L 11 KR 1735/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 149/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1735/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Bei einer Zustellung durch Empfangsbekenntnis nach § 174 ZPO a.F. (§ 175 ZPO n.F.) ist Zustellungsdatum der Tag, an dem der Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks persönlich Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegennimmt.
2. Die Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V beginnt mit dem Tag der ärztlichen Feststellung der (weiteren) Arbeitsunfähigkeit. Im Fall des § 46 Satz 2 SGB V bedeutet dies, dass das Wochenende dem vorangegangenen Bewilligungsabschnitt zuzurechnen ist und die Meldeobliegenheit erst mit der erneuten Feststellung von Arbeitsunfähigkeit eintritt.

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30.03.2021 aufgehoben, soweit die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2018 zur Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 04.07.2018 bis 22.07.2018 verurteilt worden ist. Insoweit wird die Klage abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das Ruhen des Krankengeldanspruchs des Klägers in der Zeit vom 04.07.2018 bis 29.07.2018.

Der 1966 geborene Kläger ist bei der Beklagten als (hauptberuflich) selbstständiger Schlosser und Geschäftsführer eines Schlossereiunternehmens freiwillig versichert mit einem Anspruch auf Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit. Am 22.05.2018 erkrankte der Kläger arbeitsunfähig (Diagnose R 45.1). Die von M, W) am 22.05.2018 ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit war bis zum 25.05.2018 befristet. Es folgten weitere Folge­arbeits­unfähigkeitsbescheinigungen vom 28.05.2018 (bis 01.06.2018), vom 04.06.2018 (bis 06.06.2018), vom 07.06.2018 (bis 10.06.2018), vom 11.06.2018 (bis 22.06.2018) und vom 25.06.2018 (bis 29.06.2018).

Am 02.07.2018 (Montag) erfolgte eine erneute Feststellung von Arbeitsunfähigkeit bis zum 06.07.2018 (Freitag) durch M. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 25.06.2018 und 02.07.2018 gingen ausweislich des Posteingangsstempels am 11.07.2018 bei der Beklagten ein. Weitere Feststellungen von Arbeitsunfähigkeit erfolgten durch M am 09.07.2018 (bis 20.07.2018) und 23.07.2018 (bis 03.08.2018). Die Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 09.07.2018 (Montag) und 23.07.2018 (Montag) gingen bei der Beklagten am 30.07.2018 ein.

Mit Schreiben vom 01.08.2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, seinen Anspruch auf Krankengeld zu prüfen, und bat um Vorlage der ausgefüllten Versichertenerklärung und weiterer Unterlagen. Ferner erläuterte sie die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Krankengeld. Der Kläger legte anschließend die angeforderten Unterlagen vor.

Mit Bescheid vom 10.08.2018 gewährte die Beklagte dem Kläger Krankengeld i.H.v. von 103,25 € brutto kalendertäglich für die Zeit ab dem 31.07.2018, mit Änderungsbescheid vom selben Tag bereits ab dem 30.07.2018.

Mit einem weiteren Bescheid vom 10.08.2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 25.06.2018 bis 29.06.2018 sowie vom 01.07.2018 bis 06.07.2018, vom 09.07.2018 bis 20.07.2018 und vom 23.07.2018 bis 03.08.2018 verspätet eingegangen seien und die Krankengeldzahlung daher vom 03.07.2018 bis zum 29.07.2018 ruhe.

