L 16 KR 186/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 KR 1158/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 KR 186/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. März 2020 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 9.092,71 € festgesetzt.

 

Tatbestand

 

Die Klägerin arbeitet hauptberuflich als Gebärdensprachdolmetscherin. In der Zeit vom 14. Juni 2003 bis 29. April 2006 nahm sie an einer berufsbegleitenden Weiterbildung zur Gebärdensprachdolmetscherin beim P B (PBW) Landesverband B e. V. in Kooperation mit dem Zentrum für Kultur und visuelle Kommunikation Gehörloser B B e.V. teil. Die Weiterbildung umfasste 624 Unterrichtsstunden Theorie und 50 Stunden angewandte Praxis. Sie endete mit einer internen Überprüfung von Theorie und Praxis in 4 Bereichen und wurde für die Klägerin insgesamt mit „bestanden“ bewertet (Zertifikat vom 29. April 2006). In den Jahren 2017 und 2018 erbrachte die Klägerin für bei der Beklagten versicherte Personen simultane Gesprächs-Sprach-Dolmetschertätigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und rechnete gegenüber der Beklagten ihre jeweiligen Honoraransprüche nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 Kommunikationshilfenverordnung (KHV) iVm § 9 Abs. 3 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz – JVEG –) ab. Die Beklagte beglich die Rechnungen in voller Höhe.

 

Unter dem 20. Februar 2018 teilte die Beklagte der Klägerin schriftlich mit, dass die von der Klägerin eingereichten Zertifikate sie nur zur Abrechnung nach § 5 Abs. 3 KHV berechtigten. Mit Schreiben vom 23. April 2018 teilte sie ergänzend mit, dass bei ihrer nachgewiesenen Qualifikation eine Vergütung iHv. 75 vom Hundert der Vergütung nach JVEG (= 56,25 € netto) für simultanes Dolmetschen erfolgen könne. Abgerechnet würden von der Klägerin ungerechtfertigt 75,- € pro Einsatzstunde. Ab dem 1. Januar 2017 sei dadurch eine Überzahlung von 9.092,71 € zu ermitteln.

 

Im Klageverfahren hat die Klägerin zuletzt noch die Feststellung begehrt, dass sie gegenüber der Beklagten berechtigt war, ihre im Zeitraum von 2. Januar 2017 bis 3. Januar 2018 erbrachten Simultandolmetschertätigkeiten iHv 75,- € netto pro Stunde abzurechnen. Sie hat vorgetragen, es gebe unterschiedliche Wege, sich als Gebärdensprachdolmetscherin mit abgeschlossener Berufsausbildung zu qualifizieren. Hierbei sei zwischen Vollzeitstudiengängen mit einem Universitäts- bzw. Fachhochschulabschluss auf der einen und berufsbegleitenden Ausbildungsgängen auf der anderen Seite zu differenzieren. Der Unterschied bestehe zunächst darin, dass die berufsbegleitenden Ausbildungsgänge in der Regel bereits Gebärdensprachkenntnisse voraussetzten und als Nachqualifikationsmöglichkeit für bereits tätige Gebärdensprachdolmetscher konzipiert seien. Sie sei als Tochter von gehörlosen Eltern seit ihrer Kindheit mit der Anwendung der Gebärdensprache und mit der Kultur und der Sprache der gehörlosen Menschen vertraut. Seit mehr als 20 Jahren dolmetsche sie im beruflichen Kontext. Daher sei es ihr möglich gewesen, die berufsbegleitende Ausbildung zur Gebärdensprachdolmetscherin zu vollziehen. Hierbei handele es sich auch nicht nur um eine untergeordnete Zusatzqualifikation, sondern um eine über zwei Jahre dauernde Bildungsmaßnahme, in der studiengleich die maßgebenden Ausbildungsinhalte vermittelt würden. Dies gehe mit den Anforderungen, die die Kommission Qualitätssicherung für die Ausbildung und Prüfung von Gebärdensprachdolmetschern in Bezug auf Qualifizierungsmaßnahmen aufstelle, konform. Diese besagten, dass für eine umfassende Qualifizierung im Sinne der Qualitätsstandards ein Mindestumfang von 700 Unterrichtseinheiten vorausgesetzt sei und dass Qualifizierungsmaßnahmen in Teilzeitform eine Dauer von zwei Jahre nicht unterschreiten dürften. Die Qualität der von ihr genossenen und belegten Ausbildung entspreche nicht lediglich nur einer Zusatzqualifikation, sondern exakt dem berufsbegleitenden und erfolgreich abgeschlossenen Ausbildungsgang, wie er gemäß § 5 Abs. 2 KHV gefordert werde. Es sei nicht relevant, dass sie um staatliche Anerkennung nachsuchen könnte.

