1. Die Kodierung von Prozeduren knüpft nach den Deutschen Kodierrichtlinien an den vom jeweiligen OPS-Kode definierten Eingriff an und nicht an das mit der Behandlung verfolgte Ziel.
2. Nach den Deutschen Kodierrichtlinien für 2016 ist eine Behandlungsmaßnahme Komponente einer Prozedur und nicht eigenständig zu kodieren, wenn sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst regelhafter Bestandteil der Prozedur ist und Sonderregelungen nicht eingreifen.
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. März 2022 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1414,71 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
I
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Die Beteiligten streiten um die Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung.
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Das Krankenhaus der Klägerin behandelte im Jahr 2016 einen Versicherten der beklagten Krankenkasse (KK) vollstationär. Zur Verbesserung der Nasenatmung begradigten die Ärzte die Nasenscheidewand (Septumplastik), entfernten einen Teil des in die Nasenhöhle ragenden Oberkieferknochens (endoskopische posteriore partielle Maxillektomie), verkleinerten beidseits die untere Nasenmuschel (Turbinoplastik der unteren Nasenmuscheln beidseits) und verlagerten diese (Nasenmuschellateralisation beidseits). Das Krankenhaus kodierte bei der Abrechnung ua die Prozeduren OPS (Operationen- und Prozedurenschlüssel) 5‑214.6 (Plastische Korrektur des Nasenseptums mit Resektion), 5‑215.2, 5‑215.4 (Operationen an der unteren Nasenmuschel, Konchektomie und Lateralisation) und 5‑771.10 (Resektion eines Gesichtsschädelknochens, partielle Maxilla, ohne Rekonstruktion). Nach Einholung eines Gutachtens beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) verrechnete die KK einen Teilbetrag (1414,71 Euro) der zuvor vollständig beglichenen Vergütungsforderung mit anderen, für sich genommen unstreitigen Forderungen des Krankenhauses. Die Teilresektion des Knochens sei integraler Bestandteil des OPS 5‑214.6 und als Prozedurenkomponente nicht gesondert zu kodieren. Das SG hat die auf Zahlung des Differenzbetrages gerichtete Klage des Krankenhauses abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 4.1.2021). Das LSG hat die SG-Entscheidung aufgehoben und die KK zur Zahlung verurteilt: Das Krankenhaus habe für die partielle Maxillektomie OPS 5‑771.10 kodieren dürfen. Nach den ärztlichen Stellungnahmen sei die Abtragung des Knochensporns nicht zwingender Bestandteil der Operation an der unteren Nasenmuschel. Es handele sich daher um eine eigenständige Prozedur und nicht lediglich um die Komponente einer anderen Prozedur (Urteil vom 22.3.2022).
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Mit ihrer Revision rügt die KK die Verletzung der Deutschen Kodierrichtlinien für 2016 (DKR) P001f und P003d sowie der OPS-Kodes 5‑214.6, 5‑215.2, 5‑215.4 und 5‑771.10. Die partielle Knochenentfernung sei nur Teil eines Gesamteingriffs und von Anfang an als Bestandteil der durchgeführten Nasenscheidewandkorrektur geplant gewesen.
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Die Beklagte beantragt, |
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das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. März 2022 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 4. Januar 2021 zurückzuweisen, |
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hilfsweise, |
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das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. März 2022 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen. |
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Die Klägerin beantragt, |
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die Revision zurückzuweisen. |
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Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
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Die Revision ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zu Recht hat das LSG den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die KK zur Zahlung verurteilt.
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Die vom klagenden Krankenhaus erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (vgl zB BSG vom 16.12.2008 ‑ B 1 KN 1/07 KR R ‑ BSGE 102, 172 = SozR 4‑2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN, stRspr) und begründet. Dem Krankenhaus steht der noch nicht beglichene unstreitige Vergütungsanspruch für andere Behandlungen zu. Er ist durch die Aufrechnung der KK nicht erloschen. Die beklagte KK zahlte die Vergütung für die hier in der Sache streitige Behandlung nicht ohne Rechtsgrund und konnte daher nicht wirksam mit einem Erstattungsanspruch gegen den mit der Klage geltend gemachten unstreitigen Vergütungsanspruch aufrechnen (vgl zu Vergütungsansprüchen bei unstrittiger Berechnungsweise BSG vom 26.5.2020 ‑ B 1 KR 26/18 R ‑ juris RdNr 11 mwN; zur Aufrechnung BSG vom 25.10.2016 ‑ B 1 KR 9/16 R ‑ SozR 4‑5562 § 11 Nr 2 und BSG vom 25.10.2016 ‑ B 1 KR 7/16 R ‑ SozR 4‑7610 § 366 Nr 1).
