S 10 AS 1344/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AS 1344/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 45/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 140/22 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 


T a t b e s t a n d:

Streitig ist die Höhe der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für Kaution, Waschmaschine, Herd, Kühlschrank, Küchenmöbel und eine Waschmaschine.

Der am XX.XX.XXXX geborene Kläger erhält seit dem Jahre 2008 laufend Hilfe
zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)
durch das Landratsamt N. Land.

Bereits in zahlreichen vorangegangenen Verfahren wurde hierzu festgestellt -
zuletzt am 23.07.2015 für den Zeitraum vom 01.03.2011 - 31.08.2014 durch
das Bayerische Landessozialgericht L 11 AS 713/14 -, dass der Kläger keinen
Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat, da er aufgrund einer
psychischen Störung nicht erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II ist.

Am 11.09.2014 beantragte der Kläger beim Beklagten erneut Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
(SGB II).

 Mit Bescheid vom 19.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2015 wurde der Antrag abgewiesen.

 Hierzu ist eine Klage beim Sozialgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen S 10 AS 652/15 anhängig.


Am 15.02.2017 bezog der Kläger nach einer Zwangsräumung seiner alten Wohnung eine neue Wohnung in X.

Mit Antrag vom 17.02.2017 beantragte der Kläger wiederum beim Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 28.08.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.08.2017 abgelehnt, wogegen eine Klage beim Sozialgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen S 10 AS 1065/17 anhängig ist.

 

* S 10 AS 1344/17:
Am 13.02.2017 beantragte der Kläger für den beabsichtigten Umzug beim Beklagten unter anderem die Übernahme der Mietkaution, Mietwagen für den Umzug, Übernahme der Kosten für Helfer beim Umzug, Übernahme der Mietkosten für die Zwischenlagerung von Möbeln.

Mit Bescheid vom 22.05.2017 gewährt ihm der Beklagte einen Betrag von insgesamt 1390,00€ auf der Basis eines Darlehens für die Mietkaution(1170,00€) und den Erwerb einer Waschmaschine (220,00€).
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit dem Begehr diese Leistungen als Zuschuss zu erhalten. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2017 zurückgewiesen.

Dagegen wurde am 04.12.2017 Klage zum Sozialgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen S 10 AS 1344/17 erhoben.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 22.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger das beantragte "Darlehen" zu gewähren.

Das Gericht geht davon aus, dass es sich bei der Formulierung "Darlehen" um einen Schreibfehler handeln muss und es entsprechend der Begründung zum Widerspruch "Zuschuss" heißen muss.


Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

 

* S 10 AS 1436/17:
Am 28.03.2017 beantragte der Kläger dann erneut die Übernahme der Kosten für die Anschaffung von Waschmaschine, Spüle, Möbeleinrichtung, Wäschetrockner und Küchengeräte.

Mit Bescheid vom 17.07.2017 gewährte der Beklagte daraufhin einen einmaligen Betrag von 830,00€ als Zuschuss für die Anschaffung eines Elektroherdes, eines Kühlschranks, einer Spüle mit Unterschrank und Armatur, einem Küchenhängeschrank, einem Küchenunterschrank, einer Arbeitsplatte vom 3m und einer Waschmaschine.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit dem Begehren einen Zuschuss von 1500€ zu bewilligen. Die vom Beklagten gewährten 830€ seien für die Anschaffung der genannten Artikel nicht ausreichend.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2017 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen wurde am 20.12.2017 Klage zum Sozialgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen S 10 AS 1436 erhoben.

Der Kläger beantragt,
der Bescheid des Beklagten vom 17.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.11.2017 abzuändern und dem Kläger die Leistungen für die Wohnungserstausstattung in beantragter Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.


Mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 15.05.2017
wurde festgestellt, dass der Kläger seit dem 22.12.2004 auf Dauer voll
erwerbsgemindert ist. Es wurde daher eine Rente wegen voller
Erwerbsminderung ab den 01.01.2005 auf Dauer bewilligt.

Mit Beschluss vom 27.10.2020 hat das Gericht den zuständigen Sozialhilfeträger nach dem SGB XII beigeladen.

Mit Beschluss vom 28.10.2020 wurden die beiden Klagen vom Gericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen S 10 AS 1436/17 fortgeführt.

Zur Klärung der Frage, ob der Kläger erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II und damit leistungsberechtigt nach dem SGB II ist, hat das Gericht ferner im Verfahren S 10 AS 652/15 ein Gutachten eingeholt.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte der Verfahren S 10 AS 1344/17 und S 10 AS 1436/17 und beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten, sowie auf die beigezogene Akte im Verfahren S 10 AS 652/15 und auf das Gutachten von Dr. O. vom 05.11.2020 verwiesen.