 

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage mit Urteil vom 3. März 2020 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Mit der Klage werde gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Feststellung eines Rechtsverhältnisses begehrt, nämlich ob die Klägerin die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 KHV erfülle. Da die Beklagte einen Betrag iHv 9.092,71 € zurückgefordert habe, habe die Klägerin auch ein berechtigtes Interesse an alsbaldiger Feststellung. Die Klage sei aber unbegründet, denn die Klägerin erfülle die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 KHV nicht. Sie sei nur berechtigt, eine Vergütung gemäß § 5 Abs. 3 KHV zu verlangen. Nach Abs. 2 der angeführten Vorschrift erhielten eine Vergütung in Höhe des Honorars für Dolmetscher, die gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 JVEG für simultanes Dolmetschen herangezogen worden seien, nur Gebärdensprachdolmetscher mit nachgewiesener abgeschlossener Berufsausbildung oder staatlicher Anerkennung für das ausgeübte Tätigkeitsfeld. Die Klägerin verfüge zwar über eine abgeschlossene Qualifizierung im Sinne des § 5 Abs. 3 KHV, nicht aber über eine abgeschlossene Berufsausbildung im Sinne des § 5 Abs. 2 KHV. Die Berufsausbildung für Gebärdensprachdolmetscher sei in Deutschland nicht einheitlich geregelt. Seit Ende der 1980er Jahre existierten staatliche Prüfungen für Gebärdensprachdolmetscher, und seit Mitte der 90er Jahre würden in Deutschland Gebärdensprachdolmetscher an Hochschulen ausgebildet. Neben Vollzeitstudiengängen mit Bachelor, Magister und Diplomabschlüssen gebe es die Möglichkeit bei der Hessischen Lehrkräfteakademie in Darmstadt oder der GIB-BLBG in Nürnberg eine staatliche Prüfung zur staatlich geprüften Gebärdensprachdolmetscherin zu absolvieren. Gemäß Ziffer 4.2 der Richtlinie zur Durchführung und Anerkennung von Prüfungen für Übersetzerinnen/Übersetzer, Dolmetscherinnen/Dolmetscher und Gebärdensprachdolmetscherinnen/Gebärdensprachdolmetscher (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12. März 2004) seien die Zulassungsvoraussetzungen für Gebärdensprachdolmetscher der Nachweis mindestens des mittleren Schulabschlusses oder eines gleichwertigen Abschlusses und der Nachweis einer mehrjährigen Ausbildung zum Gebärdensprachdolmetscher oder einer entsprechenden Praxis als Gebärdensprachdolmetscher. Der Umstand, dass eine mehrjährige Ausbildung zum Gebärdensprachdolmetscher nur eine Zulassungsvoraussetzung für die staatliche Prüfung zum staatlichen geprüften Gebärdensprachdolmetscher sei, mache deutlich, dass der Abschluss einer solchen Ausbildung der „staatlichen Anerkennung“, die in § 5 Abs. 2 KHV neben der Berufsausbildung erwähnt werde, nicht gleichgestellt sei, sondern eine Stufe auf dem Weg zum späteren Erwerb der staatlichen Anerkennung darstelle. Dieses Stufenverhältnis spiegele sich in der Regelung des § 5 Abs. 2 und Abs. 3 KHV wieder. Die von der Klägerin absolvierte berufsbegleitende Weiterbildung habe mit einer internen Überprüfung und Theorie und Praxis geendet. Eine interne Überprüfung sei jedoch mit einer Hochschulabschlussprüfung und einer staatlichen Prüfung qualitativ nicht vergleichbar. Die Weiterbildungsmaßnahme könne deshalb nicht als Berufsausbildung im Sinne des § 5 Abs. 2 KHV angesehen werden. Soweit die Klägerin argumentiere, dass § 5 Abs. 2 KHV gerade keine Hochschulausbildung, sondern allgemein eine Berufsausbildung verlange, könne dies nicht überzeugen. Denn § 5 Abs. 2 KHV enthalte nicht nur eine Regelung zu Gebärdensprachdolmetschern, sondern betreffe auch Kommunikationshelfer, für die es, soweit ersichtlich, nach wie vor keine anerkannten Berufsausbildungen und Abschlüsse gebe.

