L 16 KR 353/20

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 36 KR 58/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 353/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 28.04.2020 wird zurückgewiesen.

Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der der Klägerin durch die Beschaffung von zwei Hörgeräten PHONAK Naida V90-UP entstandenen, den Festbetrag übersteigenden Kosten in Höhe von 4.113,00 €.

Die im Jahr 1930 geborene Klägerin, bei der eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit links und nahezu Taubheit rechts besteht, ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.

Im Jahr 2017 testete sie mehrere ihr von der Firma K GmbH zur Verfügung gestellte Hörgeräte. Am 22.11.2017 unterzeichnete die Klägerin eine Empfangsbestätigung der Firma K über den Erhalt von zwei Hörgeräten PHONAK Naida V90-UP zu einem Gesamtpreis von 5.870,00 €, in der es u.a. hieß:

„Bei Nichtübernahme des Festbetrages durch die gesetzliche Krankenkasse ist der unter Gesamtpreis zu entrichtende Betrag zu entrichten. Das Rückgaberecht des Hörsystems an die Fa. K GmbH endet spätestens am 20.12.2017.

(…)

Über diverse Möglichkeiten der digitalen zuzahlungsfreien und auch vergleichbaren Hörgeräteversorgung bin ich informiert und habe mich selbst für die Anpassung des o.g. Hörsystems bei der Fa. K GmbH entschieden. Ich bin über die möglichen Beteiligungen der Kostenträger informiert worden. Es liegt in meiner Eigenverantwortung, zusätzliche rechtsverbindliche Informationen zu beschaffen. (…)“

Am 20.12.2017 überließ die Firma K der Klägerin zwei Hörgeräte Naida V90-UP, für die ihr mit Rechnung vom gleichen Tag Kosten in Höhe von 4.113,00 € in Rechnung gestellt wurden (Gesamtkosten: 6.012,00 € abzüglich Kostenträgerübernahme in Höhe von 1.899,00 €), die sie am 07.03.2018 bezahlte.

Die Klägerin beantragte am 21.12.2017 bei der Beklagten die Übernahme der vollen Kosten für die Versorgung mit diesen Hörgeräten. Sie habe in den vergangenen Monaten verschiedene Hörgeräte – eigenanteilsfreie sogar mehrfach – ausprobiert. Nur die begehrten Hörgeräte erhöhten ihr Hörvermögen wesentlich. Beigefügt waren eine ohrenärztliche Verordnung des Dr. G vom 12.09.2017 sowie die Empfangsbestätigung vom 22.11.2017.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme der Hörgeräteakustikerin P ein, die eine Kostenübernahme aufgrund der auch bei hochgradig Schwerhörigen möglichen zuzahlungsfreien Versorgung z.B. mit PHONAK Naida S 1 UP oder dem Oticon SUMO DM nur in Höhe der geltenden Festbeträge für WHO-4 befürwortete. Vergleichsmessungen der verschiedenen getesteten Geräte lägen nicht vor; auch ein zuzahlungsfreies Gerät sei so einstellbar, dass damit ein optimales Sprachverstehen erreicht werden könne. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit Bescheid vom 05.01.2018 ab.

Am 08.01.2018 übersandte die Firma K der Beklagten einen die Versorgung der Klägerin mit den Hörgeräten PHONAK Naida V90-UP betreffenden Kostenvoranschlag über insgesamt 6.042,00 € und bat um eine Kostenübernahmeerklärung. Beigefügt war ein Anpass- und Abschlussbericht vom 18.10.2017. Dieser enthielt keine Einträge in den Feldern „Sprachverstehen“ bzw. „Freifeldmessung“. Unter Bemerkungen hieß es, dass aufgrund der hochgradigen Hör- und Sprachentwöhnung der Klägerin kein Sprachverständlichkeitstest wertbare Ergebnisse habe liefern können. Mit den zur Anpassung gekommenen Hörsystemen habe die Klägerin, trotz ihrer gravierenden Hörbeeinträchtigung, die nötigste Kommunikationsfähigkeit mit ihrem Umfeld wiedererlangen können. Das subjektive Empfinden B90 sei viel besser und Sprachverstehen vorhanden, aber messtechnisch nicht nachweisbar. Ein weiterer, die gleichen Hörgeräte betreffender Anpass- und Abschlussbericht vom 20.12.2017 enthielt zudem den Hinweis, dass die Klägerin die Unterzeichnung der Mehrkostenerklärung abgelehnt habe.

