- Keine Erweiterung des Wegeunfallversicherungsschutzes durch § 8 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch (SGB VII)
- Die durch § 8 Abs. 1 Satz 3 SGB VII gewollte Gleichstellung zwischen auf der Unternehmerstätte tätigen Versicherten und im Homeoffice tätigen Versicherten bezieht sich nur auf die Wege im eigenen Haushalt
- Außerhäusliche Wege zur Versorgung mit Essen und/oder Getränken stehen bei im Homeoffice tätigen Versicherten nicht unter Versicherungsschutz
SOZIALGERICHT WÜRZBURG
GERICHTSBESCHEID
in dem Rechtsstreit
A., A-Straße, A-Stadt
- Kläger -
Proz.-Bev.:
B., , B-Straße, B-Stadt
gegen
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft Bezirksverwaltung Würzburg,
vertreten durch die Geschäftsleitung, Riemenschneiderstraße 2, 97072 Würzburg
- Beklagte -
Unfallversicherung
Die 5. Kammer des Sozialgerichts Würzburg erlässt durch ihren Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht Lippert, am 27. März 2023 ohne mündliche Verhandlung folgenden
G e r i c h t s b e s c h e i d :
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 26.09.2022 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 06.12.2022 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten über die Feststellung eines Unfalls des Klägers als Arbeitsunfall.
Der am xx.xx.196x geborene Kläger ist als Ingenieur des D, D-Stadt, bei der Beklagten versichert.
Am 18.07.2022 stürzte der Kläger mit dem Fahrrad auf dem Weg von seiner Wohnung, wo er im Rahmen eines Homeoffice tätig war, zu einem Supermarkt, in dem er sich Nahrungsmittel für ein Mittagessen besorgen wollte.
Der Kläger wurde daraufhin am Unfalltag im Klinikum C untersucht, wo eine Clavikulaschaftfraktur rechts mit drohender Durchspießung der Cutis, eine Schädelprellung mit Kopfplatzwunde und Hautabschürfungen am rechten Unterschenkel und der Zehen diagnostiziert wurden.
Der Kläger wurde sodann stationär dort vom 18.07.2022 bis 20.07.2022 behandelt, wobei zudem die Diagnose Rippenserienfraktur der Rippen 4 - 6 rechts gestellt wurde und am 18.07.2022 eine operative Versorgung der rechten Schulter mittels offener Reposition und Plattenosteosynthese erfolgte.
Nach Erhalt des Durchgangsarztberichtes der Klinik über die Erstuntersuchung vom 18.07.2022, der Unfallanzeige des Arbeitgebers des Klägers sowie des Entlassungsberichtes des Klinikums über den stationären Aufenthalt des Klägers stellte die Beklagte mit verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 26.09.2022 fest, dass der Kläger keinen Versicherungsfall am 18.07.2022 erlitten habe, ein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) nicht vorliege und lehnte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab.
In der Begründung des Bescheides wurde hierbei ausgeführt, dass im Homeoffice Wege zur und von der Nahrungsaufnahme, die aus der Wohnung herausführen, nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stünden. Diese seien dem privaten Bereich zuzurechnen. Eine Ausweitung des Versicherungsschutzes im Sinne des Satz 3 des § 8 Abs. 1 SGB VII beziehe sich nur auf versicherte Tätigkeiten nach Satz 1, nicht auf die Wegeunfallversicherung nach Absatz 2. Der Kläger habe damit keinen mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg zurückgelegt.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch begründete der Kläger mit Schreiben vom 13.10.2022 damit, dass am Arbeitsplatz im Unternehmen wie auch im Homeoffice nicht vorausgesetzt werden könne, dass Möglichkeiten zur Nahrungsaufnahme für die Pause vorhanden seien. Da im Unternehmen der Weg zur Besorgung von Nahrung versichert sei, erscheine ihm der Weg aus dem Homeoffice zum gleichen Zweck keinen Unterschied zu machen.
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 06.11.2022 seinen Widerspruch aufrecht erhielt und hierbei unter anderem ausführte, dass die Ausführungen der Beklagten, dass Tätigkeiten nach § 8 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nicht auf die in § 8 Abs. 2 SGB VII genannten Wegeunfälle zu beziehen seien, nicht folgerichtig sei, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2022 zurück.
