Die Klage wird abgewiesen.
Dem Kläger werden 600,00 € Verschuldenskosten auferlegt. Die Beklagte trägt keine außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] über die Abänderung einer Ablehnungsentscheidung der Beklagten zu einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII] i.V.m. Nr. 2102 BKV („Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten“).
Mit Bescheid vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017 hatte die Beklagte festgestellt, dass bei dem Kläger keine Berufskrankheit nach Nr. 2102 BKV vorgelegen hat und mitgeteilt, dass Ansprüche auf Leistungen nicht bestünden und auch Leistungen oder Maßnahmen nicht zu erbringen seien, die geeignet seien, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit sei nicht gegeben.
Die spätere Klage des Klägers zum Az. S 29 U 241/17 ist durch das SG Duisburg mit Urteil vom 26.02.2020 abgewiesen worden, nachdem das Gericht zuvor sowohl ein unfallchirugisches Sachverständigengutachten durch Herrn Dr. S. als auch nach § 109 Sozialgerichtsgesetz [SGG] ein weiteres chirurgisches Sachverständigengutachten durch Herrn Dr. M. eingeholt hatte. Beide Gutachten hatten übereinstimmend eine Ursächlichkeit der beruflichen Tätigkeit des Klägers für die vorgetragenen Beschwerden verneint. Auf den Inhalt des Urteils wird verwiesen. Das Berufungsverfahren zum Az. L 17 U 158/19 ist durch das LSG Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 08.06.2021 nach § 153 Abs. 4 SGG durch Zurückweisung der Berufung beendet worden. Das Urteil des SG Duisburg sei zutreffend. Der Kläger war sowohl im Klage- als auch im Berufungsverfahren bereits durch seinen aktuellen Prozessbevollmächtigten vertreten. Dieser hatte im Klage- sowie Berufungsverfahren übereinstimmend für den Kläger erfolglos geltend gemacht, dass eine wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingung vollkommen ausreichend sei.
Unmittelbar nach Erhalt des Beschwerdebeschlusses vom 08.06.2021 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 22.06.2021 bei der Beklagten nach § 44 SGB X die Überprüfung des Bescheides vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017 beantragt. Der Kläger leide unter einer ärztlich bestätigten Meniskuserkrankung. Es verstoße gegen die Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfall- und Berufskrankheitenversicherung in dem Sinne, dass wesentliche Mitursächlichkeit ausreichend sei, wenn bei dieser Sachlage die wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Belastung bestritten werde. Um Abhilfe werde dringend gebeten.
Mit dem angefochtenen Überprüfungsbescheid vom 13.07.2021 lehnte die Beklagte die Einleitung eines neuen Verwaltungsverfahrens aufgrund des Antrages vom 22.06.2021 ab. Dem Antrag seien keine Tatsachen zu entnehmen, die für eine Unrichtigkeit des Bescheides vom 13.07.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017 sprechen würden. Es bleibe daher bei den in den genannten Bescheiden getroffenen Feststellungen. Zur weiteren Begründung gab die Beklagte den Verlauf und das Ergebnis von Klage- und Berufungsverfahren wider, nebst einem Zitat aus Berufungsentscheidung („Soweit der Kläger mit seinem Berufungsvorbringen erneut darauf hinweist, das SG sei in seiner Entscheidung von einem unzutreffenden Beweismaßstab ausgegangen, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Vielmehr ist das SG entsprechend den oben dargelegten Grundsätzen in zutreffender Weise davon ausgegangen, dass als Beweismaßstab für die wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Belastung für die vorliegenden Meniskusschäden die hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist. Indes sind sämtliche im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gehörten Sachverständigen, einschließlich des vom Kläger als Gutachter nach § 109 SGG benannten Unfallchirurgen Dr. M, übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die beim Kläger an beiden Knien vorliegende Meniskopathie auf die überdurchschnittliche Kniebelastung, der er bei seiner Tätigkeit als Hauer ausgesetzt war, zurückgeführt werden kann, nicht besteht.“). Neue Erkenntnisse, die zu einer Überprüfung der Verwaltungsentscheidung vom 13.07.2016 führen würden, würden nicht vorliegen. Eine Bescheidrücknahme nach § 44 SGB X könne daher nicht erfolgen.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 16.08.2021 Widerspruch bei dem Beklagten. Zur Begründung führte er aus, es genüge die wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Belastung, um eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 BKV anzuerkennen und zu entschädigen. Die Sachverständigen hätten eine Meniskuserkrankung offenbar bestätigt. Die Beklagte möge um eine Anerkennung bemüht sein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2021 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Widerspruch werde als zulässig erachtet, obwohl hier die Frage auftrete, ob überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis für die Entscheidung bestünde. Der Widerspruch sei aber unbegründet. Bei einer Überprüfung komme es auf das Benennen neuer Tatsachen und Beweismittel an. In Anlehnung an das gerichtliche Wiederaufnahmeverfahren werde ein abgestuftes Verfahren in drei Schritten gefordert. Die Begründung des Überprüfungsantrages sei nicht verständlich. Das Kausalitätsverständnis der Klägerseite entbehre jeglicher rechtlichen Grundlage. In der Sache selbst sei nichts Neues vorgetragen worden. Es würden sich keine Hinweise auf eine unrichtige Rechtsanwendung oder auf die Annahme eines unrichtigen Sachverhaltes bei Erlass des Bescheides vom 13.07.2016 ergeben, so dass sich die Beklagte auf die Bestandskraft der Entscheidung berufe. Der Widerspruchsbescheid trägt den Eingangsstempel des Prozessbevollmächtigten für den 28.12.2021.
Mit Schriftsatz vom 25.01.2022, der am selben Tag beim SG Duisburg eingegangen ist, hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Klage erhoben.
Der Kläger trägt vor, dass eine wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingung vorliege, wie sie das BSG in einer Rechtsprechung fordere. Die Beklagte sei auch nicht berechtigt die Vorschrift des § 44 SGB X in wesentlichen Teilen außer Kraft zu setzen.
Der Kläger beantragt mit Schriftsatz vom 25.01.2022 sinngemäß,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13.07.2021 und des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2021 zu verurteilen, im Zugunstenverfahren eine Berufskrankheit Nr. 2102 BKV anzuerkennen und zu entschädigen insbesondere in Form der Verletztenrente und der Übergangsleistungen.
Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 09.02.2022 sinngemäß,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist ergänzend zu ihren Ausführungen in Ausgangs- und Widerspruchsbescheid auf die Entscheidungen aus dem früheren Klage- und Berufungsverfahren.
Mit Verfügung vom 03.08.2022, die vom Kammervorsitzenden mit vollem Namen unterzeichnet ist, hat das Gericht die Kläger unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 192 SGG aufgefordert, innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Verfügung die Klage nunmehr zurückzunehmen oder aber darzulegen, warum die Klage noch eine Erfolgsaussicht aufweisen sollte, obwohl zum insofern maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung kein ausreichend konkretisierter Überprüfungsantrag vorgelegen hat, welcher die Beklagte zum Einstieg in die Prüfung der Sach- und Rechtslage verpflichtet hätte. Andernfalls werde das Gericht die unveränderte Fortsetzung des Rechtsstreites als rechtsmissbräuchlich angesehen. Für den Fall, dass fristgerecht weder eine Klagerücknahme noch eine weitere entsprechende Darlegung erfolgen sollte, hat das Gericht den Beteiligten unter Hinweis auf § 105 SGG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Hierzu wurde Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen gegeben. Die Verfügung vom 03.08.2022, auf deren Inhalt im Übrigen verwiesen wird, ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in beglaubigter Abschrift am 08.08.2022 zugegangen. Der Beklagten ging die Verfügung am 16.08.2022 zu.
Auf die Schriftsätze der Klägerseite vom 22.08.2022 und 22.09.2022 nebst Belehrungen zu vermeintlichen Amtsermittlungspflichten und medizinischen Unterlagen des Klägers aus den Jahren 2004, 2009 und 2011 wird verwiesen. Eine Klagerücknahme oder Erläuterung, warum bereits im Verwaltungsverfahren ein ausreichend konkretisierter Überprüfungsantrag gestellt worden wäre, hat die Klägerseite nicht vorgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist teilweise unzulässig, und im Übrigen unbegründet.
I. Über die Klage kann gemäß § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind zudem mit gerichtlicher Verfügung vom 03.08.2022 zuvor auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Ihnen wurde dabei die Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt, § 105 Abs. 1 S. 2 SGG. Die Stellungnahmefrist ist nunmehr verstrichen.
Für die Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist es unschädlich, dass diese im Ergebnis nur für den hier vorliegenden Fall angekündigt worden ist, dass die Klage nicht zurückgenommen oder keine weiteren Gesichtspunkte vorgebracht worden ein sollten, die eine ausreichende Konkretisierung des Überprüfungsantrages im Verwaltungsverfahren belegen. Dem Anhörungserfordernis nach § 105 Abs. 1 S. 2 SGG mit dieser Hinweisgestaltung ausreichend Rechnung getragen. Jede Ankündigung der Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG steht unter dem Vorbehalt / Bedingung einer wesentlichen Änderung der Prozesslage zumindest bis zu dem Zeitpunkt, in welchem die gerichtliche Entscheidung tatsächlich getroffen wird. Insbesondere dient das Anhörungserfordernis dem Zweck, den Beteiligten die Möglichkeit zu geben, das Gericht von einer anderen Entscheidungsform vorab zu überzeugen (Müller, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, GesamtHrsg: Roos/Wahrendorf/Müller, Stand: 01.02.2023, § 105 SGG, Rn. 21 m.w.N.; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, § 105 SGG, Rn. 10a). Ohne dass eine entsprechende gerichtliche Verpflichtung bestand, hat das Gericht der Klägerseite hier vorab die wesentlichen Aspekte vorab benannt, unter denen aus seiner Sicht hier doch noch von der angekündigten Entscheidung durch den Gerichtsbescheid abzusehen gewesen wäre. Wenn allgemein bereits in der Formulierung ein ausreichender Hinweis i.S.d. § 105 Abs. 1 S. 2 SGG gesehen wird, dass das Gericht eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid erwäge – sich also offenhält, vielleicht doch nicht durch Gerichtsbescheid zu entscheiden - (etwa: Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, § 105 SGG, Rn. 10 m.w.N.), gilt dies erst Recht für eine eindeutige Ankündigung des Gerichtes durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, sofern es nicht durch anderweitigen Vortrag zu bestimmten Punkten umgestimmt werden solle. Ein Grund, warum hier entgegen des Inhaltes der Verfügung vom 03.08.2022 nun von einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid abzusehen wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Klägerseite hat mit ihren Schriftsätzen vom 22.08.2022 und 22.09.2022 überhaupt keine Anhaltspunkte dafür vorgebracht, warum - zum insofern maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (dazu sogleich) - ein so ausreichend konkretisierter Überprüfungsantrag vorgelegen haben sollte, dass die Beklagte zum Einstieg in die erneute Prüfung der Sach- und Rechtslage der Bescheidung verpflichtet gewesen wäre. Sie hat einen solchen Begründungsversuch auch gar nicht unternommen, sondern sich auf andere Punkte zu vermeintlicher Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) und Präklusion (§ 106a SGG) beschränkt, welche allenfalls im Zusammenhang mit einer früheren Verfügung des Gerichtes vom 09.06.2022 von Beachtung gewesen wären. Auch diese weiteren – im Übrigen rechtsirrigen - Ausführungen der Klägerseite zu Amtsermittlung und Präklusion liegen offensichtlich neben der Sache. Sie bieten jedenfalls keine Anhaltspunkte für eine Neubewertung der eingetretenen Entscheidungsreife durch Gerichtsbescheid. Wenn die Klägerseite den Inhalt der Verfügung vom 03.08.2022 inhaltlich überhaupt berücksichtigt hätte, durfte sie bei ihren weiteren Ausführungen in keiner Weise noch davon ausgegangen sein, dass das Gericht deshalb von der bereits angekündigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid absehen würde. Der Klägerseite ist auch nicht zwischenzeitlich durch das Gericht signalisiert worden, dass an der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht länger festgehalten werden würde. Eine weitere / erneute Anhörung der Beteiligten nach § 105 Abs. 1 S. 2 SGG war wegen des offensichtlich inhaltlich nicht entscheidungserheblichen Vorbringens der Klägerseite in den Schriftsätzen vom 22.08.2022 und 22.09.2022 nicht geboten (Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, § 105 SGG, Rn. 11 m.w.N.; Roller, in: Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, 6. Auflage 2021, § 105 SGG, Rn. 10 f.).
