15.12.2020 um 16:46 Uhr bei der Gemeinde W eingegangen und sei durch den Sohn der Klägerin in den dortigen Behördenbriefkasten eingeworfen worden. Die Gemeinde W sei klägerseitig dafür bekannt, dass sie eine Falschbeurkundung des jeweiligen Eingangsdatums vornehme. Dies sei aus anderen Verfahren bekannt. Das behauptete Eingangsdatum 16.12.2020 sei daher von Amts wegen auf das tatsächliche Eingangsdatum zu berichtigen, was rein vorsorglich beantragt werde.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen. Der Nachzahlungsbetrag sei am 10.12.2020 zur Auszahlung über den Rentenservice angewiesen worden. Eine generelle (automatische) Auszahlung von geringfügigen Beträgen sei nicht möglich, weil bei der Vielzahl an Versicherten nicht für jeden eine Sonderregelung per Vermerk o.Ä. im Vorgang getroffen werden könne. Ferner laufe dies der gesetzlichen Regelung in § 118 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zuwider, wonach eine Nachzahlung unter 1/10 des aktuellen Rentenwerts nicht vorgenommen und dem nur in Fällen des ausdrücklichen Auszahlungsbegehrens entsprochen werde.

Der Nachzahlungsbetrag ging am 17.12.2020 bei der Klägerin ein, woraufhin diese den entsprechenden Klageantrag für erledigt erklärt hat.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.03.2022 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klagen bereits unzulässig seien. Die Klägerin habe den ursprünglich gestellten Antrag auf Auszahlung des Nachzahlungsbetrages von 0,46 € infolge der erfolgten Auszahlung am 17.12.2020 für erledigt erklärt. Im Übrigen begehre sie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, etwaige zukünftige Nachzahlungen ab 0,01 € bedingungslos an sie zu zahlen, sowie die Abänderung des Bescheides vom 14.02.2020 und die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2020. Die Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 SGG sei jedoch bereits unzulässig, denn das spezifische Feststellungsinteresse, das im Rahmen von § 55 SGG für die Zulässigkeit einer auf die Feststellung eines zukünftigen Rechtsverhältnisses gerichteten Klage notwendig sei, sei vorliegend nicht gegeben. Die von der Klägerin begehrte Feststellung betreffe ein zukünftiges Rechtsverhältnis. Entsprechende Klagen seien zwar nicht von vornherein ausgeschlossen. Das SGG sehe jedoch für den Regelfall den nachträglichen und nicht vorbeugenden Rechtsschutz vor; mit Blick auf die Funktionsverteilung zwischen Exekutive und Judikative seien die Gerichte grundsätzlich auf die Prüfung und Kontrolle von bereits erfolgtem Verwaltungshandeln beschränkt. Vorbeugende Feststellungsklagen setzten daher ein besonderes Feststellungsinteresse voraus; erforderlich sei, dass ein weiteres Abwarten und nachträglicher Rechtsschutz für den Beteiligten unzumutbar seien (unter Hinweis auf Senger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 55 - Stand: 27. Juli 2021 - Rn. 63; MKLS/Keller, SGG, 13. Auflage, § 55 Rn. 15c).
Dies sei vorliegend nicht gegeben. Nach § 118 Abs. 2a SGB VI sollen Nachzahlungsbeträge, die ein Zehntel des allgemeinen Rentenwerts nicht übersteigen, nicht ausgezahlt werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei es der Solidargemeinschaft grundsätzlich nicht zuzumuten, Bagatellbeträge auszuzahlen, bei denen die Höhe des Auszahlungsaufwands die Höhe der auszuzahlenden Beträge übersteige (BT-Drs. 14/4595 S. 51). Die Regelung sei eine Sollvorschrift, schließe also die Zahlung auch geringfügiger Nachzahlungsbeträge nicht aus, wenn die Beklagte sie im Einzelfall bei Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nach § 39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) für zweckmäßig halte oder der Rentenberechtigte die Auszahlung verlange. Vorliegend stehe es der Klägerin offen, bei zukünftiger Bagatellnachzahlung i.S.d. § 118 Abs. 2a SGB VI einen Auszahlungswunsch zu äußern. Erst wenn die Beklagte die Auszahlung verweigern sollte, stehe der Klägerin ein nachträglicher Rechtsschutz im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage offen. Soweit die Klägerin die Abänderung des Bescheides vom 14.02.2020 und die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2020 begehre, sei die Anfechtungsklage ebenfalls unzulässig, weil es am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die Gerichte hätten die Aufgabe, den Bürgern und der Verwaltung zu ihrem Recht zu verhelfen, soweit das notwendig sei. Soweit eine Möglichkeit bestehe, das Recht außerprozessual durchzusetzen, bestehe kein Anlass, die Hilfe des Gerichts zur Verfügung zu stellen. Deswegen bestehe der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte unnütz oder gar unlauter in Anspruch nehmen oder ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Verfolgung zweckwidriger und insoweit nicht schutzwürdiger Ziele ausnutzen dürfe. Jede Rechtsverfolgung setze ein Rechtsschutzbedürfnis bzw. Rechtsschutzinteresse voraus. Dies begründe sich aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte und dem Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns; prozessuale Rechte dürften nicht zu Lasten der Funktionsfähigkeit des staatlichen Rechtspflegeapparats missbraucht werden. Das Rechtsschutzinteresse könne auch fehlen, wenn es dem Kläger nur darum gehe, die Ressourcen der Verwaltung und der Gerichte zu beanspruchen und die jeweiligen Sachbearbeiter soweit wie möglich zu schikanieren (mit Verweis auf MKLS/Keller, SGG, 13. Auflage 2020, vor § 51 Rn. 16 ff.). Die Beklagte sei an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) gebunden und habe im Bescheid vom 14.02.2020 die Regelung in § 118 Abs. 2a SGB VI entsprechend umgesetzt. Nachdem sie auch dem Auszahlungsbegehren der Klägerin nachgekommen sei, bringe die Anfechtungsklage der Klägerin keinen rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorteil.