In der Begründung des Widerspruchsbescheides wurde hierbei unter anderem ausgeführt, dass das Zurücklegen eines Weges zur Besorgung von Nahrungsmitteln zum alsbaldigen Verzehr, um die Arbeitsfähigkeit aufrecht zu erhalten und die betriebliche Tätigkeit fortsetzen zu können, gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII (grundsätzlich) unter Versicherungsschutz stehe. Grund hierfür sei, dass der Weg in seinem Ausgangs- und Zielpunkt durch die Notwendigkeit geprägt sei, persönlich im Beschäftigungsbetrieb anwesend zu sein und dort betriebliche Tätigkeiten zu verrichten. Diese Gründe treffen bei im Homeoffice tätigen Personen nicht zu. Hinzu komme, dass sich die Gleichstellung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur auf die versicherten Tätigkeiten nach Satz 1 und nicht auf die Wegeunfallversicherung nach Absatz 2 bezögen. Wege zur Besorgung von Nahrungsmitteln außerhalb des häuslichen Bereiches stünden daher bei im Homeoffice tätigen Personen nicht unter Versicherungsschutz. Sie seien dem privaten Bereich zuzurechnen.
Mit der am 05.01.2023 beim Sozialgericht Würzburg erhobenen Klage begehrt der Kläger weiterhin die Feststellung des Unfalls vom 18.07.2022 als Arbeitsunfall.
Das Gericht hat die den Kläger betreffende Unfallakte der Beklagten beigezogen und
einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 28.02.2023 durchgeführt.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Bescheides vom 26.09.2022 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2022 festzustellen, dass der Unfall vom 18.07.2022 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Gegenstand des Klageverfahrens war die Gerichtsakte auch im Übrigen sowie die den Kläger betreffende Unfallakte der Beklagten.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird hierauf sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Sitzungsniederschrift des Termins zur Erörterung des Sachverhalts verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Das Gericht hat im vorliegenden Klageverfahren nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die form- und fristgerecht beim Sozialgericht Würzburg erhobene Klage ist zulässig.
Sie ist insbesondere als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage statthaft (§ 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
Die Klage erweist sich jedoch als unbegründet.
Das Gericht nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden Gründe im Widerspruchsbescheid vom 06.12.2022 (§ 136 Abs. 3 SGG).
Ergänzend gilt Folgendes:
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt des Versicherten oder einem anderen Ort ausgeübt, besteht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 SGB VII Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmerstätte.
Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2,3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisse, die zu einem Gesundheitserstschaden oder zum Tod führen.
Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist.
Eine Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Köper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; ständige Rechtsprechung, vgl. u. a. Bundessozialgericht - BSG - vom 05.07.2016, B 2 U 5/15 R; BSG vom 17.12.2015, B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 55 RdNr. 9).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger hat zwar einen Unfall und einen Gesundheitserstschaden in Form der oben bezeichneten im Klinikum C festgestellten Verletzungen erlitten. Er war auch als Beschäftigter der B gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII kraft Gesetzes versichert. Seine Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses - die Fahrt zum Supermarkt um sich ein Mittagessen zu besorgen - stand aber nicht in einem sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit.
Zum Unfallzeitpunkt übte der Kläger weder seine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII aus noch legte er im Zusammenhang mit dieser einen Betriebsweg zurück. Der Kläger befand sich auch nicht auf einem versicherten Weg im Sinne der Wegeunfallversicherung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII.
Versicherter im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ist jemand nur, wenn, solange und soweit er den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eigene Verrichtungen erfüllt. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist und (subjektiv) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist (ständige Rechtsprechung des BSG, z. B. Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 8/11 R).
Das Fahren zum Einkaufsmarkt zur Besorgung von Nahrungsmitteln zum Unfallzeitpunkt ist ein solches von außen beobachtbares Handeln an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit. Bei dieser Tätigkeit war die objektivierte Handlungstendenz des Klägers aber nicht auf die Erfüllung des gesetzlichen Versicherungstatbestandes als Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gerichtet.
Eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter liegt vor, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines von ihm begründeten Rechtsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses, eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines Anderen (vgl. § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV -) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil gereichen (vgl. § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII). Eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen oder der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt (siehe u. a. BSG, Urteil vom 23.04.2015, B 2 U 5/14 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 33 RdNr. 14 m. w. N.). Das Besorgen von Nahrungsmitteln gehört unzweifelhaft nicht zu der sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebenden Hauptpflicht des Klägers. Er hat dadurch auch keine aus dem Beschäftigungsverhältnis resultierenden Nebenpflicht erfüllt. Eine arbeitsrechtliche Verpflichtung zu gesundheitsfördernden, der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit dienenden Handlungen besteht grundsätzlich nicht (BSG, Urteil vom 05.07.2016, B 2 U 5/15 R).