Dieser führt in seinem Gutachten aus, sich beim Kläger eher mäßige
Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates fänden. Aus den vorliegenden
ärztlichen Unterlagen ergäben sich hinsichtlich der psychischen
Leistungsfähigkeit keine wesentlichen Änderungen für die Zeit ab dem
01.09.2014. Der Kläger sei 11 Monate in fachpsychiatrischer Behandlung nach
der Versichertenauskunft wegen einer Erkrankung aus dem Bereich der
Affektiven Störungen bzw. der Neurotischen, Belastungs- und somatoformen
Störungen gewesen. Aus den beigezogenen Unterlagen werde erkennbar, das
beim Kläger als primäre relevante Gesundheitsstörung weiterhin eine deutliche
psychische Beeinträchtigung und Minderbelastbarkeit bestehe. Der Kläger sei
auch weiterhin, insbesondere ab dem 01.09.2014 wegen dieser
Gesundheitsstörung auf absehbare Zeit außerstande unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich
erwerbsfähig zu sein. Gegenüber dem vom gerichtlichen Sachverständigen im
Verfahren S 13 AS 150/09 am 23.06.2010 erstellten Gutachten vom 23.06.2010,
in welchem festgestellt wurde, dass der Kläger auf absehbare Zeit außerstande
sei unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens
3 Stunden täglich erwerbsfähig zu sein, ist keine Verbesserung im
Gesundheitszustand des Klägers ab dem 01.09.2014 eingetreten.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Nachdem der vorliegende Rechtsstreit keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist, konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Die Beteiligten wurden dazu gehört.

Der mit Schreiben vom 09.11.2020 beantragten Fristverlängerung zur Abgabe
einer Stellungnahme wegen einer beabsichtigten Beauftragung eines
Rechtsanwaltes war nicht nachzukommen. Der Kläger hatte mit dem vorliegenden Rechtstreit bereits zwei Rechtsanwälte befasst, die jeweils das Mandat niederlegten bzw. denen der Kläger das Mandat entzogen hat. Daher wurde der Kläger vom Gericht mit Schreiben vom 7.03.2019 aufgefordert, einen neuen - nunmehr dritten - Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten zu benennen. Der Kläger hatte mithin über ein Jahr Zeit sich einen Prozessbevollmächtigten zu suchen. Eine weitere Verzögerung des bereits seit 2017 anhängigen und nunmehr entscheidungsreifen Rechtsstreits ist damit nicht mehr vertretbar.

Die zulässige Klage ist unbegründet; sie war daher abzuweisen.

Dem Kläger stehen keine weiteren Leistungen nach dem SGB II zu, als die vom Beklagten mit Bescheid vom 22.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2017 und mit Bescheid vom 17.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.11.2017 festgestellten.

Der Kläger ist nicht leistungsberechtigt nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Voraussetzung hierfür ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II, dass der Kläger erwerbsfähig ist.

Nach § 8 Abs. 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbsfähig zu sein.

Nach dem überzeugenden und nachvollziehbaren Gutachten von Dr. O. vom 05.11.2020 im Verfahren S 10 AS 652/15 war der Kläger auch für die Zeit ab September 2014 aufgrund einer deutlichen psychischen Beeinträchtigung und Minderbelastbarkeit nicht mehr in der Lage unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbsfähig zu sein. Dieser Zustand besteht auf unabsehbare Zeit.

Damit liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 SGB II für die streitgegenständliche Zeit ab Februar 2017 nicht vor, so dass dem Kläger keine (weiteren) Leistungen nach dem SGB II zugesprochen werden können.
Die auf Verurteilung des Beklagten auf höhere SGB II-Leistung gerichtete Klage konnte daher keinen Erfolg haben.

 

Gleichermaßen war auch der Beigeladene nicht zu der Gewährung der begehrten Leistungen nach dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu verurteilen.

Dem Kläger wurde vom Beklagten die Kaution in Höhe von 1170,00€ gemäß § 22 Abs. 6 Satz 3 SGB II als Darlehen gewährt (Bescheid vom 22.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2017).

Auch das SGB XII sieht für den Kläger keine Gewährung einer Kaution als Zuschuss vor. So bestimmt § 42 Nr. 4a, 42a i.V.m. 35 Abs. 2 Satz 5 SGB XII ausdrücklich, dass eine Mietkaution als Darlehen erbracht werden soll. Die Gewährung einer Kaution als nicht zurückzahlbaren Zuschuss scheidet daher nach den gesetzlichen Bestimmungen aus. Dem klägerischen Begehren konnte diesbezüglich nicht entsprochen werden.


