I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 4. März 2022 wird zurückgewiesen.
Die im Wege der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz in das Verfahren eingeführte Klage wird abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Verfahren vor dem Senat keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis zum 30. April 2016.
Die im Jahr 1953 geborene, verwitwete Klägerin ist bulgarischer Staatsangehörigkeit. Nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet meldete sie sich am 1. Juli 2015 beim Einwohnermeldeamt an. Am 28. Juli 2015 stellte sie beim Beklagten, der für die Erbringung von Sozialhilfeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) und als zugelassener kommunaler Träger im Sinne von § 6a SGB II auch für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständig ist, zunächst einen Antrag auf Leistungen der Sozialhilfe; auf Bl. 5 ff. der elektronisch unter dem Dateinamen „akte_bd_i_bl_1-311“ vorgelegten Akten des Beklagten als Grundsicherungsträger – im Folgenden: eLA – wird Bezug genommen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 5. August 2015 (eLA Bl. 23 f.) mit der Begründung ab, die Klägerin unterliege einem Leistungsausschluss, da sie eingereist sei, um Sozialhilfe zu erlangen. Hiergegen legte diese am 27. August 2015 Widerspruch ein (eLA Bl. 29). Sie sei zu ihren Kindern nach Deutschland nachgezogen, da sie in Bulgarien bedroht werde. Zudem lebten ihre Kinder alle hier; bei einem ihrer Söhne, C. C., wohne sie auch derzeit. Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 29. Oktober 2015 forderte die Klägerin die Zahlung eines Vorschusses ein und teilte zudem ihren Umzug am 22. Oktober 2015 in die D-Straße, D-Stadt mit. Unter der neuen Adresse lebe sie mit einem (anderen) ihrer Söhne (E. C.) zusammen. Zwischen den Beteiligten war und ist im Übrigen streitig, ob sich die Klägerin zwischenzeitlich in Bulgarien oder durchgängig in Deutschland aufgehalten hatte.
Im laufenden Widerspruchsverfahren wies der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 20. November 2015 (eLA Bl. 37 f.) darauf hin, sie sei aufgrund ihres Alters grundsätzlich dem Leistungsbereich des Sozialgesetzbuches Zweites Buch zuzuordnen. Sie habe in ihrem Sozialhilfeantrag zwar angegeben, nicht erwerbsfähig zu sein. Jedoch lägen keine Unterlagen zu Erkrankungen vor. Die Klägerin werde daher gebeten, entsprechende ärztliche Unterlagen vorzulegen und ihre Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin forderte daraufhin mit Schreiben vom 27. November 2015 (eLA Bl. 41) erneut die sofortige Gewährung von Leistungen. Falls ein Anspruch nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch bestehe, hätte der Antrag längst an das Jobcenter des Beklagten weitergeleitet werden müssen. Der Antrag auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch gelte ab dem Zeitpunkt, zu dem Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch beantragt worden seien. Zudem stellte die Klägerin am 16. Dezember 2015 einen als „Folgeantrag auf Leistungen“ bezeichneten Antrag nunmehr ausdrücklich hinsichtlich der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch für die Zeit nach dem 31. Dezember 2015 (eLA Bl. 44 ff.). Der Beklagte forderte nachfolgend zunächst mit Schreiben vom 28. Dezember 2015 noch Unterlagen zu den beantragten Leistungen an; zudem zeichnete die Klägerin im Rahmen einer Vorsprache beim Beklagten am 8. Januar 2016 eine „Checkliste mit Fragen zur Ermittlung des rechtmäßigen Aufenthalts von Ausländern“, auf der unter anderem eingetragen ist, sie sei erwerbsfähig und halte sich zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland auf (eLA Bl. 75 ff).
Der Beklagte – als Jobcenter – lehnte daraufhin durch Bescheid vom 8. Januar 2016 (eLA Bl. 80 f.), der als Betreff „Ihr Antrag vom 31.07.2015 auf Leistungen nach dem SGB II“ aufführt, den Antrag der Klägerin ab. Diese unterliege dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, da sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe.
Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 13. Januar 2016 (eLA Bl. 125) legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid ein. Sie sei nicht ausschließlich zur Arbeitsuche eingereist, sondern hierher zu ihren Kindern geflüchtet. In einer eidesstattlichen Versicherung führte sie weiter aus, sie habe bei der Vorsprache am 8. Januar 2016 gesagt, sie sei in Bulgarien geschlagen worden und deshalb hierher zu ihren Kindern geflüchtet. Alle vier Kinder lebten hier, sie habe niemanden in Bulgarien. Sie habe nicht gesagt, dass sie nur zur Arbeitsuche hierher gekommen sei. Auf eLA Bl. 136 wird Bezug genommen.