Selbst wenn die Klägerseite mit ihren späteren Ausführungen auch einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid konkludent widersprochen haben sollte - was sie dann zumindest sprachlich nicht klar zum Ausdruck gebracht hat -, steht auch dies einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht entgegen. Denn bei einer Entscheidung nach § 105 SGG ist es, anders als bei einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG, unerheblich, ob die Beteiligten der Entscheidung durch Gerichtsbescheid zustimmen (SG Neuruppin, Gerichtsbescheid v. 25.01.2021 – S 26 AS 1127/19, juris, Rn. 13 m.w.N. - „Die Klagen, über die die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden konnte, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, der Sachverhalt geklärt ist, die Beteiligten gemäß § 105 Abs 1 S 2 SGG zuvor mit der gerichtlichen Verfügung vom 29. September 2020 sowie mit der gerichtlichen Verfügung vom 01. Dezember 2020 zu dieser beabsichtigten Entscheidungsform ordnungsgemäß angehört worden sind, eine ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten hierzu nicht erforderlich ist und weil das Gericht – ebenso wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung – weder zur vorherigen Darstellung seiner Rechtsansicht […] noch zu einem vorherigen umfassenden Rechtsgespräch verpflichtet ist […] haben Erfolg.“; Burkiczak, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 105 SGG, Rn. 44; Müller, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, GesamtHrsg: Roos/Wahrendorf/Müller, Stand: 01.02.2023, § 105 SGG, Rn. 20).
II. Entgegen der fehlerhaft gefassten Formulierung des Klageantrages als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Abs. 4 SGG ist die Klage nach § 123 SGG nur als Kombination aus Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Hinsichtlich der zusätzlich geltend gemachten Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG ist die Klage bereits unzulässig.
1. Streitgegenstand des Verfahrens ist der Überprüfungsbescheid vom 13.07.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2021, mit welchem eine begünstigende, nachträgliche Abänderung des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017 durch die Beklagte abgelehnt worden ist. Der Kläger begehrt zugleich die Durchsetzung eines Begehrens nach Verletztenrente nach §§ 56 ff. SGB VII und Entschädigungsleistungen nach § 3 BKV, welche sich ggf. aus einer Abänderung der Ablehnungsentscheidung zum Versicherungsfall nach Nr. 2102 BKV ergeben sollen.
2. Statthafte Klageart zur Durchsetzung eines Abänderungsinteresses nebst eines (höheren) Leistungsbegehrens gegen einen Überprüfungsbescheid nach § 44 SGB X ist allein die Kombination aus Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2, Abs. 4 SGG). Hierbei ist die Anfechtungsklage auf die gerichtliche Aufhebung / Abänderung der behördlichen Überprüfungsentscheidung gerichtet, soweit die begehrte Änderung eines Verwaltungsakt verneint worden ist, die Verpflichtungsklage auf die gerichtliche Verpflichtung der Behörde im behördlichen Verwaltungsverfahren die Änderung der Bescheidung nunmehr vorzunehmen und die Leistungsklage auf Auszahlung der berechtigten Leistungen (allgemeine Ansicht; vgl. bspw.: BSG, Urt. v. 26.04.2016 – B 2 U 14/14 R, juris, Rn. 15 – „Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sowie Leistungsklage gemäß § 54 Abs 1 und Abs. 4 SGG. Die Anfechtungsklage zielt auf die Aufhebung der Überprüfungsbescheide, die Verpflichtungsklage auf die Aufhebung des bestandskräftigen Bescheids vom 23.8.1984 sowie die Leistungsklage auf Zahlung einer höheren Rente ab (BSG vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R - BSGE 115, 126 = SozR 4-1300 § 44 Nr 28, RdNr 11; BSG vom 19.12.2013 - B 2 U 17/12 R - SozR 4-2700 § 73 Nr 1 RdNr 12; BSG vom 11.4.2013 - B 2 U 34/11 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 4 RdNr 15; Bieresborn in Roos/Wahrendorf, SGG, § 54 RdNr 232).“; vgl. auch: Steinwedel, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR (Kasseler Kommentar) GesamtHrsg: Körner/Krasney/Mutschler/Rolfs, Stand: 01.03.2022, § 44 SGB X, Rn. 40; Baumeister, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X, Rn. 154 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung).
Dass die Klägerseite, trotz anwaltlicher Vertretung, stattdessen einen Klageantrag i.S.e. kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Abs. 4 SGG formuliert hat, ist im Ergebnis unschädlich. Denn die Klage kann aufgrund des weitreichenden Änderungsbegehrens nach § 123 SGG meistbegünstigend als statthafte Kombination aus Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2, Abs. 4 SGG ausgelegt werden.
3. Allerdings ist hier lediglich eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 SGG auf gerichtlichen Aufhebung der Überprüfungsbescheidung vom 13.07.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2021 unter gerichtlicher Verpflichtung der Beklagten zur Abänderung der behördlichen Ablehnungsentscheidung vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017 statthaft.
Soweit die Klägerseite über § 44 SGB X hier im gerichtlichen Verfahren auch unmittelbar die zusätzliche Verurteilung der Beklagten zur Leistungsgewährung nach § 54 Abs. 4 SGG, bspw. von Verletztenrente nach §§ 56 ff. SGB VII und Entschädigungsleistungen nach § 3 BKV, durchsetzen möchte, kommt eine solche Verurteilung aufgrund der Besonderheiten des Unfallversicherungsrechtes von vorneherein nicht in Betracht. Denn die ggf. zu korrigierende Bescheidung der Beklagten vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017 enthält überhaupt keine Ablehnungsregelung i.S.d. § 31 S. 1 SGB X zu etwaigen Leistungsansprüchen nach dem SGB VII. Für das Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X ist dann keine weitergehende Möglichkeit zur Leistungsverurteilung nach § 54 Abs. 4 SGB X anzuerkennen.
a) Nach allgemeiner Ansicht enthält eine behördliche Entscheidung über das Vorliegen eines Versicherungsfalles bzw. dessen Reichweite regelmäßig keine Entscheidung über entsprechende Leistungsrechte nach dem SGB VII, wenn nur das Bestehen des Versicherungsfalles abgelehnt wird. Wenn der Unfallversicherungsträger bei Verneinung eines Versicherungsfalls zusätzlich ausführt, dass keine Leistungen nach dem SGB VII zu erbringen sind, kann dies je nach den Gesamtumständen des Einzelfalles sowohl eine entsprechende Ablehnungsentscheidung i.S.d. § 31 S. 1 SGB X sein als auch eine bloße „Annexfloskel“, welcher neben der alleinigen Ablehnung des Versicherungsfalles kein eigenständiger Regelungsgehalt zukommt. Denn es steht der Behörde grundsätzlich frei durch Bescheid entweder allein über das Nichtvorliegen eines Versicherungsfalls nach § 7 SGB VII - vorab - zu entscheiden oder über das Nichtbestehen eines Leistungsanspruchs ablehnend zu entscheiden, weil nach Inzidentprüfung kein dafür notwendiger Versicherungsfall nach § 7 SGB VII vorliegt (so überzeugend: Gekeler, NZS 2020, 727, 727):
- Nach dem insofern maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] analog) ist grundsätzlich von einer für sich stehende (Ablehnungs-) Regelung über einen konkreten Leistungsanspruch nach dem SGB VII auszugehen, wenn nach Sachprüfung der einzelnen Anspruchsvoraussetzungen das Bestehen gerade dieser Leistung in Bezug auf den Adressaten des Ablehnungsbescheides verneint wird (LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.05.2021 – L 3 U 1001/20, juris, Rn. 24 m.w.N.; Bayerisches LSG, Urt. v. 12.10.2017 – L 17 U 208/17, juris, Rn. 16; Gekeler, NZS 2020, 727, 727).
- Von einer bloßen „Annexfloskel“, welcher neben der regelnden Ablehnung des Versicherungsfalles nur noch informellen Hinweischarakter zukommt, ist demgegenüber regelmäßig dann auszugehen, wenn – ohne erkennbare Prüfung von Einzelansprüchen - pauschal ausgeführt wird, dass Leistungen nach dem SGB VII oder Entschädigungen nach dem SGB VII nicht zu gewähren sind (etwa: BSG, Urt. v. 16.03.2021 – B 2 U 7/19 R, juris, Rn. 11 ff. m.w.N. – „Mit der pauschalen Leistungsablehnung sollten aber ersichtlich nur allgemein die Folgerungen beschrieben werden, die sich aus der Nichtanerkennung einer BK ergeben […]. Eine Entscheidung über einzelne konkrete Leistungsansprüche war damit nicht verbunden. Stattdessen handelt es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 des Bescheids um einen bloßen Textbaustein ohne Regelungsgehalt (dazu aa), wie die Auslegung des Formularbescheids ergibt (dazu bb), die auch dem Revisionsgericht obliegt (dazu cc). […] Diese pauschale Leistungsablehnung ist als bloße Annexfloskel (so Gekeler, NZS 2020, 727) aufzufassen, mit der die Beklagte den Betroffenen an prominenter Stelle lediglich auf die Folgen hinweisen will, die zukünftig eintreten werden, sollte die unter Ziffer 1 enthaltene Ablehnung des Versicherungsfalls unanfechtbar werden.“; ausführlich: Aubel, Zur Zulässigkeit der Leistungsklage bei Ablehnung des Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung, NZS 2021, 376, 376 ff.; Spellbrink/Karmanski, Die Gesetzliche Unfallversicherung in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Teil I), SGb 2021, 461, 465 – „Für die Gestaltung und Abfassung der Bescheide hat der Spitzenverband der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) Formtexte entwickelt, auf die die Unfallversicherungsträger in großer Zahl zurückgreifen. Soll ein Bescheid über die Ablehnung der Feststellung eines Versicherungsfalls erlassen werden, sehen die vorformulierten Texte dafür – verkürzt wiedergegeben – zwei verneinende Aussagen vor: 1. Es besteht kein Versicherungsfall (Arbeitsunfall oder BK). 2. Ansprüche auf Leistungen bestehen nicht. Auf den ersten Blick erscheinen beide Aussagen miteinander kompatibel und folgerichtig: Besteht kein Versicherungsfall, entfallen in der GUV alle Leistungsansprüche, weil sie einen Versicherungsfall notwendig voraussetzen. In seinem Urteil vom 16. 3. 2021 hat sich der 2. Senat des BSG mit dem Problem auseinandergesetzt, dass der Verwaltungsakt über die Nichtfeststellung des Versicherungsfalls (Aussage 1) gemäß § 77 SGG für die Beteiligten in der Sache erst bindend wird, wenn der gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Während des Schwebezustands zwischen der Bekanntgabe des Verwaltungsakts und dem Eintritt seiner Bestandskraft ist ungewiss, ob dessen feststellende Wirkung eintreten wird. Deshalb dürfen in dieser Zwischenphase Leistungen – jedenfalls wegen Fehlens eines Versicherungsfalls – (noch) nicht endgültig abgelehnt werden. Andernfalls würde der Unfallversicherungsträger gegen das Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses verstoßen, das aus § 2 Abs. 2 SGB I abzuleitende Gebot der Sozialrechtsoptimierung missachten und den gerichtlichen Rechtsschutz unzumutbar erschweren, was ihm bei rechtskonformer Auslegung nicht unterstellt werden kann. Folglich hat das BSG die zweite Aussage in dem Formtext so ausgelegt, dass damit nicht pauschal alle Leistungsansprüche mit einer unbestimmten Vielzahl von Verwaltungsakten abgelehnt werden. Vielmehr ist die zweite Aussage in dem Bescheid – Ansprüche bestehen nicht – als bloße Annexfloskel aufzufassen, die lediglich auf die Folgen hinweist, die eintreten werden, sollte die in der ersten Aussage verlautbarte Ablehnung der Feststellung des Versicherungsfalls unanfechtbar werden. Unproblematisch ist indes der umgekehrte Fall: Die positive Feststellung des Versicherungsfalls kann ohne Weiteres mit der Leistungsgewährung verknüpft werden, weil diese Verwaltungsakte die Behörde bereits binden, sobald sie bekannt gegeben und damit wirksam geworden sind (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X).“). Sofern lediglich einzelne Anspruchsvoraussetzungen verneint werden – bspw. Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit – liegt regelmäßig keine Entscheidung über den entsprechenden Leistungsanspruch vor und auch eine sog. Elementenfeststellung ist unzulässig, mit welcher geltend gemacht werden soll, dass die einzelnen Anspruchsvoraussetzung - als Einzelelement eines Leistungsanspruches – entgegen der Bescheidung der Behörde doch verwirklicht ist (in diesem Sinne einschränkend für eine Vorliegensdauer des Merkmals unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit etwa: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 17.02.2021 – L 17 U 643/18, juris, Rn. 41; vgl. auch: Senger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 55 SGG, Rn. 43; Böttiger, in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 55 SGG [Klagebegehren in Form der Feststellungsklage], Rn. 6 m.w.N. aus Rechtsprechung und Literatur).
