L 9 R 356/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 213/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 356/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 2. Februar 2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Streitig ist eine Rentenanpassung zum 01.07.2020.

Die 1966 geborene Klägerin bezog von der Beklagten ab 1996 zunächst eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Form einer Arbeitsmarktrente. Ab Februar 2002 gewährte ihr die Beklagte eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die ab April 2003 auf Dauer bewilligt, jedoch wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen ab Dezember 2002 nicht geleistet wurde.

Eine teilweise Auszahlung der Rente erfolgte erstmals wieder ab 01.01.2018 (Bescheid vom 04.04.2018), nachdem die Klägerin ihre Arbeitszeit reduziert hatte. Mit Bescheid vom 20.06.2019 erfolgte eine Neuberechnung der Rente ab 01.01.2018 unter Berücksichtigung des tatsächlichen Hinzuverdienstes für das Jahr 2018. Die monatliche Rente wurde ab 01.08.2019 auf 497,16 € festgesetzt. Gegen den Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und gab zur Begründung an, der Bescheid sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Dem Bescheid sei u.a. nicht zu entnehmen, wie die Entgeltpunkte berechnet worden seien. Nach Zurückweisung des Widerspruchs durch die Beklagte (Widerspruchsbescheid vom 29.11.2019) verfolgte die Klägerin ihr Begehren im Klageverfahren beim Sozialgericht Freiburg (SG <S 21 R 4875/19>) Auf richterlichen Hinweis wurde das Verfahren von der Klägerin am 17.06.2022 für erledigt erklärt.

Mit Schreiben vom 18.09.2019 beantragte die Klägerin bei der Beklagten darüber hinaus die Überprüfung der in der Vergangenheit ergangenen Bescheide ab dem Zeitpunkt, zu dem erstmalig die Nichtzahlung der Rente wegen zu hoher Einkünfte verfügt worden sei. Sie verwies darauf, dass sie zwischenzeitlich über lange Jahre eine Vollzeitbeschäftigung ausgeübt habe. Die Erwerbsminderungsrente habe daher vollständig aufgehoben werden müssen. Nachdem sie nunmehr ihre Arbeitszeit wieder reduziert habe, hätte ihr eine Erwerbsminderungsrente neu bewilligt werden müssen, und dies unter Berücksichtigung der im Zeitraum von 2003 bis 2017 gezahlten Pflichtbeiträge. Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 24.10.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2020). Hiergegen richtete sich eine weitere Klage beim SG (S 21 R 337/20). Das Verfahren wurde von der Klägerin ebenfalls am 17.06.2022 für erledigt erklärt.

Mit (undatierter) Mitteilung des Renten Service der Beklagten über die Rentenanpassung zum 01.07.2020 erfolgte die Erhöhung der Rente des Klägers ab 01.07.2020 unter Berücksichtigung des ab diesem Tag geltenden aktuellen Rentenwerts in Höhe von monatlich 34,19 EUR. Hierdurch ergab sich eine Erhöhung der monatlichen Rente von 497,16 EUR auf 514,33 EUR. Am 14.07.2020 legte die Klägerin
Widerspruch gegen die ihr zugegangene Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2020 ein, ohne diesen zu begründen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2021 zurück.