Gegen den Ablehnungsbescheid erhob die Klägerin am 18.01.2018 Widerspruch.

Die von der Beklagten erneut um Stellungnahme gebetene Hörgeräteakustikerin P blieb bei ihrer Auffassung. Es sei zu überlegen, ob nicht die Vorstellung in einer CI-Sprechstunde anzuraten sei. Der ebenfalls um Stellungnahme gebetene Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) kam in seinem Gutachten vom 29.01.2018 zu dem Ergebnis, dass aus den vorgelegten Unterlagen keine medizinische Notwendigkeit für eine höherwertige Versorgung jenseits des geltenden Festbetrages für WHO-4-Geräte gesehen werden könne.

Auf den Kostenvoranschlag der Firma K genehmigte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 1.869,00 €.

Die Klägerin hielt an ihrem Begehren fest und teilte der Beklagten mit, sie sei auf die ausgewählten und von ihr getesteten Hörgeräte angewiesen. Ihre bisherigen Hörgeräte seien defekt, ein – zudem deutlich teureres – Cochlea-Implantat sei aufgrund ihres Alters und ihres Gesundheitszustandes kontraindiziert. Nur mit den ausgewählten Hörgeräten sei es ihr möglich, täglich ihre Einkäufe fußläufig zu erledigen, sich im Straßenverkehr zu bewegen sowie ihre sonstigen alltagsrelevanten Lebenssituationen als Alleinstehende zu meistern. Auch wenn durch den Hörgeräteakustiker kein messbares Sprachverstehen habe nachgewiesen werden können, liege ein solches zeitweise mit den gewählten Hörgeräten vor.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2018 zurück. Eine ausnahmsweise mögliche Übernahme von über dem für Hörbeeinträchtigung der Stufe WHO 4 vertraglich vereinbarten Festbetrag in Höhe von 1.869,00 € liegenden Kosten sei nur bei Vorliegen objektiver Messwerte möglich, die eine andere Versorgung zwingend erforderlich machten, um einen Basisausgleich für die Hörbehinderung zu ermöglichen. Bei der Klägerin habe mit keinem der getesteten Geräte ein Sprachverstehen ermittelt werden können, weshalb objektiv betrachtet kein wesentlicher Nutzenvorteil für eine höherwertige und damit teurere Versorgung habe festgestellt werden können.

Hiergegen hat die Klägerin hat am 10.01.2019 Klage zum Sozialgericht Köln erhoben. Zur Begründung hat sie an ihrer Auffassung festgehalten, dass die begehrten Hörgeräte zu ihrer hinreichenden Hörversorgung erforderlich seien. Zwar sei ein Sprachverstehen in der jeweiligen Umgebung schwierig, aber möglich gewesen. Auch wenn dieses nicht messbar sei, sei es von Familienmitgliedern und ihrem behandelnden Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. G bestätigt worden. Somit liege ein erheblicher Gebrauchsvorteil der bezogenen Hörgeräte vor, da bei deren Nicht-Tragen eine Kommunikation unmöglich sei.

Die Klägerin hat nach ihrem erkennbaren Interesse beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 05.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 4.113,00 € gemäß Rechnung der Firma K vom 20.12.2017 für die Hörgeräteversorgung „Phonak Naida V90-UP“ zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihre Entscheidung für zutreffend und eine Versorgung der Klägerin mit den zur Verfügung gestellten aufzahlungsfreien Hörgeräten für gleichermaßen ausreichend gehalten.

Das Sozialgericht hat einen Bericht der Firma K eingeholt. Diese hat die Kundendokumentation übersandt und mitgeteilt, die Klägerin habe seit 2017 die Hörgeräte Max E SP (aufzahlungsfrei), Naida V 50-UP und Naida V 90-UP ausprobiert. Die Testung sei mit Hörgeräten zum Festbetrag begonnen worden. Wie aus dem Sprachaudiogramm ersichtlich, seien mit keinem der getesteten Hörgeräte Sprachwerte herausgekommen bzw. überhaupt möglich.