 

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt vor: Der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 KHV beschränke sich bezüglich des Merkmals der „nachgewiesenen abgeschlossenen Berufsausbildung“ nicht auf an Hochschulen ausgebildete Gebärdensprachdolmetscher. Er erfasse vielmehr auch berufsbegleitende Ausbildungsgänge mit Zertifizierung, wenn und soweit sie inhaltlich einer Fachhochschulausbildung gleichstünden. Hieran ändere sich auch nichts dadurch, dass sie ihre Ausbildung lediglich mit einer internen Prüfung von Theorie und Praxis beende habe. Bei ihrer bereits im Jahre 2006 abgeschlossenen Ausbildung sei ihr die Ablegung einer anderweitigen Prüfung nicht ermöglicht worden, was aber ihre Qualifikation nicht schmälere. Ungeachtet dessen sei ihr die Gleichstellung mit anderen Berufsausbildungen durch die Ausbildungsstelle bestätigt worden, was zumindest bis in das Jahr 2018 auch von Seiten der Beklagten nicht negiert worden sei. Schon vom Ausgangspunkt stehe die von ihr erfolgreich absolvierte Berufsausbildung in concreto einer nachgewiesenen abgeschlossenen Qualifizierung im Sinne des § 5 Abs. 3 KHV nicht gleich. Bei dieser Qualifizierung handele es sich um eine Zusatzqualifikation zum Kommunikationsassistenten für Deutsche Gebärdensprache, die über die entsprechenden Ausbildungsstellen als zweimal jährliche Weiterbildung angeboten werde und die nur eine Zusatzqualifikation zu einem erlernten Beruf (idealerweise aus dem Dienstleistungsbereich) sei. Dies sei mit ihrer Berufsausbildung weder dem Rahmen nach noch inhaltlich vergleichbar, insbesondere da sie über ihre mehrjährige Berufsausbildung exakt die intellektuellen Kenntnisse erworben habe, wie sie auch über ein Fachhochschulstudium vermittelt würden. Sie sei berechtigt gewesen, für ihre zugunsten der Versicherten der Beklagten in den Jahren 2017 und 2018 erbrachten simultanen Gebärdensprachdolmetschertätigkeiten mit einem Stundensatz von 75,- € netto abzurechnen. Die hierauf beruhenden, von der Beklagten erbrachten Zahlungen seien folglich mit Rechtsgrund geleistet worden, sodass die von der Beklagten festgestellte Überzahlung bzw. die Rückforderung von angeblich zu viel entrichteten Vergütung keine Grundlage besitze. Ihre Berufsausbildung sei inhaltlich im Vergleich zu anderen Berufsausbildungsgängen mit Blick auf die bestehenden Anforderungen in keiner Hinsicht zurückgeblieben. Das Gleiche gelte dahingehend, dass sie eine den Anforderungen der staatlichen Prüfung zu Gebärdensprachdolmetscherin voll inhaltlich gleichstehende Prüfung abgelegt habe. Der Umstand, dass es keine gesetzliche Regelung zu der Berufsausbildung bzw. Ausübung von Gebärdensprachdolmetscherinnen gebe bzw. gegeben habe, könne nicht zu ihren Lasten gehen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 3. März 2020 festzustellen, dass sie im Zeitraum vom 2. Januar 2017 bis 3. Januar 2018 die Voraussetzungen einer Gebärdensprachdolmetscherin mit abgeschlossener Berufsausbildung im Sinne von § 5 Abs. 2 Kommunikationshilfenverordnung erfüllt hat.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor: Unter einer abgeschlossenen Berufsausbildung sei ein staatlich anerkannter Ausbildungsgang, d. h. in der Praxis ein Hochschulstudium zu verstehen. Alternativ bestehe für ausgebildete Gebärdensprachdolmetscher die Möglichkeit der Erlangung einer staatlichen Anerkennung nach bestandener Prüfung. Das von der Klägerin vorgelegte Zertifikat eines privaten Ausbildungsinstituts sei ungeeignet, den Abschluss einer Berufsausbildung zu belegen, entspreche aber den Anforderungen an eine abgeschlossene Qualifizierung. Die lediglich fünfundzwanzigprozentige Degression des Vergütungsanspruches sei verhältnismäßig, wenn man berücksichtige, dass es der Klägerin jederzeit freistünde, die staatliche Prüfung nachzuholen. Selbst unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Klägerin sei ein Nachweis über die von der Kommission zur Qualitätssicherung für die Ausbildung und Prüfung von Gebärdensprachdolmetschern verlangten 700 Unterrichtseinheiten gerade nicht erbracht worden.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