Am 20.01.2021 hat die Klägerin die vorliegende Klage beim SG erhoben und auf das Klageverfahren S 21 R 4875/19 verwiesen, bei dem es um die Frage der Berechnung der Rente gehe, sowie ihr inhaltliches Vorbringen im Verfahren S 21 R 337/20. Die Klägerin habe jahrelang eine ruhende Rente hinnehmen müssen, obwohl die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht mehr gegeben gewesen seien. Vielmehr habe seinerzeit der Rentenbescheid aufgehoben werden müssen. Nachdem sie im Zuge der letzten Jahre ihre Arbeitszeit aus gesundheitlichen Gründen reduziert habe, sei ein neuer Leistungsfall eingetreten. Bei der Berechnung der daraufhin neu zu gewährenden Rente seien die Entgeltpunkte unter Berücksichtigung der Arbeitsentgelte der Klägerin in einem Zeitraum von ca. 10 Jahren zu berücksichtigen. Der Klägerin stehe somit eine höhere Rente zu. Demgemäß sei auch die Rentenanpassung falsch, weil von einem falschen Rentenzahlbetrag ausgegangen worden sei.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergäben sich keine wesentlichen neuen Erkenntnisse.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.02.2022 abgewiesen. Die Klage sei form- und fristgerecht erhoben worden und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid über die Rentenanpassung zum 01.07.2020 sei rechtmäßig. Der Regelungsgehalt des streitgegenständlichen Rentenanpassungsbescheids beschränke sich auf die Höhe der Rentenanpassung. Er stelle einen selbstständigen Streitgegenstand dar, der vom Regelungsgegenstand der Berechnung der Rente zu trennen sei (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 31.07.2002 - B 4 RA 120/00 R -, juris, Rn. 12; Urteil vom 10.04.2003 - B 4 RA 41/02 R -, juris, Rn. 12; Landessozialgericht <LSG> Baden-Württemberg, Urteil vom 06.05.2014 - L 13 R 4388/12 - juris, Rn. 33). Mit dem Rentenanpassungsbescheid werde nicht über den Geldwert des Rechts auf Rente, sondern ausschließlich über den Grad der Anpassung des bereits festgestellten Geldwertes des Stammrechts entschieden. Fehler des Grundbescheids über die Rentenbewilligung führten daher nicht zur Rechtswidrigkeit von Anpassungsbescheiden (BSG, Urteil vom 31.07.2002 - B 4 RA 120/00 R -, a.a.O.; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.09.2014 a.a.O., juris, Rn. 37 f.). Selbst wenn die Rente der Klägerin im Grundbescheid über die Bewilligung der Rente falsch berechnet worden sein sollte, etwa weil die Entgeltpunkte nicht richtig berechnet wurden, hätte dies entgegen ihrer Auffassung keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Rentenanpassungsbescheids. Dass der Grad der Anpassung der Rente nicht zutreffend festgelegt worden sei, mache die Klägerin nicht geltend. Ihre Einwände richteten sich vielmehr ausschließlich gegen die Berechnung des Geldwerts des Rechts auf Rente im Grundbescheid. Es sei auch sonst nicht ersichtlich, dass der mit dem Bescheid geregelte Grad der Anpassung fehlerhaft sei. Der ab 01.07.2020 maßgebliche Rentenwert sei gemäß §§ 65, 68 Abs. 1 Satz 2, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) durch die Rentenwertbestimmungsverordnung 2020 vom 08.06.2020 (BGBl. 2020 Teil I Nr. 27, S. 1220 f.) auf 34,19 € (Rentenwert West) bestimmt und bei der Rentenanpassung zugrunde gelegt worden.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 05.02.2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 09.02.2022 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt und auf die weiteren (damals) gerichtlich anhängigen Rentenverfahren (S 21 R 4875/19 und S 21 R 337/20) verwiesen. Von deren Ausgang hänge der Rechtsstreit hier ab, welcher Rentenzahlbetrag dem Grunde nach anzupassen sei.
Entgegen der Auffassung des SG regele der Rentenanpassungsbescheid nicht nur einen Faktor, sondern natürlich die Anhebung eines Zahlbetrages und die Mehrzahlung. Es werde nicht nur der Anpassungsfaktor um ein Stammrecht herum geregelt, sondern es werde geregelt, dass ein Betrag Y mit einem Faktor Z auf einen Betrag X angehoben werde. Sei der Betrag Y falsch, sei die Rentenanpassung falsch, und um das gehe es hier. Anderenfalls müsste im Rentenanpassungsbescheid enthalten sein, der Widerspruch sei nur zulässig gegen die Ausführung der Anpassung der Rentenzahlbeträge für sich selbst genommen und ansonsten verbleibe es bei der Verbindlichkeit der früheren Rentenbescheide.

Die Klägerin beantragt,
 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 2. Februar 2022 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 1. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2021 abzuändern und die Beklagte dazu zu verurteilen, einen veränderten, je nach Ausgang des anhängigen Klageverfahrens, Rentenzahlbetrag anzupassen und eine höhere Rentenanpassung vorzunehmen im Hinblick auf den anzupassenden Grundrentenbetrag.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat das Berufungsverfahren mit Beschluss vom 08.11.2022 auf den Vorsitzenden Richter übertragen, der hierüber mit den ehrenamtlichen Richtern entschieden hat.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
 
