Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.04.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung einer höheren Verletztenrente im Streit.
Die 1972 geborene Klägerin erlitt am 09.09.2014 auf dem Heimweg von ihrer bei der Beklagten versicherten Tätigkeit als Verkäuferin bei der Firma T einen Verkehrsunfall, bei dem sie mit dem Fahrrad auf dem Radweg stürzte.
Die Klägerin stellte sich am Unfalltag im Klinikum C bei der Durchgangsärztin M-B vor. Diese diagnostizierte eine Schädelprellung, eine HWS-Distorsion, eine Fraktur der Cavitas glenoidalis (Gelenkpfanne des Schultergelenks) rechts, eine offene Wunde mit Bursa des Ellenbogens rechts und eine Schürfwunde an Handgelenk und Hand. Die Klägerin wurde stationär im Klinikum C aufgenommen, wo am 10.09.2014 am rechten Ellenbogen der Klägerin ein Débridement und eine Bursektomie der Bursa olecrani und am 11.09.2014 an der rechten Schulter der Klägerin eine vordere Stabilisierung der rechten Schulter mit Verschraubung des Glenoids sowie eine Kapselplastik durchgeführt wurden. Im Entlassungsbericht über den stationären Aufenthalt bis zum 15.09.2014 wurde angegeben, die Klägerin habe sich bei dem Fahrradunfall eine knöcherne Bankart-Läsion mit Abriss der vorderen Kapsel an der rechten Schulter nach Luxationsverletzung mit kleiner Hill-Sachs-Läsion und eine Platzwunde am rechten Ellenbogen zugezogen.
Anlässlich der Nachuntersuchung vom 20.11.2014 stellte S anhand einer CT-Aufnahme vom selben Tag fest, dass eine der unter der Operation am 10.09.2014 in das rechte Schultergelenk eingesetzten Schrauben intraartikulär liege, was eine Revisionsoperation notwendig mache. Im Rahmen des vom 12.12.2014 bis zum 13.12.2014 dauernden stationären Aufenthaltes in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BG-Klinik) T1 wurde am 12.12.2014 das einliegende intraartikulär überstehende Schraubenmaterial am Glenoid rechts entfernt, nachdem klinisch-radiologisch die vollständige knöcherne Konsolidierung festgestellt worden war. Laut Entlassungsbericht waren das Ellenbogengelenk, das Handgelenk und die Fingergelenke rechts in ihren Bewegungsgraden frei.
Seit dem 15.12.2014 befand sich die Klägerin in ambulanter Behandlung bei dem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie M1.
Nach ambulanter Untersuchung am 07.05.2015 der Klägerin teilten H und T2 in dem Untersuchungsbericht mit fachärztlicher Stellungnahme vom 12.05.2015 mit, bei Verdacht auf Schädigung des Nervus axillaris sei eine neurologische Klärung der Unfallfolgen angezeigt. Über die Dauer des Heilverfahrens und der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit könne momentan noch keine Aussage getroffen werden. Ein am 07.05.2015 erstelltes Röntgenbild des rechten Ellenbogengelenkes zeigte keine knöchernen Auffälligkeiten. Die Beweglichkeit des Gelenks wurde mit Extension/Flexion 0-0-140° und Pronation/Supination 80-0-80° dokumentiert.
Eine am 03.11.2015 in der Praxisklinik für Radiologie – Nuklearmedizin in Dinkelsbühl erstellte CT-Aufnahme des rechten Schultergelenks der Klägerin zeigte nach Auswertung durch W eine knappe Penetration eines medial lokalisierten Minidübels in das Gelenkcavum des humeroglenoidalen Gelenks bei Verdacht auf Lockerung dieses Dübels und bei festsitzendem zweiten Dübel, eine Pseudocyste im Glenoid mit feiner Konturunterbrechung der Cortikalis, eine Gelenkkapselverkalkung caudalseitig, eine degenerative Ausziehung am Humeruskopf medial/caudalseitig und eine alte Hill-Sachs-Delle.
Anlässlich der ambulanten Heilverfahrenskontrolle am 18.12.2015 nannte K (BG-Klinik L) nach Auswertung der CT-Aufnahme der rechten Schulter vom 03.11.2015 in dem ausführlichen Krankheitsbericht vom 22.12.2015 als Diagnose ein Bewegungs- und Belastungsdefizit nach Schulterluxation mit Bankartläsion sowie eine Deltoideusparese rechts.
P diagnostizierte nach ambulanter Untersuchung am 18.12.2015 der Klägerin im freien BG-Befundbericht vom 22.12.2015 eine Deltoideus-Parese sowie eine diskrete Parese der vom oberen Plexus versorgten Muskulatur. Er führte aus, akute Schädigungen seien nicht mehr nachweisbar, eine Vollremission der Deltoideus-Parese sei jedoch unwahrscheinlich.
Die Beklagte holte bei Z ein neurologisches Gutachten ein, das dieser nach ambulanter Untersuchung der Klägerin (04.03.2016) am 08.03.2016 erstellte und in dem er zum Ergebnis kam, auf seinem Fachgebiet bestünden als Unfallfolgen eine Herabsetzung der Berührungs- und Schmerzempfindung im Bereich der rechten Schulter, am rechten Ellenbogen und am rechten Unterarm, sowie eine Verschmächtigung des rechten Dreiecksmuskels. Z schätzte die MdE auf neurologischem Fachgebiet aufgrund der sensiblen Reizerscheinungen auf weniger als 10 v.H. ein. Die Bewegungseinschränkungen seien unfallchirurgisch-orthopädisch zu begutachten.
Im Ersten Rentengutachten vom 30.03.2016, das K1 aufgrund einer Untersuchung vom 29.03.2016 erstellte, wurden als wesentliche Unfallfolgen angegeben: Glaubhafte belastungsabhängige Beschwerden der rechten Schulter, Verschmächtigung der Deltoideusmuskulatur rechts, mittelgradige Bewegungseinschränkung der rechten Schulter bei Abduktion und Elevation, insbesondere auch bei Innen- und Außenrotationsbewegungen des Arms. Auffällige Kraftminderung bei Innen- und Außenrotationsbewegungen des rechten Armes, radiologisch Osteophytenbildung im Bereich des unteren Pfannenrandes sowie korrespondierend im Bereich der Humeruskopfkalotte im Sinne einer beginnenden Arthrose im vorderen unteren Gelenkanteil, Sensibilitätsstörungen im Bereich des Deltoideusgebietes sowie im dorsalseitigen Bereich des Unterarms. Die von dem Gutachter erhobenen Bewegungsmaße zeigten eine Schultergelenksbeweglichkeit für die Armhebung seitwärts/körperwärts von 90-0-30° rechts und 170-0-50° links, für die Armhebung rückwärts/vorwärts von 30-0-100° rechts und 50-0-170° links, eine Armdrehung auswärts/einwärts mit anliegendem Oberarm von 30-0-80° rechts und 60-0-95° links und eine Armdrehung auswärts/einwärts bei seitlich um 90° abgehaltenem Oberarm von 30-0-30° rechts und 70-0-70° links. Bei erhobenen Bewegungsmaßen von beidseits 0-0-140° für die Streckung/Beugung und von beidseits 80-0-80° für die Unterarmdrehung einwärts/auswärts beschrieb erdie Ellenbogengelenke als seitengleich frei beweglich. Nach Einschätzung des Gutachters bestehe eine MdE um 20 v.H. im Zeitraum vom 29.03.2016 bis zum 08.09.2017. Nach Beendigung des dritten Jahres nach dem Unfall (ab dem 09.09.2017) werde voraussichtlich eine MdE um 10 v.H. vorliegen.
Mit Bescheid vom 03.05.2016 bewilligte die Beklagte der Klägerin „wegen der Folgen Ihres Arbeitsunfalls“ vorläufig eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. ab dem 09.03.2016.
Während eines stationären Aufenthaltes in der Chirurgischen Klinik II (Unfallchirurgie und Orthopädie) am Diakonie- Klinikum S-H wurden an der rechten Schulter der Klägerin am 01.12.2016 eine diagnostische Schulterarthroskopie, eine arthroskopische Chondroplastik, ein arthroskopisches Gelenkdebridement und eine Spülung sowie eine milde arthroskopische Acromioplastik durchgeführt.
Im Zweiten Rentengutachten vom 29.06.2017, das R aufgrund einer ambulanten Untersuchung erstellte, wurden die aktuell vorliegenden wesentlichen Unfallfolgen mit ihren funktionellen Einschränkungen wie folgt bezeichnet: „Mäßiggradig bis deutlich eingeschränkte Beweglichkeit der rechten Schulter sowie Gefühlsminderung im Narbenbereich vom Deltoideusbereich und darunter bis in die Ellenbogenregion dorsolateral reichend, sowie endgradig eingeschränkte Beugefähigkeit des rechten Ellenbogengelenkes. Korrekt und reizlos einliegende Knochenanker in der Schulterblattgelenkspfanne, sowie leichte arthrotische Veränderungen des Schultergelenkes rechts.“ Die von R erhobenen Bewegungsmaße zeigten eine Schultergelenksbeweglichkeit für die Armhebung seitwärts/körperwärts von 60-0-20° rechts und 170-0-40° links, für die Armhebung rückwärts/vorwärts von 10-0-60° rechts und 160-0-30° links, eine Armdrehung auswärts/einwärts mit anliegendem Oberarm von 20-0-35° rechts und 45-0-60° links und eine Armdrehung auswärts/einwärts bei seitlich um 90° abgehaltenem Oberarm von 20-0-20° rechts und 70-0-70° links. An den Ellenbogengelenken erhob R Bewegungsmaße von 0-0-110° rechts und 0-0-140° links für die Streckung und Beugung und von 60-0-70° rechts und 80-0-80° links für die Armdrehung auswärts/einwärts. R schätzte die MdE auf 20 v.H. Gegenüber dem Gutachter gab die Klägerin u.a. an, sie sei regelmäßig auf Schmerzmittel angewiesen und nehme seit ca. zwei Jahren Tramadol und Targin ein.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 26.07.2017 gewährte die Beklagte der Klägerin die bisherige vorläufige Verletztenrente als Rente auf unbestimmte Zeit in der bisherigen Höhe nach einer MdE um 20 v.H. und führte zur Begründung aus, die MdE berücksichtige „die nachstehenden Folgen Ihres Arbeitsunfalls: Bewegungseinschränkung und Muskelminderung im Bereich der rechten Schulter. Kraftminderung des rechten Armes. Sensibilitätsstörungen und röntgenologisch nachweisbare Arthrose im ehemaligen Verletzungsbereich.“
Zur Begründung ihres hiergegen am 18.08.2017 eingelegten Widerspruchs führte die Klägerin aus, dass die Beklagte die Folgeschäden nicht anerkannt habe.