Die Gerichtsakten (2 Bände) sowie ein Verwaltungsvorgang der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

 

Streitgegenstand ist nach dem Berufungsantrag allein die Feststellung, dass die Klägerin im Zeitraum vom 2. Januar 2017 bis 3. Januar 2018 die Voraussetzungen einer Gebärdensprachdolmetscherin mit abgeschlossener Berufsausbildung im Sinne von § 5 Abs. 2 KHV erfüllt hat. Die auf diese Feststellung gerichtete Klage ist nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig. Auf Feststellung einzelner Elemente eines Rechtsverhältnisses gerichtete Klagen sind zwar im Allgemeinen unzulässig (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 25. September 2001 – B 3 KR 13/00 R = SozR 3-2500 § 124 Nr. 9 Rn. 14 mwN) Eine Elementenfeststellungsklage ist jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn sicher anzunehmen ist, dass durch sie der Streit der Beteiligten insgesamt bereinigt wird (BSGE 31, 235, 240 = SozR Nr. 14 zu § 141 SGG und 43, 134, 137 = SozR 4100 § 34 Nr. 6). Das ist hier der Fall. Die Beteiligten streiten nur darüber, ob die Klägerin als Gebärdensprachdolmetscherin über eine zur Abrechnung ihrer Leistung nach § 5 Abs. 2 KHV erforderliche „nachgewiesene abgeschlossene Berufsausbildung“ verfügt. Die sonstigen Voraussetzungen für die Abrechnung ihrer Leistungen sind nicht im Streit. Es ist deshalb nach Klärung der Streitfrage nicht zu erwarten, dass es bei der teilweisen Rückforderung der Zahlungen der Beklagten im streitbefangenen Zeitraum oder bei der künftigen Abrechnung von Leistungen der Klägerin, die nach wie vor für bei der Beklagten Versicherte tätig ist, zu einem Streit kommen könnte.

 

Die Feststellungsklage ist nicht begründet. Die Klägerin erfüllte im streitbefangenen Zeitraum vom 2. Januar 2017 bis 3. Januar 2018 nicht die Voraussetzungen einer Gebärdensprachdolmetscherin mit abgeschlossener Berufsausbildung im Sinne von § 5 Abs. 2 KHV in der hier maßgebenden und vom 3. Dezember 2016 bis 31. Dezember 2020 geltenden Fassung vom 25. November 2016 (aF), denn die von ihr ab 14. Juni 2003 absolvierte und mit einer internen Prüfung am 29. April 2006 erfolgreich abgeschlossene Weiterbildung zur Gebärdensprachdolmetscherin beim PBW war – wie vom SG zutreffend erkannt – keine im Sinne dieser Vorschrift abgeschlossene Berufsausbildung. Vielmehr handelte es sich lediglich um eine abgeschlossene Qualifizierung iSd § 5 Abs. 3 KHV aF. Der Senat nimmt zur weiteren Begründung nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Seite 5 Abs. 3 bis Seite 7 vorletzter Abs.).