Soweit von einer bloßen Annexfloskel auszugehen ist, ist auch kein Grundurteil nach § 130 Abs. 1 SGG auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB VII bei Vorliegen des Versicherungsfalles möglich. Zum einen kann ein Grundurteil nicht pauschal hinsichtlich aller Leistungen nach SGB VII erfolgen und käme ohnehin überhaupt nur in Betracht, wo es um Geldleistungen geht, deren konkrete Höhe noch ungeklärt ist (Giesbert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 130 SGG, Rn. 16, 23 – „Wenngleich Konstellationen nicht selten sind, bei denen neben einem streitigen Feststellungsanspruch (etwa, ob ein Kläger einen versicherten Arbeitsunfall erlitten hat, oder ob die Schwerbehinderteneigenschaft zu bejahen ist) auch „die Höhe“ der resultierenden MdE oder des Grades der Behinderung jenseits von 50 streitbefangen ist, bedarf es in diesen Fällen der besonderen Konstruktion des Grundurteils nicht: Dem Kläger steht es frei, neben seinem Anfechtungsantrag einen bestimmten („bezifferten“) Feststellungs- bzw. Verpflichtungsantrag zu stellen, oder sich jedenfalls zunächst darauf zu beschränken, die Feststellung eines „höheren“ Wertes als den von der Beklagten anerkannten geltend zu machen. […] Ein Grundurteil kommt bei einem Streit um Sachleistungen ausnahmslos nicht in Betracht; der Wortlaut ist eindeutig.“). Zum anderen fehlt es dann auch an der notwendigen Entscheidung über etwaige konkrete Leistungsansprüche nebst der nach § 78 SGG notwendigen Durchführung eines Vorverfahrens hinsichtlich dieser konkreten Leistung (vgl. zum Ganzen: LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 16.12.2021 – L 14 U 306/17, juris, Rn. 34 m.w.N. - „Insoweit der Kläger jedoch mit dem Antrag zu 3. die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls geltend gemacht hat, ist dieser Klagantrag unzulässig. Zwar stellt die Leistungsklage die vorrangige Klageart für das Begehren dar, allerdings ist dieser Antrag zu unbestimmt, denn der Kläger begehrt insofern ein Grundurteil über allgemeine Leistungen. Ein Grundurteil (§ 130 SGG) kommt aber nur in Betracht, wenn eine ihrer Art nach feststehende Geldleistung begehrt wird und lediglich die Höhe offen gelassen werden soll […]. Über konkrete Leistungen (z.B. die Gewährung von Verletztengeld nach §§ 44 f SGB VII) hat die Beklagte jedoch nicht entschieden, sondern lediglich den Zeitraum der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für eine Woche anerkannt. Hierbei handelt es sich lediglich um ein anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal des Anspruchs auf Verletztengeld nach § 45 SGB VII, welches nicht im Rahmen einer ausnahmsweise für die Feststellung von Unfallfolgen zulässigen Elementfeststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 SGG verfolgt werden kann […].“; LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.05.2021 – L 3 U 1001/20, juris, Rn. 24 m.w.N. – „Soweit der Kläger auch mit seiner Berufung die „antragsgemäße Gewährung von Entschädigungsleistungen“ begehrt, kommt dem neben dem auf die Anerkennung des Skiunfalls vom 24.03.2018 als Arbeitsunfall gerichteten und im Wege der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (dazu unten 2.) verfolgten Klagebegehren bei sinnentsprechender Auslegung keine eigenständige Bedeutung zu […]. Denn in der Sache geht es dem Kläger zunächst um die rechtliche Klärung, ob ein Arbeitsunfall vorliegt. Eine auf die Gewährung von Entschädigungsleistungen gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG wäre in der vorliegenden Situation ohnehin unzulässig, worauf das SG zutreffend in dem angefochtenen Urteil hingewiesen hat. Denn zum einen hat die Beklagte insoweit eine anfechtbare Verwaltungsentscheidung nicht getroffen. Nach dem für die Auslegung von Bescheiden maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der alle Begleitumstände und Zusammenhänge (Vorgeschichte, Anträge, Begleitschreiben, Situation des Adressaten, genannte Rechtsnormen, auch Interesse der Behörde) berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat […], hat die Beklagte mit dem Bescheid […] keine anfechtbare Verwaltungsentscheidung über Entschädigungsleistungen getroffen. Regelungsgegenstand des Bescheides ist vielmehr ausschließlich die (Nicht-)Anerkennung des Unfallereignisses vom 24.03.2018 als Arbeitsunfall. Soweit die Beklagte zudem pauschal darauf hingewiesen hat, dass ein Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus Anlass dieses Unfalls nicht bestehen, stellt dies lediglich einen klarstellenden Hinweis auf die aus der Nichtanerkennung als Arbeitsunfall resultierende Folge dar, ohne dass hiermit eine eigenständige Regelung verbunden wäre […]. Unter Berücksichtigung der Begleitumstände hat für die Beklagte, was für den Kläger auch erkennbar gewesen ist, kein Anlass bestanden, über ihrer Art nach unbestimmte Entschädigungsleistungen zu entscheiden. Weder hatte der Kläger konkrete Leistungen beantragt, noch hat sonst Anlass bestanden, über Entschädigungsleistungen im Zusammenhang mit dem nicht als Arbeitsunfall anerkannten Unfallereignisses zu entscheiden. Zum anderen wäre eine allgemein auf Entschädigungsleistungen gerichtete Leistungsklage auch deshalb unzulässig, weil sie nicht auf konkrete Leistungen, sondern allgemein auf Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten gerichtet i Über sie könnte auch nicht durch Grundurteil entschieden werden. Denn die in § 130 SGG vorgesehene Möglichkeit zum Erlass eines Grundurteils ist auf Fälle beschränkt, in denen der Kläger eine oder mehrere ihrer Art nach feststehende Geldleistungen begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Nicht die Leistung als solche, sondern nur ihre Höhe kann in diesem Fall vom Gericht offen gelassen und der Berechnung durch den Sozialleistungsträger überlassen werden […].“; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 26.05.2011 – L 3 U 87/09, juris, Rn. 24 – „Geht es nur um die Frage, ob ein bestimmter Unfall Arbeitsunfall ist, sowie um die Feststellung der Entschädigungspflicht dem Grunde nach, steht im Entscheidungszeitpunkt nicht fest, welche der in Frage kommenden Leistungen (z. B. Krankenbehandlung, Rehabilitation, Verletztengeld, Verletztenrente) im konkreten Fall tatsächlich beansprucht werden können und für welchen Zeitraum sie ggf. zu erbringen sind. Auch handelt es sich nur teilweise um Geldleistungen und im Übrigen um Sachleistungen, die einer Zuerkennung durch Grundurteil von vornherein nicht zugänglich sind […].“; Aubel, Zur Zulässigkeit der Leistungsklage bei Ablehnung des Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung, NZS 2021, 376, 377). In diesen Fällen soll ein unzulässiger Grundantrag des Klägers auf Entschädigung für einen Versicherungsfall grundsätzlich als Antrag auf Feststellung des Versicherungsfalles ausgelegt werden (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, § 130 SGG, Rn. 2a; Aubel, Zur Zulässigkeit der Leistungsklage bei Ablehnung des Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung, NZS 2021, 376, 377 m.w.N.).
b) Vorliegend ist der Inhalt der in Überprüfung gestellten Ablehnungsbescheidung der Beklagten vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017 analog §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] nicht anders zu verstehen als die alleinige Verneinung des Versicherungsfalls nach Nr. 2102 BKV („Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten“) in Bezug auf die Erkrankungen des Klägers. Ihr ist insbesondere auch nicht deshalb eine Ablehnungsregelung i.S.d. § 31 S. 1 SGB X hinsichtlich konkreter Leistungsrechte des Klägers beizumessen, nur weil sie u.a. auch davon spricht, dass Ansprüche auf Leistungen nicht bestünden und auch Leistungen oder Maßnahmen nicht zu erbringen seien, die geeignet seien, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken. Die auf Klägerseite offensichtlich vorliegende Vorstellung, dass diese Formulierung bedeute, dass die Beklagte ablehnend regeln wollte, dass es keine Heilbehandlung, kein Verletztengeld, keine Verletztenrente und keine Übergangsleistungen geben solle, ist nicht haltbar. Die Beklagte spricht konkret weder von Verletztengeld nach §§ 45 ff. SGB VII noch von Verletztenrente nach §§ 56 ff. SGB VII. Gerade die Annahme einer Ablehnung von Übergangsleistungen in Geld nach § 3 Abs. 2 BKV ist abwegig, da sich die Formulierung allenfalls auf anderweitige Präventionsleistungen nach § 3 Abs. 1 BKV bezogen haben könnte. Es handelt sich um die dargestellte Pauschalablehnung aller weiteren Leistungen nach dem SGB VII, welcher daher – i.S.e. „Annexfloskel“ – hier keine andere Bedeutung beigemessen werden kann, als der eines bloßen Hinweises. Eine selbstständige Regelungsbedeutung neben der Verneinung eines Versicherungsfalles nach Nr. 2102 BKV als Berufskrankheit durch die Beklagte, woraus sich ggf. weitere Leistungsansprüche nach dem SGB VII ergeben könnten, ist gerade nicht erkennbar (so zu vergleichbaren Bescheidformulierungen auch: BSG, Urt. v. 16.03.2021 – B 2 U 7/19 R, juris, Rn. 11 ff.).
c) Zwar ist die Verneinung eines Versicherungsfalles nach dem SGB VII grundsätzlich auch im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X – und nicht etwa nach § 44 Abs. 2 SGB X - korrigierbar (Aubel, Zur Zulässigkeit der Leistungsklage bei Ablehnung des Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung, NZS 2021, 376, 381 m.w.N.). Dies bedeutet aber nicht, dass bei einer Überprüfung der isolierten Verneinung des Versicherungsfalles nach § 44 SGB X unmittelbar auf Leistungen geklagt werden könnte, wenn die Beklagte die Abänderung der Bescheidung verweigert.
Wenn sich der Regelungsgehalt der fraglichen Entscheidung – wie hier - auf die Regelung des Versicherungsfalles i.S.e. ersten Stufe beschränkt, kann nach allgemeiner Ansicht im Klageverfahren gegen diesen Bescheid auch nicht unmittelbar auf die Gewährung der Leistungen i.S.e. zweiten Stufe geklagt werden, über die (noch) nie ablehnend durch die Beklagte entschieden worden ist.
Für das Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X kann dann im Ergebnis nichts Anderes gelten. Es erscheint nicht nachvollziehbar, warum derselbe Kläger, der mangels Ablehnungsentscheidung zu Leistungsansprüchen bei einem gerichtlichen Vorgehen nicht (auch) auf Leistungen klagen könnte, wenn eine noch nicht bestandskräftige isolierte Ablehnungsentscheidung zum Versicherungsfall vorliegt, sofort eine zusätzliche kombinierte Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG erheben können sollte, sobald dieselbe Entscheidung bestandskräftig geworden ein sollte. Die Korrekturmöglichkeiten eines späteren Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X können nicht weiterreichen als die Korrekturmöglichkeiten eines Klageverfahrens wegen derselben Entscheidung.