Hiergegen erhob der Kläger am 31.08.2018 Widerspruch mit der Begründung, er sei ab dem 22.05.2018 durchgehend krankgeschrieben und habe die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen fristgerecht vorgelegt. Der Anspruch auf Krankengeld bestehe seit dem 04.07.2018. Er habe bereits am 30.07.2018 telefonisch mitgeteilt, die Annahme der Beklagten, die Arbeitsunfähigkeit sei unterbrochen worden, sodass der Anspruch noch nicht habe entstehen können, sei falsch. Nach erneuter Überprüfung der Sachlage habe ihm die Beklagte dies bestätigt und mitgeteilt, es habe sich um ein internes Versehen gehandelt, die Voraussetzungen für die Zahlung des Krankengeldes ab dem 04.07.2018 würden vorliegen.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2018 zurück und führte zur Begründung aus, nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ruhe der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet worden sei. Dies gelte nur dann nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolge. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sei eine grundlegende Voraussetzung für das Entstehen des Krankengeldanspruchs. Sie müsse nahtlos vom behandelnden Arzt nachgewiesen und der Krankenkasse innerhalb von einer Woche übersandt werden. Die Arbeitsunfähigkeit müsse auch für jede erneute Inanspruchnahme von Krankengeld angezeigt werden, wenn sie seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden habe. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V sei auch dann anzuwenden, wenn der Versicherte wegen derselben Krankheit erneut erkranke und diese erneute Erkrankung bzw. die Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit nicht rechtzeitig binnen Wochenfrist der Krankenkasse gemeldet werde. Bei der Meldung der Arbeitsunfähigkeit handele es sich um eine Obliegenheit des Versicherten, weshalb die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldung grundsätzlich von ihm zu tragen seien. Die Gewährung von Krankengeld bei verspäteter Meldung sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben gewesen seien und den Versicherten auch keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitig erfolgten Zugang der Meldung treffe. Im Falle des Klägers sei die gesetzlich vorgesehene Wochenfrist nicht eingehalten worden. Der Nachweis über die Arbeitsunfähigkeit sei zweifelsfrei außerhalb der Wochenfrist erfolgt. Unter Beachtung der rechtlichen Grundlagen habe der Anspruch auf Krankengeld vom 03.07.2018 bis zum 29.07.2018 geruht.