Eine am 28.02.2018 erstellte Kernspintomographie des rechten Schultergelenks der Klägerin beurteilten der Assistenzarzt G und S1 vom Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie am Diakonieklinikum S-H am 28.02.2018 wie folgt: „Weitestgehende Befundkonstanz bei intakter Rotatorenmanschette ohne Nachweis eines Defektes. Neu aufgetretene schmale Ergusslamelle bei konventionell vorbekannter posttraumatischer Omarthrose des kaudalen Glenohumeralgelenks. Bekannter Zustand nach Bankart-Repair.“
Bereits am 23.03.2017 und erneut am 23.04.2018 hatte M1 gegenüber der Beklagten darauf hingewiesen, dass die Klägerin regelmäßig auf „Targin (Betäubungsmittel) und Tramadol (Opioid)“ angewiesen sei.
Anlässlich der ambulanten Untersuchung der Klägerin erhob R am 12.04.2018 eine bis 90° mögliche Abduktion der rechten Schulter und eine Außen-/Innenrotation von 40-0-40°. Aufgrund des inzwischen langjährigen Verlaufs ohne Eintritt einer Arbeitsfähigkeit mit anhaltender Schmerzsymptomatik müsse man bei Vorliegen einer Omarthrose auch an die Option eines Gelenksersatzes denken.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2018 zurück. Es hätten sich keine Hinweise darauf gefunden, dass Unfallfolgen nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden seien bzw. dass von den anerkannten Bewertungsgrundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung abgewichen worden sei.
Die Klägerin hat am 02.07.2018 Klage beim Sozialgericht (SG) Heilbronn erhoben und ausgeführt, ihr gehe es um die körperlichen Schäden und um die psychischen Auswirkungen. Wegen der Bewegungseinschränkungen und der Schmerzen am rechten Arm fielen ihr schon alltägliche Bewegungen schwer.
Am 07.08.2018 stellte sich die Klägerin bei R im Diakonieklinikum S-H vor und äußerte den Wunsch, dass dort eine „Abtragung der Verkörperung“ vorgenommen werde. R führte in seinem Bericht an die Beklagte vom 15.08.2018 aus, man habe der Klägerin erläutert, dass dies keinen Sinn machen werde. Die Durchführung der von der BGU L vorgeschlagenen kurzstationären Rehabilitationsabklärung sei der Klägerin dringend zu empfehlen.
Das SG Heilbronn hat das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Heilbronn-Franken vom 01.10.2018 beigezogen. Für die seit dem 01.02.2011 bestehende Mitgliedschaft der Klägerin sind vor dem Unfalltag keine Vorerkrankungen ausgewiesen.
Nach ambulanten Untersuchungen der Klägerin im A Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in P1 am 10.10.2018 und am 14.11.2018 sowie nach Anfertigung und Auswertung eines MRT der rechten Schulter vom 12.12.2018 stellte A laut Bericht vom 12.12.2018 an der rechten Schulter der Klägerin eine Abduktion und Anteversion von jeweils 90° aktiv und passiv fest und diagnostizierte eine posttraumatische Omarthrose rechts.
Am 04.02.2019 wurde in der A-Sportklinik in P1 an der rechten Schulter der Klägerin eine diagnostische Arthroskopie durchgeführt.
Das SG Heilbronn hat ein Gutachten bei S2, in der MEDIAN V-Klinik R1 eingeholt, welches dieser nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin (04.04.2019) am 10.04.2019 erstellt hat. Die von S2 erhobenen Bewegungsmaße zeigten eine Schultergelenksbeweglichkeit für die Abduktion/Adduktion von aktiv 40-0-20° und passiv 80-0-30° rechts. Bei Überprüfung der einzelnen Rotatorenmanschettenanteile fiel eine generalisierte, am ehesten schmerzbedingte Minderinnervation rechts auf. An den Ellenbogengelenken hat S2 Bewegungsmaße von beidseits 0-0-150° für die Streckung und Beugung und von beidseits 90-0-80° für die Armdrehung auswärts/einwärts erhoben. Der Sachverständige hat zusammenfassend ausgeführt, dass die festgestellten Unfallfolgen in den bisherigen Gutachten regelrecht bezeichnet worden seien, die Unfallfolgen zum Teil jetzt durch nochmalige Operation effizient behandelt worden seien und die bisherige MdE-Einschätzung mit 20 v.H. vollumfänglich zutreffe. Da die Rekonvaleszenz nach einer Schulterverletzung bzw. nochmaligen Operation einen Zeitraum von acht Wochen sicherlich deutlich übersteigen könne, sei derzeit noch nicht von einem definitiven Ausheilungsergebnis auszugehen. Eine Besserung der jetzt erkennbaren Bewegungsausschläge zumindest auf die Werte der letzten Begutachtungen sei wahrscheinlich. Bei den auf den Unfall vom 09.09.2014 zurückzuführenden Gesundheitsstörungen der Klägerin handele es sich um die Muskelatrophie des Schulterkappenmuskels rechts, die multiplen Operationsnarben an der rechten Schulter, zum Teil mit hyperpathischen teils hyposensiblen Sensibilitätsstörungen im Narbengebiet und die erhebliche Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes nach stattgehabter operativer Dekompression im Rahmen der posttraumatischen Arthrose des rechten Schultergelenkes sowie die röntgenologisch nachvollziehbaren Veränderungen, insbesondere auch der Inaktivitätsosteopenie. Die unfallbedingte MdE für die noch vorliegenden Unfallfolgen sei nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nach Abschluss der jetzt vorliegenden Wiedererkrankung auf 20 v.H. zu schätzen. Gegenüber dem Gutachter hat die Klägerin u.a. angegeben, sie sei regelmäßig auf Schmerzmittel angewiesen und nehme weiterhin Tramadol und Targin ein.)
Am 19.08.2019 ist der Klägerin in der A-Sportklinik P1 eine anatomische Schulterprothese rechts implantiert worden. Ausweislich des Entlassungsberichts hat die Klägerin krankengymnastische Beübung, die Rezeptierung weiterer Krankengymnastik und die Rezeptierung eines Artromot Motorstuhls abgelehnt.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG Heilbronn die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.04.2020 abgewiesen. Die auf das Unfallgeschehen vom 09.09.2014 zurückzuführenden Funktionsstörungen im Bereich der rechten Schulter bedingten derzeit eine MdE um 20 v.H. Die bei der Klägerin konstant vorliegenden unfallursächlichen Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der rechten Schulter erreichten ihrer Schwere nach jedenfalls noch nicht die Fallgruppe einer Schultergelenksversteifung (30° Abduktion) mit nicht eingeschränktem Schultergürtel, die in der unfallmedizinischen Literatur mit einer MdE um 30 v.H. bewertet werde. Die MdE sei mit 20 v.H. derzeit noch angemessen bewertet. Eine höhere MdE komme bei der Klägerin zumindest derzeit nicht in Betracht.
Gegen den ihr am 18.04.2020 zugestellten Gerichtsbescheid des SG Heilbronn hat die Klägerin am 08.05.2020 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Sie hat den fachärztlichen Bericht über die im A MVZ P1 am 28.04.2020 durchgeführte Verlaufskontrolle vorgelegt und ausgeführt, durch die Operation habe sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert. Sie verstehe nicht, warum der Gutachter sie als gesund ansehe und nur eine minimale Einschränkung ihrer Beweglichkeit einräume. Sie stelle sich die Frage, woher die Risse in ihrer Lunge kämen, und sie habe verschobene Wirbel. Die eingeschränkte Beweglichkeit des Armes erschwere ihr das Leben ungemein. Sie habe auch Beschwerden am rechten Ellenbogen. Die Behauptung des Operateurs, alles sei in Ordnung, sei eine Schutzbehauptung, denn von Anfang an habe die Prothese nicht richtig gesessen.
Die Klägerin hat während des Berufungsverfahrens mehrfach die Übernahme der Kosten für eine Haushaltshilfe, die Erstattung von Fahrkosten (zu Arztbesuchen) und die Durchführung einer „Brustangleichung und Oberarmstraffung“ beantragt. Hierzu und betreffend ein persönliches Budget im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben hat die Beklagte jeweils gesonderte Verwaltungsverfahren durchgeführt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.04.2020 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 26.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2018 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 09.09.2014 ab dem 09.03.2016 eine nach einer MdE um mehr als 20 v.H. bemessene Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
In dem von der Klägerin vorgelegten fachärztlichen Bericht vom 28.04.2020 hat S3 an der rechten Schulter der Klägerin Bewegungsmaße bei der Abduktion von aktiv 30° und passiv 90° dokumentiert. Er hat den Verdacht auf ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) geäußert und eine neurologische Abklärung empfohlen.