Das Sozialgericht hat zudem einen Befundbericht des Dr. G eingeholt. Dieser hat angegeben, ein Sprachtest sei aufgrund der Höhe des Hörverlustes nicht möglich. Die Klägerin sei mit dem getesteten Festbetragsgerät nicht klargekommen, es habe keine ausreichende Verständigung erzielt werden können. Er halte die Entscheidung der Beklagten für hart. Man könne eine Kommunikation mit der Klägerin nur führen, wenn sie die Hörgeräte trage. Auch mit den Hörgeräten sei eine Kommunikation schwierig, aber möglich. Um der Klägerin eine solche überhaupt zu ermöglichen, sollte bei der Schwere der Hörminderung auch das subjektive Empfinden berücksichtigt werden.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28.04.2020 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V liege schon deshalb nicht vor, da die selbstbeschaffte Leistung nicht unaufschiebbar gewesen sei. Einem Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V stehe schon entgegen, dass die Klägerin bereits vor Antragstellung bei der Beklagten eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingegangen sei und den Beschaffungsweg nicht eingehalten habe. Darüber hinaus habe die Beklagte den Antrag der Klägerin auch nicht zu Unrecht abgelehnt, denn die Versorgung mit den selbstbeschafften Hörgeräten sei nicht wirtschaftlich. Mit keinem der getesteten Hörgeräte habe ausweislich des Anpass- und Abschlussberichts des Hörgeräteakustikers ein Sprachverstehen gemessen werden können. Subjektive Empfindungen der Klägerin könnten eine aufzahlungspflichtige Versorgung nicht rechtfertigen.

Gegen den ihr am 05.05.2020 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin vom 02.06.2020. Zur  Begründung trägt sie vor, nur mit dem technisch hochwertigsten Hörgerät habe für sie ein zufriedenstellendes Resultat erzielt werden können. Der Hörgeräteakustiker, der für die Beklagte als deren Erfüllungsgehilfe die Versorgung durchführe, sei verpflichtet, ein den Hörverlust möglichst weitgehend ausgleichendes Hörgerät auszuwählen. Soweit die Beklagte der Auffassung sei, der Hörgeräteakustiker habe eine günstigere Versorgung anbieten müssen bzw. eine Hörgeräteversorgung sei aufgrund fehlenden Sprachverständnisses nicht sinnhaft, hätte sie sich frühzeitig in die Versorgung einbringen müssen, was hier nicht geschehen sei. Im Übrigen müsse nicht zwingend eine Verbesserung des Hörverstehens erreicht werden, es genüge eine Milderung der Kommunikationsbehinderung. Die Beklagte habe gegen ihre Obhuts-, Informations- und Beratungspflichten verstoßen, indem sie die beantragte Versorgung, auf die unstreitig Anspruch bestehe, abgelehnt und keine weiteren konkreten Versorgungsmöglichkeiten aufgezeigt habe. Bei der Übergabe der Hörgeräte durch den Hörgeräteakustiker sei einvernehmlich besprochen worden, dass sie einen Antrag auf Übernahme der den Festbetrag übersteigenden Kosten bei der Beklagten stelle und ihr die Hörgeräte weiterhin zur Nutzung – ohne Kauf – überlassen würden. Die Begleichung der Rechnung vom 20.12.2017 sei dementsprechend auch nicht angemahnt und erst im März 2018 von ihr beglichen worden, da sie mit ihren damals 88 Jahren keine Schulden habe haben wollen. Im Übrigen sei nach dem u.a. zwischen der Beklagten und der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker geschlossenen „Vertrag über die Versorgung der Versicherten mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit ab Vollendung des 18. Lebensjahres mit Hörgerätsystemen gemäß § 127 Abs. 1 SGB V“ davon auszugehen, dass die Beklagte unverzüglich nach dem Erstkontakt über die anstehende Versorgung und nicht erst am 21.12.2017 informiert worden sei. Im Übrigen gelte die Versorgungsanzeige als umfassender Antrag des Versicherten. Die Belehrung in der Empfangsbestätigung vom 22.11.2017 sei zudem unzureichend.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 28.04.2020 aufzuheben und die Beklagte zu der Erstattung des Restbetrages in Höhe von 4.113,00 € zu verurteilen.                    