Hiergegen hat der Kläger am 14.01.2019 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, es sei unstreitig, dass er seit dem 22.05.2018 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Die vorliegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien allesamt rechtzeitig ausgestellt worden mit der Folge, dass der Anspruch auf Krankengeld gemäß § 46 Abs. 2 SGB V durchgängig seit dem 03.07.2018 bestanden habe. Nach den Eingangsstempeln der Beklagten seien seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verspätet eingegangen. Allerdings müsse in seinem konkreten Fall berücksichtigt werden, dass ihn an der verspäteten Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kein Verschulden treffe. Von seinem Arbeitgeber habe er bis einschließlich 03.07.2018 Arbeitsentgelt erhalten, was er jedoch erst nach dem Erhalt der entsprechenden Gehaltsabrechnung am 30.07.2018 erfahren habe. Da er davon ausgegangen sei, dass die Zahlung des Arbeitsentgelts bereits früher geendet habe, habe er sich bereits frühzeitig mit der Beklagten in Verbindung gesetzt und die Zahlung von Krankengeld geltend gemacht. Eine Nachricht habe er jedoch nicht erhalten. Am 30.07.2018 habe er sich dann telefonisch mit dem Kundencenter der Beklagten in M in Verbindung gesetzt. Dort sei ihm mitgeteilt worden, dass ein Anspruch auf Krankengeld noch gar nicht bestehe, weil eine Unterbrechung der Krankschreibung vorliege. Auf seinen Einwand hin, durchgehend krankgeschrieben gewesen zu sein, sei der Vorgang nochmals geprüft worden. Die Mitarbeiterin habe dann einen Rechenfehler eingeräumt und mitgeteilt, dass seit dem 04.07.2018 ein Anspruch auf Krankengeld bestehe. Mehrere Unterlagen, die ihm bereits hätten deutlich früher übersandt werden müssen, seien ihm dann zugeschickt worden. Obwohl ihr bereits im Juni 2018 mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt worden seien, habe die Beklagte sich erstmals mit Schreiben vom 01.08.2018 an den Kläger gewandt und ihm mitgeteilt, dass der Anspruch auf Krankengeld gerne überprüft werde. Das Schreiben vom 01.08.2018 habe erstmalig den Hinweis enthalten, dass die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig mitgeteilt werden müsse. So werde von der Folgebescheinigung innerhalb einer Woche nach dem Ende der bisherigen Krankmeldung die Ausfertigung zur Vorlage bei der Krankenkasse benötigt. Im Fall der späten Vorlage dürfe bis zum Eingang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kein Krankengeld gezahlt werden. Hätte sich die Beklagte rechtzeitig an ihn gewandt, so hätten dadurch gleich mehrere Probleme vermieden werden können. Er hätte umgehend klarstellen können, dass er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Zudem hätte er sich auch an die Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V halten können. Wäre ihm also die Mitteilung rechtzeitig zugegangen, so hätte er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dafür Sorge tragen können, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen rechtzeitig vorgelegen hätten. Da dies nicht erfolgt sei, habe er es nicht zu vertreten. Er habe seine Obliegenheit der rechtzeitigen Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht gekannt. Es liege daher ein Ausnahmefall vor, der es rechtfertige, von dem Grundsatz des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V abzuweichen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Ergänzend hat sie ausgeführt, es werde auf jedem Durchschlag der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung „für den Versicherten“ darauf hingewiesen, dass der Nachweis lückenlos vorgelegt werden müsse, da ansonsten der Verlust von Krankengeld drohe, ebenso bei verspäteter Vorlage.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.03.2021 hat das SG die Beklagte zur Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 04.07.2018 bis zum 29.07.2018 verurteilt. Der Kläger sei im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig gewesen. Er habe grundsätzlichen einen Anspruch auf Krankengeld gehabt. Dieser Anspruch habe auch nicht geruht. Von der Ausschlusswirkung der Ruhensregelung habe die Rechtsprechung trotz einer strikten Handhabung Ausnahmen anerkannt. Der Kläger könne sich auf einen Ausnahmefall berufen, da sich die Beklagte nicht auf den verspäteten bzw. nicht erfolgten Zugang der Meldung der Arbeitsunfähigkeit berufen könne. Die Fristversäumnis sei maßgeblich auf Umstände zurückzuführen, die in den Verantwortungsbereich der Beklagten fielen. Obwohl sich der Kläger bereits frühzeitig aufgrund der fehlerhaften Annahme, dass ihm Krankengeld bereits früher zustehe, mit der Beklagten in Verbindung gesetzt habe, habe er auf Nachfrage von der Beklagten erstmalig mit Schreiben vom 01.08.2018 die Rückmeldung erhalten, dass diese seinen Anspruch prüfe. Dies jedoch auch erst nach der Feststellung eines internen Berechnungsfehlers, dass keine Unterbrechung der Krankschreibung vorliege. Die ihrer Ansicht nach vorliegende Unterbrechung der Krankmeldung habe die Beklagte dem Kläger nicht mitgeteilt, genauso wenig habe sie ihm die entsprechenden Merkblätter zur Beantragung von Krankengeld zugesandt. Sie habe sich auch nach Vorlage der erstmaligen streitgegenständlichen verspäteten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 11.07.2018 nicht beim Kläger gemeldet. Der Kläger habe dadurch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht rechtzeitig an die Beklagte übersandt. Der fehlende fristgerechte Zugang der Mitteilung des Fortbestands der Arbeitsunfähigkeit beruhe auf der mangelnden Beratung durch die Beklagte. Sinn und Zweck der Ruhensregelung sowie die Rechtsgedanken des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs und des § 162 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geböten es, den Kläger so zu stellen, als habe er die Beklagte rechtzeitig vom Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit informiert.

Der Gerichtsbescheid ist den Beteiligten per Post gegen Empfangsbekenntnis unter Beifügung eines vom SG vorbereiteten Formulars zugestellt worden. Die Beklagte hat ein vor ihr selbst erstelltes Empfangsbekenntnis elektronisch aus ihrem besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo) an das SG übersandt und dort als Datum des Empfangs des Gerichtsbescheids den 20.04.2021 angegeben. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ist der Gerichtsbescheid am 16.04.2021 zugestellt worden.

Die Beklagte hat am 19.05.2021 (Mittwoch) Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Dem Berufungsschriftsatz beigefügt war das Formular des SG zur Abgabe eines Empfangsbekenntnisses, das die Beklagte nicht ausgefüllt hat. Hierauf befindet sich ein Posteingangsstempel der Beklagten, der das Datum 20.04.2021 ausweist.