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Bei der Rentenanpassung zum 01.07.2020, mit der die Beklagte gemäß §§ 65, § 254c SGB VI den Zahlbetrag der monatlichen Rente in der Weise angepasst hat, dass der in der Formel für die Berechnung des Monatsbetrages der Rente enthaltene aktuelle Rentenwert (West) durch den neuen aktuellen Rentenwert ersetzt und die Rente mit den bisher ermittelten persönlichen Entgeltpunkten neu berechnet worden ist, handelt es sich um einen Verwaltungsakt bezüglich des geänderten Rentenwerts (BSG, Urteil vom 23.03.1999 - B 4 RA 41/98 R -, SozR 3-1300 § 31 Nr. 13). Damit ist die vom Kläger erhobene Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage, mit dem Ziel, eine höhere Rentenanpassung festzusetzen und damit einen höheren Rentenzahlbetrag zu erreichen, zulässig.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Das Gericht hat bereits mit Verfügung vom 23.10.2022 darauf hingewiesen, dass die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG keine Aussicht auf Erfolg bietet. Der Regelungsgehalt einer Rentenanpassungsmitteilung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 23.03.1999 - B 4 RA 41/98 R - und  vom 20.12.2007 - B 4 RA 9/05 R), dem der erkennende Senat  (LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 14.12.2021 - L 9 R 1792/17 - und 30.01.2018 - L 9 R 843/16 -; s. auch LSG Hessen, Beschluss vom 07.11.2016 - L 5 R 84/16 -) und die herrschende Meinung in der Literatur folgt (vgl. u. a. Körner, in: Kasseler Kommentar zur Sozialversicherung, Loseblatt, Stand September 2021, § 68 SGB VI, Rdnrn 5 - 9 m. w. N.) auf die Umsetzung der jährlich vorzunehmenden Rentenanpassung durch Aktualisierung des Rentenwertes beschränkt. Die bereits festgestellten und vom Rentenversicherungsträger in einem bestandskräftigen Rentenbescheid anerkannten Versicherungszeiten und der Rentenanwartschaften (Entgeltpunkte) bleiben von dieser Anpassung unberührt, d. h. insoweit trifft die Rentenanpassung als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) keine inhaltliche Entscheidung. Dies gilt auch, soweit einzelne Bestandteile der Rente zwischen den Beteiligten im Rahmen anderer Verfahren im Streit sind bzw. – wie hier bis zur Erledigterklärung in den anderen gerichtlichen Rentenverfahren - waren. Mangels weitergehendem Regelungsgehalt einer Rentenanpassung als der Aktualisierung des aktuellen Rentenwertes kann sich eine Anfechtung dieser Rentenanpassung nur auf den beschränkten Regelungsgehalt dieses Verwaltungsaktes beziehen.

Die Anpassung des Rentenwerts zum 01.07.2020 – und nur das regelt der Rentenanpassungsbescheid – ist nicht zu beanstanden. Durch die Rentenwertbestimmungsverordnung 2020 (RWBestV 2020) vom 08.06.2020, verkündet im Bundesgesetzblatt I, Seite 1220 f. am 17.06.2020, sind der aktuelle Rentenwert und der aktuelle Rentenwert (Ost) zum 01.07.2020 neu bestimmt worden. Der aktuelle Rentenwert (West) pro Entgeltpunkt beträgt seit dem 01.07.2020 34,19 EUR, der aktuelle Rentenwert (Ost) pro Entgeltpunkt 33,23 EUR. Die Anpassung der Rente zum 01.07.2020 ist gemäß § 65 beziehungsweise § 254c SGB VI in der Weise vorzunehmen, dass der in der Formel für die Berechnung des Monatsbetrages der Rente enthaltene aktuelle Rentenwert oder aktuelle Rentenwert (Ost) durch den jeweils neuen aktuellen Rentenwert ersetzt und die Rente mit den bisher ermittelten persönlichen Entgeltpunkten neu berechnet wird. Ein Fehler in der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben der Rentenanpassung bei der Rentenberechnung der Klägerin ist nicht festzustellen. Die rechtlichen Vorschriften der §§ 65, 254c sowie §§ 68, 69, 255a, 255b SGB VI bei der Berechnung des Monatsbetrages des Rechts auf Rente sind eingehalten. Dies zieht die Klägerin auch nicht in Zweifel.

Anhaltspunkte für einen Verstoß der relevanten Regelungen des SGB VI gegen höherrangiges Recht liegen nicht vor (ebenso Bayerisches LSG, Urteil vom 23.02.2022 - L 19 R 25/21 - juris). Es liegt auch kein Begründungsmangel im Sinne des § 35 SGB X vor.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die von der Bundesregierung erlassene Verordnung (zur Ermächtigung vgl. § 69 Abs. 1 bzw. § 255b Abs. 1 SGB VI, die erforderliche Zustimmung des Bundesrats liegt vor) zur Bestimmung der Rentenwerte in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Alterssicherung der Landwirte zum 01.07.2020 (Rentenwertbestimmungsverordnung 2020 - RWBestV 2020) weder rechts- noch verfassungswidrig ist (ebenso Bayerisches LSG, Urteil vom 23.02.2022 - L 19 R 25/21 - juris). Ein Anspruch auf eine höhere Rentenanpassung besteht daher nicht.

Die Berufung war daher zurückzuweisen, Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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