 

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist lediglich ergänzend auszuführen: Der Begriff der „abgeschlossenen Berufsausbildung“ ist bei systematischer Auslegung der Absätze 2 und 3 des § 5 KHV aF sowie unter Berücksichtigung der vom SG referierten und vom Verordnungsgeber vorgefundenen Bildungslandschaft im Berufsfeld der Gebärdensprachdolmetscher und Kommunikationshelfer dahingehend auszulegen, dass er lediglich einen öffentlich-rechtlich als Berufsausbildung vorgegebenen und geregelten Bildungsgang - welcher indes nicht unbedingt auf Hochschulniveau angesiedelt sein muss - erfasst. Nur wegen der Regulierung durch einen öffentlich-rechtlich anerkannten Bildungsgang soll vergütungsrechtlich – anders als bei einer „freien“ Aus- oder Weiterbildung (vgl. Ziff. 4.2 der KMK-RL) – auf einen besonderen staatlichen Anerkennungsakt bezüglich der Ausbildung oder Praxis verzichtet werden. Es mag zutreffen – worauf der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hingewiesen hat –, dass die von der Klägerin absolvierte „Weiterbildung zur Gebärdensprachdolmetscherin“ im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 5 KHV aF zum 3. Dezember 2016 so nicht mehr angeboten wurde und mithin der Verordnungsgeber mit der in den Absätzen 2 und 3 vorgenommenen und in der bis zum 2. Dezember 2016 geltenden Fassung des § 5 KHV noch nicht enthaltenen Differenzierung zwischen „Berufsausbildung“ und (bloßer) „Qualifizierung“ die vergütungsrechtliche Schlechterstellung von inhaltlich nicht mit dem mehrjährigen Bildungsgang der Klägerin vergleichbaren kurzzeitigen „Qualifizierungsmaßnahmen“ im Auge hatte. Indes ist eine zeitliche Komponente im Sinne einer Beschränkung auf kürzere Qualifizierungen weder dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 KHV aF zu entnehmen noch enthält § 5 Abs. 3 aF einen Hinweis darauf, dass für die Annahme einer zu einer höheren Vergütung berechtigenden „Berufsausbildung“ ein inhaltlich „hochwertiger“, aber nicht öffentlich-rechtlich geregelter mehrjähriger Bildungsgang ausreicht. Gegen eine solche Annahme spricht insbesondere, dass nach Ziff. 4.2 der KMK-RL der Nachweis einer „mehrjährigen Ausbildung oder einer entsprechenden Praxis“ zum Gebärdensprachdolmetscher keinesfalls eine staatliche Anerkennung ersetzt, sondern nur unter weiteren Voraussetzungen den Zugang zur staatlichen Prüfung und hierauf beruhender Anerkennung eröffnet. Wenn § 5 Abs. 2 KHV aF in Kenntnis dieser bildungspolitischen Vorgabe für die privilegierende Vergütungsregelung alternativ an das Vorliegen einer „staatlichen Anerkennung“ bzw. einer „Berufsausbildung“ anknüpft, lässt dies den Schluss zu, dass neben der „staatlichen Anerkennung“ nur ein staatlich oder zumindest öffentlich-rechtlich geregelter Bildungsgang als „Berufsausbildung“ im Sinne der Norm in Betracht kommt. Eine andere Wertung drängt sich auch nicht unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren eingereichten Stellungnahmen des ZfK vom 16. Juni 2021 und des Landesverbands der Gehörlosen Brandenburg e.V. vom 27. Juni 2021 auf. Nach diesen Stellungnahmen entsprach die Ausbildung zum Gebärdensprachdolmetscher beim PBW den Anforderungen, um die (staatliche) Prüfung in Anlehnung an die KMK-RL durchzuführen. Diese Stellungnahmen belegen einmal mehr, dass es sich bei dem von der Klägerin erfolgreich abgeschlossenen Bildungsgang eben nur um eine zur Vorbereitung auf die staatliche Prüfung und Anerkennung geeignete Qualifizierung gehandelt hatte und die von ihr bestandene interne Prüfung nicht schon als Abschluss der Berufsausbildung zu werten ist. Selbst wenn – wie die Stellungnahme vom 27. Juni 2021 behauptet, mit der erkennbar versucht wird, nunmehr als „unglücklich“ erkannte Formulierungen im Zertifikat des PBW vom 29. April 2006 zu korrigieren – die interne Prüfung in Anlehnung an die inhaltlichen Anforderungen der KMK-RL zur staatlichen Prüfung durchgeführt wurde, ändert dies wegen ihres lediglich informellen Charakters nichts daran, dass sie damit nicht der staatlichen Prüfung gleichsteht und auch nicht als abgeschlossene Berufsausbildung im Sinne des § 5 Abs. 2 KHV anzusehen ist.