Zur Begründung der Berufung hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger sei entgegen der Tatbestandsdarstellung des SG zum Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit nicht als Arbeitnehmer, sondern als hauptberuflich selbstständiger Schlosser als freiwilliges Mitglied versichert gewesen. Ihm sei durch seinen Status und dem damaligen Abschluss der freiwilligen Versicherung bekannt gewesen, dass er einen Anspruch auf Krankengeld ab der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit habe. Der Kläger trage die Darlegungs- und Beweislast einer rechtzeitigen Meldung der Arbeitsunfähigkeit. Die Beweislast könne nicht umgekehrt werden. Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit sei eine Obliegenheit des Versicherten, der sich dieser nicht durch die bloße Behauptung, die Meldung abgegeben oder in den Postbriefkasten geworfen zu haben, entziehen könne. Tatsächlich und durch Posteingangsstempel nachweisbar seien die betreffenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 25.06.2018 bis 29.06.2018 und vom 02.07.2018 bis 06.07.2018 bei der Beklagten am 11.07.2018 und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 09.07.2018 bis 20.07.2018 und vom 23.07.2018 bis 03.08.2018 am 30.07.2018 eingegangen bzw. gemeldet worden. Entgegen der Auffassung des SG sei eine frühere (telefonische) Kontaktaufnahme des Klägers bei der Beklagten nicht nachweisbar bzw. nicht dokumentiert. Einen entsprechenden Nachweis, ggfs. mit Angabe eines Ansprechpartners und der Uhrzeit, habe der Kläger bis heute nicht erbringen können. Die Darlegungs- und Beweislast liege demnach beim Kläger. Es sei nicht ihre Aufgabe gewesen, den Kläger über seine Möglichkeiten, auch im Hinblick auf die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit zu beraten bzw. zu informieren. Auch gesonderte Informationsschreiben seien hierfür nicht erforderlich. Sie sehe es nicht als notwendig an, den Kläger zu der Problematik der rechtzeitigen Meldung der Arbeitsunfähigkeit im Vorfeld über alle sich daraus zu ergebenden Konsequenzen zu informieren. Mit der Verkündung gölten die Gesetze grundsätzlich allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann sie von ihnen tatsächlich Kenntnis erlangt haben.

Die Beklagte beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30.03.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

            die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Er hat geltend gemacht, die Berufung sei bereits unzulässig, da sie nicht fristgerecht erhoben worden sei. Der angefochtene Gerichtsbescheid sei seinem Prozessbevollmächtigten am 16.04.2021 zugestellt worden. Dies gehe aus einem unterzeichneten Empfangsbekenntnis des SG hervor. Es sei daher in hohem Maße unwahrscheinlich, dass eine Zustellung an die Beklagte erst vier Tage später erfolgt sei. Gehe man von einer Zustellung des Gerichtsbescheids am 16.04.2021 aus, wäre die Berufungsfrist am 16.05.2021 abgelaufen und die Berufungsfrist nicht gewahrt. Jedenfalls aber sei die Berufung nicht begründet. Er verweise insoweit auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid. Ergänzend hat der Kläger vorgetragen, es sei aufgrund des Fehlverhaltens der Beklagten unerheblich, ob er Arbeitnehmer oder Selbstständiger gewesen sei. Dem sozialgerichtlichen Verfahren sei eine subjektive Beweislast fremd. Sei nach Ausschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten ungewiss, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rechtsnorm erfüllt seien oder nicht, habe das Gericht eine Entscheidung nach den Grund­sätzen der objektiven Beweislast zu treffen. Hierbei handele es sich um eine Feststellungslast. Es sei unabhängig hiervon nicht maßgeblich, wann die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei der Beklagten eingegangen seien, sondern ob eine rechtlich anerkannte Ausnahme der strikten Regelungen der § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V und § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V zur Anwendung komme. Er sei seiner Feststellungslast nachgekommen. Es handele sich um eine Tatsache, die sich im Organisationsbereich der Beklagten befinde. Es stelle eine verfehlte Auffassung des Sachverhalts und des Gerichtsbescheids dar, wenn die Beklagte ausführe, dass das SG von einer allgemeinen Beratungs-, Informations- und Aufklärungspflicht ausgegangen sei. Das SG habe ausdrücklich festgestellt, dass der Versicherungsträger dem Gebot von Treu und Glauben unterliege. Dies sei im vorliegenden Fall von Bedeutung, weil die Beklagte unrichtigerweise von einer Unterbrechung der Krankschreibung ausgegangen sei. Hierüber habe sie ihn weder informiert noch in sonst irgendeiner Weise kontaktiert.