Am 29.06.2020 hat sich laut Bericht der S4 im Schulter-CT rechts eine regelrecht einliegende Schultergelenksprothese ohne Hinweise für Lockerung oder Infekt gezeigt.
Der Senat hat von Amts wegen bei S2 eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage eingeholt. Der Sachverständige hat am 11.07.2020 mitgeteilt, er bleibe auch unter Berücksichtigung der aktuell vorgelegten Unterlagen bei den im Sachverständigengutachten vom 10.04.2019 dargelegten Bezeichnungen der Folgen des Unfallgeschehens vom 09.09.2014. Weitere Unfallfolgen ergäben sich nicht. Bei der vorliegenden posttraumatischen Arthrose sei innerhalb der nächsten vier Monate keine so hochgradige Veränderung anzunehmen, dass von der Bezeichnung der Unfallfolgen abzuweichen wäre. Auch unter Berücksichtigung der zusätzlich vorgelegten weiteren Unterlagen bleibe es bei der vorgenommenen Bewertung der posttraumatischen MdE um 20 v.H. auf unbestimmte Zeit. Die auf Dauer vorliegende MdE könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt für die Zukunft noch nicht festgelegt werden, da die Akutbehandlung noch nicht abgeschlossen sei.
Der behandelnde Arzt M1 hat am 27.07.2020 mitgeteilt, die schmerztherapeutische Vorstellung werde von der Klägerin nicht gewünscht und vehement abgelehnt. Die vorgeschlagene neurologische Vorstellung solle im September stattfinden.
Ausweislich des Durchgangsarztberichtes des G1 vom 04.08.2020 hat dieser am rechten Schultergelenk der Klägerin eine Abduktion aktiv/passiv von 30°, eine Anteversion von 60°, eine Außenrotation von aktiv 0° und passiv 10° sowie eine Innenrotation von passiv 40° festgestellt und ausgeführt, in einer CT-Aufnahme der rechten Schulter der Klägerin vom 19.06.2020 hätten sich eine regelrechte Artikulation im Schultergelenk ohne Anzeichen auf Luxation oder Lockerung, keine Fraktur und kein relevanter Humeruskopfhochstand gezeigt. G1 hat erneut den Verdacht auf ein CRPS geäußert.
Im Schreiben an die Beklagte vom 07.08.2020 haben S3 und G1 mitgeteilt, die zur Diagnosesicherung bzw. zum Ausschluss empfohlene neurologische Vorstellung und die ergänzende schmerztherapeutische Vorstellung und analgetische Einstellung seien auf explizite Nachfrage von der Klägerin nicht durchgeführt und nicht wahrgenommen worden.
Am 07.10.2020 hat sich die Klägerin bei H vorgestellt. Dieser hat einen Zustand nach Schulterverletzung rechts und eine ausgedehnte Muskelatrophie im Bereich des rechten Schultergürtels diagnostiziert. Er hat angegeben, aus den vorliegenden Befunden ergebe sich kein Hinweis für eine Läsion des Plexus brachialis, andererseits sei dies auch nicht auszuschließen. Die SEP-Untersuchung sei leider nicht verwertbar, wobei die Klägerin auch sehr stromempfindlich gewesen sei. Die Untersuchung wäre unter einer Sedierung mit z.B. Lorazepam sinnvoll, wobei dies in der Praxis nur eingeschränkt möglich sei. H hat deshalb die Vorstellung der Klägerin in einem universitären Zentrum mit entsprechenden radiologischen Möglichkeiten vorgeschlagen.
Der behandelnde Arzt M1 hat mit Schreiben vom 09.12.2020 mitgeteilt, die Klägerin habe die von dem Neurologen H am 08.10.2020 vorgeschlagene neurologische Untersuchung des Plexus brachialis in einer Universitätsklinik abgelehnt.
Am 27.01.2021 hat F an der rechten Schulter der Klägerin Bewegungsmaße von aktiv bis 30° und passiv bis 50° bei der Abduktion erhoben.
Die Berichterstatterin hat die Sach- und Rechtslage am 01.02.2021 mit den Beteiligten in nichtöffentlicher Sitzung erörtert. Die Klägerin ist darauf hingewiesen worden, dass die Beklagte die Kostenzusage für die ärztlich empfohlene Diagnostik des fraglichen CRPS und der fraglichen Läsion des Plexus brachialis erteilt habe. Sie ist auch darauf hingewiesen worden, dass diese diagnostischen Maßnahmen notwendig seien, um die Höhe der dauerhaften MdE ärztlich beurteilen lassen zu können.
Am 07.04.2021 ist im Institut für diagnostische und interventionelle Neuroradiologie am Universitätsklinikum W1 ein MRT des Plexus brachialis nativ rechts erstellt worden. P2 hat diese Aufnahme im Befundbericht vom 27.04.2021 so beurteilt, dass sich zusammenfassend bei durchgehend guter Identifizierbarkeit der Nervenstrukturen kein fassbarer Plexusschaden und kein zentraler Plexusabriss, keine periphere Diskontinuität und keine Neurombildung/Pseudoneurom hätten abgrenzen lassen. Es habe sich kein Hinweis auf narbige oder verdrängend wirkende Prozesse im Nervenverlauf ergeben. Es hätten sich eine geringe Protrusion der Bandscheiben der HWS ohne relevante Einengung des Spinalkanals und keine Atrophie der Muskulatur des Oberarmes gezeigt.
Am 18.05.2021 hat der behandelnde Arzt M1 der Beklagten telefonisch mitgeteilt, im Universitätsklinikum W1 sei lediglich das MRT zur Abklärung der fraglichen Plexusläsion durchgeführt worden, da die Klägerin weitere Untersuchungen – konkret zur Abklärung eines CRPS – ausdrücklich nicht wünsche. Der behandelnde Arzt hat weiter mitgeteilt, aufgrund der erheblichen Muskelminderung sehe er grundsätzlich Rehabedarf und er habe mit der Klägerin bereits gesprochen. Für sie sei eine stationäre Reha in der BG-Klinik M2 denkbar, auf keinen Fall aber in T1 oder in L.
Mit Bescheid vom 19.05.2021 hat die Beklagte der Klägerin ein drei- bis vierwöchiges stationäres Rehabilitationsverfahren in der BG-Klinik M2 ab dem 06.07.2021 bewilligt.
Mit Verfügung vom 01.07.2021 hat die Berichterstatterin die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Durchführung der von M1 empfohlenen und von der Beklagten bewilligten stationären Rehabilitationsmaßnahme für das vorliegende Berufungsverfahren von erheblicher Bedeutung sei. Denn im Rahmen dieser Maßnahme könne in der BG-Klinik M2 untersucht werden, ob bei der Klägerin ein chronisches Schmerzsyndrom im Sinne eines CRPS vorliege und dort könne die Höhe der unfallbedingten MdE ärztlich neu bewertet werden. Für den Nachweis von Unfallfolgen und für die Höhe der MdE trage stets die Partei die Beweislast, die hieraus Ansprüche geltend mache. Da die Klägerin im vorliegenden Verfahren die Gewährung einer höheren Verletztenrente erreichen wolle, würde es also letztlich zu ihren Lasten gehen, wenn eine Unfallfolge nicht diagnostiziert und die Höhe der MdE nicht bewertet werden könne. Es liege daher in ihrem Interesse, an der von der Beklagten bewilligten Maßnahme in der BG-Klinik M2 teilzunehmen und dadurch an der Feststellung weiterer Unfallfolgen und einer neuen Bewertung der Höhe der MdE mitzuwirken.
Nach Auskunft der Patientenaufnahme der BG-Klinik M2 vom 07.07.2021 hat die Klägerin die Rehamaßnahme nicht angetreten.
Der Senat hat von Amts wegen eine Begutachtung der Klägerin durch W2 veranlasst. Der Sachverständige hat die Klägerin auf den 19.01.2022 zur ambulanten Untersuchung einbestellt.
Die Beklagte hat der Klägerin eine weitere stationäre Maßnahme (KSR-Maßnahme) in der BG-Klinik L ab dem 11.01.2022 bewilligt. Als Behandlungsdauer sind unter Hinzuziehung der Fachdisziplinen Neurologie, Schmerztherapie und Psychologie drei Wochen veranschlagt worden. Im Hinblick auf den von W2 anberaumten Untersuchungstermin hat die Beklagte den Beginn der KSR-Maßnahme auf den 25.01.2022 verschoben. Laut Mitteilung der Beklagten vom 24.01.2022 hat die Klägerin die in der BG-Klinik L vorgesehene KSR-Maßnahme abgesagt.