Soweit der Kläger zusätzlich einen höheren Betrag für Erstausstattung für Einrichtungsgegenstände geltend macht, konnte auch dazu keine Abhilfe erfolgen.

 Als Grundlage für diesen Anspruch auf Erstausstattung kommt § 42 Nr. 2 i.V.m. § 31 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII in Betracht. Danach werden Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten (Nr. 1) und Erstausstattung für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt (Nr. 2) gesondert erbracht.

Die Notwendigkeit einer Wohnungserstausstattung kommt immer dann in Betracht, wenn jemand - ungeachtet aus welchen Gründen - nicht über entsprechende Gegenstände verfügt. Dies kann als Folge eines Wohnungsbrandes, nach einer Haftentlassung oder beim erstmaligen Anmieten einer Wohnung der Fall sein.

Welche Gegenstände benötigt werden, hängt vom Einzelfall ab (vgl. Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl., § 31 Rn. 6, und Blüggel in jurisPK-SGB XII, Stand: 26.10.2017, § 31 Rn. 23 ff., mit Ausführungen zur Abgrenzung zur Ersatzbeschaffung).

Dabei muss nicht eine komplette Erstausstattung erforderlich sein, sondern es können auch nur einzelne Gegenstände benötigt bzw. beansprucht werden. Ansonsten würde nämlich derjenige ungerechtfertigt benachteiligt, der noch über eine Teilausstattung verfügt (vgl. Blüggel, a.a.O. Rn. 31).

Vorliegend wurden dem Kläger bereits für die Anschaffung folgende Beträge gewährt:
* 200,00€ für einen Elektroherd
* 180,00€ für einen Kühlschrank
* 105,00€ für eine Spüle mit Unterschrank und Armatur
* 35,00€ für einen Küchenhängeschrank
* 45,00€ für einen Küchenunterschrank
* 220,00€ für eine Waschmaschine.
Dem Kläger wurden insgesamt Leistungen in Höhe von 830,00€ gewährt.


Der Beigeladene ist nicht verpflichtet die Differenz zwischen diesem Betrag und den geltend gemachten 1500,00€ zusätzlich zu erbringen, weil dieses das Maß des Angemessenen überschreiten würde.

Unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten ist ein sozialhilferechtlicher Bedarf (auch) durch Gebrauchtmöbel zu decken (so schon: BVersG, Urteile vom 14.03.1991 - 5 C 70/86 und vom 01.10.1998 - 5 C 19/97; LSG NRW, Beschluss vom 10.11.2010 - L 20 SO 436/10 NZB).

Grundsätzlich gilt bei Leistungen für Erstausstattung für die Wohnung das Sachleistungsprinzip, d. h. der Sozialhilfeträger stellt Möbel zur Verfügung, indem er auf Lieferquellen (Möbellager) verweist.

Es können jedoch auch Geldleistungen in Form von Pauschalen erbracht werden. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen.

Die Höhe der von der Beklagten anerkannten Erstausstattungskosten ist danach nicht zu beanstanden.

 Aktuelle Internetrecherchen des Gerichts über "G." belegen, dass
* ein Herd beim O. für 213€, beim M. für 197€, bei e. für 139€
* eine Waschmaschine beim O. für 214€, beim onlinehändler H. für 186€, bei p.-Möbelhandel für 179€, b. für 193€
* ein Kühlschrank beim O. für 125€-175€, beim M. für 119€, beim R. für 109€, bei a. für 116€-129€
* ein Küchenhängeschrank bei H. für 36€, bei p.-Möbelhandel für 39€, bei H. für 29€
* eine Arbeitsplatte bei T. zu 55€
      erhältlich ist.
      
Damit wurden dem Kläger Leistungen für eine Küchenerstausstattung in Höhe von jeweiligen Neupreisen im unteren Segment gewährt, obwohl es dem Kläger zu förderst zuzumuten ist, auf gebrauchte Möbel zurückzugreifen.

Gerade die streitgegenständlichen Einrichtungsgegenstände können entgegen dem Vorbringen besonders gut gereinigt und desinfiziert werden.
Im Hinblick auf den vorrangig zumutbaren Erwerb von Gebrauchtwaren war der Betrag auch beim Hinzukommen von Liefer- und Anschlusskosten noch ausreichend bemessen.


Mithin hat der Kläger einen grundsicherungsrechtlich angemessenen Barbetrag für die Anschaffung der begehrten Möbelstücke bereits erhalten.

Ein noch darüberhinausgehender Anspruch gegenüber dem Beigeladenen nach dem SGB XII besteht daher nicht.


Mithin war zu entscheiden, wie geschehen und die Klage insgesamt abzuweisen.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
 

 

Rechtskraft
Aus
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