Durch Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2016 wies der Beklagte zunächst – als Sozialhilfeträger – den Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. August 2015 zurück. Grundsätzlich sei die Klägerin dem Leistungssystem der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuzuordnen. Die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch komme auch nicht im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei einem Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Betracht, da der Aufenthalt der Klägerin im Inland nicht verfestigt sei. Auf eLA Bl. 146 ff. wird Bezug genommen.
Anschließend wies der Beklagte – als Jobcenter – durch Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2016 auch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 8. Januar 2016 zurück. Er hielt daran fest, dass ein Aufenthaltsrecht der Klägerin im Bundesgebiet sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Sie sei daher vom Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ausgeschlossen. Auf eLA Bl. 152 ff. wird verwiesen.
Gegen die Ablehnung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende hat die Klägerin am 1. März 2016 die hiesige Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben.
Während des Verfahrens hat sie am 14. April 2016 – zusammen mit ihrem Sohn E. C. – beim Beklagten einen Folgeantrag (eLA Bl. 189 ff.) auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch für die Zeit ab dem 1. Mai 2016 gestellt, den der Beklagte durch Bescheid vom 5. August 2016 (eLA Bl. 292 ff.) wiederum abgelehnt hat. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 6. September 2016, eLA Bl. 314 ff.) haben die Beteiligten deswegen einen Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Darmstadt unter dem Aktenzeichen S 24 AS 1043/16 geführt.
Die Klägerin hat zudem wiederholt Anträge auf Vorschusszahlung gestellt und auch deswegen ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Darmstadt – S 24 AS 773/16 – eingeleitet, das durch klagabweisenden Gerichtsbescheid vom 8. Juni 2018 geendet hat.
Schließlich hat die Klägerin – nachdem sie bereits zuvor Leistungs- und Untätigkeitsklage erhoben hatte, die unter dem Aktenzeichen S 28 SO 13/16 beim Sozialgericht Darmstadt geführt worden war – parallel zum hiesigen Verfahren auch Klage gegen die Ablehnung von Sozialhilfe erhoben, wobei sie bei Klageerhebung insbesondere beantragt hatte, den Bescheid vom 5. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2016 aufzuheben und den Beklagten – dort als Sozialhilfeträger – zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch in gesetzlicher Höhe nebst Zinsen ab 1. August 2015 zu zahlen. Im entsprechenden Verfahren S 28 SO 49/16 hat das Sozialgericht den Beklagten durch Urteil vom 8. November 2017 zur Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 27. Juni 2016 verurteilt; im Übrigen hat es die Klage, die in der mündlichen Verhandlung auf Leistungen für die Zeit vom 28. Juli 2015 bis 27. Juni 2016 erstreckt worden war, in der Sache abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 64 ff. der Akte zum genannten Verfahren Bezug genommen. Das Urteil ist rechtskräftig, nachdem der Beklagte die von ihm eingelegte Berufung am 28. April 2021 zurückgenommen hat. Der Beklagte hat unter dem 13. Juli 2021 einen entsprechenden Umsetzungsbescheid erteilt und nachfolgend durch Bescheid vom 20. Dezember 2021 Hilfe zum Lebensunterhalt auch für den anschließenden Zeitraum vom 28. Juni 2016 bis zum 31. Oktober 2016 bewilligt.
Im hiesigen Verfahren hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte – wobei die Klägerin zwischenzeitlich dem Beklagten gegenüber erklärt hatte, dieser das Mandat zu entziehen (eLA Bl. 356), ihr dann aber unter dem 17. März 2017 erneut Vollmacht erteilt hatte (eLA Bl. 438) – zur Begründung insbesondere geltend gemacht, der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II greife nicht ein. Sie sei nicht nur zur Arbeitsuche nach Deutschland gekommen; die entsprechende Unterstellung durch den Beklagten sei rechts- und amtspflichtwidrig. Ihr Aufenthaltsrecht als Mutter und Oma, die bei den Kindern und Enkeln in der Nähe sein wolle, könne nicht ernsthaft geleugnet werden („Art. 6 GG, EMRK, Familienschutz etc“).
Die anwaltliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat für diese erstinstanzlich beantragt,
„den Bescheid des Beklagten vom 08.01.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2016 aufzuheben,
den Beklagten zu verurteilen der Klägerin Leistungen nach SGB II in gesetzlicher Höhe zu zahlen nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz,
festzustellen, dass der Beklagte rechtswidrig total nichts zahlt,
den Beklagten zu verpflichten sofort den beantragten Vorschuss zu zahlen hilfsweise als Darlehen bis zur Klärung der Sache,
den Beklagten zu verurteilen der Klägerin die durch das Verhalten des Beklagten entstandenen und entstehenden Schaden zu ersetzen,
den Beklagten zu verurteilen über den Folgeantrag vom 08.12.2016 [richtig: 2015] zu entscheiden.“
Das Sozialgericht hat die Klage – nachdem das Verfahren zwischenzeitlich wegen des parallelen Rechtsstreits um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch ausgesetzt worden war – durch den angegriffenen Gerichtsbescheid vom 4. März 2022 als teilweise bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet abgewiesen.