Die Klägerin ist am 16.02.2022 gegen 12:00 Uhr in den Praxisräumen des Sachverständigen W2 erschienen. Ausweislich des Gutachtens hat die Klägerin während der Befragung weiterhin ihre Winterjacke getragen, wobei der Sachverständige aber beide Hände hat einsehen können. Während der Erhebung der biografischen Anamnese hat die Klägerin erklärt, sie sei damit nicht einverstanden, denn dies tue nichts zur Sache. Als der Gutachter weiter nachgefragt habe, habe die Klägerin das Gespräch abgebrochen und erklärt, sie wolle sich nicht weiter befragen lassen. Der Sachverständige hat hierzu im Gutachten ausgeführt: „Daraufhin erkläre ich ihr, dass mein Auftrag sei, sie neurologisch-psychiatrisch zu begutachten, dazu gehöre eine eingehende biografische Befragung. Sie zeigt sich hierzu nochmals ausdrücklich nicht bereit, weswegen ich an dieser Stelle die Untersuchung abbreche. Diktiert in Anwesenheit der Klägerin.“ Die gutachterliche Untersuchung ist am 16.02.2022 um 12:35 Uhr beendet worden. W2 hat die in den von der Beklagten geführten Akten und in den Gerichtsakten enthaltenen Unterlagen über die vorhandenen Angaben zur Medikamenteneinnahme der Klägerin chronologisch aufgelistet und hieraus Durchschnittswerte hinsichtlich der Einnahme berechnet. Er hat ausgeführt, bereits seit Sommer 2015 sei eine umfangreiche Opioid-Medikation verordnet worden. Auch in den in den Jahren 2016 bis 2019 erstellten chirurgisch-orthopädischen Gutachten seien umfangreiche Schmerzmitteleinnahmen mit Targin und auch Tramadol in völlig überbordender Dosierung dokumentiert. Würden diese Substanzen tatsächlich regelmäßig eingenommen und von ärztlicher Seite aufgrund beklagter Schulterschmerzen verordnet, müsse sich dies entsprechend den Empfehlungen in der Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen auch für den Fall einer Abhängigkeitserkrankung in der MdE-Einschätzung im Sinne „außergewöhnlicher Schmerzen“ ausdrücken. Sollte sich – durch Bestimmung des Medikamentenspiegels – nachweisen lassen, dass die umfangreiche Opioid-Medikation ärztlicherseits aufgrund der Schulterproblematik verordnet werde und die Klägerin diese Substanzen auch selbst einnehme und nicht bereits vor dem Unfall eine Abhängigkeitsproblematik bestanden habe, wäre dies zusätzlich im Sinne einer höheren Bewertung der MdE zu berücksichtigen.
Weiter hat W2 dargelegt, dass in keinem der vorliegenden Befundberichte hinreichend Hinweise auf das Vorliegen eines CRPS zu erkennen seien, dies nicht zuletzt auch in dem Bericht des H. Zu diesem Krankheitsbild gehörten autonome Symptome wie distalbetonte Ödeme der Hand und der Finger, vasomotorische Symptome wie Hautverfärbungen und Temperaturunterschiede sowie trophische Symptome wie das Vorliegen einer Glanzhaut und/oder eines veränderten Haar- und/oder Nagelwachstums. W2 hat ausgeführt, er habe im Rahmen des Untersuchungstermins nur relativ kurzzeitig Gelegenheit gehabt, die Klägerin zu beobachten. Angesichts der spezifischen Fragestellung von Seiten des Gerichts habe er sich jedoch von Beginn an auf die Beobachtung der Hände konzentriert. Hierbei sei im Seitenvergleich kein Unterschied aufgefallen. Darüber hinaus wäre es aber auch völlig untypisch, wenn sich ein CRPS erst Jahre nach einem Schädigungsereignis entwickeln würde und aus wissenschaftlicher Sicht erscheine es mehr als fraglich, ob es überhaupt ein CRPS der Schulter gebe, da sich derartige Krankheitsbilder gemäß den Leitlinien typischerweise im Bereich der distalen Extremitäten entwickeln würden.
Hinsichtlich der fraglichen Schädigung des Plexus brachialis hat W2 ausgeführt, nach dem Befundbericht des H sei zwar – wie häufig in der Medizin – ein pathologischer Befund nicht mit völliger Sicherheit auszuschließen, umgekehrt fänden sich dafür jedoch in keiner Weise belastbare Anhaltspunkte. Darüber hinaus sei hier ein MRT des Plexus brachialis erfolgt, das in diesem Fall als sehr sensitiv anzusehen sei, da es operationsbedingte Narben in jedem Fall gezeigt hätte. Nachdem auch dies nicht der Fall gewesen sei, könne das Vorliegen einer Läsion des Plexus brachialis weitestgehend ausgeschlossen werden.
Unter der Voraussetzung einer zusätzlichen Berücksichtigung eines außergewöhnlichen Schmerzsyndroms mit dem Erfordernis einer hochdosierten Opiat-Therapie und unter Mitberücksichtigung der bereits chirurgischerseits beschriebenen Funktionseinschränkungen sei die MdE auf 30 v.H. zu schätzen.
Der Senat hat bei dem Arzt M1 eine ergänzende Stellungnahme zu den der Klägerin in der Vergangenheit verordneten Schmerzmitteln eingeholt. Der behandelnde Arzt hat sich am 11.04.2022 geäußert und mitgeteilt, die von ihm im Behandlungszeitraum seit dem 15.12.2014 verordneten opioidhaltigen Medikamente entsprächen der von W2 anhand der Akten erstellten Auflistung. M1 hat weitere Verschreibungen vorgelegt und mitgeteilt, ihm sei nicht bekannt, ob auch andere Ärzte der Klägerin opioidhaltige Medikamente verschreiben würden. Seiner Auffassung nach bestehe bei der Klägerin seit März 2015 eine Abhängigkeitserkrankung. In der Vergangenheit sei versucht worden, alternativ lokale Analgetika oder Schmerzmittel einer niedrigeren Stufe zu verordnen, die Klägerin habe aber wegen Zunahme der Schmerzen wieder Targin und Tramadol verlangt. M1 hat einen Ausdruck seiner über die Klägerin geführten Patientenkartei vorgelegt.
Der Senat hat abschließend noch eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des W2 eingeholt. Dieser hat am 23.05.2022 mitgeteilt, sofern man unterstelle, dass die Klägerin die verordneten Medikamente regelmäßig einnehme und damit keinen Handel betreibe (wogegen jedoch die Dokumentation des behandelnden Orthopäden deutlich spreche), handele es sich um eine iatrogen determinierte Opioid-Abhängigkeit, die sich mittelbar im Rahmen der Unfallfolgen entwickelt habe, und die zumindest für die Vergangenheit auch hinsichtlich der MdE zu berücksichtigen sei. Anhand der vorhandenen Unterlagen lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bereits zuvor eine wie auch immer geartete Suchterkrankung vorgelegen hätte. Zusätzlich zu der chirurgisch-orthopädisch bewerteten MdE um 20 v.H. erscheine ab Anfang 2019 ein „Zuschlag“ auf die MdE und eine Gesamt-MdE um 30 v.H. gerechtfertigt. Zumindest bis 2018 habe eine gewisse Stabilisierung vorgelegen, weswegen in der Gesamtschau auch unter Einbeziehung der Opioid-Medikation in diesem Zeitraum eine höhere Gesamt-MdE als 20 v.H. nicht hinreichend zu begründen sei. Dies habe sich dann spätestens Anfang 2019 geändert und zu weiteren operativen Eingriffen geführt. Was die MdE für die Opioid-Einnahme selbst betreffe, sei per Analogschluss auf zerebrale Anfallsleiden verwiesen, wonach hier bei weiterer Notwendigkeit einer antikonvulsiven Behandlung auch bei stabilem Gesamtbild allein für die Medikamenteneinnahme „in der maßgeblichen Literatur (z.B. Schönberger et al. 2017)“ eine MdE um 20 v.H. vorgesehen sei. Heutige Antiepileptika machten dabei sogar wesentlich weniger Nebenwirkungen als Opioide, die — neben der Möglichkeit von Persönlichkeitsveränderungen — so gut wie immer mit einer behandlungsbedürftigen Obstipation sowie mit verstärkter Schweißneigung einhergingen.
Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 14.06.2022 geäußert und darauf hingewiesen, das Gutachten des W2 könne mangels Befunderhebung und Exploration keine MdE-Erhöhung begründen. Der Mangel sei indes nicht dem Gutachter anzulasten, sondern beruhe auf dem Verhalten der Klägerin.
Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 02.08.2022 kritisch zur Begutachtung durch W2 geäußert.
Der Senat hat zum vorliegenden Verfahren die Gerichtsakte zu dem bei dem 9. Senat des LSG Baden-Württemberg anhängigen und unter dem Aktenzeichen L 9 R 2119/21 geführten Berufungsverfahren beigezogen. In jenem Verfahren wendet die Klägerin sich gegen das Urteil vom 14.06.2021, mit dem das SG Heilbronn die auf die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung gerichtete Klage der Klägerin abgewiesen hat (Az. S 2 R 3592/18). In dem von der Deutschen Rentenversicherung geführten Verwaltungsverfahren wurde das Gutachten des S5 vom 22.08.2016 aktenkundig, ausweislich dessen an der rechten Schulter der Klägerin die Abduktion bis 90° und die Anteversion bis 110° möglich war, der Nackengriff auf beiden Seiten vollständig möglich war und der Schürzenbindegriff auf der rechten Seite nur bis zum rechten Hüftgelenk möglich war. S5 erachtete die Klägerin für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als drei bis unter sechs Stunden leistungsfähig und für vollschichtig leistungsfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Laut S5 bestanden Einschränkungen bezüglich Zwangshaltungen der Wirbelsäule. Außerdem seien Überkopfarbeiten nicht möglich.
In dem Verfahren S 2 R 3592/18 hatte das SG Heilbronn das Gutachten des C1 vom 19.11.2019 eingeholt. Laut C1 bestand an der rechten Schulter der Klägerin eine eingeschränkte Beweglichkeit mit 40-0-20° für die Abspreizung/Anspreizung. Die Außen- und Innendrehung waren nicht prüfbar. C1 wies darauf hin, dass die von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden aufgrund des relativ kurzen Zeitraums nach der Operation (Implantation der Teilprothese im September 2019) prinzipiell noch plausibel seien und dass nach klinischer Erfahrung davon auszugehen sei, dass ein diesbezüglicher Endzustand noch nicht erreicht sei. An beiden Ellenbogen erhob C1 für die Streckung und Beugung ein Bewegungsmaß von 0-0-135°.