Wenn lediglich die bestandskräftige Ablehnung eines Versicherungsfalles als solchem vorliegt, kann im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X im Erfolgsfalle lediglich eine gerichtliche Verpflichtung zur Abänderung des Regelungsgehaltes der fraglichen Entscheidung zugunsten einer Anerkennung des bisher abgelehnten Versicherungsfalles ausgesprochen werden (ohne die gleichzeitige Verurteilung zu etwaigen Leistungsansprüchen, über die seitens der Behörde noch nicht entschieden worden ist). Für dieses Begehren ist allein die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 SGG statthaft. In diesem Sinne hat scheinbar auch das BSG in seiner jüngeren Rechtsprechung zugunsten der Anwendung des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X nebst Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG in Fällen entschieden, in welchem durch Bescheid – anders als hier – nicht nur eine Ablehnung des Versicherungsfalles als solchem geregelt worden war, sondern zeitgleich auch bereits Ablehnungsentscheidungen i.S.d. § 31 S. 1 SGB X zu konkreten Leistungsansprüchen gesehen worden waren (vgl. etwa: BSG, Urt. v. 30.01.2020 – B 2 U 2/18 R, juris, Rn. 11, 15; wohl auch: BSG, Urt. v. 06.09.2018 – B 2 U 10/17 R, juris, Rn. 10). Wie hier scheint auch das LSG Berlin-Brandenburg in seiner jüngeren Rechtsprechung bei der Anwendung des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X zu differenzieren, dessen Ausführungen sich das Gericht zur weiteren Begründung vollumfänglich zu eigen macht:
„Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BSG im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung bei Feststellung eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit. Danach traf die Beklagte mit dem (fehlerhaften) Bescheid über die Ablehnung des Arbeitsunfalls vom 11. März 2016 keine anfechtbare Regelung durch Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X über die Gewährung konkreter Entschädigungsleistungen, wie hier über das Verletztengeld. Zwischen der Anerkennung eines Arbeitsunfalls und der Gewährung der verschiedenen, auf dieser Anerkennung beruhenden Leistungen ist jedoch zu unterscheiden. […] Auf diese Differenzierung – dort entsprechend für die Eröffnung des Anwendungsbereiches des § 44 Abs. 1 SGB X, der dem des § 44 Abs. 4 SGB X entspricht […] – stellt ausdrücklich auch die vom Kläger zitierte Entscheidung des BSG vom 30. Januar 2020, B 2 U 2/18 R, juris Rn. 15 ab, indem sie die Eröffnung des Anwendungsbereiches damit begründet, dass der dortige Unfallversicherungsträger „nicht nur das Vorliegen eines Arbeitsunfalls verneint, sondern zugleich auch die Verletztengeldzahlung ... eingestellt hat“. Hat der Beklagte mit dem (fehlerhaften) Bescheid vom 11. März 2016 hier jedoch nur über die Ablehnung des Arbeitsunfalls und nicht zugleich - konkret – über die Ablehnung von Sozialleistungen in Form von Verletztengeld entschieden, so findet auch § 44 Abs. 4 SGB X keine Anwendung. In allen Fällen, die nicht dem Anwendungsbereich des § 44 Abs. 4 SGB X unterliegen, kann sich der Sozialleistungsträger bei Leistungen für länger zurückliegende Zeiträume unter Ausübung seines insoweit bestehenden Ermessens auf Verjährung gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) berufen.“
(LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 09.11.2022 – L 21 U 120/22 B PKH, juris, Rn. 19 ff.; a.A. wohl noch vor der deutlicheren Differenzierung zwischen Versicherungsfall- und Leistungsablehnung in der Rechtsprechung des BSG ab 2021: LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 13.12.2017 – L 10 U 448/17, juris, Rn. 26)
4. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, soweit die statthafte Anfechtung der Überprüfungsbescheidung vom 13.07.2021 In Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2021 nebst gerichtlicher Verpflichtung der Beklagten zur nachträglichen Abänderung des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017 betroffen ist.
III. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht mit dem angegriffenen Überprüfungsbescheid vom 13.07.2021 In Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2021 eine Abänderung des Bescheides vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017 abgelehnt, da dem Kläger kein Anspruch nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X auf Abänderung zustand.
Inwiefern dem Kläger materiell-rechtlich ein Anspruch auf behördliche Feststellung eines Versicherungsfalles nach Nr. 2102 BKV zustand oder nicht, war durch die Beklagte inhaltlich nicht mehr zu prüfen. Die Beklagte hat im Ergebnis zu Recht bereits den Einstieg in die Sachprüfung der bestandskräftigen Bescheidung über § 44 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB X abgelehnt und Rechtsfehler i.S.d. § 44 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGB X sind nicht ersichtlich. Die Entscheidungsreichweite der Überprüfungsbescheidung der Beklagten beschränkt sich insofern auf die Feststellung, dass dem Kläger der geltend gemachte Rücknahmeanspruch nach § 44 SGB X nicht zusteht (so auch: BSG, Urt. v. 15.06.2010 – B 2 U 22/09 R, juris, Rn. 18 – „Im Bescheid vom 5.2.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2005 hat der Beklagte indes nur den mit Schreiben des Klägers vom 1.3.2002 und 2.9.2002 ausdrücklich gestellten Antrag auf "Überprüfung … gemäss § 44 SGB X" abgelehnt, also - wie bereits ausgeführt wurde - nur festgestellt, dass der Kläger keinen Rücknahmeanspruch hat.“).
Entgegen der rechtsirrigen Vorstellung des Prozessbevollmächtigten der Klägerseite bestehen in einem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X besondere verfahrensrechtliche Anforderungen (1.), die hier nicht erfüllt sind (2.). Mit der Berücksichtigung dieser verfahrensrechtlichen Vorgaben setzt die Beklagte auch nicht die Vorschrift des § 44 SGB X in wesentlichen Teilen außer Kraft, sondern verhilft diesem Instrument vielmehr erst zur rechtskonformen Anwendung.
1. Die nachträgliche Korrektur von nicht begünstigenden Bescheiden durch die Behörde im Verwaltungsverfahren kann sowohl nach § 44 SGB X als auch nach § 48 SGB X erfolgen, wobei eine belastende Bescheidung auch dann gegeben ist, soweit ein Bewilligungsbescheid keine höheren Leistungen gewährt (BSG, Urt. v. 26.10.2017 – B 2 U 6/16 R, juris, Rn. 14 m.w.N.). Ob der belastende Verwaltungsakt bereits bestandskräftig ist oder nicht, ist für die Anwendbarkeit der §§ 44, 48 SGB X nicht entscheidend (BSG, Urt. v. 26.10.2017 – B 2 U 6/16 R, juris, Rn. 15 m.w.N.). Regelmäßig kann ein Überprüfungsantrag, der sich ausdrücklich auf § 44 SGB X bezieht, auch als Überprüfungsantrag nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X ausgelegt werden – und umgekehrt (vgl. Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 40, Rn. 12). Daneben kann eine Überprüfung auch ohne Antrag durch die Behörde von Amts wegen vorgenommen werden. Eine Abgrenzung der beiden Vorschriften zum sog. Überprüfungsverfahren erfolgt danach, ob eine Rechtswidrigkeit bereits bei Erlass der belastenden Bescheidung – die kein Dauerverwaltungsakt gewesen sein muss - vorgelegen hat (dann § 44 SGB X) oder ob ein belastender Dauerverwaltungsakt, der bei seinem Erlass noch rechtmäßig war, erst zu einem späteren Zeitpunkt zu Gunsten des Betroffenen nachträglich rechtswidrig geworden ist (dann § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X):
„Dass der Kläger erst nach dem Erlass des Verwaltungsaktes vom 18.7.2001 im November 2002 die Fähigkeit verloren hat, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ist im Rahmen der hier zu beurteilenden Voraussetzungen für dessen Rücknahme nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ohne Bedeutung. Der Verwaltungsakt, dessen Rücknahme begehrt wird, muss im Zeitpunkt seines Erlasses, also von Anfang an rechtswidrig sein. Wird er hingegen erst nachträglich rechtswidrig, kann er nur unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X aufgehoben werden.“
(BSG, Urt. v. 15.06.2010 – B 2 U 22/09 R, juris, Rn. 18; vgl. auch: Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 40, Rn. 10 ff.; Baumeister, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44, Rn. 46 m.w.N.; Merten, in: Hauck/Noftz SGB X, § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes, Rn. 22 f.; Siewert, in: Diering/Timme/Stähler, SGB X, 5. Auflage 2019, § 44 SGB X, Rn. 29)
Ein behördliches Überprüfungsverfahren i.S.d. § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X erfolgt nach überwiegender Ansicht innerhalb von drei aufeinander aufbauenden Prüfungsschritten (hierzu ausführlich: BSG, Urt. v. 03.02.1988 – 9/9a RV 18/86, juris, Rn. 16 f.; BSG, Urt. v. 03.04.2001 – B 4 RA 22/00 R, juris, Rn. 27; BSG, Urt. v. 13.02.2014 – B 4 AS 22/13 R, juris, Rn. 13; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28.08.2019 – L 8 R 617/17, juris, Rn. 31 – „In eine erneute Sachprüfung muss die Verwaltung erst dann eintreten, wenn Gründe geltend gemacht werden, die ihrer Art nach geeignet sind, die zu überprüfende Verwaltungsentscheidung in Frage zu stellen (erster Schritt) und diese Gründe tatsächlich vorliegen sowie wenn die fragliche Verwaltungsentscheidung auf einen Umstand gestützt ist, welcher infolge der geltend gemachten Überprüfungsgründe nunmehr zweifelhaft geworden ist (zweiter Schritt). Ergibt sich also im Rahmen eines Antrages auf Erteilung eines Zugunstenbescheides nichts, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung (dies wäre der dritte Schritt) auf die Bindungswirkung des ursprünglichen Bescheides berufen.“; LSG Hamburg, Urt. v. 09.02.2010 – L 3 U 50/08, juris, Rn. 13; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urt. v. 07.10.1999 – L 5 U 11/99, juris, Rn. 26; Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X, Rn. 136 m.w.N.; Merten, in: Hauck/Noftz SGB X, § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes, Rn. 37 ff. m.w.N.; Siewert, in: Diering/Timme/Stähler, SGB X, 5. Auflage 2019, § 44 SGB X, Rn. 40; Heße, in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, 67. Edition, Stand: 01.12.2022, § 44 SGB X, Rn. 11; Köhler, Rechtssicherer Umgang mit sogenannten Reichsbürgern im Sozialverwaltungsverfahren, WzS 2019, 103, 112 m.w.N.; Voelzke/Hahn, Bestandskraft versus materielle Gerechtigkeit – Grenzen bei der Überprüfung bestandskräftiger belastender Verwaltungsakte, SGb 2012, 685, 686 m.w.N; ablehnend: Steinwedel, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR (Kasseler Kommentar) GesamtHrsg: Körner/Krasney/Mutschler/Rolfs, Stand: 01.03.2022, § 44 SGB X, Rn. 61; den mehrstufigen Aufbau grds. billigend: BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 15.06.2020 – 1 BvR 2843/18, juris, Rn. 12; auch für allgemeine Überprüfungsverfahren aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht nach §§ 48, 49 Verwaltungsverfahrensgesetz [VwVfG] wird ein vergleichbarer mehrstufiger Prüfungsaufbau angenommen: BVerwG, Urt. v. 22.10.2009 – 1 C 15/08, juris, Rn. 24 f. m.w.N.):
- 1. Entscheidung der Behörde über den Eintritt in die sachliche Prüfung der Voraussetzungen nach § 44 SGB X oder Zurückweisung ohne weitere Sachprüfung;
bei Entscheidung zugunsten des Eintritts in die Sachprüfung:
- 2. Entscheidung der Behörde über die Rechtswidrigkeit der fraglichen Bescheidung nach § 44 SGB X;
bei Entscheidung zugunsten der Änderungsnotwendigkeit:
- 3. Entscheidung der Behörde über Änderung / Aufhebung der überprüften Bescheidung – regelmäßig mit Erlass einer neuen Sachentscheidung.
Hierbei ist die Entscheidung der Behörde im ersten Prüfungsschritt, über den (Nicht-) Eintritt in eine sachliche Überprüfung der Bescheidung nach § 44 SGB X, weichenstellend. Selbst wenn teilweise von „zulässigen“ und „unzulässigen“ Überprüfungsanträgen nach § 44 SGB X gesprochen wird (etwa: BSG, Urt. v. 04.03.2021 – B 11 AL 5/20 R, juris, Rn. 16), darf diese Voraussetzung nicht als Zulässigkeitsfrage missverstanden werden (kritisch zur irreführenden Terminologie daher auch: Baumeister, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X, Rn. 137 m.w.N., 145.1). Vielmehr handelt es sich um eine materielle Tatbestandsvoraussetzung der Prüfung nach § 44 SGB X, welche aus dessen besonderen Verhältnis als Ausnahmeregelung zur Bestandskraft nach § 77 SGG entspringt; sie ist teilweise in Anlehnung an § 51 VwVfG, § 40 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung [KOVVfG] a.F. und / oder § 580 Zivilprozessordnung [ZPO] entwickelt worden (grundlegend: BSG, Urt. v. 03.02.1988 – 9/9a RV 18/86, juris, Rn. 16 f. m.w.N.; vgl. bzgl. kritischer Stimmen zu dieser Ableitung: Merten, in: Hauck/Noftz SGB X, § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes, Rn. 38 f. m.w.N.; Siewert, in: Diering/Timme/Stähler, SGB X, 5. Auflage 2019, § 44 SGB X, Rn. 41 m.w.N.).