Der Kläger hat sein Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter mit Schreiben vom 12.07.2022 erklärt, die Beklagte mit Schriftsatz vom 25.07.2022.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2, § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), hat teilweise Erfolg.

Die nach §§ 143, 144, 151 SGG formgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie fristgerecht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils erfolgt (§ 151 Abs. 1 SGG).

Der Gerichtsbescheid wurde der Beklagten am 20.04.2021 zugestellt. Das SG hat eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis gemäß § 174 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) in der bis zum 31.12.2021 geltenden Normfassung des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 (BGBl I 3786; <a.F.>; vgl. auch § 175 ZPO in der ab 01.01.2022 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften <ERVGerAusb/uaÄndG> vom 05.10.2021, BGBl. I, 4607 <n.F.>) i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG vorgenommen. Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 ZPO a.F. genügt zum Nachweis der Zustellung nach den Absätzen 1 und 2 das mit Datum und Unterschrift des Adressaten versehene Empfangsbekenntnis, das an das Gericht zurückzusenden ist. Das Empfangsbekenntnis kann schriftlich, durch Telekopie oder als elektronisches Dokument (§ 130a ZPO, entspricht § 65a SGG) zurückgesandt werden (§ 174 Abs. 4 Satz 2 ZPO a.F.). Die Beklagte hat das Empfangsbekenntnis mittels elektronischem Dokument abgegeben. Die Nutzung des ursprünglich durch das SG übersandten Vordrucks ist nicht erforderlich. Die Beklagte hat dabei das Datum des Empfangs mit dem 20.04.2021 angegeben und das Dokument auf einem sicheren Übermittlungsweg durch die Übersendung aus dem beBPo unter Namensangabe und damit wirksam eingereicht (vgl. § 65a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 SGG). 

Die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis ist zu dem Zeitpunkt bewirkt, in dem der Adressat das Schriftstück persönlich als zugestellt entgegennimmt (Senger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. Stand: 30.11.2022, § 63 SGG Rn. 33; BSG 13.05.2015, B 6 KA 18/14 R, juris Rn. 18 m.w.N.). Dies gilt auch für die Zustellung an Behörden (BSG 13.05.2015, B 6 KA 18/14 R, juris, Rn. 18). Bei einer gesetzlichen Krankenkasse als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist Zustellungsadressat gemäß § 170 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG deren Leiter, also derjenige, der berechtigt ist, diese zu vertreten (BSG 13.05.2015, B 6 KA 18/14 R, juris Rn. 18). Bei einer Zustellung durch Empfangsbekenntnis nach § 174 ZPO a.F. (§ 175 ZPO n.F.) ist Zustellungsdatum der Tag, an dem der Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks persönlich Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegennimmt, auf die inhaltliche Kenntnisnahme kommt es dabei nicht an. Beim Empfänger muss die Bereitschaft zur Entgegennahme bestehen. Die bloße Kenntnisnahme reicht nicht (Jung, in: BeckOGK SGG, Stand 01.02.2023, § 63 Rn. 43). Der Empfangswille ist durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses zu beurkunden (LSG Sachsen-Anhalt 18.10.2018, L 6 U 158/14, juris Rn. 22). Damit ist der Gerichtsbescheid der Beklagten am 20.04.2021 zugestellt worden. Selbst wenn also der Gerichtsbescheid bereits vor dem 20.04.2021 bei der Beklagten eingegangen wäre, wäre dies unerheblich. Bei der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis kommt es gerade nicht auf den tatsächlichen Zugang an.