Das SG Heilbronn holte ein weiteres Gutachten bei C1 ein, das dieser nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin (14.07.2020) am 09.10.2020 erstellte. Dieser erhob an der rechten Schulter eine Beweglichkeit von 30-0-30° aktiv und 50-0-30° passiv für die Abspreizung/Anspreizung und eine Außen- und Innendrehung von 30-0-20° bei angelegtem Oberarm und von 20-0-20° bei 40° abgespreiztem Oberarm. Trotz der eingeschränkten Beweglichkeit habe die Klägerin das Be- und Entkleiden relativ zügig und selbständig durchgeführt. Die Situation habe sich seit der letzten Untersuchung (November 2019) nicht wesentlich geändert. Die eingeschränkte Beweglichkeit der rechten Schulter spreche jedoch prinzipiell nicht gegen eine leichte körperliche Arbeit im Erwerbsleben. Im Bereich der rechten oberen Extremität fänden sich keine Hinweise, die den im Arztbrief vom 28.04.2020 geäußerten Verdacht auf ein CRPS erhärten würden.
Außerdem holte das SG Heilbronn das Gutachten des S6 vom 30.04.2021 ein. Dieser kam zum Ergebnis, auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet liege keine relevante Gesundheitsstörung vor. Segmentale Nervenstörungen konnten nicht erhoben werden. Für eine relevante Plexusschädigung am rechten Arm ergab sich klinisch kein ausreichender Anhalt. Die Klägerin gab gegenüber S6 an, sie sei „gegebenenfalls“ von den Medikamenten Tramadol bzw. Targin abhängig. Eine suchtmedizinische Behandlung sei bisher aber nicht erfolgt. Sie sei nicht in ambulanter neurologischer, psychiatrischer und/oder psychotherapeutischer Behandlung. S6 stellte an der rechten Hand der Klägerin eine im Vergleich zur linken Hand geminderte grobe Kraft fest, wobei sich kein Anhalt für Paresen ergab. Aus neurologisch-psychiatrischer und aus internistischer Sicht ging der Gutachter davon aus, dass die Klägerin leichte Tätigkeiten im Umfang von sechs und mehr Stunden täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche verrichten könne.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG Heilbronn vom 15.04.2020, die Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 26.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2018 und die Verurteilung der Beklagten, der Klägerin ab dem 09.03.2016 eine Verletztenrente bemessen nach einer MdE um mehr als 20 v.H. zu gewähren. Dieses Ziel verfolgt die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind Ansprüche der Klägerin auf Übernahme von Kosten für eine Haushaltshilfe, auf die Erstattung von Fahrkosten (zu Arztbesuchen), auf die Durchführung einer „Brustangleichung und Oberarmstraffung“ sowie Ansprüche betreffend ein persönliches Budget im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Denn hierüber hat die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid vom 26.07.2017 keine Regelung getroffen. Bezüglich dieser geltend gemachten Ansprüche sind von der Beklagten vielmehr gesonderte Verwaltungsverfahren geführt worden.
Die Klage ist unbegründet. Denn die Klägerin hat wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 09.09.2014 keinen Anspruch auf eine höher als nach einer MdE um 20 v.H. bemessenen Verletztenrente.
Rechtsgrundlage für die Gewährung einer Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VII, wonach Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente haben und sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens richtet.
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalls auch Gesundheitsschäden oder der Tod von Versicherten infolge der Durchführung einer Heilbehandlung.
Für die Berücksichtigung eines Gesundheitsschadens als Folge eines Arbeitsunfalls im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII und damit bei der Bemessung der MdE ist im Regelfall erforderlich, dass der Gesundheitsschaden durch den Gesundheitserstschaden eines Versicherungsfalls oder infolge des Vorliegens eines der Tatbestände des § 11 SGB VII rechtlich wesentlich verursacht wurde (BSG, Urteil vom 06.09.2018 – B 2 U 16/17 R, juris)
Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge eines Versicherungsfalls im Sinne des § 8 SGB VII (im engeren Sinne), wenn sie durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Der Anspruch setzt grundsätzlich das „objektive“, das heißt aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters, Vorliegen einer Gesundheitsstörung voraus, die spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls verursacht worden ist (BSG, Urteil vom 06.09.2018 – B 2 U 16/17 R, juris Rn. 14). Ob ein Gesundheitsschaden dem Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls als Unfallfolge im engeren Sinn zuzurechnen ist (sogenannte haftungsausfüllende Kausalität), beurteilt sich nach der Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG, Urteil vom 17.02.2009 – B 2 U 18/07 R, juris Rn. 12; BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 12 ff.). Die Zurechnung erfolgt danach in zwei Schritten:
Zunächst ist die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne festzustellen. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine-qua-non). Ob die versicherte Verrichtung beziehungsweise der auf der Verrichtung kausal beruhende Gesundheitserstschaden Ursache für den (weiteren) Gesundheitsschaden ist und diesen objektiv (mit-)verursacht hat, ist eine rein tatsächliche Frage (BSG, Urteil vom 07.05.2019 – B 2 U 34/17 R, juris Rn. 23, 33). Sie muss aus der nachträglichen Sicht (ex post) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten (gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten) beantwortet werden (BSG, Urteil vom 26.06.2014 – B 2 U 4/13 R, juris Rn. 25). Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 17).
Der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen muss als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden. Für die Feststellung der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitserst- bzw. -folgeschaden genügt der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 02.04.2009 – B 2 U 29/07 R, juris Rn. 16). Dieser ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht; allein die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs genügt dagegen nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 2 U 5/10 R, juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 15.05.2012 – B 2 U 31/11 R, juris Rn. 34). Das Vorliegen eines Gesundheitserstschadens bzw. eines Gesundheitsfolgeschadens (Unfallfolgen) muss hingegen im sogenannten Vollbeweis, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für das Gericht feststehen. Hierbei ist zwar eine völlige Gewissheit nicht zu fordern, die bloße Möglichkeit genügt andererseits jedoch nicht (Wagner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, Stand 29.06.2022, § 8, Rn. 26). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 V 1/12 R, Rn. 33 m.w.N., juris; BSG, Urteil vom 24.11.2010 - B 11 AL 35/09 R, Rn. 21, juris).
Es gelten die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht – hier Feststellung einer Gesundheitsstörung als Unfallfolge – für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteil vom 31.01.2012 – B 2 U 2/11 R, juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.11.2008 – B 2 U 27/07 R, juris; BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris).
Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-)verursacht hat. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der „Wesentlichkeit“ der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll (BSG, Urteil vom 17.12.2015 – B 2 U 8/14 R, juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 15 ff.; BSG, Urteil vom 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R, juris Rn. 28 ff.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war die Klägerin beim Zurücklegen des mit ihrer nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Tätigkeit als Verkäuferin bei der Firma T zusammenhängenden und gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII unter Versicherungsschutz stehenden Heimweges am 09.09.2014 einem zeitlich begrenzten, von außen auf ihren Körper einwirkenden Ereignis ausgesetzt, als sie vom Fahrrad stürzte und damit einen Arbeitsunfall erlitt. Aufgrund der hierdurch entstandenen Unfallfolgen in Form einer Bewegungseinschränkung und Muskelminderung im Bereich der rechten Schulter, einer Kraftminderung des rechten Armes, von Sensibilitätsstörungen und einer röntgenologisch nachweisbaren Arthrose im ehemaligen Verletzungsbereich hat die Klägerin Anspruch auf Gewährung einer nach einer MdE um 20 v.H. bemessenen Verletztenrente auf unbestimmte Zeit. Diese Unfallfolgen und dieser Rentenanspruch sind mit dem insoweit bestandskräftigen Bescheid vom 26.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2018, in dem die Beklagten ausdrücklich von einem Arbeitsunfall ausgegangen ist, festgestellt.
Unter Zugrundelegung der dargestellten Grundsätze liegen bei der Klägerin keine mit einer MdE um mehr als 20 v. H. zu bewertenden Folgen des Unfalls vom 09.09.2014 vor.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer höheren Verletztenrente unter Berücksichtigung weiterer Unfallfolgen.
1.1 Dass bei der Klägerin eine Schmerzkrankheit im Sinne eines CRPS vorliegt, steht bereits nicht im Vollbeweis fest.
Zwar haben B1, G1 und U in ihrem fachärztlichen Bericht vom 28.04.2020 und hat G1 erneut im Durchgangsarztbericht vom 07.08.2020 jeweils den Verdacht auf ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) geäußert und eine neurologische Abklärung empfohlen. Auch S3 vom A- MVZ P1 hat in seinem über die am 28.04.2020 und am 04.08.2020 durchgeführten ambulanten Kontrollen gefertigten Bericht vom 07.08.2020 seinerseits den Verdacht auf ein CRPS geäußert. Die Diagnose eines CRPS ist in diesen ärztlichen Berichten indes nicht gestellt worden.
Auch nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 02.02.2021 den behandelnden Arzt M1 um Veranlassung einer Untersuchung zur Diagnostik eines CRPS gebeten und diesbezüglich die Übernahme der Kosten zugesagt hatte, ist die Diagnose eines CRPS nicht gestellt worden, denn die Klägerin hat laut Mitteilung des Arztes M1 Untersuchungen zur Abklärung eines CRPS ausdrücklich abgelehnt. Auch nach dem gerichtlichen Hinweis vom 01.07.2021, dass im Rahmen eines stationären Heilverfahrens u.a. untersucht werden könnte, ob ein CRPS vorliege und dass die Höhe der unfallbedingten MdE ärztlich neu bewertet werden könnte, ist keine Diagnose gestellt worden, denn die Klägerin hat weder die im Juli 2021 bewilligte Maßnahme in der BG-Klinik M2 noch die im Januar 2022 bewilligte Maßnahme in der BG-Klinik L angetreten. Schließlich hat auch W2 in seinem von Amts wegen eingeholten Sachverständigengutachten vom 17.02.2022 ein CRPS nicht diagnostiziert, weil die gutachterliche Untersuchung nach etwa einer halben Stunde und noch während Erhebung der Anamnese abgebrochen worden ist. Damit steht nicht mit dem für den Vollbeweis erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit fest, dass bei der Klägerin ein CRPS vorliegt.