Gegen den dem Bevollmächtigten der Klägerin am 03.03.2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 16.03.2022 per Fax neben einem Berichtigungsantrag bezogen auf Ausführungen im Gerichtsbescheid (vgl. hierzu Beschluss vom 24.05.2022, die Beschwerde hiergegen hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 13.10.2022 – L 9 R 1791/22 B - zurückgewiesen) Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vortrages an den bislang gestellten Anträgen festgehalten. Es werde rein vorsorglich gegenüber der beklagten Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg – nochmals – ein Anspruch auf vollständige Erfüllung/Zahlung von allen in einem Verwaltungsakt festgestellten Nachzahlungsansprüchen ab 0,01 € geltend gemacht. Der Klägerin entstünden grundsätzlich keine „Buchungsgebühren“ bzw. (korrekt) Buchungskosten, ob und ggf. in welchem Umfang für die Beklagte insoweit ein Verwaltungsaufwand entstehe, sei nicht bekannt aber auch nicht relevant. Es bestehe insgesamt eine Vergleichsbereitschaft, dies auch, um aufzuzeigen, dass klägerseitig grundsätzlich ein Interesse daran bestehe, das Recht außerprozessual durchzusetzen, dies scheitere vorliegend allein an der formalen Tatsache, dass die vorliegende Sache bereits rechtshängig sei. Wer in einem Rechtsstreit vergleichsbereit sei, von dem sei auch anzunehmen, dass er bereits außergerichtlich bemüht gewesen sei, eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Die Klägerin beantragt,

Die Entscheidungen des Sozialgerichts Ulm vom 02.03.2022 aufzuheben.
Der Widerspruchsbescheid vorn 02.12.2020 wird aufgehoben und der Bescheid vorn 14.02.2020 hinsichtlich der unterlassenen Nachzahlung abgeändert.
Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, etwaige zukünftige Nachzahlungen ab 0,01 € bedingungslos an die Klägerin zu zahlen.
Festzustellen, dass die Vertretung durch H im Widerspruchsverfahren notwendig und geboten war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.