Zwar ist die Einleitung eines behördlichen Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X keineswegs - per se - bereits deshalb ausgeschlossen, weil eine Bestandskraft einer Bescheidung eingetreten ist (Wortlaut des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X - „…auch nachdem er unanfechtbar geworden ist…“) oder zuvor eine tatsächliche und rechtliche Prüfung derselben Bescheidung im Widerspruchs- oder Klageverfahren erfolgt ist (BSG, Urt. v. 10.12.2013 – B 13 R 91/11 R, juris, Rn. 18 m.w.N.; Köhler, Rechtssicherer Umgang mit sogenannten Reichsbürgern im Sozialverwaltungsverfahren, WzS 2019, 103, 112 m.w.N.) oder in der Vergangenheit ein anderes Überprüfungsverfahren nach § 44 / § 48 SGB X zu derselben Bescheidung durchgeführt worden wäre (BSG, Urt. v. 30.01.2020 – B 2 U 2/18 R, juris, Rn. 18; BSG, Urt. v. 05.09.2006 – B 2 U 24/05 R, juris, Rn. 12; BSG, Urt. v. 11.11.2003 – B 2 U 32/02 R, juris, Rn. 19; Siewert, in: Diering/Timme/Stähler, SGB X, 5. Auflage 2019, § 44 SGB X, Rn. 40, 42). Aber auch unter der Geltung des behördlichen Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 20 Abs. 1 S. 1 SGB X besteht keine Verpflichtung der Behörde zur anlasslosen, unendlichen, erneuten Sachprüfung / Rechtfertigung einer bereits bestandskräftig getroffenen Verwaltungsentscheidung bei erkennbar unveränderter Sach- und Rechtslage (BSG, Beschl. v. 04.07.2017 – B 10 EG 20/16 B –, Rn. 10 – „Insoweit setzt die Beschwerde sich aber bereits nicht ausreichend mit dem Wortlaut der Norm des § 44 Abs 1 S 1 SGB X auseinander. Danach muss sich die unrichtige Rechtsanwendung bzw das Ausgehen von einem unrichtigen Sachverhalt gerade im Einzelfall ergeben. Nach der Rechtsprechung des BSG befreit diese Voraussetzung den Leistungsträger von der Verpflichtung, regelmäßig oder aus besonderem Anlass den gesamten Aktenbestand daraufhin zu überprüfen, ob sich ein Anlass zu einem Vorgehen nach § 44 SGB X ergibt […].“; Baumeister, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X, Rn. 133 ff.). Maßgeblich sind immer die Umstände des Einzelfalles.
Insofern kann der Eintritt in die erneute Sachprüfung nach § 44 SGB X gerade dann durch die Behörde rechtmäßig verweigert werden, wenn
- die vom Antragsteller vorgebrachten Argumente für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts bereits zuvor geprüft worden sind (Baumeister, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X, Rn. 137 m.w.N.) oder nur den bisherigen Vortrag im Wesentlichen wiederholt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 21.06.2021 – L 10 U 303/20, juris, Rn. 35 f.),
- derselbe Sachverhalt nach der Vorstellung des Antragstellers im Rahmen der Beweiswürdigung nur anders berücksichtigt werden müsse (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.02.2010 – L 10 B 9/09 VG, juris, Rn. 18 – „Lediglich eine andere Beweiswürdigung ist für die Erteilung eines neuen Bescheides nach § 44 SGB X nicht ausreichend […].“; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urt. v. 12.07.2007 – L 2 VS 55/06, juris, Rn. 37; Merten, in: Hauck/Noftz SGB X, § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes, Rn. 40),
- sich nach einer Prüfung der Umstände eines behaupteten anderen Sachverhaltes ergibt, dass tatsächlich gar kein neuer / anderer Sachverhalt vorliegt (BSG, Urt. v. 03.02.1988 – 9/9a RV 18/86, juris, Rn. 17; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.02.2010 – L 10 B 9/09 VG, juris, Rn. 18; LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 23.11.2017 – L 14 U 111/13, juris, Rn. 26; Merten, in: Hauck/Noftz SGB X, § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes, Rn. 37 m.w.N.) oder
- zwar tatsächlich ein neuer Sachverhalt vorliegt, der aber im Rahmen der zu überprüfenden Bescheidung – zum insofern allein maßgeblichen Erlasszeitpunkt - rechtlich unerheblich war (BSG, Urt. v. 03.02.1988 – 9/9a RV 18/86, juris, Rn. 17; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 05.04.2017 – L 17 U 96/13, juris, Rn. 26 – „Da im Verfahren nach § 44 SGB X die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides maßgebend ist […], wäre eine erstmalige Erhebung dieses Befundes durch Dr. C - also nach der letzten Verwaltungsentscheidung - zum Nachweis einer falschen Sachentscheidung durch die Behörde ohnehin ungeeignet.“; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.02.2010 – L 10 B 9/09 VG, juris, Rn. 18; Merten, in: Hauck/Noftz SGB X, § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes, Rn. 37 m.w.N.; Heße, in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, 67. Edition, Stand: 01.12.2022, § 44 SGB X, Rn. 11).
Falls der Anlass eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X aus einem Antrag des Betroffenen folgt, wird überwiegend verlangt, dass der Antrag schon innerhalb des Verwaltungsverfahrens soweit konkretisiert wird, dass sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, warum die Bescheidung falsch soll (BSG, Urt. v. 13.2.2014 – B 4 AS 22/13 R, juris, Rn. 19 m.w.N.; BSG, Urt. v. 28.10.2014 – B 14 AS 39/13 R, juris, Rn. 15; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 13.02.2019 – L 8 AS 450/13 NZB, juris, Rn. 47; LSG Hamburg, Urt. v. 10.09.2018 – L 4 AS 273/17, juris, Rn. 18 - „§ 44 SGB X dient dazu, den Konflikt zwischen der Bindungswirkung eines (rechtswidrigen) Verwaltungsakts einerseits und der materiellen Rechtmäßigkeit (und damit Gerechtigkeit) andererseits zugunsten letzterer zu lösen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Behörde der Konflikt in diesem Sinne überhaupt bekannt ist. Eine allgemeine Pflicht der Behörde, den Verwaltungsakt unter ständiger Kontrolle zu halten oder ohne Anlass regelmäßige Überprüfungen von bestandskräftigen Verwaltungsakten durchzuführen, besteht dabei nicht […]. Voraussetzung für eine Prüfpflicht ist ein konkreter Anlass für eine derartige Prüfung. Ein Überprüfungsantrag des Betroffenen kann ein solcher Anlass sein, auch hier gilt jedoch, dass nicht jeder Antrag eine umfassende Prüfpflicht auslöst. Vielmehr kann die Behörde einen Überprüfungsantrag mit dem Hinweis auf fehlende neue Gesichtspunkte für die Rechtswidrigkeit ablehnen, wenn der Antragsteller keine entsprechenden Gründe in seinem Antrag vorbringt und der Behörde auch darüber hinaus keine solchen Gründe bekannt werden. Sie ist nicht gezwungen, von sich aus eine vollständige Sachverhalts- oder Rechtsprüfung durchzuführen, wenn dazu objektiv keine Veranlassung gegeben ist […].“; Steinwedel, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR (Kasseler Kommentar) GesamtHrsg: Körner/Krasney/Mutschler/Rolfs, Stand: 01.03.2022, § 44 SGB X, Rn. 31 ff.). Wenn keine ausreichende Konkretisierung eines Antrages vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens erfolgt ist, kann die Behörde den unsubstantiierten Überprüfungsantrag ohne weiteren Einstieg in die Prüfung der Sach- und Rechtslage ablehnen und sich auf die Bestandskraft der Bescheidung berufen (bereits: BSG, Urt. v. 03.02.1988 – 9/9a RV 18/86, juris, Rn. 17 – „Ergibt sich also im Rahmen eines Antrages auf Zugunstenbescheid nichts, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, daß die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen. Nur wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, daß ursprünglich nicht beachtete Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, ist ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden.“; Baumeister, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X, Rn. 137; Steinwedel, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR (Kasseler Kommentar) GesamtHrsg: Körner/Krasney/Mutschler/Rolfs, Stand: 01.03.2022, § 44 SGB X, Rn. 32, 60). Unerheblich ist es hingegen, ob in einem Klageverfahren noch eine spätere Konkretisierung des Überprüfungsantrages nachgeholt wird. Denn der maßgebliche Zeitpunkt, zu dem ein hinreichend konkretisierter Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X vorliegen muss – als Vorgabe für den daraus folgenden Überprüfungsauftrag der Behörde -, ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens (BSG, Urt. v. 13.02.2014 – B 4 AS 22/13 R, juris, Rn. 16 f.; BSG, Urt. v. 28.10.2014 – B 14 AS 39/13 R, juris, Rn. 15, 20; Merten, in: Hauck/Noftz SGB X, § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes, Rn. 42b; Heße, in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, 67. Edition, Stand: 01.12.2022, § 44 SGB X, Rn. 11; Steinwedel, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR (Kasseler Kommentar) GesamtHrsg: Körner/Krasney/Mutschler/Rolfs, Stand: 01.03.2022, § 44 SGB X, Rn. 31; kritisch: Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X, Rn. 136 m.w.N., 137). Ob das Konkretisierungserfordernis bei Überprüfungsanträgen lediglich ein spezieller Unterfall der allgemeinen Anforderungen des ersten Prüfungsschrittes ist oder diesen ersten Prüfungsschritt bei Anträgen nach § 44 SGB X ersetzt, bevor die weiteren Prüfungsschritte vorzunehmen sind (vgl. Heße, in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, 67. Edition, Stand: 01.12.2022, § 44 SGB X, Rn. 11 m.w.N.), kann aufgrund derselben rechtlichen Ergebnisse dahingestellt bleiben.
Sofern der 2. Senat des BSG in der Vergangenheit keinerlei Anforderungen an Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X gestellt hatte (bspw. offengelassen: BSG, Urt. v. 05.09.2006 – B 2 U 24/05 R, juris, Rn. 13), scheint diese Rechtsprechung durch die jüngere Rechtsprechung des BSG überholt (BSG, Urt. v. 13.2.2014 – B 4 AS 22/13 R, juris, Rn. 19 m.w.N.; BSG, Urt. v. 28.10.2014 – B 14 AS 39/13 R, juris, Rn. 15). Der 2. Senat hat zuletzt aber weiterhin offengelassen, ob er die zwischenzeitlich anderweitig allgemein etablierte Dreischrittprüfung auf Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung übertragen möchte (BSG, Urt. v. 30.01.2020 – B 2 U 2/18 R, juris, Rn. 19). Das Gericht hat keine Bedenken, diese dargestellte Dreischrittprüfung zu § 44 SGB X auf das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zu übertragen. Insbesondere existieren keine unfallversicherungsrechtlichen Besonderheiten für eine abweichende Bewertung der Anforderungen zu § 44 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB X (so im Ergebnis etwa auch: LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 23.11.2017 – L 14 U 111/13, juris, Rn. 26; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 21.06.2021 – L 10 U 303/20, juris, Rn. 35 f.; LSG Hamburg, Urt. v. 09.02.2010 – L 3 U 50/08, juris, Rn. 13; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urt. v. 07.10.1999 – L 5 U 11/99, juris, Rn. 26).
Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an neues Vorbringen für den gebotenen Einstieg in die Sachprüfung bei § 44 SGB X wird aber teilweise differenziert, ob fehlerhafte Sachverhaltsannahmen i.S.d. § 44 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB X oder fehlerhafte Rechtsanwendungen i.S.d. § 44 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGB X für die Bescheidung geltend gemacht werden (BSG, Urt. v. 30.01.2020 – B 2 U 2/18 R, juris, Rn. 19 - „Unabhängig von der Frage, inwieweit dieser Rechtsprechung zu einem abgestuften Prüfungsverfahren gefolgt werden kann, ist darauf hinzuweisen, dass § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X zwei Alternativen nennt, bei deren Vorliegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen ist: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel und ein abgestuftes Verfahren ankommen. Bei der ersten Alternative handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen zu erfolgen hat […].“ BSG, Urt. v. 05.09.2006 – B 2 U 24/05 R, juris, Rn. 13; zustimmend: Köhler, Rechtssicherer Umgang mit sogenannten Reichsbürgern im Sozialverwaltungsverfahren, WzS 2019, 103, 112).
Wenn die Behörde zu Recht im ersten Prüfungsschritt einen Einstieg in die Sachprüfung der Bescheidung abgelehnt hat und sich auf die Bestandskraft der Bescheidung nach § 77 SGG beruft, kann eine Abänderungsverpflichtung nach § 44 SGB X auch im gerichtlichen Verfahren nicht mehr ausgesprochen werden. Falls die Behörde demgegenüber im ersten Prüfungsschritt zu Unrecht einen Einstieg in die Sachprüfung der Bescheidung abgelehnt hat, darf sich das Gericht nicht auf die Bejahung der Notwendigkeit einer Sachprüfung nach § 44 SGB X beschränken. Vielmehr hat das Gericht dann über den gesamten Änderungsanspruch nach § 44 SGB X – einschließlich des zweiten und dritten Prüfungsschrittes – zu entscheiden (Baumeister, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X, Rn. 138). Umstritten ist hingegen, ob - auch - das Gericht nach Sachprüfung über den Abänderungsanspruch nach § 44 SGB X umfassend zu prüfen hat, wenn die Behörde zuvor im Verwaltungsverfahren zu Unrecht im ersten Prüfungsschritt von einem Einstieg in die umfassende Sachprüfung nach § 44 SGB X eingetreten ist, obwohl hierzu keine Veranlassung bestand (dagegen: Schleswig-Holsteinisches LSG, Urt. v. 07.10.1999 – L 5 U 11/99, juris, Rn. 28; Merten, in: Hauck/Noftz SGB X, § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes, Rn. 42; dafür wohl: BSG, Beschl. v. 09.08.1995 – 9 BVg 5/95, juris, Rn. 2 f.; LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24.10.2018 – L 6 R 453/15, juris, Rn. 43; Bayerisches LSG, Beschl. v. 08.10.2019 – L 20 KR 479/19 B ER, juris, Rn. 38; Steinwedel, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR (Kasseler Kommentar) GesamtHrsg: Körner/Krasney/Mutschler/Rolfs, Stand: 01.03.2022, § 44 SGB X, Rn. 62).