Gerade auch unter Berücksichtigung des von Amts wegen eingeholten Sachverständigengutachtens des W2 vom 17.02.2022 und dessen ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 23.05.2022 ist der Senat nicht davon überzeugt, dass ein CRPS mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegt. Denn die in seinem Gutachten geschilderten Beobachtungen sprechen eher gegen das Bestehen eines CRPS.
Der Sachverständige hat sich zwar während des relativ kurzzeitigen Aufenthaltes der Klägerin in seinen Praxisräumen wegen der an ihn gerichteten Fragestellung von Beginn an auf die Beobachtung der Hände der Klägerin konzentriert. Hierbei sind ihm jedoch im Seitenvergleich keine der für ein CRPS typischen Symptome wie distal betonte Ödeme der Hand und der Finger, vasomotorische Symptome wie Hautverfärbungen und Temperaturunterschiede sowie trophische Symptome wie das Vorliegen einer Glanzhaut und/oder eines veränderten Haar- und/oder Nagelwachstums aufgefallen. Da es nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen auch völlig untypisch wäre, wenn sich ein CRPS erst Jahre nach einem Schädigungsereignis entwickeln würde und es aus wissenschaftlicher Sicht mehr als fraglich erscheint, ob es überhaupt ein CRPS der Schulter gibt, da sich derartige Krankheitsbilder gemäß den Leitlinien typischerweise nach Verletzungen im Bereich der distalen Extremitäten entwickeln, schließt sich der Senat der Einschätzung des W2 an, dass ausreichende Hinweise auf das Vorliegen eines CRPS nicht zu erkennen sind. Dieses Ergebnis wird auch durch die vom SG Heilbronn im Klageverfahren S 2 R 3592/18 eingeholten und vom Senat im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten des C1 vom 09.10.2020 und des S6 vom 30.04.2021 bestätigt. Denn C1 fand keine Hinweise für das Vorliegen eines CRPS und S6 kam zum Ergebnis, dass auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet keine relevante Gesundheitsstörung vorliege
1.2 Dass bei der Klägerin eine Läsion des Plexus brachialis vorliegt, steht ebenfalls nicht im Vollbeweis fest.
Zwar hat sich ausweislich des Berichtes über die am 08.10.2020 von H durchgeführte neurologische Untersuchung aus den erhobenen Befunden kein Hinweis für eine Läsion des Plexus brachialis ergeben, andererseits war diese aber auch nicht auszuschließen. Die Diagnose einer Läsion des Plexus brachialis ist von H nicht gestellt worden, sondern er hat die Vorstellung in einem universitären Zentrum mit entsprechenden radiologischen Möglichkeiten vorgeschlagen.
Auch nachdem die Beklagte den behandelnden Arzt M1 mit Schreiben vom 02.02.2021 um Veranlassung der von H vorgeschlagenen Untersuchung zur Diagnostik einer Läsion des Plexus brachialis gebeten und diesbezüglich die Übernahme der Kosten zugesagt hatte, ist die Diagnose einer solchen Läsion nicht gestellt worden, denn die Klägerin hat laut Mitteilung des Arztes M1 die vorgeschlagene neurologische Untersuchung des Plexus brachialis in einer Universitätsklinik abgelehnt. Zwar hat die Klägerin der Anfertigung einer MRT-Aufnahme zugestimmt, allerdings hat P2 nach Auswertung dieser Aufnahme vom 07.04.2021 mitgeteilt, dass sich kein fassbarer Plexusschaden und kein zentraler Plexusabriss, keine periphere Diskontinuität und keine Neurombildung/Pseudoneurom, hätten abgrenzen lassen. Laut P2 hat sich kein Hinweis auf narbige oder verdrängend wirkende Prozesse im Nervenverlauf ergeben. Auch im Rahmen eines stationären Heilverfahrens ist eine Läsion des Plexus brachialis nicht diagnostiziert worden, denn die Klägerin hat weder die im Juli 2021 bewilligte Maßnahme in der BG-Klinik M2 noch die im Januar 2022 bewilligte Maßnahme in der BG-Klinik L angetreten. Damit steht weder aufgrund der Ergebnisse der Untersuchung durch H noch aufgrund der MRT-Aufnahmen vom 07.04.2021 mit dem für den Vollbeweis erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit fest, dass bei der Klägerin eine Läsion des Plexus brachialis vorliegt.
Schließlich hat auch W2 in seinem von Amts wegen eingeholten Sachverständigengutachten vom 17.02.2022 eine Läsion des Plexus brachialis nicht diagnostiziert. Unter Berücksichtigung seines Sachverständigengutachtens und dessen ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 23.05.2022 ist der Senat nicht davon überzeugt, dass eine Läsion des Plexus brachialis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegt. W2 hat dargelegt, dass H bei der klinischen Untersuchung die Muskeleigenreflexe als seitengleich beschrieben hat und dass bei der elektroneurographischen Untersuchung weder die sog. F-Welle, die Informationen über die proximale motorische Verschaltung von Nerven gibt, noch die sensible Nervenleitgeschwindigkeit des Nervus ulnaris, die indirekt Rückschlüsse über den gesamten Nerv vermittelt, einen belangvollen pathologischen Befund ergeben hat. Der Senat schließt sich der gutachterlichen Schlussfolgerung des W2 dahingehend an, dass die fragliche Läsion des Plexus brachialis zwar nicht mit völliger Sicherheit auszuschließen ist, dass aber umgekehrt eben auch keine belastbaren Anhaltspunkte für ihr Vorliegen bestehen. Dass eine Nervenläsion vorliegt, hält der Senat auch deshalb für wenig wahrscheinlich, weil nach Einschätzung des W2 das von H durchgeführte MRT des Plexus brachialis als sehr sensitiv anzusehen ist und es operationsbedingte Narben in jedem Fall gezeigt hätte. Der Senat schließt sich der überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen an, dass anhand der erhobenen Befunde das Vorliegen einer Läsion des Plexus brachialis weitestgehend ausgeschlossen werden kann. Dieses Ergebnis wird auch durch das Gutachten des S6 vom 30.04.2021 gestützt, der auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet keine relevante Gesundheitsstörung feststellte und ausführte, am rechten Arm der Klägerin habe sich kein ausreichender Anhalt für eine relevante Plexusschädigung ergeben.
1.3 Schließlich steht auch nicht im Vollbeweis fest, dass bei der Klägerin eine Abhängigkeitserkrankung in Form eines außergewöhnlichen Schmerzsyndroms mit dem Erfordernis einer hochdosierten Opiat-Therapie vorliegt.
Keiner der im Verfahren mit der Klägerin befasst gewesenen Ärzte hat bei ihr eine Abhängigkeitserkrankung diagnostiziert. Insbesondere hat M1 keine solche Diagnose gestellt, indem er in seiner Auskunft als sachverständiger Zeuge am 11.04.2022 ausgeführt hat, seiner Auffassung nach bestehe bei der Klägerin seit März 2015 eine Abhängigkeitserkrankung. Der Senat sieht dies lediglich als Äußerung einer bloßen Einschätzung an, nicht aber als Stellung einer Diagnose, zumal eine solche fachfremd gestellt worden wäre.
Zwar hat W2 in seinem von Amts wegen eingeholten Sachverständigengutachten vom 17.02.2022 und in der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 23.05.2022 jeweils die Frage aufgeworfen, ob bei der Klägerin eine außergewöhnliche Schmerzsymptomatik mit einer Abhängigkeitsproblematik bezüglich der jahrelangen hochdosierten Opioid-Medikation vorliegt. Eine solche Symptomatik hat der Sachverständige indes nicht diagnostiziert. Und da wegen des Abbruches der gutachterlichen Untersuchung der zum Nachweis der Einnahme der Opiate notwendige Medikamentenspiegel nicht erhoben werden konnte, ist bereits die Einnahme der Substanzen nicht nachgewiesen. Allein aufgrund des Umstandes, dass der behandelnde Durchgangsarzt M1 der Klägerin über einen Zeitraum von mehreren Jahren opioidhaltige Medikamente in hoher Dosis gemäß der von W2 in seinem Gutachten angefertigten und vom Durchgangsarzt M1 unter dem 11.04.2022 bestätigten Aufstellung verordnet hat, steht nicht mit dem für den Vollbeweis erforderlichen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit fest, dass bei der Klägerin tatsächlich eine Abhängigkeitserkrankung vorliegt.