Unzulässig sei zum einen die begehrte Feststellung, dass der Beklagte „rechtwidrig total nichts“ zahle. Diesbezüglich greife die sogenannte Subsidiarität der Feststellungsklage ein. Die Klägerin könne die Leistungen direkt einklagen und habe kein darüber hinausgehendes Interesse an der begehrten Feststellung.
Auch der auf einen Vorschuss beziehungsweise hilfsweise auf darlehensweise Leistungsgewährung gerichtete Leistungsantrag sei unzulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis hierfür bestehe nicht, nachdem im vorliegenden Klageverfahren sogleich über die endgültige Leistungsgewährung entschieden werde.
Gleichfalls unzulässig sei der auf Schadensersatz gerichtete Leistungsantrag. Es fehle diesbezüglich an einer Klagebefugnis. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten erscheine offensichtlich ausgeschlossen. Soweit die Klägerin Schadensersatz wegen der Verletzung von Amtspflichten durch Mitarbeiter des Beklagten geltend machen wollte, müsste sie sich zudem an die hierfür zuständige Zivilgerichtsbarkeit wenden.
Ebenfalls unzulässig sei schließlich der auf Verbescheidung des Folgeantrags vom 8. Dezember 2015 gerichtete Antrag. Eine Untätigkeit des Beklagten liege offensichtlich nicht vor. Denn durch den angefochtenen Bescheid vom 8. Januar 2016 sei die Leistungsgewährung bis zu diesem Zeitpunkt insgesamt abgelehnt worden. Der Bescheid habe von seinem Regelungsgehalt auch den am 8. Dezember 2015 gestellten Folgeantrag umfasst. Dies folge zwar nicht ausdrücklich aus dem Verfügungssatz, der nur auf den vorherigen Antrag Bezug genommen habe, ergebe sich aber aus der zeitlichen Abfolge der Anträge und des Bescheides sowie dem Ablehnungsgrund. Eine weitere Ablehnung des Folgeantrags sei aus Sicht eines objektiven Empfängers an Stelle der Klägerin nicht zu erwarten und wäre auch inhaltlich überflüssig gewesen.
Im Übrigen – also bezüglich der Anfechtung des Bescheides vom 8. Januar 2016 und des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2016 sowie der begehrten Verurteilung zu Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch nebst Zinsen – sei die Klage zwar zulässig, aber unbegründet. Die genannten Bescheide seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese habe keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Streitgegenstand des Rechtsstreits seien insofern lediglich die Leistungen im Zeitraum vom 1. Juli 2015 bis zum 30. April 2016. Die Klägerin habe für den Zeitraum ab dem 1. Mai 2016 einen Folgeantrag gestellt, über den durch separate Bescheide entschieden worden sei.
Ausgenommen von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch seien nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der hier maßgeblichen alten Fassung Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe, und ihre Familienangehörigen. Die Klägerin habe in der Zeit vom 1. Juli 2015 bis zum 30. April 2016 lediglich über ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zur Arbeitsuche verfügt. Insbesondere habe sich im genannten Zeitraum kein Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU –) ergeben. Auch habe sie kein Freizügigkeitsrecht von ihren bereits in Deutschland lebenden Familienangehörigen ableiten können (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU), da sie die Definition einer Familienangehörigen nach § 3 Abs. 2 FreizügG/EU a.F. nicht erfüllt habe. Denn sie sei zwar Verwandte in gerader aufsteigender Linie, habe von ihren Kindern oder Enkelkindern jedoch weder in Bulgarien noch in Deutschland nennenswerte Unterhaltszuwendungen erhalten. Laut Vortrag der Prozessbevollmächtigten habe sich die Unterstützung ihrer Verwandten hier im Bundesgebiet auf die Zurverfügungstellung von Naturalien beschränkt, da diese selbst kein Geld gehabt hätten, mit dem sie die Klägerin hätten unterstützen können. In Bulgarien habe die Klägerin offenbar von ihrer dortigen Rente gelebt. Auch sonstige Aufenthaltsrechte der Klägerin aus dem allgemeinen Aufenthaltsrecht, Art. 6 Grundgesetz – GG – (Schutz von Ehe und Familie) sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention seien nicht ersichtlich.