2. Vorliegend begehrt der Kläger eine vollständige Aufhebung der bisherigen Ablehnungsbescheidung vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017 nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit (nicht wegen erst nachträglich eingetretenener Rechtswidrigkeit nach § 48 SGB X). Zum einen folgt dies aus der insofern eindeutigen Bezugnahme gerade auf die Vorschrift des § 44 SGB X, welche bei anwaltlich vertretenen Beteiligten als bewusste Entscheidung verstanden werden kann. Zum anderen folgt dies aus der inhaltlichen Argumentation der Klägerseite, wonach es nie der Zusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und Erkrankungen des Klägers bereits im Erlasszeitpunkt von Anfang an im Hinblick auf eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 BKV unzutreffend gewertet worden wäre.
Die Behörde hat hier – im Rahmen des ersten Prüfungsschrittes (s.o.) - den Eintritt in eine Sachprüfung nach § 44 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB X zu Recht abgelehnt (a)), da keine Veranlassung zur erneuten inhaltlichen Sachentscheidung über die Rechtmäßigkeit der Bescheidung vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017 hinsichtlich Unfallfolgen und Rentenberechtigung bestand (b)). Es bestand auch nicht aus anderen Gründen eine Verpflichtung der Beklagten zur Abänderung der Bescheidung nach § 44 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGB X (c)).
a) Die Beklagte hat sich mit dem angefochtenen Überprüfungsbescheid vom 13.07.2021 In Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2021 auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Bescheidung vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017 berufen, ohne dabei in die sachliche Prüfung der Rücknahme einzusteigen.
Ob eine Behörde sich auf die Bindungswirkung / Bestandskraft einer Bescheidung bezieht hängt nicht davon ab, ob diese ausdrücklich nur die Bindungswirkung der Bescheidung nach § 77 SGG betont. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Behörde erkennbar keinen Anlass für den Einstieg in die inhaltliche Prüfung der Bescheidung sieht und keine (erneute) inhaltliche Entscheidung in der Sache vorgenommen hat. Diese Frage ist anhand des insofern maßgeblichen Regelungsgehaltes der Bescheidung nach Auslegung anhand des objektiven Empfängerhorizontes analog §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] vorzunehmen (allgemein: LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 05.12.2019 – L 19 AS 1608/18, juris, Rn. 33 f.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 26.04.2017 – L 19 AS 2128/16, juris, Rn. 24 f.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 10.10.2007 – L 12 SO 19/06, juris, Rn. 25; Söhngen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 54 SGG, Rn. 23 m.w.N.; Engelmann, in: Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 31 SGB X, Rn. 43 m.w.N.; Mutschler, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR (Kasseler Kommentar) GesamtHrsg: Körner/Krasney/Mutschler/Rolfs, Stand: 01.09.2018, § 31 SGB X, Rn. 21 m.w.N.; Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 31 SGB X, Rn. 26 – „Für die Auslegung von Verwaltungsakten gelten die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften des § 133 BGB (auch § 157 BGB) zur Auslegung von Willenserklärungen entsprechend. Hierbei kann es zum einen um die Frage gehen, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, zum anderen darum, ob überhaupt ein Verwaltungsakt vorliegt (letzteres vor allem zur Ermittlung des Regelungscharakters einer Erklärung).“; Littmann, in: Hauck/Noftz SGB X, § 31 Begriff des Verwaltungsaktes, Rn. 34 m.w.N. - „Eine behördliche Willenserklärung bedarf in zweierlei Hinsicht der Auslegung: hinsichtlich der Frage, ob überhaupt ein Verwaltungsakt vorliegt und welchen Inhalt er hat. In beiden Fällen folgt die Auslegung den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen des § 133 BGB für Willenserklärungen […]. Dabei bemisst sich der Maßstab der Auslegung am Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, die die Behörde erkennbar nach ihrem wirklichen Willen in die Entscheidung einbezogen hat.“). Entscheidend ist aus Sicht des Gerichtes, dass die Behörde erkennbar keine erneute Sachenscheidung vornehmen will, sondern – ohne inhaltliche Prüfung - bei dem Inhalt der bestandskräftigen Bescheidung bleibt. Teilweise kann einer Überprüfungsbescheidung entnommen werden, dass die Behörde auch bei umfangreichen Vorprüfungen nicht in die eigentliche Sachprüfung nach § 44 SGB X eingetreten ist (vgl. bspw. Ablehnung des Einstiegs in die Sachprüfung einer Bescheidung nach § 44 SGB X nach vorheriger Auswertung einer Dissertation: LSG Hamburg, Urt. v. 09.02.2010 – L 3 U 50/08, juris, Rn. 13). Insbesondere geht die Rechtsprechung davon aus, dass auch in den Fällen gerade noch kein Einstieg in die Sachprüfung nach § 44 SGB X geschuldet ist / vorgenommen wird, in denen zunächst abweichende Tatsachenbehauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft werden müssen bzw. überprüft worden sind (etwa: BSG, Urt. v. 03.02.1988 – 9/9a RV 18/86, juris, Rn. 17; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.02.2010 – L 10 B 9/09 VG, juris, Rn. 18; LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 23.11.2017 – L 14 U 111/13, juris, Rn. 26; Merten, in: Hauck/Noftz SGB X, § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes, Rn. 37 m.w.N.) oder nachträglich die Unerheblichkeit des anderen Sachverhaltes festgestellt wird (etwa: BSG, Urt. v. 03.02.1988 – 9/9a RV 18/86, juris, Rn. 17; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 05.04.2017 – L 17 U 96/13, juris, Rn. 26; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.02.2010 – L 10 B 9/09 VG, juris, Rn. 18; Merten, in: Hauck/Noftz SGB X, § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes, Rn. 37 m.w.N.; Heße, in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, 67. Edition, Stand: 01.12.2022, § 44 SGB X, Rn. 11).
Hier hat die Beklagte hat bereits im Ausgangsbescheid vom 13.07.2021 ausgeführt, dass und warum sie gerade nicht erneut in eine inhaltliche Prüfung der Bescheidung einsteigen wird. Die weiteren Ausführungen sind eine Zusammenfassung des früheren Klage- und Berufungsverfahrens und geben keinen erneuten eigenen Einstieg der Beklagten in die Prüfung der Sach- und Rechtslage der fraglichen Bescheidung zu erkennen. Insbesondere teilt die Beklagte auch abschließend mit, dass die teilweise wirren Formulierungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers keine neuen Anhaltspunkte für eine anderweitige Bewertung oder Abänderungsnotwendigkeit der bestandskräftigen Bescheidung vom 13.07.2016 beinhalten. Entsprechendes gilt auch für den Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2021, in welchem sich die Beklagte ausdrücklich noch einmal auf die Bestandskraft der bisherigen Bescheidung beruft.
b) Die Beklagte hat einen Einstieg in die Sachprüfung nach § 44 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB X hier auch zu Recht abgelehnt, da kein Anhaltspunkt dafür bestand, dass bei der Bescheidung vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017 von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Der Kläger hat bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens zum Überprüfungsbescheid keine ausreichenden Gründe vorgebracht, wegen derer die Beklagte zum erneuten Einstieg in die Sachprüfung gehalten gewesen wäre. Eine Rechtswidrigkeit der Bescheidung vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017 drängt sich auch nicht aus anderen Gründen auf.
Das Gericht kann offenlassen, ob eine Überprüfung / Abänderung von Verwaltungsakten nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X überhaupt rechtlich möglich ist, wenn ihr Inhalt – wie hier – bereits gerichtlich bestätigt worden ist und die gerichtliche (Feststellungs-) Entscheidung zwischenzeitlich rechtskräftig geworden ist (für die Anwendbarkeit des § 44 SGB X auch bei vorangegangenen Anfechtungsklagen: BSG, Urt. v. 26.10.2017 – B 2 U 6/16 R, juris, Rn. 16 m.w.N. – „Der Anwendung des § 44 SGB X stand auch nicht entgegen, dass das SG die Klage auf eine höhere Rente mit rechtskräftigem Urteil […] abgewiesen hatte. § 44 SGB X ist eine gesetzliche Bestimmung, die eine Durchbrechung der Bindungswirkung von gerichtlichen und behördlichen Entscheidungen zulässt. Die Vorschrift vermittelt einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts unabhängig davon, ob dieser durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde […].“; Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X, Rn. 35 m.w.N.; offengelassen bei vorangegangenen Feststellungsklagen: BSG, Urt. v. 30.01.2020 – B 2 U 2/18 R, juris, Rn. 17; dann ablehnend: Thüringer LSG, Beschl. v. 07.01.2019 – L 1 U 619/18 B, juris, Rn. 20; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.06.2018 – L 10 U 2893/16, juris, Rn. 28 ff.; offener wiederum: Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X, Rn. 32.2).
Denn selbst wenn zugunsten der Klägerseite von einer Überprüfungsmöglichkeit i.S.d. § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ausgegangen wird, obwohl mit den Entscheidungen des SG Duisburg (S 29 U 241/17) und des LSG Nordrhein-Westfalen (L 17 U 158/19) die Richtigkeit der Bescheidung vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017 inhaltlich vollumfänglich bereits rechtskräftig bestätigt worden ist, käme hier unter keinem Gesichtspunkt eine Verpflichtung der Beklagten zum Einstieg in die Sachprüfung bzw. Abänderung der Ablehnungsentscheidung vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017 in Betracht.
Soweit der Kläger eine rechtswidrige Bescheidung aufgrund fehlerhaften Sachverhalts nach § 44 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB X gerügt hat, bestand für die Beklagte keine Veranlassung zum Einstieg in eine entsprechende, erneute Sachprüfung:
- Die „Argumente“, die von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahren vorgebracht worden sind, sind sprachlich und inhaltlich wirr gefasst und nicht mehr nachvollziehbar. Dass Herr Dr. S. und Herr Dr. M. eine Meniskuserkrankung des Klägers bestätigt haben sollen, ist jedenfalls völlig unerheblich, für die entscheidende Frage, ob eine Kausalität der beruflichen Tätigkeit des Klägers gegeben ist. Diese Kausalität ist von allen Sachverständigen, Entscheidungsträgern und Personen – außer dem Prozessbevollmächtigten des Klägers -, die jemals mit dem Fall des Klägers beschäftigt gewesen sind, einhellig verneint worden. Warum diese Bewertungen durchgehend falsch gewesen sein sollten, bleibt ein Geheimnis der Klägerseite. Die mit Schreiben vom 22.06.2021 geltend gemachte Begründung, dass es gegen die Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfall- und Berufskrankheitenversicherung in dem Sinne verstoße, dass wesentliche Mitursächlichkeit ausreichend sei, wenn bei dieser Sachlage die wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Belastung bestritten werde, konnte und musste von der Beklagten jedenfalls nicht erstmals in eine inhaltlich nachvollziehbare Form überführt werden. Es ist vollumfänglich unklar, was der Prozessbevollmächtigte glaubt, hiermit erklärt zu haben.
- Sofern man unter Berücksichtigung des weiteren Klägervorbringens aus dem Widerspruchsverfahrens annimmt, dass der Prozessbevollmächtigte wohl auf eine fehlerhafte Wertung der Kausalität abzielen will, weil die berufliche Belastung für die Erkrankung des Klägers wesentlich mitursächlich gewesen sei, musste die Beklagte vor dem Hintergrund dieser unbelegten Behauptungen nicht erneut in die Sachprüfung einsteigen. Dieselben Argumente sind vollumfänglich bereits in den früheren Verfahren bei der Beklagten, dem SG Duisburg und dem LSG Nordrhein-Westfalen berücksichtigt worden; auf die Inhalte der Verfahren S 29 U 241/17 und L 17 U 158/19 wird dabei im Besonderen verwiesen. Sie wiederholen lediglich denselben Vortrag der Klägerseite, ohne zu erkennen zu geben, dass die zwischenzeitlichen Erkenntnisse der Gerichtsverfahren in dem Klägervortrag in irgendeiner Form mitberücksichtigt worden wären. Der Klägervortrag beschränkt sich damit auf den Mut zur anhaltslosen Behauptung unter Ignoranz jeglicher zwischenzeitlicheren Erkenntnisse aus früheren Verfahren. Dieselben Erwägungen, mit denen der Kläger bereits zuvor in zwei Instanzen gescheitert ist (S 29 U 241/17; L 17 U 158/19), sind daher als Anlass für eine Neueröffnung der Sachprüfung im Rahmen des § 44 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB X ungeeignet. Wenn der Kläger seinen Vortrag unverändert wiederholt, kann die Beklagte sich unverändert auf die Bestandskraft ihrer gerichtlich bestätigten Bescheidung berufen, mit dem dieser unveränderte Sachvortrag bereits ausreichend gewürdigt worden ist, ohne zuvor weitere Sachprüfungen zu veranlassen (etwa: LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 21.06.2021 – L 10 U 303/20, juris, Rn. 35 f.; Baumeister, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X, Rn. 137 m.w.N.).