Entscheidungsgründe

Der Senat ist trotz Ausbleibens der Klägerin und der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.10.2022 nicht gehindert gewesen, zur Sache zu verhandeln und zu entscheiden (vgl. hierzu MKLS/Keller, SGG, 13. Auflage, § 126 Rn. 4), da die Beteiligten zum Termin fristgerecht und auch im Übrigen ordnungsgemäß geladen worden sind (§ 110 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Berufung der Klägerin ist zulässig.

Insbesondere steht der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegen, dass die vom Berichterstatter des Senats angeforderte Vollmacht der Klägerin für den Sohn nicht auch im Berufungsverfahren zu den Akten gereicht wurde. Gemäß § 73 Abs. 1 SGG können die Beteiligten den Rechtsstreit vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht selbst führen. § 73 Abs. 2 SGG enthält eine abschließende Aufzählung der Personen oder Vereinigungen, die als Prozessbevollmächtigte in Frage kommen. Hierzu gehören auch volljährige Familienangehörige (§ 37 Abs. 2 Nr. 2 SGG) im Sinne des § 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht. Diese Voraussetzungen erfüllt der Sohn der Klägerin. Gemäß § 73 Abs. 6 SGG ist die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden, wofür das Gericht eine Frist bestimmen kann. Bei Ehegatten oder Lebenspartnern und Verwandten in gerader Linie kann unterstellt werden, dass sie bevollmächtigt sind. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt.

Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlt es nach Überzeugung des Senats unter Beachtung des Umstandes, dass das Gesetz die Bevollmächtigung bei Verwandten in gerader Linie unterstellt, an begründeten Zweifeln an der Bevollmächtigung, nachdem im erstinstanzlichen Verfahren eine entsprechende Vollmacht zu den Akten gereicht wurde, die zudem „bis auf Widerruf in allen laufenden und zukünftigen Verfahren, einschließlich etwaiger Rechtsmittelverfahren für alle Instanzen“ erteilt wurde. Ein solcher Widerruf ist hier nicht eingegangen. Auch wenn nach dem Wortlaut der Vollmacht der Schriftverkehr an die Klägerin selbst gerichtet werden soll, war der Sohn der Klägerin ausdrücklich berechtigt, Dokumente persönlich entgegenzunehmen, weshalb gemäß § 73 Abs. 6 Satz 6 SGG Zustellungen und Mitteilungen des Gerichts an diesen zu richten waren.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin wird hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt.

Zunächst ist festzustellen, dass eine Aufhebung des Bescheides vom 14.02.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2020, soweit dieser angefochten wurde, nicht in Betracht kommt. Die Klägerin wendet sich ganz offensichtlich nicht gegen die Neuberechnung ihrer Witwenrente mit diesem Bescheid, die zu einer höheren Rente führte und einen Anspruch auf Nachzahlung für die Zeit vom 01.01.2020 bis 29.02.2020 begründete und damit zu ihren Gunsten erfolgte, sondern allein gegen den Passus, wonach wegen der Geringfügigkeit des Nachzahlungsbetrages eine Überweisung nur auf ausdrücklichen Wunsch vorgenommen werde. Insoweit wendet sich die Klägerin gegen einen Verwaltungsakt, dessen Aufhebung grundsätzlich im Wege der Anfechtungsklage begehrt werden kann (§ 54 SGG). Gemäß § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) wird der Begriff Verwaltungsakt definiert als „jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft, und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist“. Das Absehen von der Auszahlung eines bereits errechneten Nachzahlungsbetrages stellt ohne Zweifel eine hoheitliche Maßnahme der Beklagten, einer Behörde im Sinne des § 31 SGB X, auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, zur Regelung eines Einzelfalls (das Absehen der Auszahlung des konkret berechneten Nachzahlungsbetrages wegen Geringfügigkeit) dar. Insoweit handelt es sich auch nicht nur um eine innerbehördliche Anordnung, die eine Regelung erst vorbereitet, sondern eine Regelung mit Außenwirkung, die unmittelbar in die Rechtssphäre der Klägerin einwirkt. Dieser Verwaltungsakt hat sich aber spätestens durch die Auszahlung der im Bescheid vom 14.02.2020 festgestellten Nachzahlung „auf sonstige Weise“ erledigt. Gemäß § 39 Abs. 2 SGB X bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Mit der Geltendmachung und Auszahlung der 0,46 € entfaltet der Bescheid (Zurückbehalten des Nachzahlungsbetrages) keine Rechtswirkung mehr und hat sich damit erledigt. Damit liegt kein belastender Verwaltungsakt vor, weswegen die Anfechtungsklage spätestens mit Auszahlung der 0,46 € an die Klägerin (17.12.2020) unzulässig geworden ist.