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Aufgrund der Nichteinhaltung des Beschaffungsweges verfingen die Ausführungen der Klägerin zu einem etwaigen Beratungsmangel nicht. Ausweislich der Dokumentation des Hörgeräteakustikers habe sich die Klägerin am 14.12.2017 für den Kauf der Hörgeräte entschieden. Erst am 21.12.2017 sei sie, die Beklagte, einbezogen worden. Ein Beratungsbedarf sei zu diesem Zeitpunkt nicht ersichtlich gewesen, eine Pflichtverletzung nicht erkennbar. Da es sich bei der streitigen Versorgung nicht um eine vorzeitige Neuversorgung gehandelt habe, habe es keiner vorherigen Genehmigung durch sie bedurft. Die Beratung gemäß § 127 Abs. 4a SGB V in der vorliegend maßgeblichen Fassung vom 18.07.2017 sei rechtzeitig – da vor Inanspruchnahme der Leistung – erfolgt. Selbst wenn bereits mit der Entscheidung der Klägerin für die angeschafften Geräte am 14.12.2017 ein Antrag bei ihr eingegangen wäre, habe die Klägerin ihr nicht genug Zeit zur Entscheidung gelassen und damit den Beschaffungsweg verlassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 28.04.2020 ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthafte Klage (§ 54 Abs. 1, 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung des Eigenanteils von 4.113,00 € für die Hörgeräte „Phonak Naida V90-UP“.

Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass eine Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V von vornherein ausscheidet, da eine unaufschiebbare Leistung im Sinne dieser Vorschrift mangels medizinischer Dringlichkeit nicht gegeben war (vgl. hierzu etwa BSG, Urteil vom 14.12.2006 – B 1 KR 8/06 R –, BSGE 98, 26-33, SozR 4-2500 § 13 Nr. 12, Rn. 23).

Einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ist demnach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V, deren Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift sind die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung, soweit diese notwendig war, von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) reicht der Kostenerstattungsanspruch jedoch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.03.2007 – B 1 KR 25/06 R –, Rn. 10, SozR 4-2500 § 116b Nr. 1). Er setzt voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSG, Urteil vom 07.05.2013 – B 1 KR 8/12 R –, Rn. 8, SozR 4-2500 § 27a Nr. 14; Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 17/16 R –, juris). Ferner gilt das strenge Erfordernis eines Kausalzusammenhangs zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand und dem Nachteil (Kostenlast) des Versicherten. Aus dem Umstand, dass nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V zwischen Ablehnung der Leistung und der Selbstbeschaffung ein Ursachenzusammenhang bestehen muss, folgt die Notwendigkeit, dass die rechtswidrige Vorenthaltung der Naturalleistung durch die Beklagte wesentliche Ursache der Selbstbeschaffung war (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KR 2/08 R –, Rn. 29, SozR 4-2500 § 13 Nr. 20). § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V erfordert daher ein Abwarten der Entscheidung der Krankenkasse, wobei es sich nicht um eine bloße Formalie handelt (BSG, Urteil vom 11.05.2017 – B3 KR 6/16 R –, Rn. 17, SozR 4-2500 § 33 Nr. 51).

Vorliegend sind die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V schon deshalb nicht erfüllt, weil es an einem Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Leistung und der Kostenlast fehlt. Die Klägerin hat sich ausweislich der Dokumentation der Firma K bereits am 14.12.2017 und damit vor Antragstellung bei der Beklagten für die Hörgeräte „Phonak Naida V90-UP“ entschieden und damit den so genannten Beschaffungsweg nicht eingehalten. Die endgültige Überlassung der Hörgeräte nach der Anpassungsphase erfolgte wie auch die Rechnungslegung am 20.12.2017; die Klägerin hatte sich bereits an diesem Tag verbindlich zur Zahlung verpflichtet.

Sie war somit zum Zeitpunkt der erstmaligen Befassung der Beklagten durch den Eingang ihres Antrags am 21.12.2017 bereits auf die Hörgeräte „Phonak Naida V90-UP“ vorfestgelegt. Daran ändert die erstmals im Berufungsverfahren aufgestellte Behauptung, die Hörgeräte seien zunächst unentgeltlich „ohne Kauf“ überlassen worden, nichts. Dagegen spricht zum einen, dass der Klägerin bereits am 20.12.2017 eine Rechnung ausgestellt worden ist, die auch Grundlage der Klageforderung (4.113 €) geworden ist. Zum anderen belegt der Umstand der Begleichung der Rechnung noch vor Beendigung des Verwaltungsverfahrens, dass sich die Klägerin bereits am 20.12.2017 für die streitige Versorgung entschlossen hatte, weil ansonsten die Zahlung wie von ihr behauptet zur Schuldenbegleichung mangels einer Verpflichtung vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens noch gar nicht im Raum stand.