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Dem Krankenhaus stand für den streitigen Behandlungsfall ein Vergütungsanspruch zu (dazu 1.). Zutreffend hat das LSG entschieden, dass das Krankenhaus für die durchgeführte Abtragung des Knochensporns am Kieferknochen (partielle Maxillektomie) OPS 5‑771.10 kodieren durfte. Die Voraussetzungen dieses Kodes sind erfüllt. Die partielle Maxillektomie wurde als eigenständige Prozedur durchgeführt, nicht lediglich als Komponente einer anderen Prozedur. Auch sonst stehen der Kodierung von OPS 5‑771.10 keine Ausschlussregelungen entgegen (dazu 2.).
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1. Dem Krankenhaus stand für den streitigen Behandlungsfall ein Vergütungsanspruch nach Maßgabe der abgerechneten Fallpauschale (DRG) gemäß § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm § 17b KHG, § 7 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und § 9 Abs 1 KHEntgG zu (vgl zu den Grundvoraussetzungen des Vergütungsanspruchs zB BSG vom 8.11.2011 ‑ B 1 KR 8/11 R ‑ BSGE 109, 236 = SozR 4‑5560 § 17b Nr 2, RdNr 13, 15 mwN).
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Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm (Grouper) basiert (vgl § 1 Abs 6 Satz 1 der Fallpauschalenvereinbarung 2016; vgl für die stRspr zum rechtlichen Rahmen der Klassifikationssysteme und des Groupierungsvorgangs: BSG vom 19.6.2018 ‑ B 1 KR 39/17 R ‑ SozR 4‑5562 § 9 Nr 10 RdNr 13 und 17 mwN). Dieser Grouper greift auf Daten zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu Letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR (hier Version 2016) für das G-DRG-System gemäß § 17b KHG, aber auch die Klassifikation des vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ‑ bzw jetzt Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ‑ im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen OPS (hier OPS Version 2016).
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Abrechnungsbestimmungen sind wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und allenfalls unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl BSG vom 22.6.2022 ‑ B 1 KR 31/21 R ‑ SozR 4‑5560 § 19 Nr 1 RdNr 12 mwN).
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2. Nach diesen Maßstäben kodierte das Krankenhaus zu Recht die durchgeführte partielle Maxillektomie mit OPS 5‑771.10. Bei der Maxillektomie handelte es sich um eine kodierfähige Prozedur. Im Zusammenhang mit einer Nasenscheidewandkorrektur und einer Verkleinerung der Nasenmuscheln ist sie als signifikante Prozedur gesondert zu verschlüsseln (dazu a). Sie ist keine unselbstständige Prozedurenkomponente (dazu b). Auch greifen keine sonstigen Ausschlussregelungen ein (dazu c).
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a) Die Kodierung von Prozeduren knüpft nach den DKR an den vom jeweiligen OPS-Kode definierten Eingriff an und nicht an das mit der Behandlung insgesamt verfolgte Ziel. Es ist weder jeder einzelne Handgriff zu kodieren noch werden alle zur Erreichung des Behandlungsziels erforderlichen Maßnahmen insgesamt in einem OPS-Kode zusammengefasst. Jeder durchgeführte Eingriff ist möglichst mit einem OPS-Kode abzubilden (Grundsatz der monokausalen Kodierung, DKR P003d). Es sind grundsätzlich "alle signifikanten Prozeduren" zu kodieren, soweit keine sonstigen Kodierregeln entgegenstehen. Nicht gesondert zu kodieren sind in der Regel Komponenten einer Prozedur (DKR P001f). Welche Behandlungsschritte Komponenten einer Prozedur sind, bestimmt sich nach den Regeln der ärztlichen Kunst für die Ausführung des jeweiligen, durch einen OPS-Kode konkret definierten Behandlungsverfahrens. Dies ist tatrichterlich zu ermitteln.