Nachdem eine regelmäßige Einnahme der verordneten Schmerzmittel Targin und Tramadol durch die Klägerin nicht erwiesen ist, ist nicht im Vollbeweis belegt, dass bei der Klägerin eine außergewöhnliche Schmerzsymptomatik mit einer Abhängigkeitsproblematik vorliegt. So hat auch W2 das Vorliegen einer unfallbedingten außergewöhnlichen Schmerzsymptomatik mit dem Erfordernis einer hochdosierten Opiat-Therapie ausdrücklich unter den Vorbehalt gestellt, dass die Klägerin die Opioide tatsächlich regelmäßig einnimmt und dass nicht vor dem streitgegenständlichen Unfall bereits eine Abhängigkeitserkrankung bestanden hat. Die von dem Sachverständigen zum Nachweis der Einnahme der Substanzen für notwendig erachtete Bestimmung des Medikamentenspiegels hat nicht stattfinden können. Dazu, ob bei der Klägerin bereits vor dem streitgegenständlichen Unfall eine Abhängigkeitserkrankung vorgelegen hat, enthalten zwar die beginnend mit dem Durchgangsarztbericht der M-B vom 09.09.2014 geführten Verwaltungsakten der Beklagten keine Hinweise. Auch hat eine Befragung der Klägerin bezüglich einer vorbestehenden Abhängigkeitserkrankung durch W2 wegen des Abbruchs der gutachterlichen Untersuchung nicht stattfinden können und weist das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Heilbronn-Franken vom 01.10.2018 für die seit dem 01.02.2011 bestehende Mitgliedschaft der Klägerin vor dem Unfalltag keine Vorerkrankungen aus. Die Klägerin selbst hat während der gutachterlichen Untersuchung am 04.03.2016 gegenüber Z als Vorerkrankungen „Grauer Star am linken Auge, Bandscheibenvorfall an der HWS und LWS, bisher ohne Operation“ sowie „Jugend-Diabetes und Asthma, Zysten am rechten Eierstock“ angegeben. Nach Aktenlage ergeben sich somit zwar keine Anhaltspunkte für eine vorbestehende Abhängigkeitserkrankung, jedoch hat die für die Feststellung im Vollbeweis erforderliche Diagnostik nicht erfolgen können, nachdem die Klägerin die ihr bewilligten Heilverfahren nicht angetreten hat und die gutachterliche Untersuchung bei W2 abgebrochen worden ist.
Schließlich hat S6 in seinem Gutachten vom 30.04.2021 zwar ausgeführt, die Klägerin habe berichtet, „möglicherweise“ von „Tramadol bzw. Targin abhängig“ zu sein. Er hat jedoch keine Abhängigkeitserkrankung diagnostiziert.
2. Die von der Beklagten als Folgen des streitigen Unfalls anerkannten Gesundheitsstörungen, eine Bewegungseinschränkung und Muskelminderung im Bereich der rechten Schulter, Kraftminderung des rechten Armes, Sensibilitätsstörungen und eine röntgenologisch nachweisbare Arthrose im ehemaligen Verletzungsbereich, bedingen keine MdE um mehr als 20 v.H.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Bemessung der MdE hängt damit zum einen von den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und zum anderen von dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten ab. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (BSG, Urteil vom 20.12.2016 – B 2 U 11/15 R, juris, Rn. 14). Bei der Bestimmung der MdE kann auf die MdE-Tabellen zurückgegriffen werden (BSG, Urteil vom 20.12.2016 – B 2 U 11/15, juris Rn. 17). Die MdE-Tabellen bezeichnen typisierend das Ausmaß der durch eine körperliche, geistige oder seelische Funktionsbeeinträchtigung hervorgerufenen Leistungseinschränkungen in Bezug auf das gesamte Erwerbsleben und ordnen körperliche oder geistige Funktionseinschränkungen einem Tabellenwert zu. Die in den Tabellen und Empfehlungen enthaltenen Richtwerte geben damit auch allgemeine Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher Beeinträchtigungen auf die Erwerbsfähigkeit aufgrund des Umfangs der den Verletzten versperrten Arbeitsmöglichkeiten wieder und gewährleisten, dass die Verletzten bei der medizinischen Begutachtung nach einheitlichen Kriterien beurteilt werden (BSG, Urteil vom 20.12.2016 – B 2 U 11/15 R, juris Rn. 19).
2.1 Die auf neurologischem Fachgebiet vorliegenden Unfallfolgen bedingen eine MdE um weniger als 10 v.H., was der Senat aufgrund des schlüssigen und nachvollziehbaren fachneurologischen Gutachtens des Z vom 08.03.2016, das im Wege des Urkundenbeweises verwertet worden ist, feststellt. Z hat die aus den auf seinem Fachgebiet bestehenden Unfallfolgen (Herabsetzung der Berührungs- und Schmerzempfindung im Bereich der rechten Schulter, am rechten Ellenbogen und am rechten Unterarm, sowie Verschmächtigung des rechten Dreiecksmuskels) resultierende MdE aufgrund der sensiblen Reizerscheinungen auf weniger als 10 v.H. eingeschätzt. Anlässlich der gutachterlichen Untersuchung durch Z am 04.03.2016 haben sich Nervus medianus und Nervus ulnaris motorisch und sensibel unauffällig gezeigt, Nervus axialis DML ist mit rechts 2,6 und links 2,1 ms, Amplituden von ihm ebenfalls als unauffällig beschrieben worden und die F-Wellen am Nervus ulnaris haben sich seitengleich mit 26 ms bei beidseits guter Persistenz gezeigt. Damit erreichen die von Z erhobenen sensiblen Reizerscheinungen nicht das Ausmaß eines mit einer MdE um 20 v. H. bis zu 30 v.H. bewerteten vollständigen Ausfalles eines der vorbenannten Nerven (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 252). Auch aus dem Gutachten des S6 vom 30.04.2021 ergeben sich keine Hinweise darauf, dass die auf neurologischem Fachgebiet vorliegenden Unfallfolgen eine MdE um 10 oder mehr v.H. rechtfertigen würden.
2.2 Die auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet bestehenden Unfallfolgen bedingen keine MdE um mehr als 20 v.H.
2.2.1 Die am rechten Schultergelenk der Klägerin vorliegenden orthopädisch-unfallchirurgischen Unfallfolgen bedingen eine MdE um 20 v.H., was der Senat aufgrund der schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des K1 vom 30.03.2016 und des R vom 30.05.2017 (beide im Wege des Urkundenbeweises verwertet) sowie des Sachverständigengutachtens des S2 vom 10.04.2019 und dessen ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 11.07.2020 feststellt. Mit zur Überzeugungsbildung beigetragen haben die im Wege des Urkundenbeweises verwerteten aktenkundigen ärztlichen Befundberichte sowie das vom SG Heilbronn im Verfahren S 2 R 3592/18 eingeholte Gutachten des C1 vom 09.10.2020.
Wegen der vielfältigen dreidimensionalen Bewegungseinschränkung ist hinsichtlich der MdE in Bezug auf die Schultergelenke die Vorhebung als Hauptkriterium zu werten, wobei daneben auch die Beweglichkeit des Armes beim Seitwärtsdrehen, die Drehbeweglichkeit des angelegten Oberarmes nach ein- und auswärts, die Ausführung von Hinterhaupt-, Nacken- und Schürzengriff, die Umfangmaße des Armes sowie die Ausbildung der Schultermuskulatur, insbesondere, wenn die Einsetzbarkeit des Armes unterhalb der Horizontalen noch gut ist (beim Impingement beginnt der schmerzhafte Bogen ab etwa 80°), Bedeutung haben. Stärkere schmerzhafte Funktionseinschränkungen führen zu einer Verschmächtigung der Muskulatur der betroffenen oberen Organe, zumindest der Schultermuskulatur. Der Raum zwischen der unbedeutenden Funktionsstörung der Verletzung und der Vorhebungsbeeinträchtigung bei einer operativen Schulterversteifung wird zwischen einer MdE um unter 10 bis 30 v. H. gegliedert. Eine Schultergelenkversteifung mit einer Abduktion von 30°, bei nicht eingeschränktem Schultergürtel, hat eine MdE um 30 v. H. zur Folge. (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 436, 560)
Im Ersten Rentengutachten vom 30.03.2016, das K1 aufgrund einer Untersuchung vom 29.03.2016 erstellte, sind für das rechte Schultergelenk der Klägerin Bewegungsmaße für die Armhebung seitwärts/körperwärts von 90-0-30°, für die Armhebung rückwärts/vorwärts von 30-0-100°, eine Armdrehung auswärts/einwärts mit anliegendem Oberarm von 30-0-80° und eine Armdrehung auswärts/einwärts bei seitlich um 90° abgehaltenem Oberarm von 30-0-30° rechts dokumentiert. In dem von R erstellten Zweiten Rentengutachten vom 29.06.2017 sind für das rechte Schultergelenk Bewegungsmaße für die Armhebung seitwärts/körperwärts von 60-0-20°, für die Armhebung rückwärts/vorwärts von 10-0-60°, eine Armdrehung auswärts/einwärts mit anliegendem Oberarm von 20-0-35° und eine Armdrehung auswärts/einwärts bei seitlich um 90° abgehaltenem Oberarm von 20-0-20° dokumentiert. R erhob am 12.04.2018 eine bis 90° mögliche Abduktion der rechten Schulter und eine Außen-/Innenrotation von 40-0-40°. A erhob am 12.12.2018 an der rechten Schulter der Klägerin eine Abduktion und Anteversion von jeweils 90° aktiv und passiv. Unter der am 04.02.2019 in der A-Sportklinik P1 durchgeführten diagnostischen Arthroskopie zeigte sich an der rechten Schulter intraoperativ ein nahezu freies Bewegungsmaß passiv mit einer Außenrotationsfähigkeit von 40° und einer Abduktions- und Anteversionsfähigkeit von 130°. Im Gutachten des S2 vom 10.04.2019 sind für das rechte Schultergelenk Bewegungsmaße für die Abduktion/Adduktion von aktiv 40-0-20° und passiv 80-0-30° dokumentiert. Die der Klägerin am 19.08.2019 in der A-Sportklinik P1 implantierte anatomische Schulterprothese rechts hat sich ausweislich des Berichts der S4 am 29.06.2020 im Schulter-CT regelrecht einliegend gezeigt, ohne dass Hinweise für Lockerung oder Infekt vorgelegen haben. Anlässlich der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 28.04.2020 haben S3 und G1 an der rechten Schulter eine Abduktion von 30° aktiv und 90° passiv festgestellt. C1 hat bei der gutachterlichen Untersuchung am 14.07.2020 Bewegungsmaße (in Grad) von „30-0-30 / passiv 50-0-30“ für die Abspreizung/Anspreizung erhoben. Am 27.01.2021 hat F an der rechten Schulter der Klägerin Bewegungsmaße von aktiv bis 30° und passiv bis 50° bei der Abduktion erhoben. Der Senat folgt den auch diesbezüglich überzeugenden und schlüssigen Gutachten des K1, des R und des S2 und bewertet ebenso wie diese die an der rechten Schulter der Klägerin vorliegende unfallbedingte MdE mit 20 v.H. Denn die Beeinträchtigung des rechten Schultergelenks der Klägerin erreicht insgesamt nicht das Ausmaß einer mit einer MdE um 30 v. H. zu bewertenden Schultergelenksversteifung (30° Abduktion) mit nicht eingeschränktem Schultergürtel (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 249).