Überdies lehnte die Beklagte die beantragte Leistung nicht zu Unrecht ab, denn die Klägerin hatte keinen auf eine Versorgung mit den streitigen Hörgeräten gerichteten Sachleistungsanspruch.

Rechtsgrundlage des von ihr allein verfolgten krankenversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs ist § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um entweder den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Demgemäß besteht nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V ein Anspruch auf Hörhilfen, die nur von hörbehinderten Menschen benutzt werden und deshalb kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sind, auch nicht nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen sind und weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung dienen, soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen (§ 12 Abs. 1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind.

Im Bereich des – hier einschlägigen – unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung zwar grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Das Maß der notwendigen Versorgung würde deshalb verkannt, wenn die Krankenkassen ihren Versicherten Hörgeräte ungeachtet hörgerätetechnischer Verbesserungen nur "zur Verständigung beim Einzelgespräch unter direkter Ansprache" zur Verfügung stellen müssten. Teil des von den Krankenkassen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V geschuldeten – möglichst vollständigen – Behinderungsausgleichs ist es vielmehr, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen (BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 20/08 R –, BSGE 105, 170-188, SozR 4-2500 § 36 Nr. 2, SozR 4-2500 § 33 Nr 28, Rn. 14 ff.).

Jedoch kann der Versicherte Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, nicht beanspruchen. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V verpflichtet die Krankenkassen nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Eine kostenaufwändige Versorgung kann beansprucht werden, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels (zu alledem BSG, Urteil vom 24.01.2013 – B 3 KR 5/12 R –, Rn. 29 – 35, BSGE 113, 40-60, SozR 4-3250 § 14 Nr. 19).

Zur Überzeugung des Senats steht anhand des vom Hörgeräteakustiker vorgelegten Anpass- und Abschlussberichts fest, dass die von der Klägerin angeschafften Hörgeräte das Maß des medizinisch Notwendigen und Wirtschaftlichen überschreiten, weil sie einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber im Versorgungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Hörgeräten zu Festbeträgen nicht bieten. Danach konnte aufgrund der hochgradigen Hör- und Sprachentwöhnung der Klägerin kein Sprachverständlichkeitstest verwertbare Ergebnisse liefern. Dementsprechend sind in Bezug auf keines der von der Klägerin getesteten Hörsysteme Messergebnisse zur Vorlage gekommen. Ein besseres Sprachverstehen lässt sich damit nicht nachweisen. Ausweislich des Anpass- und Abschlussberichts konnte die Klägerin allerdings mit den zur Anpassung gekommenen Hörsystemen – hierunter war auch ein zum Festbetrag erhältliches Hörsystem – trotz ihrer gravierenden Hörbeeinträchtigung die nötigste Kommunikationsfähigkeit mit ihrem Umfeld wiedererlangen.

Dass hinsichtlich des selbst beschafften Hörsystems das subjektive Empfinden „viel besser“ gewesen sei, vermag unter den vorliegenden Umständen keinen Sachleistungsanspruch zu begründen, denn ein besseres Sprachverstehen ist nicht ausreichend belegbar. Ob Voraussetzung für einen Anspruch auf die zuzahlungspflichtige Versorgung ist, dass sich ein Hörgewinn objektivieren lässt, ohne dass  dem subjektiven Eindruck der Versicherten maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.08.2020 – L 6 KR 36/16 –, Rn. 48, juris m.w.N.), kann hier dahinstehen. Die vorgelegte Dokumentation des Hörgeräteakustikers verdeutlicht nämlich, dass auch der subjektive Eindruck nicht einheitlich war, sondern seitens der Klägerin in Abhängigkeit von der jeweiligen Tagesform unterschiedliche Angaben zum „Sprachverstehen“ mit den getesteten Hörgeräten gemacht wurden. So hat sie am 08.11.2017 hinsichtlich der weiteren von ihr getesteten zuzahlungspflichtigen Hörgeräte zunächst erklärt, dass sie damit nicht besser als mit den zuvor getesteten Festbetragsgeräten verstehe. In Bezug auf die streitgegenständlichen Hörgeräte hat sie am 29.11.2017 erklärt, diese seien „einen ganz kleinen Ticken besser“ gewesen, was aber nicht 4.000,00 € wert sei. Am 13.12.2017 hat sie schließlich gegenüber dem Hörgeräteakustiker angegeben, mit den Premiumgeräten doch besser zu verstehen, wobei ihre Tochter meinte, dies sei bedingt durch die Tagesverfassung. Erst am 20.12.2017 – also 6 Tage, nachdem die Tochter dem Hörgeräteakustiker mitgeteilt hätte, dass sie die streitgegenständlichen Geräte kaufen, aber versuchen wollen, dass die Krankenkasse Kosten oberhalb des Festbetrages übernimmt – ging dann auch die Tochter von einem besseren Sprachverstehen mit den Phonak Naida V90-UP“ aus. Diese Entwicklung zeigt für den Senat, dass das behauptete bessere Verstehen mit der gewünschten Versorgung in keiner Weise zu belegen ist.