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Die partielle Maxillektomie stellt eine signifikante Prozedur im Sinne der DKR P001f dar und ist mit dem Kode 5‑771.1** im OPS abgebildet.
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b) Die hiernach gegebene Kodierfähigkeit der partiellen Maxillektomie ist im vorliegenden Behandlungskontext nicht nach DKR P001f ausgeschlossen.
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aa) Nach den DKR P001f ist eine Behandlungsmaßnahme Komponente einer Prozedur und nicht eigenständig zu kodieren, wenn sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst nur regelhafter, nicht aber zwingender Bestandteil der Prozedur ist und Sonderregelungen nicht eingreifen. Das ergibt sich aus Wortlaut und Systematik der DKR und des OPS.
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Nach dem Wortlaut der DKR P001f wird eine Prozedur "vollständig mit all ihren Komponenten" beschrieben. Prozeduren sind nach dem Wortsinn Behandlungsverfahren, dh Verfahrensweisen, die sich jeweils aus einer Mehrzahl von Verfahrensschritten oder Verfahrenselementen zusammensetzen. Welche Schritte und Elemente dies sind, richtet sich nach den Regeln der ärztlichen Kunst. Prozedurenkomponenten sind hingegen unselbstständige Bestandteile einer Prozedur. Nach dem Wortsinn ist eine Komponente ein Bestandteil eines Ganzen. Sie kann beschrieben werden als Ausschnitt, Baustein, Bestandteil, Glied, Segment oder Teilelement der medizinischen Verfahrensweise. Die Abgrenzung erfolgt jeweils bezogen auf den medizinischen Einzelfall. Nach dem Wortlaut der DKR P001f ist eine eingriffsverwandte diagnostische Maßnahme "ebenso" nicht gesondert zu kodieren, wenn sie "regelhaft Bestandteil" der Eingriffsprozedur ist. Aus dem Wort "ebenso" ergibt sich, dass dies in gleicher Weise allgemein für Prozeduren mit regelhaften Komponenten auch dann gilt, wenn die regelhaften Komponenten grundsätzlich auch als eigenständige Prozeduren kodiert werden können. Dies steht in Einklang mit der Regelung in DKR P001f, dass individuelle Komponenten ‑ also auch regelhafte Komponenten ‑ einer bereits kodierten Prozedur nicht noch einmal gesondert verschlüsselt werden. Was regelhafter Bestandteil einer im OPS benannten Prozedur ist, kann sich nur nach den Regeln der ärztlichen Kunst bestimmen, soweit Kodierregeln und der OPS ‑ wie hier (dazu c) ‑ keine ausdrücklichen Vorgaben machen.
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bb) Die hier vom Krankenhaus durchgeführte partielle Maxillektomie war eine eigenständig mit OPS 5‑771.10 zu kodierende Maßnahme und nicht nur Teil einer anderen durchgeführten Prozedur. Das Krankenhaus hat dieses Behandlungsverfahren nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und daher bindenden Feststellungen des LSG durchgeführt. Das LSG hat weiter bindend festgestellt, dass sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst weder regelhafter Bestandteil der Nasenseptum-Korrektur noch der Operationen an der unteren Nasenmuschel war.
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c) Spezielle Ausschlussregelungen stehen der Kodierung nicht entgegen. Im OPS ist die Operation am Gesichtsknochen bei den Kodes 5‑214.6, 5‑215.2, 5‑215.4 nicht als Inklusivum geregelt, ferner ist kein spezifischer Kombinationskode bestimmt. Gegen die Kodierfähigkeit sprechen auch keine abweichenden Regelungen in den Speziellen Kodierrichtlinien zu Krankheiten des Atmungssystems (DKR 1001l).
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d) Soweit der 3. Senat zu der in den Jahren 2003 und 2004 geltenden Fassung der DKR für die Frage, ob nur ein unselbstständiger Prozedurenteil vorliegt, darauf abgestellt hat, ob eine Komponente "von Anfang an" als Bestandteil der Maßnahme vorgesehen war (vgl BSG vom 18.9.2008 ‑ B 3 KR 15/07 R ‑ SozR 4‑2500 § 109 Nr 11 RdNr 24), hält der erkennende Senat aus den vorgenannten Gründen für die hier maßgebliche Fassung der DKR daran nicht fest.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3 sowie § 47 Abs 1 Satz 1 GKG. |
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