Eine Beiladung des Sozialhilfeträgers sei vorliegend entbehrlich gewesen. Denn dieser komme nicht als leistungspflichtig in Betracht. Durch Urteil des Sozialgerichts vom 8. November 2017 im Rechtsstreit S 28 SO 49/16 sei ein Leistungsanspruch nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch für den Zeitraum vom 28. Juli 2015 bis zum 31. Dezember 2015 rechtskräftig abgelehnt worden. Für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2016 seien der Klägerin hingegen solche Leistungen zuerkannt worden. Lediglich für den streitigen Zeitraum vom 1. Juli bis zum 27. Juli 2015 könnten daher ohne Verletzung der materiellen Rechtskraft überhaupt noch SGB XII–Leistungen gewährt werden. Jedoch scheide ein solcher Anspruch sowohl aus den in der Entscheidung genannten Gründen als auch aufgrund des im Sozialhilferecht geltenden Kenntnisgrundsatzes aus, § 18 Abs. 1 SGB XII. Denn der Sozialhilfeträger habe hier gerade erst ab Antragstellung am 28. Juli 2015 Kenntnis von einer bei der Klägerin bestehenden Notlage gehabt.
Nach Zustellung des Gerichtsbescheides – wobei die Prozessbevollmächtigte der Klägerin das zugehörige Empfangsbekenntnis unter dem 17. März 2022 abgegeben hat – hat die Klägerin mit Eingang am 12. April 2022 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Das Vorgehen des Beklagten sei offenkundig willkürlich und grundrechtswidrig gewesen.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt für diese,
„den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 04.03.2022 Az.: S 21 AS 871/18 aufzuheben,
den Bescheid des Beklagten vom 08.01.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2016 aufzuheben,
den Beklagten zu verurteilen der Klägerin Leistungen nach SGB II in gesetzlicher Höhe zu zahlen soweit nicht geschehen,
festzustellen, dass der Beklagte rechtswidrig total nichts zahlt,
den Beklagten zu verpflichten sofort den beantragten Vorschuss zu zahlen, hilfsweise als Darlehen bis zur Klärung der Sache,
die Kosten des Vorveverfahrens dem Beklagten aufzuerlegen,
den Beklagten zu verurteilen der Klägerin die durch das rechtswidrige Verhalten des Beklagten entstandenen und entstehenden Schaden zu ersetzen,
den Beklagten zu verurteilen über den Folgeantrag vom 08.12.2016 [richtig: 2015] zu entscheiden.
Die Kosten beider Instanzen trägt der Beklagte.“
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid sowie seine Bescheide.
Der Senat hat die Berufung durch Beschluss vom 31. Mai 2022 gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Berichterstatter übertragen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowohl zum hiesigen wie zum Verfahren vor dem Sozialgericht Darmstadt – S 28 SO 49/16 – beziehungsweise dem Hessischen Landessozialgericht – L 4 SO 234/17 – und die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowohl zu Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch wie zu Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 4. März 2022 ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Namentlich steht der Klägerin ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch im streitigen Zeitraum nicht zu. Auch mit dem im Wege der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz in das Verfahren eingebrachten Begehren kann die Klägerin keinen Erfolg haben.
I. 1. Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung vom 24. August 2022 verhandeln und auf dieser Grundlage entscheiden, obwohl die Klägerin weder persönlich anwesend noch durch ihre anwaltliche Prozessbevollmächtigte (oder sonst) vertreten war. Diese und auch die Antragstellerin selbst waren durch gerichtliche Schreiben vom 28. Juli 2022 ordnungsgemäß über den Termin informiert und darüber belehrt worden, dass auch im Falle ihres Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden könne. Die Prozessbevollmächtigte hat zu diesem Schreiben zwar erst unter dem 19. August 2022 ein Empfangsbekenntnis abgegeben, allerdings bereits unter dem 10. August 2022 einen Verlegungsantrag gestellt, was den rechtzeitigen Zugang des Ladungsschreibens (sogar mit Blick auf die Regelfrist von zwei Wochen aus § 110 Abs. 1 Satz 1 SGG, umso mehr mit Blick auf die Mindestfrist aus § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 217 Zivilprozessordnung – ZPO –) belegt.
Dem Verlegungsantrag der Prozessbevollmächtigten war nicht zu entsprechen: Diese hat eine urlaubsbedingte Verhinderung zwar geltend gemacht; sie hat diese jedoch trotz entsprechender Aufforderung des Gerichts nicht, auch nicht durch anwaltliche Versicherung, glaubhaft gemacht. Der Verlegungsantrag ist daher mit Schreiben des Berichterstatters vom 22. August 2022 abgelehnt worden, da die Verlegung eines Termins nur bei Vorliegen erheblicher Gründe möglich ist (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO). Diese sind, wenn das Gericht dies – wie hier durch das Schreiben vom 16. August 2022 – verlangt, glaubhaft zu machen (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO). Zur Glaubhaftmachung kann sich der Betroffene aller Beweismittel bedienen und auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO). In diesem Rahmen genügt gegebenenfalls eine anwaltliche Versicherung, nicht aber ein einfaches anwaltliches Schreiben (vgl. zu den Anforderungen an eine anwaltliche Versicherung BGH, Beschluss vom 5. Juli 2017 – XII ZB 463/16 –, NJW-RR 2017, 1266).