Der Umstand, dass G1 am 04.08.2020 am rechten Schultergelenk der Klägerin eine passiv auf 30° eingeschränkte Abduktion dokumentiert und damit ein von allen anderen oben aufgeführten aktenkundigen ärztlichen Erhebungen und auch von seiner eigenen Messung vom 28.04.2020 wesentlich abweichendes und wesentlich schlechteres passives Bewegungsmaß angegeben hat, führt – zumal wie stets ein Messfehler nicht ausgeschlossen werden kann – zu keiner abweichenden Bewertung. Denn der einmalig am 04.08.2020 dokumentierte Messwert einer passiven Beweglichkeit von nur 30° belegt – zumal er anlässlich einer ambulanten Behandlung und nicht unter gutachterlichen Bedingungen erhoben worden ist - jedenfalls kein dauerhaft schlechteres Bewegungsmaß der rechten Schulter.
Auch soweit C1 am 14.07.2020 und F am 27.01.2021 jeweils ein aktives Bewegungsmaß bei der Abduktion rechts von nur 30° erhoben haben, rechtfertigt dies nicht die Annahme einer MdE um mehr als 20 v.H. Denn abweichend von diesem mitarbeitsabhängigen aktiven Bewegungsmaß haben C1 und F bei der Untersuchung mit einer Abduktion von 50° jeweils bessere passive Werte erhoben. Dem Gutachten des C1 lassen sich auch Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass das demonstrierte aktive Bewegungsmaß nicht der tatsächlichen Beweglichkeit entsprochen hat. Denn C1 hat ausgeführt, das Ausmaß und die Stärke der von der Klägerin angegebenen Beschwerden im Bereich der rechten Schulter seien nur sehr eingeschränkt beurteilbar. Angesprochen darauf, dass die Klägerin trotz der eingeschränkten Beweglichkeit das Be- und Entkleiden relativ zügig und selbstständig durchgeführt habe, habe sie eher ungehalten reagiert. Auch seien von der Klägerin Auskünfte zu ihrem Tagesablauf und zu ihrer sozialen Situation, die es erlauben würden, ihre Einsatzfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben fundierter zu beurteilen, abgelehnt worden. Weiter hat C1 ausgeführt, unter diesen Bedingungen falle es ihm schwer, eine abschließende Beurteilung abzugeben. Dafür, dass die Funktionsstörung an der rechten Schulter ein Ausmaß erreichen würde, das eine MdE um mehr als 20 v.H. zur Folge hätte, ergeben sich für den Senat aus dieser gutachterlichen Einschätzung keine hinreichenden Anhaltspunkte.
Nachdem die Klägerin die von der Beklagten während des laufenden Berufungsverfahrens bewilligten stationären Heilverfahren in der BG-Klinik M2 im Juli 2021 und in der BG-Klinik L im Januar 2022 nicht angetreten hat und die gutachterliche Untersuchung bei W2 am 16.02.2022 abgebrochen worden ist, haben keine weiteren Bewegungsmaße des Schultergelenks mehr erhoben werden können.
2.2.2 Die am rechten Ellenbogengelenk der Klägerin vorliegenden Unfallfolgen bedingen keine MdE um wenigstens 10 v.H., was der Senat aufgrund der schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des K1 vom 30.03.2016 und des R vom 30.05.2017 (beide im Wege des Urkundenbeweises verwertet) sowie des Gutachtens des medizinischen Sachverständigen S2 vom 10.04.2019 und dessen ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 11.07.2020 feststellt. Mit zur Überzeugungsbildung beigetragen haben die im Wege des Urkundenbeweises verwerteten aktenkundigen ärztlichen Befundberichte.
Unter Berücksichtigung der einschlägigen unfallversicherungsrechtlichen Literatur ist eine Bewegungseinschränkung des Ellenbogens von 0-30-120° bei freier Unterarmdrehung mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten, eine MdE um 20 v.H. besteht erst ab einer Bewegungseinschränkung von 0-30-90° (Streckung/Beugung). Das normale Bewegungsausmaß des Ellenbogens beträgt danach für die Beugung 145°, für die Streckung 0°, für die meisten Tätigkeiten des täglichen Lebens werden lediglich die Scharnierbewegungen zwischen 30° und 130° benützt, Streckdefizite behindern weniger als Beugedefizite (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 567/568). Dies zugrunde gelegt, rechtfertigen die im Rahmen gutachterlicher Untersuchungen erhobenen, oben dargelegten Funktionseinschränkungen bei der Klägerin nicht die Zuerkennung einer MdE um mindestens 10 v.H.
Laut Entlassungsbericht der BG-Klinik T1 über den stationären Aufenthalt vom 12.12.2014 bis zum 13.12.2014 waren das Ellenbogengelenk, das Handgelenk und die Fingergelenke rechts in ihren Bewegungsgraden frei. Ein am 07.05.2015 in der BG-Klinik T1 erstelltes Röntgenbild des rechten Ellenbogengelenkes zeigte laut Untersuchungsbericht vom 12.05.2015 keine knöchernen Auffälligkeiten und die Bewegungsmaße des rechten Ellenbogengelenks wurden von H und T2 mit Extension/Flexion 0-0-140° und Pronation/Supination 80-0-80° dokumentiert. Aufgrund der von ihm erhobenen Bewegungsmaße von beidseits 0-0-140° für die Streckung/Beugung und von beidseits 80-0-80° für die Unterarmdrehung einwärts/auswärts beurteilte der Facharzt K1 die Ellenbogengelenke der Klägerin im Ersten Rentengutachten vom 30.03.2016 als seitengleich frei beweglich. Bei Erstellung des Zweiten Rentengutachtens vom 30.05.2017 erhob R an den Ellenbogengelenken der Klägerin Bewegungsmaße von 0-0-110° rechts und 0-0-140° links für die Streckung und Beugung und von 60-0-70° rechts und 80-0-80° links für die Armdrehung einwärts/auswärts und beurteilte die Beugefähigkeit des rechten Ellenbogens als endgradig eingeschränkt. S2 hat im Rahmen der Erstellung des Gutachtens vom 10.04.2019 an den Ellenbogengelenken der Klägerin Bewegungsmaße von beidseits 0-0-150° für die Streckung und Beugung und von beidseits 90-0-80° für die Armdrehung auswärts/einwärts erhoben, die Beweglichkeit der Ellenbogengelenke als seitengleich für Streckung und Beugung sowie für Außen- und Innenrotation normal beurteilt und eine minimale Muskelatrophie um einen halben Zentimeter bei seitengleicher Bemuskelung der Unterarme beschrieben. Anlässlich seiner gutachterlichen Untersuchung am 13.11.2019 erhob C1 an beiden Ellenbogen für die Streckung und Beugung ein Bewegungsmaß von 0-0-135°.
Der Senat folgt den auch insoweit überzeugenden und schlüssigen Gutachten des Facharztes K1, des R und des S2 dahingehend, dass am rechten Ellenbogen keine Gesundheitsstörungen vorliegen, die eine MdE um wenigstens 10 v.H. bedingen würden. Denn die Beeinträchtigung des rechten Ellenbogens der Klägerin erreicht insgesamt nicht das Ausmaß einer mit einer MdE um 10 v. H. zu bewertenden Bewegungseinschränkung auf 0-30-120° bei der Streckung und Beugung (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 568).
Nachdem die Klägerin die von der Beklagten während des laufenden Berufungsverfahrens bewilligten stationären Heilverfahren in der BG-Klinik M2 im Juli 2021 und in der BG-Klinik L im Januar 2022 nicht angetreten hat und die gutachterliche Untersuchung bei W2 am 16.02.2022 abgebrochen worden ist, haben keine weiteren Bewegungsmaße des Ellenbogengelenks mehr erhoben werden können.
Nachdem die Klägerin nicht bereit gewesen ist, die oben im Einzelnen dargelegten, ihr ärztlich empfohlenen diagnostischen Untersuchungen bezüglich der fraglichen Erkrankungen eines CRPS, einer Läsion des Plexus brachialis und einer außergewöhnlichen Schmerzsymptomatik mit einer Abhängigkeitsproblematik durchführen zu lassen, nachdem sie die ihr von der Beklagten bewilligten stationären Heilverfahren nicht angetreten hat und nachdem die gutachterliche Untersuchung bei 2 wegen Mitwirkungsverweigerung der Klägerin bei der Anamneseerhebung abgebrochen worden ist, geht die Nichterweislichkeit des Vorliegens weiterer Unfallfolgen und einer aus den Unfallfolgen resultierenden MdE um mehr als 20 v.H. zu Lasten der Klägerin.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
4. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 2010/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 1492/20
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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