Es bestehen ohnehin keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den Gerichtsbescheid bereits früher erhalten hat. Vielmehr befindet sich auf dem mit dem Berufungsschriftsatz beigefügten Formular des SG, das nicht ausgefüllt und für die Abgabe des Empfangsbekenntnis genutzt worden ist, ein Eingangsstempel der Beklagten ebenfalls mit dem Datum 20.04.2021. Dass der Gerichtsbescheid beim Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits früher eingegangen ist, hat keinerlei Aussagekraft oder Indizwirkung für einen Zugang bei der Beklagten.

Die einmonatige Berufungsfrist begann gemäß § 64 Abs. 1 SGG am Tag nach der Zustellung, also am 21.04.2021. Sie endete gemäß § 64 Abs. 2 SGG mit Ablauf des 20.05.2021. Die am 19.05.2021 beim LSG eingelegte Berufung war damit fristgerecht.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 10.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2018 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Zahlung von Krankengeld bis zum 29.07.2018 abgelehnt hat. Dagegen wendet sich der Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG) und begehrt die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 04.07.2018 bis 29.07.2018.

Die Berufung ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 23.07.2018 bis 29.07.2018, nicht hingegen vom 04.07.2018 bis 22.07.2018. Der Bescheid der Beklagten vom 10.08.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2018 (§ 95 SGG) stellt sich als rechtmäßig dar, soweit die Gewährung von Krankengeld für die Zeit bis zum 22.07.2018 abgelehnt worden ist. Für die Zeit vom 23.07. bis 29.07.2018 ist der Bescheid vom 10.08.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2018 jedoch rechtswidrig, verletzt den Kläger in seinen Rechten und war daher insoweit aufzuheben.

Dem Krankengeldanspruch des Klägers steht während der Zeit vom 04.07.2018 bis 22.07.2018 § 49 Abs. 1 Nr. 5 Halbsatz 2 SGB V entgegen, weil eine zeitgerechte Meldung der am 02.07.2018 und 09.07.2018 ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit bei der Beklagten nicht innerhalb der Wochenfrist einging, sondern erst verspätet am 11.07.2018 bzw. 30.07.2018.

Zwischen den Beteiligten steht zu Recht außer Streit, dass die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld dem Grunde nach erfüllt sind. Nach §§ 44 ff. SGB V setzt der Anspruch auf Krankengeld voraus, dass der Kläger wegen Krankheit arbeitsunfähig war, die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wurde und dass er in der Zeit vom 04.07.2018 bis zum 29.07.2018, für die er noch Krankengeld begehrt, bei der beklagten Krankenkasse mit Anspruch auf Krankengeld versichert war. Der Kläger war mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit versichert. Der Kläger war beginnend ab dem 22.05.2018 mit Ablauf des 03.07.2018 bereits 42 Tage arbeitsunfähig. Dies entnimmt der Senat den vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 22.05.2018, 28.05.2018, 04.06.2018, 07.06.2018, 11.06.2018, 25.06.2018 und 02.07.2018. Dies wird auch von der Beklagten nicht (mehr) in Abrede gestellt. Die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit wurde jeweils spätestens am nächsten Werktag nach Ende der bisher bescheinigten Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Ab dem 04.07.2018 konnte daher ein Anspruch auf Krankengeld entstehen. Der Kläger war weiterhin mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Die Arbeitsunfähigkeit wurde durch seine behandelnden Ärzte durchgängig festgestellt und durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 02.07.2018 mit einer Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bis 06.07.2018, vom 09.07.2018 mit einer Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bis 20.07.2018 (Freitag) und vom 23.07.2018 (Montag) mit einer Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bis 03.08.2018 dokumentiert. Der Anspruch auf Krankengeld entstand nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V vom Tag der ärztlichen Feststellung an und blieb nach § 46 Satz 2 SGB V bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wurde. Die ärztlichen Feststellungen sind jeweils spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende erfolgt.

Nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V in der hier maßgeblichen bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die Meldung der Arbeitsunfähigkeit eine Obliegenheit des Versicherten, deren Folgen bei unterbliebener oder nicht rechtzeitiger Meldung grundsätzlich von diesem selbst zu tragen sind (BSG 25.10.2018, B 3 KR 23/17 R, juris Rn. 19; BSG 05.12.2019, B 3 KR 5/19 R, juris Rn. 18). Die Meldung ist in entsprechender Anwendung von § 130 Abs. 1 und 3 BGB erst dann erfolgt, wenn sie der Krankenkasse zugegangen ist. Bei verspäteter Meldung ist die Gewährung von Krankengeld daher selbst dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind und den Versicherten kein Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft. Auch eine vom Versicherten rechtzeitig zur Post gegebene, aber auf dem Postweg verlorengegangene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann den Eintritt der Ruhenswirkung des Krankengeldes daher selbst dann nicht verhindern, wenn die Meldung unverzüglich nachgeholt wird. Die Arbeitsunfähigkeit muss der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengeldes auch dann angezeigt werden, wenn sie seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat und wenn wegen der Befristung der bisherigen Attestierung der Arbeitsunfähigkeit über die Weitergewährung des Krankengeldes neu zu befinden ist.

Nur in Ausnahmefällen trifft die Krankenkasse das Risiko der rechtzeitigen Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Derartige Ausnahmefälle sind nach der Rechtsprechung des BSG nur in engen Grenzen anerkannt (BSG 25.10.2018, B 3 KR 23/17 R, juris Rn. 22; BSG 05.12.2019, B 3 KR 5/19 R, juris Rn. 20). So kann sich die Krankenkasse beispielsweise nicht auf den späteren Zugang der dem Versicherten obliegenden Meldung der Arbeitsunfähigkeit berufen, wenn die Fristüberschreitung der Meldung auf Umständen beruhte, die in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fallen, und der Versicherte weder wusste noch wissen musste, dass die Krankenkasse von der Arbeitsunfähigkeit keine Kenntnis erlangt hatte. Die fehlende Feststellung oder Meldung der Arbeitsunfähigkeit darf dem Versicherten ausnahmsweise auch nicht entgegengehalten werden, wenn er entweder geschäfts- bzw. handlungsunfähig war, oder aber, wenn er seinerzeit alles in seiner Macht Stehende getan hatte, um seine Ansprüche zu wahren, daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert wurde. Darüber hinaus hat das BSG (08.08.2019, B 3 KR 6/18 R, juris Rn. 26) einen Sonderfall für die Konstellation einer die Krankenkasse nicht bzw. nicht rechtzeitig erreichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angenommen, in der die Krankenkasse einem Vertragsarzt Freiumschläge zur Übersendung der für die Krankenkasse bestimmten Ausfertigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung überlässt und die Bescheinigung dem auf die Ordnungsgemäßheit dieses Vorgehens vertrauenden Versicherten deshalb nicht ausgehändigt wird.

Die Meldung der in der Bescheinigung vom 02.07.2018 dokumentierten, ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit ging bei der Beklagten erst am 11.07.2018 ein, die in den Bescheinigungen vom 09.07.2018 und 23.07.2018 jeweils dokumentierte Arbeitsunfähigkeit erst am 30.07.2018. Dies entnimmt der Senat den Eingangsstempeln der Beklagten auf den Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigungen. Eine frühere Vorlage wird vom Kläger auch nicht behauptet. Damit war jeweils die Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGBV nicht eingehalten, sodass das Ruhen des Krankengeldanspruchs des Klägers eintrat. Dabei ist die Frist jeweils nach § 26 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB zu berechnen. Die Frist endet eine Woche später mit dem Ablauf des Tages, der dem Tag entspricht, an dem die Arbeitsunfähigkeit begann oder weiterbestand. Endet die Frist danach an einem Samstag, Sonn- oder Feiertag, so wird sie nach § 26 Abs. 3 SGB X auf den Ablauf des nächsten Werktages verlängert. Ausgehend von diesen Regelungen hat die Frist für die Meldung der am 02.07.2018 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit mit Ablauf des 09.07.2018 geendet, die Frist für die Meldung der am 09.07.2018 festgestellten Arbeitsunfähigkeit mit Ablauf des 16.07.2018 und die Frist für die am 23.07.2018 festgestellte Arbeitsunfähigkeit am 30.07.2018.