Das ist hier nicht geschehen, so dass der Verlegungsantrag schon aus diesem Grunde abzulehnen war und dahinstehen kann, ob die vorgetragene Schließung der Kanzlei ohne näheren Vortrag zu einer Ortsabwesenheit oder einem sonstigen konkreten Verhinderungsgrund als erheblich im Sinne von § 202 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 227 Abs. 1 ZPO angesehen werden könnte.
2. Der Senat konnte in der Besetzung mit dem Berichterstatter und den beiden ehrenamtlichen Richtern entscheiden, nachdem die Berufung durch Beschluss vom 31. Mai 2022 gemäß § 153 Abs. 5 SGG auf den Berichterstatter übertragen worden war.
3. RiLSG Kallert war an der Mitwirkung nicht gehindert, nachdem der Senat das gegen ihn gerichtete Befangenheitsgesuch aus dem Schriftsatz der Bevollmächtigten der Klägerin vom 19. August 2022 durch Beschluss vom 23. August 2022 abgelehnt hat.
II. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind – neben dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 4. März 2022 – zunächst die bereits erstinstanzlich verfolgten Begehren der Klägerin und damit insbesondere die Gewährung existenzsichernder laufender Leistungen zum Lebensunterhalt.
1. Das Sozialgericht hat insoweit den streitigen Zeitraum zutreffend bestimmt: Namentlich ist es zu Recht davon ausgegangen, dass – gerade aus dem insoweit maßgeblichen Empfängerhorizont – der Beklagte mit dem angegriffenen Bescheid vom 8. Januar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2016 nicht nur den Antrag vom 28. Juli 2015, sondern auch den zwischenzeitlich gestellten weiteren Antrag vom 16. Dezember 2015 abgelehnt hat. Zwar führt der Verfügungssatz des Bescheides nur den Antrag aus dem Juli 2015 auf; aus dem objektiven Empfängerhorizont der Klägerin als Adressatin war der Bescheid dennoch so zu verstehen, dass der Beklagte ihr bis dahin angebrachtes Begehren umfassend – und damit auch, soweit sie es mit dem Antrag vom 16. Dezember 2015 (erneut) geltend gemacht hatte – ablehnen wollte. Mit Blick auf den Streitgegenstand des hiesigen Verfahrens hat dies zur Konsequenz, dass die üblicherweise mit einer erneuten Antragstellung verbundene Zäsurwirkung durch den Antrag vom 16. Dezember 2015 nicht eintrat; vielmehr kam erst dem nach Bescheiderteilung gestellten weiteren Antrag vom 14. April 2016 für die Zeit ab 1. Mai 2016 Zäsurwirkung zu. Das Sozialgericht hat den im Verfahren streitigen Zeitraum daher zutreffend bestimmt: Er begann auf Grund der Rückwirkung des ersten Antrags auf der Grundlage von § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II mit dem 1. Juli 2015 und endeten mit dem 30. April 2016.
2. Eine Beiladung des Sozialhilfeträgers zum hiesigen Verfahren war nicht notwendig, auch wenn es der Klägerin um existenzsichernde Leistungen zum Lebensunterhalt geht, so dass der Senat grundsätzlich auch Ansprüche auf Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in den Blick zu nehmen hat.
Der Senat lässt offen, ob vorliegend eine Beiladung schon deswegen entbehrlich ist, weil der am Verfahren als Beklagter beteiligte Odenwaldkreis als zugelassener kommunaler Träger nach § 6b SGB II („Optionskommune“) sowohl für die Grundsicherung für Arbeitsuchende als auch (nach § 97 Abs. 1 SGB XII) für die Sozialhilfe zuständig ist. Er könnte daher nach Auffassung des Senats, ohne dass es einer Beiladung bedürfte, auch zur Erbringung von Sozialhilfeleistungen verurteilt werden, so dass fraglich erscheint, ob – vor dem Hintergrund des Rechtsträgerprinzips – Raum und Notwendigkeit für eine Beiladung besteht.