 

An der Neuregelung des Vergütungswesens im Kommunikationshilfebereich durch die Verordnung vom 25. November 2016, aufgrund derer die Klägerin in Abkehr von der zuvor unter der Geltung der bis 2. Dezember 2016 anwendbaren Fassung des § 5 KHV von der Beklagten geübten Praxis eine Kürzung ihrer Vergütung hinzunehmen hat, war der Verordnungsgeber auch nicht durch höherrangiges Recht gehindert. Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ist nicht gegeben, denn es liegt bereits kein Eingriff in dieses Grundrecht vor. Die Freiheit der Berufsausausübung würde allerdings beeinträchtigt, wenn ein Grundrechtsträger daran gehindert würde, auf privatautonome Weise zur Festlegung der Vergütung zu gelangen (vgl. BVerfGE 83, 1, 13, BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 1 BvR 910/05, 1 BvR 1389/05 -, juris Rn. 74). Dies könnte durch gesetzliche Vergütungsregelungen geschehen, welche die Höhe der Vergütung mit verbindlicher Wirkung bestimmen. Solche Vorschriften stellen einen Eingriff in die Berufsausübung dar (vgl. BVerfGE 88, 145, 159; 101, 331, 347). Vorliegend wird die Höhe der Vergütung aber durch § 5 Abs. 2 und 3 KHV aF nicht verbindlich bestimmt. Denn nach § 5 Abs. 6 KHV können die Träger öffentlicher Gewalt mit Gebärdensprachdolmetschern hinsichtlich der Vergütung und Abgeltung von den Absätzen 1 bis 4 abweichende Rahmenvereinbarungen treffen.

 

Schließlich hat der Verordnungsgeber mit der differenzierenden Vergütungsregelung in § 5 Abs. 2 und 3 KHV nicht den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln; dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung. Das gilt auch dann, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Das Bundesverfassungsgericht prüft dann im Einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 110, 274, 291). Entscheidend ist dabei auch, in welchem Maße sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 95, 267, 316 f.; 110, 141,167).

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich lediglich um eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten, weil der Verordnungsgeber an die formalen Berufsqualifikationen anknüpft und damit die gewählten Unterscheidungsmerkmale die Gebärdensprachdolmetscher nicht in ihren vorgegebenen, unbeeinflussbaren Merkmalen (vgl. Kischel, in: BeckOK Grundgesetz, Stand: 15. November 2022, Art. 3 Rn. 31) betreffen. Daher ist lediglich eine Prüfung am Maßstab des Willkürverbots angezeigt (vgl. BVerfGE 55, 72 89; 60, 329, 346). Ein Verstoß gegen das Willkürverbot liegt offensichtlich nicht vor, denn es erscheint sachlich einleuchtend, für die Vergütungsregelung an die jeweiligen durch Bildung und Erfahrung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten anzuknüpfen und sich hierfür im Interesse einer geordneten und effizienten Verwaltungspraxis an formalen Kriterien zu orientieren.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

 

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

 

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 GKG; sie ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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