Auch die im Klageverfahren eingeholte Stellungnahme des Dr. G führt zu keinem anderen Ergebnis. Dieser bestätigt zunächst, dass ein Sprachtest aufgrund des Ausmaßes des Sprachverlusts nicht möglich und nicht durchgeführt worden ist. Soweit er ausführt, die Klägerin sei mit dem getesteten Festbetragsgerät Max E SP nicht klargekommen, ergibt sich dies aus den vom Hörgeräteakustiker vorgelegten Unterlagen nicht. Einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber den im Versorgungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Hörgeräten zu Festbeträgen belegt auch Dr. G nicht.

Da es damit hinsichtlich des angeschafften Hörsystems an einer Versorgungsnotwendigkeit fehlte, bedarf es entgegen der Auffassung der Klägerin keiner weiteren Feststellungen zu dem Zeitpunkt der elektronischen Übermittlung der Versorgungsanzeige. In Kenntnis der Dokumentation des Hörgeräteakustikers, insbesondere des Eintrags vom 27.12.2017, sieht der Senat zudem keine Anhaltspunkte für eine Übermittlung vor dem 08.01.2018.

Die von der Klägerin monierte Verletzung von Beratungspflichten ist nicht ersichtlich. Auch ausweislich der von der Klägerin unterschriebenen Empfangsbestätigung vom 22.11.2017 war sie bereits zu diesem Zeitpunkt über die diversen Möglichkeiten der digitalen zuzahlungsfreien und auch vergleichenden Hörgeräteversorgung informiert und hat sich selbst für die Anpassung des Hörsystems „Naida V90-UP“ entschieden. In dieser Bestätigung wurde die Klägerin auch bereits auf die Höhe des Eigenanteils hingewiesen. Zudem geht aus der Dokumentation der Firma K insbesondere über ein Telefonat am 14.12.2017 hervor, dass die Klägerin sich des grundsätzlich nur in Höhe des Festbetrages bestehenden Anspruchs bewusst war.

An dem Verfahren waren keine weiteren Sozialversicherungs- bzw. Sozialleistungsträger zu beteiligen. In Anbetracht des Alters der Klägerin kommt eine Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers, der im Falle einer gerade aufgrund der ausgeübten Erwerbstätigkeit bzw. zum Erhalt der Erwerbsfähigkeit erforderlichen Versorgung mit zuzahlungspflichtigen Hörgeräten zuständig sein kann, nicht in Betracht. Auch eine Beiladung des Sozialhilfeträgers als für die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zuständiger Träger war nicht erforderlich. Soweit es um die Teilhabe der Versicherten am sozialen Leben nach §§ 53 ff. SGB XII in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung – einer grundsätzlich einkommens- und vermögensabhängigen Leistung – geht, ist von Bedeutung, dass Streitgegenstand nach der Selbstbeschaffung der Hörgeräte ein Erstattungsanspruch ist. Da die Versicherte im Verwaltungsverfahren nicht deutlich gemacht hat, dass sie den Anspruch gegen die Beklagte auch als einkommens- und vermögensabhängige Leistung verfolgen will, war diese nicht gehalten, über den geltend gemachten Zahlungsanspruch unter sozialhilferechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden, und brauchte der Sozialhilfeträger nicht notwendig beteiligt zu werden (BSG, Urteil vom 25.02.2015  B 3 KR 13/13 R , Rn. 50, juris m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

 

 

 

 

Rechtskraft
Aus
Saved