Das kann hier jedoch offenbleiben: Für den Zeitraum vom 28. Juli 2015 bis zum 27. Juni 2016 und damit über den hier streitigen Zeitraum hinaus hat das Sozialgericht Darmstadt im Verfahren S 28 SO 49/16 durch das nach Berufungsrücknahme durch den Beklagten rechtskräftige Urteil vom 8. November 2017 bindend entschieden. Für die Zeit bis zum 27. Juli 2015 kommt ein Anspruch der Klägerin auf Sozialhilfe wegen des sogenannten Kenntnisgrundsatzes (§ 18 SGB XII) von vornherein nicht in Betracht: Die Sozialhilfe setzt nach § 18 Abs. 1 SGB XII regelmäßig (erst) ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen. Gegebenenfalls genügt nach § 18 Abs. 2 SGB XII die Kenntnis eines unzuständigen Trägers oder einer Gemeinde. Eine Rückwirkung auf den Monatsersten, wie dies für die Anträge auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende vorgesehen ist (§ 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II), kennt das Sozialhilferecht dagegen nicht. Eine Verurteilung des Beklagten zu (weiteren) Sozialhilfeleistungen scheidet damit offensichtlich aus; eine Beiladung nach § 75 Abs. 2 Alt. 2 SGG ist vor diesem Hintergrund, selbst wenn man sie grundsätzlich im Falle von Optionskommunen für notwendig erachtet, nicht veranlasst (vgl. nur BSG, Urteil vom 20. September 2012 – B 8 SO 13/11 R –, BSGE 112, 61, Rn. 11; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 75, Rn. 12).
3. Neben dem durch Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, § 56 SGG) verfolgten Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den genannten Zeitraum und dem hierzu gestellten Zinsantrag sind – wie bereits erstinstanzlich – der von der Klägerin formulierte Feststellungsantrag sowie der Antrag auf Zahlung eines Vorschusses (hilfsweie in Form eines Darlehens) Gegenstand des Verfahrens. Hinzu kommt die Untätigkeitsklage wegen der Bescheidung des Antrags vom 8. Dezember 2015 sowie die Klage auf Schadensersatz. Dabei hat der Senat den beschrittenen Rechtsweg nicht mehr zu prüfen (§ 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG –). Obwohl für den Schadensersatzanspruch als Rechtsgrundlage nur der sogenannte Amtshaftungsanspruch (§ 839 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –) in Betracht kommen dürfte und dieser durch Art. 34 Satz 3 Grundgesetz – GG – den ordentlichen Gerichten zugewiesen ist, hat vor diesem Hintergrund eine Verweisung nicht zu erfolgen.
4. Schließlich hat die Klägerin im Berufungsverfahren einen auf die Erstattung der Vorverfahrenskosten gerichteten Antrag gestellt. Bei diesem soll es sich – wie in einer Vielzahl weiterer Verfahren, die von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin geführt wurden – erkennbar um einen selbständig zur Hauptsache formulierten Antrag handeln. Daher ist, da dieser Antrag nicht bereits erstinstanzlich gestellt war, von einer Klageerweiterung im Berufungsverfahren auszugehen. Da der Beklagte sich auf diesen Antrag rügelos eingelassen hat, ist die grundsätzlich auch in der Berufungsinstanz mögliche Klageerweiterung als solche (und daher ohne Präjudiz für die Zulässigkeit des neu geltend gemachten Klagebegehrens) zulässig (§ 99 Abs. 1 Alt. 1, Abs. 2 SGG). Der Senat geht in diesem Zusammenhang zwar im Regelfall davon aus, dass eine rügelose Einlassung nicht bereits dann vorliegt, wenn der Beklagte allein einen auf „die Berufung“ bezogenen Antrag formuliert und sich auf die Verteidigung der angegriffenen Entscheidung beschränkt oder sich sein Vorbringen eindeutig nur auf die Begehren bezieht, die bereits in erster Instanz Gegenstand des Verfahrens waren (vgl. Hessisches LSG – erkennender Senat –, Urteil vom 11. März 2020 – L 6 AS 471/19 –, juris, Rn. 46). Anderes muss aber dann gelten, wenn – wie hier – der Beklagte, nachdem die Klageerweiterung im Sachbericht in der mündlichen Verhandlung thematisiert worden war, einen Antrag auf Berufungszurückweisung stellt, ohne dabei deutlich zu machen, dass sich der Antrag nicht (oder nur vorsorglich für den Fall, dass das Gericht trotz Rüge von der Zulässigkeit der Klageerweiterung ausgehen sollte) auch auf das neu in das Verfahren eingebrachte Begehren beziehen soll. Ohne entsprechenden Vorbehalt ist davon auszugehen, dass der Beklagte insgesamt einen auf die Verneinung der geltend gemachten Begehren gerichteten Antrag stellen will; darin liegt gegebenenfalls eine Einlassung zu einem neu im Berufungsverfahren anhängig gemachten Begehren.