- Zudem fordert die Klägerdarstellung letztlich nur eine andere Beweiswürdigung derselben bekannten Tatsachen, die bereits im Rahmen der bisherigen Entscheidungen durch Beklagte, SG Duisburg und LSG Nordrhein-Westfalen anders gewertet worden sind. Dass dieses Begehren im Rahmen des § 44 Abs. 1 SGB X nach einer gefällige(re)n Beweiswürdigung, wie sie der Prozessbevollmächtigte des Klägers anstelle von Behörden und Gerichten selbst vornehmen will, gerade keine inhaltliche Sachprüfungspflicht einer Behörde bei einer bestandskräftigen Entscheidung begründet, ist bereits dargelegt worden. Der Wunsch nach anderweitiger Beweiswürdigung desselben Sachverhaltes, ohne die Berücksichtigung neuer anderer Gesichtspunkte, kann nicht erfolgreich über § 44 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB X eingefordert werden (etwa: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.02.2010 – L 10 B 9/09 VG, juris, Rn. 18; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urt. v. 12.07.2007 – L 2 VS 55/06, juris, Rn. 37; Merten, in: Hauck/Noftz SGB X, § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes, Rn. 40).
Selbst wenn das Gericht zu Gunsten der Klägerseite auch die weiteren Ausführungen und Unterlagen der Klägerseite berücksichtigt, die erst im Klageverfahren vorgebracht worden sind, und auch im Ermessensweg von der Berücksichtigung der diesbezüglich zwischenzeitlich verwirklichten Präklusion nach § 106a Abs. 3 SGG absieht, ist kein Klageerfolg erkennbar. Denn selbst wenn – entgegen der überwiegenden Auffassung (s.o.) – auch diese weiteren Ausführungen der Klägerseite über das Klageverfahren herangezogen werden würden, um den Antrag nach § 44 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB X auch nach Abschluss des behördlichen Verfahrens noch nachträglich zu konkretisieren, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Insbesondere enthalten die im Klageverfahren übersandten Unterlagen keine neuen Erkenntnisse für eine Fehlerhaftigkeit der Sachverhaltsannahmen gerade zum Erlasszeitpunkt des Bescheides vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017. Unabhängig davon, dass in den übersandten medizinischen Unterlagen überhaupt keine Aussagen zu einer Kausalität der beruflichen Tätigkeiten des Klägers getroffen werden – vielmehr wird lediglich der damalige Gesundheitszustand des Klägers in den Jahren 2004, 2009 und 2011 beschrieben -, werden hiermit nicht die ausführlichen Erkenntnisse aus den späteren gerichtlichen Verfahren vor dem SG Duisburg und dem LSG Nordrhein-Westfalen zu den Az. S 29 U 241/17 und L 17 U 158/19 in Frage gestellt, die sich schwerpunktmäßig mit der zentralen Kausalitätsprüfung beschäftigt haben. Auch der weitere Vortrag im Klageverfahren ist daher offensichtlich ungeeignet eine Überprüfungspflicht nach § 44 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB X zu begründen.
c) Sofern zumindest der 2. Senat des BSG in seiner Rechtsprechung betont, dass bei einer rechtlichen Überprüfung nach § 44 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGB X keinerlei Konkretisierungsnotwendigkeit der Klägerseite bestünde, wenn eine falsche Rechtsanwendung geltend gemacht werden sollte (BSG, Urt. v. 30.01.2020 – B 2 U 2/18 R, juris, Rn. 19; BSG, Urt. v. 05.09.2006 – B 2 U 24/05 R, juris, Rn. 13), führt dies hier jedenfalls nicht zu einer Notwendigkeit der Beklagten eine Abänderung der Bescheidung vorzunehmen.
Die Kausalitätsbewertung wie sie in der Bescheidung vom 13.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017 getroffen worden ist, ist nicht nur durch das SG Duisburg, sondern auch unmittelbar vor Erlass des Überprüfungsbescheides noch einmal durch das LSG Nordrhein-Westfalen rechtlich bestätigt worden (Az. S 29 U 241/17 bzw. Az. L 17 U 158/19). Es ist daher nicht erkennbar, wo die Beklagte bei der Bescheidung das Recht unrichtig angewandt haben sollte. Sofern die Klägerseite dies beständig weiter behauptet, verzichtet sie auf eine Auseinandersetzung mit den einschlägigen Entscheidungen des SG Duisburg und des LSG Nordrhein-Westfalen. Die Entscheidungen kommen in der Begründung der Klägerseite nicht einmal vor, sondern werden wegen ihres nachteilhaften Ergebnisses schlicht fortlaufend ignoriert. Dabei ist mit diesen Entscheidungen nicht eine Rechtsfehlerhaftigkeit der Bescheidung der Beklagten festgestellt worden. Vielmehr wurde umgekehrt dargelegt, dass allein die Kläger das Recht offensichtlich unrichtig ungewandt wissen möchte, wenn er trotz einer mangelnder Kausalität hier die Feststellung eines Versicherungsfalles nach Nr. 2102 BKV einfordert, den es nicht gegeben hat. Das Gericht schließt sich den rechtlichen Bewertungen aus dem früheren Klage- und Berufungsverfahren ausdrücklich an.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung der §§ 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung sowie dem Umstand, dass die Klägerseite den Rechtsstreit grundlos fortgeführt hat, obwohl ihr mit gerichtlicher Verfügung vom 03.08.2022 die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden ist und sie auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist.
1. Der Tatbestand des § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG ist verwirklicht. Wie bereits dargestellt, ist die Klage nicht erfolgreich. Der Kläger ist unter ausdrücklichem Hinweis auf § 192 SGG über diesen Umstand schriftlich ausdrücklich belehrt worden und dabei ist ihm dargelegt worden, dass unter keinem Gesichtspunkt ein weitergehender Klageerfolg absehbar ist und ein unverändertes Fortsetzen der Klage missbräuchlich ist. Ein schriftlicher Hinweis auf § 192 SGG ist in diesem Zusammenhang ausreichend (BT-Drs. 16/7716, S. 22 f.). Unabhängig davon, dass § 192 SGG keine weiteren Formanforderungen für den schriftlichen Hinweis beinhaltet, ist die vom Kammervorsitzenden mit vollem Namen unterzeichnete Verfügung dem Prozessbevollmächtigten des Klägers sogar in beglaubigter Abschrift zugestellt worden, um jeglichen Zweifel an der Urheberschaft des Hinweises auszuschließen.
Im Rahmen des § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG bestimmt sich die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung entsprechend einer objektivierten Einsichtsfähigkeit danach, ob die Rechtsverfolgung oder -verteidigung von jedem Einsichtigen, der sich nicht bereits im Vorhinein jeglichen Gegenargumenten bewusst verschließt, als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. Schmidt, in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 192 SGG [Auferlegung der Kosten], Rn. 8; Stotz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 192 SGG (Stand: 29.03.2021), Rn. 38 m.w.N.). Eine tatsächliche, subjektive Einsicht des Betroffenen bzw. ein Handeln wider besseren Wissens ist demgegenüber für § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG nicht erforderlich, da der Anwendungsbereich der sog. Missbrauchskosten in § 192 SGG weiter reicht als der engere Begriff der Mutwillenskosten, der für die frühere Fassung des § 192 SGG a.F. bis zum 31.12.2006 maßgeblich gewesen ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 14.02.2019 – L 19 AS 1178/18, juris, Rn. 40 – „Ein Missbrauch ist unter anderem dann anzunehmen, wenn die Klage oder das Rechtsmittel offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und die Erhebung der Klage oder die Einlegung des Rechtsmittels von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss […]. Vorliegend ist die Fortführung des Verfahrens - Aufrechterhaltung der Klage - völlig aussichtslos gewesen. Maßstab ist damit nicht die konkrete subjektive Sicht des Klägers, sondern die eines verständigen Beteiligten. Ist ein Beteiligter durch einen Rechtsanwalt vertreten, ist auf dessen Einsichtsfähigkeit abzustellen […]. Für einen Rechtsanwalt gelten erhöhte Anforderungen […]. Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich mit der Rechtsmaterie auseinandersetzt, die Rechtsprechung zu den aufgeworfenen Fragen prüft und die Erfolgsaussichten eingehend abwägt und sich entsprechend den Ergebnisse seiner Prüfung verhält […]. Die Kenntnis seiner Bevollmächtigten ist dem Kläger diesbezüglich zuzurechnen (§ 192 Abs. 1 S. 2 SGG). Eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung i. S. d. § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist deshalb auch dann anzunehmen, wenn (nur) der Bevollmächtigte des Klägers die Aussichtslosigkeit der Fortführung des Rechtsstreits erkannt hat, das Verfahren aber gleichwohl weiterbetrieben wird.“; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 10.09.2021 – L 3 R 251/21, juris, Rn. 28 - „Maßstab ist nicht die konkrete subjektive Sicht des Klägers, sondern die eines verständigen Beteiligten. Ist ein Beteiligter durch einen Rechtsanwalt vertreten, ist auf dessen Einsichtsfähigkeit abzustellen […]. Die Kenntnis seines Bevollmächtigten ist dem Kläger diesbezüglich zuzurechnen (§ 192 Abs. 1 S. 2 SGG).“; Sächsisches LSG, Urt. v. 31.03.2005 – L 2 U 124/04, juris, Rn. 40; Schmidt, in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 192 SGG [Auferlegung der Kosten], Rn. 8 m.w.N.; Buchwald, in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 1. Aufl., § 192 SGG, Rn. 18; vgl. zum engeren Begriff der Mutwilligkeit im Zusammenhang mit § 34 BVerfGG auch: Barczak in: Barczak, BVerfGG, 1. Aufl. 2018, § 34 [Kostenfreiheit, Missbrauchsgebühr], Rn. 14 f. m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben handelte der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei Fortsetzung der Klage zur Überzeugung des Gerichts missbräuchlich, da er aus nicht nachvollziehbaren Erwägungen an der Klage festhielt. Spätestens nachdem das Gericht mit Verfügung vom 03.08.2022 die maßgeblichen Erwägungen mitgeteilt hatte, aus denen hier kein Klageerfolg erzielt werden konnte, musste der Prozessbevollmächtigte des Klägers davon ausgehen, dass keine Erfolgsaussicht der Klage mehr gegeben war. Im vorliegenden Einzelfall ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Klägerseite hier bereits ein Klage- und ein Berufungsverfahren verloren hatte, welche mit denselben Erwägungen erfolglos geführt worden sind (Az. S 29 U 241/17 bzw. Az. L 17 U 158/19). Vor diesem Hintergrund wird auch die erneute gerichtliche Durchsetzung eines inhaltlich identisch gelagerten Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn - wie hier - keine inhaltlich neuen Aspekte für das Überprüfungsbegehren vorgebracht werden. Das Gericht verweist auf die folgenden Erwägungen, die es sich zur weiteren Begründung der Rechtsmissbräuchlichkeit zu eigen macht:
„Die Fortführung der Berufung ist vorliegend missbräuchlich. Der Kläger hat lediglich fünf Wochen nach Zurückweisung seiner Berufung durch Beschluss des LSG vom 26.03.2012 einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt, ohne auf die in den Gründen des Beschlusses dargelegten Umstände, die einer Anerkennung der beantragten BK Nr. 4105 entgegen stehen, zu reagieren. Nachdem erstinstanzlich im Verfahren S 10 U 1035/11, sodann im Berufungsverfahren L 8 U 4323/11 und erneut im sozialgerichtlichen Verfahren S 10 U 3614/12 wiederholt im Einzelnen dargelegt worden ist, dass nicht der Verdacht, sondern die Diagnose eines Mesotheliom neben weiteren Voraussetzungen anspruchsbegründende Voraussetzung für die Anerkennung einer BK Nr. 4105 ist, und die vom Kläger selbst vorgelegten medizinischen Auskünfte der ihn behandelnden Lungenfachärztin gerade nicht das Vorliegen eines Mesotheliom bestätigen, ist die gänzlich aussichtslose Fortführung der Berufung missbräuchlich.“
(LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 26.09.2013 – L 6 U 1529/13, juris, Rn. 47; zustimmend etwa auch: Kraus, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR GesamtHrsg: Roos/Wahrendorf/Müller, Stand: 01.02.2023, § 192 SGG, Rn. 41; Groß, in: Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, 6. Auflage 2021, § 192 SGG, Rn. 19 m.w.N.)