Die Meldung der am 02.07.2018 festgestellten Arbeitsunfähigkeit war mithin am 11.07.2018 nicht fristgerecht. Auch die Meldung der am 09.07.2018 festgestellten Arbeitsunfähigkeit am 30.07.2018 erfolgte nicht innerhalb der genannten Wochenfrist.

Die am 23.07.2018 festgestellte Arbeitsunfähigkeit wurde der Beklagten hingegen am 30.07.2018 fristgerecht gemeldet. Dem steht nicht entgegen, dass in der vorangegangenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 09.07.2018 lediglich eine voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zum 20.07.2018 (Freitag) bescheinigt worden ist. Der nachfolgende Bewilligungsabschnitt hat gleichwohl nicht bereits am 21.07.2018 (Samstag), sondern erst am 23.07.2018 (Montag) begonnen, denn an diesem Tag wurde die Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Die Meldeobliegenheit tritt erst ein, wenn alle Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs kumulativ vorliegen (vgl. BSG 07.04.2022, B 3 KR 9/21 R, juris, Rn. 16; BSG 04.06.2019, B 3 KR 48/18 B, juris Rn. 13; LSG Hamburg 26.08.2020, L 1 KR 76/19, juris Rn. 17). Das Wochenende ist dem vorangegangenen Bewilligungsabschnitt zuzurechnen. Dies ergibt sich aus § 46 Satz 2 SGB V, wonach der Anspruch auf Krankengeld jeweils bis zu dem Tag bestehen bleibt, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden ist, wenn die ärztliche Feststellung am nächsten Werktag erfolgt. Durch die Formulierung „bestehen bleiben“ kommt klar zum Ausdruck, dass der Bewilligungsabschnitt während der Lücke als weiterlaufend gilt. Würde die Meldefrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V bereits am Samstag beginnen, würde dies faktisch zu einer Fristverkürzung für den Versicherten führen. Auch bei (zulässiger) nachträglicher Feststellung der Arbeitsunfähigkeit beginnt die Frist nach Auffassung des BSG erst mit deren Vorliegen (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, juris Rn. 28).

Es besteht im Hinblick auf die nicht fristgerecht erfolgten Meldungen keine der vorstehend beschriebenen Ausnahmekonstellationen, in denen der Kläger nicht das Risiko der verspäteten Meldung zu tragen hat. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass bei dem Kläger während der maßgeblichen Zeit Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit bestand. Dies hat der Kläger selbst nicht geltend gemacht. Weiterhin bestehen nach Auffassung des Senats keine Anhaltspunkte für der Beklagten zuzurechnende Fehler. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Kläger etwa von seiner Meldeobliegenheit durch Übernahme der Meldung durch den behandelnden Arzt gegenüber der Krankenkasse entlastet worden ist.

Auch sonst sind keine Fehler ersichtlich, die der Beklagten zum Nachteil gereichen könnten. Dass der Kläger weiterhin Lohn erhalten und erst später Ende Juli 2018 davon erfahren haben will, ist kein Umstand, den sich die Beklagte zurechnen lassen muss. Wenn der Kläger davon ausgegangen ist, keinen Lohn, sondern bereits früher Krankengeld beanspruchen zu können, hätte er bereits früher sorgfältig auf die Einhaltung der Fristen achten müssen. Dies gilt insbesondere, weil auf den Durchschlägen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Versicherten auf die Beachtung der Fristen hingewiesen wird. Für eine Fehlberatung der Beklagten ist nichts ersichtlich. Konkrete Angaben zu einem Telefonat mit der Beklagten vor dem 30.07.2018 hat der Kläger nicht gemacht. Unabhängig davon hat der Kläger nichts dazu vorgetragen, inwiefern ihn die Beklagte von einer rechtzeitigen Meldung abgehalten hätte.

Selbst wenn die Beklagte in dem Telefonat am 30.07.2018 einen Irrtum über die ununterbrochene Feststellung geäußert haben will, bleibt weiterhin unklar, inwiefern der Kläger hierdurch bereits zuvor von der rechtzeitigen Meldung der Arbeitsunfähigkeit abgehalten worden sein sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.



 

Rechtskraft
Aus
Saved