III. Die Berufung ist zulässig, insbesondere angesichts der Höhe der streitigen Leistungen von Gesetzes wegen statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 SGG). Insoweit mögen zwar Zweifel bestehen, ob das auf den 17. März 2022 datierte Empfangsbekenntnis zu dem nach Aktenlage am 9. März 2022 versandten Gerichtsbescheid, dessen Eingang der Beklagte auch an diesem Tag bestätigt hat, von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin unverzüglich zurückgegeben worden ist. Da aber auch dem elektronischen Empfangsbekenntnis ein so genanntes voluntatives Element innewohnt, hat dies vorliegend auf sich zu beruhen.
IV. Die Berufung kann in der Sache keinen Erfolg haben.
1. Die Klage wegen des auf die Gewährung von Grundsicherungsleistungen gerichteten Begehrens hat das Sozialgericht mit zutreffenden Gründen abgewiesen.
Das Sozialgericht hat insoweit auch zu Recht in der Sache entschieden. Es spricht zwar einiges dafür, dass bereits in dem Rechtsstreit S 28 SO 49/16 auch über die hier streitigen Ansprüche hätte entschieden werden müssen. Tatsächlich ist dies jedoch nicht geschehen. Dem hiesigen Klagebegehren stand daher die Rechtskraft der Entscheidung im genannten Verfahren nicht entgegen.
Inhaltlich nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die angegriffene Entscheidung Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Berufungsvorbringen gibt zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass. Namentlich folgt aus dem Umstand, dass die Klägerin geltend macht, zu ihren Kindern nachgezogen zu sein, entgegen ihrer Auffassung nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsrecht. Dies wird von ihrer Bevollmächtigten auch nur behauptet; Rechtsnormen, auf die sich die Behauptung stützen ließe, werden von ihr nicht angeführt.
Der Klägerin stand damit, wenn überhaupt, allein ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche zu, so dass sie nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der im Streitzeitraum geltenden Fassung, die vorliegend auf der Grundlage des sogenannten Geltungszeitraumprinzips weiter anzuwenden ist, von Leistugnen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen war. Dieser Ausschlussgrunde griffe im Übrigen auf Grund eines sogenannten Erst-Recht-Schlusses auch ein, wenn es an einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung gänzlich gefehlt haben sollte (vgl. nur BSG, Urteil vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R –, BSGE 124, 81, Rn. 22 und BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 18/17 R –, juris, Rn. 17). Der Senat hatte daher keinen Anlass, der Frage nachzugehen, ob sich die Klägerin tatsächlich zur Arbeitsuche hier aufhielt – was eher fernliegt, nachdem sie bei Antragstellung zunächst auf eine vermeintliche eingeschränkte Leistugnsfähigkeit hingewiesen hatte.
Der Senat sieht auch keinen Anlass, den Rechtsstreit auszusetzen und diesen zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit und Europarechtskonformität von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung dem Bundesverfassungsgericht beziehungsweise dem Europäischen Gerictshof vorzulegen (vgl. zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das von der Europarechts- und Verfassungsmäßigkeit von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. in ständiger Rechtsprechung ausgeht, BSG, Urteil vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R –, BSGE 124, 81 und jüngst BSG, Urteil vom 18. Mai 2022 – B 7/14 AS 27/21 R –, juris, Rn. 22). Vorliegend kommen mit Rücksicht auf das sogenannte Geltungszeitraumsprinzip die Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I 3155) noch nicht zur Anwendung. Bis zum Inkrafttreten der durch dieses Gesetz bewirkten Neuregelungen am 29. Dezember 2016 konnte ein durch § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossener Ausländer regelmäßig Sozialhilfeleistungen erhalten, die mit Blick auf das Grundrecht auf Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG als gleichwertig anzusehen sind (vgl. zum Zugang zu Sozialhilfeleistungen für viele BSG, Urteil vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R –, BSGE 124, 81, Rn. 29 ff.). Zwar ist das Bundessozialgericht im Regelfall erst nach Ablauf eines Zeitraums von sechs Monaten nach der Einreise von eine Aufenthaltsverfestigung und damit einer Reduzierung des in § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII a.F. hinsichtlich der Gewährung von Sozialhilfeleistungen vorgesehenen Ermessens auf Null ausgegangen. Soweit dies zur Abwendung einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Einschränkung des Grundrechts auf Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums geboten sein sollte, könnte hierüber jedoch hinausgegangen und auf diese Weise eine verfassungswidrige Situation abgewendet werden. Dass im konkreten Fall sozialhilferechtliche Ansprüche wegen der Rechtskraft der Entscheidung des Sozialgerichts Darmstadt im Verfahren S 28 SO 49/16 nicht zu prüfen beziehungsweise wegen des Kenntnisnahmegrundsatzes ausgeschlossen sind, hat auf die verfassungsrechtliche Bewertung keinen Einfluss. Es kommt danach gar nicht mehr darauf an, dass das Bundessozialgericht jüngst eine Verweisung von Ausländerinnen und Ausländern auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen in ihrem Herkunftsstaat für verfassungsrechtlich zulässig erachtet hat (BSG, Urteil vom 29. März 2022 – B 4 AS 2/21 R –, juris, Rn. 34 ff.).