Der vorliegende Fall des Klägers unterscheidet sich von dem dargestellten Fall, für den das LSG Baden-Württemberg von einer Rechtsmissbräuchlichkeit ausgegangen ist, dadurch, dass der Prozessbevollmächtigte hier nicht einmal fünf Wochen nach Ende der Berufung abgewartet hatte, bevor er ohne inhaltliche Auseinandersetzung dasselbe Begehren noch einmal als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X bei der Beklagten geltend gemacht hatte. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers muss spätestens ab dem Zeitpunkt der Verfügung vom 03.08.2022 dabei klar gewesen sein, dass auch diese Klage erneut erfolglos bleiben wird. Wenn dann auf den gerichtlichen Hinweis der Rechtsmissbräuchlichkeit vom 03.08.2022 auch keine nachvollziehbaren Gründe für die Fortsetzung des erfolglosen Klageverfahrens vorgetragen werden, sondern auch hier lediglich weiterer Sachvortrag erfolgt, der neben den sogar zuvor benannten entscheidungserheblichen Umständen zu § 44 SGB X liegt, liegt ein Verweigern des prozessual geschuldeten Handelns (Rücknahme der Klage nach § 102 SGG oder Erläuterung, warum dennoch eine Erfolgsaussicht bestehen sollte) trotz Kenntnis der absoluten Aussichtslosigkeit einer Klagefortführung vor. Jede andere objektive Person, welche sich die Mühe gemacht hätte die gerichtliche Verfügung vom 03.08.2022 zu lesen, wäre anstelle des Prozessbevollmächtigten zu der Erkenntnis einer Unsinnigkeit dieser weiteren unveränderten Klagefortführung ohne realisierbares Ziel gelangt. Es gab hier nach dem Hinweis vom 03.08.2022 keinerlei Anhaltspunkt mehr für einen Glauben der Klägerseite, dass die Klage noch zu einem irgendwie gearteten Klageerfolg führen könnte.
Sofern nicht der Kläger selbst bei der Fortsetzung des Verfahrens schuldhaft gehandelt haben sollte, sondern sein Anwalt, ändert dies nichts an einem Verschuldensvorwurf gegenüber der Klägerseite. Dem Kläger ist auch ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten als eigenes missbräuchliches Handeln zurechenbar (§ 192 Abs. 1 S. 2 SGG). Sofern den Kläger selbst kein Verschuldensvorwurf an der rechtsmissbräuchlichen Fortsetzung des Rechtsstreites nach § 192 SGG treffen sollte, ist er vielmehr auf Regressforderungen im Innenverhältnis gegenüber seinem Rechtsanwalt zu verweisen (Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, § 192, Rn. 4 – „Liegt die Uneinsichtigkeit des Klägers also im Wesentlichen darin, dass er dem Ratschlag des seinerseits uneinsichtigen Prozessbevollmächtigten folgt, so muss er sich auf die Auseinandersetzung mit dessen Anwaltshaftpflicht verweisen lassen.“). Inwiefern die Möglichkeit besteht auch den Prozessbevollmächtigten persönlich zukünftig mit Verschuldenskosten analog § 192 SGG zu sanktionieren (dafür etwa: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 03.02.2023 – L 7 AS 229/21 B, juris, Rn. 3; Stotz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 192 SGG, Rn. 67 ff. m.w.N.), braucht an dieser Stelle noch nicht geklärt werden, da sich der Hinweis vom 03.08.2022 nur an die vom Prozessbevollmächtigten vertretene Klägerseite richtete.
2. Im Rahmen seiner gerichtlichen Ermessensentscheidung nach § 192 Abs. 1 S. 1 SGG ist das Gericht zu einer Kostenauferlegung von 600,00 € gegenüber dem Kläger gelangt.
Die Klägerseite hat sich bzgl. der Unsinnigkeit ihres Klagebegehrens in besonderem Maße uneinsichtig gezeigt, indem sie auf eine weitere Beschäftigung des Sozialgerichts mit einem Anliegen bestanden hat, mit dem sie bereits zuvor mehrfach in verschiedenen Instanzen gescheitert war. Das Gericht berücksichtigt dabei zu Gunsten einer Kostenauferlegung, dass die Klägerseite das Verfahren wider besseren Wissens maßgeblich deshalb fortgeführt haben muss, weil sie beschlossen zu haben scheint, dass sie es schlicht besser weiß. Hierbei hat es die Klägerseite nicht einmal für notwendig gehalten sich überhaupt mit den früheren Ausführungen des SG Duisburg und des LSG Nordrhein-Westfalen oder den besonderen verfahrensrechtlichen Anforderungen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X auseinanderzusetzen. Die Klägerseite hat unverändert - und unirritiert vom mehrfachen Unterliegen in gerichtlichen Verfahren - direkt wieder ein identisches Überprüfungsbegehren bei der Beklagten anhängig gemacht, nachdem sie gerade das Berufungsverfahren verloren hatte. Sie wiederholt damit unverändert dieselbe Argumentation, deren Erfolglosigkeit bereits erprobt worden ist. Dabei war das Unterliegen der Klägerseite im Berufungsverfahren L 17 U 158/19 sogar absolut eindeutig ausgefallen. Die hier gewählte Beschlussform nach § 153 Abs. 4 SGG kommt nur in Betracht, wo das LSG die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Jeder andere rechtskundige Prozessbevollmächtigte hätte dieses unzweifelhafte Ergebnis zum Anlass genommen sich zumindest detailliert mit der entsprechenden Begründung auseinanderzusetzen, wenn er ein weiteres behördliches Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X mit demselben Ziel einleitet. Dies war hier offensichtlich nicht einmal geplant. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers legt eine bemerkenswerte Ignoranz gegenüber der gerichtlichen Entscheidungsfindung an den Tag; er erscheint nicht einmal bereit, seinen eigenen falschen Ansatzpunkt im Zuge der gerichtlichen Entscheidungen zu überdenken oder sein Überprüfungsbegehren nach § 44 SGB X daran auszurichten. Vielmehr drängt sich für das Gericht der Eindruck auf, dass es für den Prozessbevollmächtigten hier darum ging mit maximalen Desinteresse und minimalem Aufwand nur zeitnah ein weiteres gebührenpflichtiges Verfahren zu erschaffen, bei dem derselbe Schriftsatzinhalt zur eigenen Gewinnmaximierung noch mehrfach zweitverwertet werden soll. Bei diesem Vorgehen ist zu erwarten, dass sich die Klägerseite auch in Zukunft einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit nachteilhaften Entscheidungen der Gerichte verweigern wird. Allein der Umstand Unrecht zu haben scheint dabei nicht als Hinderungsgrund wahrgenommen zu werden, dieselben Fehler laufend zu wiederholen. Ein weiterer, vergleichbarer Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 SGB X in derselben Frage ist hier nicht nur möglich; er ist aufgrund der unveränderten Uneinsichtigkeit der Klägerseite in die Erfolgslosigkeit des Anliegens für die Zukunft realistisch zu erwarten. Gegenwärtig ist dann auch von einem weiteren vergleichbaren Klageverfahren auszugehen, wenn das bisherige Prozessverhalten für die Klägerseite weiterhin finanziell folgenlos bleibt. Ohne Kostenauferlegung ist daher nicht erkennbar, dass / wie es zukünftig zu einer Änderung des Verhaltens der Klägerseite kommen soll, die zu einer Vielzahl derselben Entscheidungen zu § 44 SGB X führen wird. Diese gerichtlichen Entscheidungen werden von der Klägerseite aber augenscheinlich auch für so sinnlos gehalten, dass sie inhaltlich nicht einmal nachvollzogen werden sollen.
Diese Gesichtspunkte führen zu einer Kostenauferlegung durch das Gericht, um zumindest so auf eine zukünftige Verhaltensänderung der Klägerseite bei ihrer unsinnigen Prozessführung hinzuwirken. Im Interesse der Allgemeinheit - und insbesondere auch zu Gunsten anderer Rechtsuchender - geht das Gericht davon aus, dass für derartige Klagen eine Kostenfreiheit des Bürgers nach § 183 SGG unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr gerechtfertigt erscheint. Gerade von dem Prozessverhalten des Prozessbevollmächtigten der Klägerseite, welcher in einer Vielzahl von Verfahren vergleichbar tätig wird, geht eine erhebliche Wiederholungsgefahr und weitere Arbeitsbelastung des Gerichtes mit unsinnigen Klagefortführungen aus, welche die Auferlegung von Verschuldenskosten gegenüber den von ihm vertretenen Klägern notwendig erscheinen lässt, um hierüber effektiv auf eine zukünftige Änderung des Prozessverhaltens hinzuwirken.
Hinsichtlich der Höhe der Kosten gelangt das Gericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung zu insgesamt 600,00 Euro. Der entsprechende Mindestbetrag von 150,00 € nach § 192 Abs. 1 S. 3, § 184 Abs. 2 SGG ist keine starre Grenze, sondern kann wertmäßig zu Lasten des Beteiligten überschritten werden. Das Gericht macht sich insofern die folgenden Ausführungen zur Berechnung der Kosten seiner missbräuchlich in Anspruch genommenen Arbeitszeit zu eigen:
„Bei einer Schätzung der Gerichtskosten gehören zu diesen neben den bei der Abfassung des Urteils entstehenden Kosten sämtlicher befasster Richter und Mitarbeiter auch die allgemeinen Gerichtshaltungskosten (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 192 Rn. 14 m.w.N.) auch die Kosten für die Durchführung des Gerichtstermins, die der Kläger durch das missbräuchliche Bestehen auf Fortsetzung des Rechtsstreits und einem schriftlichen Urteil verursacht hat. Der Senat orientiert sich bei der Schätzung dieser Kosten daran, dass für das Absetzen des schriftlichen Urteils als Zeitaufwand mindestens zwei Richterarbeitsstunden (Mindestaufwand für einfache Sachen) anzusetzen sind. Hinzu kommt noch der Zeitaufwand für die Durchführung der mündlichen Verhandlung unter Beteiligung von drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern. Bei einer 1986 durchgeführten Schätzung sind die Kosten einer Richterstunde bereits "vorsichtig" auf 350 DM bis 450 DM (= 178,95 Euro bis 230,08 Euro) geschätzt worden (vgl. die Darstellung bei Goedelt, SGb 1986, 493, 500). Dies sind Kostenschätzungen ausgehend von der Richterstunde für das erstinstanzliche Verfahren. In der Berufungsinstanz ist allein für die Urteilsabfassung wegen der insgesamt drei zu berücksichtigenden Berufsrichter von sechs Richterstunden zum vorerwähnten Kostenansatz je Stunde auszugehen. Schon allein daraus würden sich rechnerisch Gerichtskosten von 2.100 DM bis 2.700 DM (rund 1070 € bis 1380 €) ergeben (Stand 1986, vgl. Goedelt, a.a.O.). Der Senat hat sich mithin noch deutlich unterhalb dieser rein rechnerisch vom Prozessbevollmächtigten verursachten Kosten orientiert, wenn er 650 Euro auferlegt.“
(LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 29.02.2012 – L 29 AS 1144/11, juris, Rn. 66; vgl. auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 10.09.2021 – L 3 R 251/21, juris, Rn. 30 m.w.N.)
Hiervon ausgehend hält das Gericht jeweils einen Betrag von 600,00 € für insgesamt angemessen für den Kläger. Die Kosten einer Richterstunde sind seit 1986 bzw. 2012 immer weiter gestiegen und können mit je 300,00 € bewertet werden (für die Ansetzung des Betrages von 300,00 € für eine aufgewandte Richterstunde u.a. auch: SG Karlsruhe, Urt. v. 20.02.2018 – S 4 KR 2398/17, juris, Rn. 36; SG Heilbronn, Urt. v. 23.06.2016 – S 15 AS 133/16, juris, Rn. 30; SG Düsseldorf, Urt. v. 08.04.2019 – S 35 AS 519/19, juris, Rn. 4; Stotz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 192 SGG, Rn. 67). Allein die Absetzung dieses Gerichtsbescheides hat weit über zwei Arbeitsstunden des Kammervorsitzenden in Anspruch genommen.
3. Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieser Gerichtsbescheid kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Duisburg, Mülheimer Straße 54, 47057 Duisburg
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).