Die Klägerin kann auch nicht die gerichtliche Feststellung verlangen, dass die Beklagte verpflichtet ist, etwaige zukünftige Nachzahlungen ab 0,01 € bedingungslos an die Klägerin zu zahlen. Denn das Vorgehen der Beklagten ist ungeachtet der vom SG ausführlich geprüften und verneinten Frage der zulässigen prozessualen Geltendmachung schon nicht rechtswidrig. Nach der vom Gesetzgeber in § 118 Abs. 2a SGB VI vorgegebenen Verfahrensweise sollen Nachzahlungsbeträge, die ein Zehntel des aktuellen Rentenwerts nicht übersteigen, nicht ausgezahlt werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist es der Solidargemeinschaft grundsätzlich nicht zuzumuten, Bagatellbeträge auszuzahlen, bei denen die Höhe des Auszahlungsaufwands die Höhe der auszuzahlenden Beträge übersteigt (BT-Drs. 14/4595 S. 51). Durch die Soll-Vorschrift wird der Beklagten lediglich die Möglichkeit eröffnet, in besonderen Fällen auch Bagatellbeträge auszahlen (BeckOGK/Körner, SGB VI, § 118 Rn. 16 b). Die Beklagte ist hier davon ausgegangen, dass ein besonderer Fall bereits dann vorliegt, wenn der/die Versicherte die Auszahlung des Nachzahlungsbetrags konkret einfordert. Ob dies der gesetzlichen Intention entspricht, kann dahinstehen. Die Klägerin wird durch die Regelung mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben, verbunden mit der Möglichkeit eines formlosen Antrages auf Auszahlung jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt. Ein Anspruch darauf, dass die Beklagte grundsätzlich so zu verfahren hat, besteht schon deswegen nicht, weil es der Beklagten obliegt, zu prüfen, ob unter Berücksichtigung des Einzelfalls bei Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nach § 39 SGB I von der gesetzlich vorgegebenen Regel abzuweichen ist. Zu Recht hat das SG – auf dessen Ausführungen der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verweist – ausgeführt, dass
es nach der Rechtsprechung am Rechtsschutzinteresse für eine vorbeugende Klage fehlt, solange der Betroffene auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 16.05.2013 - B 3 P 5/12 R -, SozR 4-3300 § 115 Nr. 2 m.w.N., MKLS/Keller, SGG, 13. Auflage, vor § 51 Rn. 17a und § 54 Rn. 42a,). Ebenso heben das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) und der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung darauf ab, ob der Verweis auf nachgängigen Rechtsschutz – einschließlich des einstweiligen Rechtsschutzes – mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (BVerwGE 132, 64 = Buchholz 451.74 § 8 KHG Nr. 16, Rn. 26) bzw. eine nicht oder nur schwerlich wiedergutzumachende Rechtsverletzung drohen würde (BFH/NV 2013, 739 Rn. 15 m.w.N.). Beides ist hier nicht erkennbar.

Über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war nicht zu entscheiden, weil der Widerspruch nicht erfolgreich war (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 SGB X). Ferner war nicht über eine Falschbeurkundung durch die Gemeinde W zu entscheiden. Es war auch nicht entscheidungserheblich, ob die Klage dort am 15.12.2020 oder 16.12.2020 eingegangen war, da die Klage in beiden Fällen fristgerecht erhoben wurde. Insoweit gilt eine Monatsfrist nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2020, die auch am 16.12.2020 noch nicht abgelaufen war.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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