2. Die Klage wegen des ergänzend zu dem Leistungsbegehren geltend gemachten Zinsanspruchs war allerdings unzulässig. Das sozialgerichtliche Verfahrensrecht kennt einen Anspruch auf Prozesszinsen nicht. Eine Verzinsung des Leistungsanspruchs käme daher nur auf der Grundlage von § 44 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) in Betracht. Über diesen Anspruch hat zunächst der zuständige Leistungsträger durch Verwaltungsakt zu entscheiden, bevor dieser gerichtlich geltend gemacht werden kann. Da ein entsprechender Bescheid nicht vorliegt, ist das insoweit als reine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) einzuordnende Begehren unzulässig.
3. Den Antrag „festzustellen, dass der Beklagte rechtswidrig total nichts zahlt“, hat das Sozialgericht angesichts der Subsidiarität der Feststellungsklage zu Recht als unzulässig angesehen. Abgesehen davon, dass der Antrag in seiner gerade für ein anwaltliches Schreiben sehr ungewöhnlichen Diktion nicht hinreichend bestimmt ist, vermag daran auch die Behauptung, das Verhalten des Beklagten sei „offenkundig willkürlich und grundrechtswidrig“, nichts zu ändern.
4. Auch den Vorschussantrag (auch in Form des hilfsweise geltend gemachten Darlehensanspruchs, der im Übrigen aber für Vorschüsse regelhaft nicht vorgesehen ist) hat das Sozialgericht mit zutreffenden Gründen, auf die der Senat Bezug nimmt, als unzulässig angesehen. Nur ergänzend ist daher darauf hinzuweisen, dass die Vorschussvoraussetzungen aus § 42 Abs. 1 SGB I nicht vorlagen, da der Klägerin ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im streitigen Zeitraum bereits dem Grunde nach nicht zustand.
5. Angesichts der bindenden verfassungsrechtlichen Zuweisung des Schadensersatzanspruches aus Amtspflichtverletzung an die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Art. 34 Satz 3 GG) kann der Senat über den Amtshaftungsanspruch in der Sache nicht entscheiden, auch wenn es den Rechtsweg nicht mehr zu prüfen hat (vgl. nur Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 42. Aufl. 2021, § 17 GVG Rn. 11). Eine andere Anspruchsgrundlage, die einen Schadensersatzanspruch tragen könnte, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen ist bereits nicht erkennbar, dass der Klägerin ein ersatzfähiger Schaden entstanden sein könnte.
6. Auch die Untätigkeitsklage wegen der Bescheidung des Antrags vom 8. Dezember 2015 kann keinen Erfolg haben. Der Beklagte hat, wie oben und auch bereits durch das Sozialgericht ausgeführt, durch den streitigen Bescheid vom 8. Januar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2016 nach der gebotenen Auslegung des Bescheides aus dem Empfängerhorizont das Leistungsbegehren umfassend und damit auch, soweit es die Klägerin durch den Antrag vom 8. Dezember 2015 (erneut) geltend gemachte hatte, abgelehnt. Auch wenn er dabei den Antrag vom 8. Dezember 2015 im Verfügungssatz nicht ausdrücklich benannt hat, hat er mit dem Ablehnungsbescheid daher auch über diesen entschieden, so dass er nicht zu einer (erneuten) Bescheidung zu verpflichten ist.
IV. Auch mit ihrem im Wege der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz neu (zur Hauptsache) in das Verfahren eingeführten Antrag auf Erstattung der Vorverfahrenskosten kann die Klägerin nicht durchdringen.
Der Senat hat über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Vorverfahrenskosten einheitlich im Rahmen der Kostenentscheidung zu befinden; ein gesondert zur Hauptsache gestellter Antrag ist daneben unzulässig (vgl. hierzu für viele Hessisches LSG – erkennender Senat –, Urteil vom 11. März 2020 – L 6 AS 471/19 –, juris, Rn. 79).
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache. Ein Grund, den Beklagten unter Veranlassungsgesichtspunkten zu einer auch nur anteiligen Übernahme der Rechtsverfolgungskosten der Klägerin zu verpflichten, ist nicht erkennbar.
VI. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Revisionszulassungsgründe vorliegt.