Essen/Trinken ist unabhängig von der versicherten Tätigkeit erforderlich und daher privater Natur, weil die Nahrungsaufnahme für jeden Menschen ein Gesundheitsbedürfnis darstellt und somit betriebliche Belange zurücktreten (Ricke in Kasseler Kommentar § 8 SGB VII Nr. 7.2; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII § 8 Nr. 7.3 3). Der Kläger hat auch keine objektiv nicht geschuldete Handlung vorgenommen in der vertretbaren, aber irrigen Annahme, damit eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen. Die Annahme einer solchen Pflicht ist nur vertretbar, wenn der Beschäftigte nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung (ex ante) aufgrund objektiver Anhaltspunkte und nach Treu und Glauben annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht (BSG, Urteil vom 15.05.2012 a. a. O.). Solche objektiven Anhaltspunkte sind jedoch weder festgestellt noch ersichtlich. Der Kläger hat durch das beabsichtigte Holen von Nahrungsmitteln auch kein unternehmensbezogenes innerbetrieblicher Belangen dienendes Recht wahrgenommen.
Der Kläger befand sich zum Unfallzeitpunkt auch nicht auf einem Betriebsweg im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII.
Betriebswege sind Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, Teil der versicherten Tätigkeit sind und damit der Betriebsarbeit gleichstehen (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 12.01.2010, B 2 U 35/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 36 RdNr. 16 m. w. N.).
Sie werden im unmittelbaren Betriebsinteresse unternommen, unterscheiden sich von Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII dadurch, dass sie der versicherten Tätigkeit nicht lediglich vorausgehen oder sich ihr anschließen (BSG, Urteil vom 18.06.2013, B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 48 RdNr. 13). Sie sind nicht auf das Betriebsgelände beschränkt, sondern können auch außerhalb der Betriebsstätte anfallen (BSG, Urteil vom 28.02.1990, 2 RU 34/89 - SozR 3-2200 § 539 Nr. 1 S. 2).
Den Weg zum Einkaufsmarkt hat der Kläger nicht in unmittelbaren betrieblichen, sondern in eigenwirtschaftlichen Interesse zurückgelegt. Er ist nicht zum Einkaufsmarkt gefahren um seine versicherte Beschäftigung auszuüben oder um eine in unmittelbaren Betriebsinteresse durchzuführende Tätigkeit zu unternehmen, sondern um sich ein Mittagessen zu besorgen und demnach - wie bereits ausgeführt - einer typischen eigenwirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen.
Der Kläger übte zum Unfallzeitpunkt schließlich keine durch die Wegeunfallversicherung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit aus. Danach zählt zu den versicherten Tätigkeiten zwar auch das Zurücklegen des mit einer gemäß §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit und das Zurücklegen des Weges durch einen Beschäftigten mit der Handlungstendenz, sich an einem vom Ort der Tätigkeit verschiedenen Ort Nahrungsmittel zu besorgen oder einzunehmen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch grundsätzlich versichert (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2013, B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 48 RdNr. 20; vom 05.07.2016 a. a. O.). Dieser Versicherungsschutz beruht darauf, dass der während einer Arbeitspause zurückgelegte Weg zur Nahrungsaufnahme oder zum Einkauf von Lebensmitteln für den alsbaldigen Verzehr am Arbeitsplatz in zweierlei Hinsicht mit der Betriebstätigkeit verknüpft ist. Zum einen dient die beabsichtigte Nahrungsaufnahme während der Arbeitszeit im Gegensatz zur bloßen Vorbereitungshandlung vor der Arbeit der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit und damit der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit. Zum anderen handelt es sich um einen Weg, der in seinem Ausgangs- und Zielpunkt durch die Notwendigkeit geprägt ist, persönlich im Beschäftigungsbetrieb anwesend zu sein und dort betriebliche Tätigkeiten zu verrichten. Aufgrund des Zusammentreffens dieser beiden betriebsbezogenen Merkmale, des Handlungsziels und der Betriebsbedingtheit des Weges, ist der wesentliche innere Zusammenhang zwischen dem Betrieb und einem zur Nahrungsaufnahme zurückgelegten Weg angenommen worden (BSG; Urteil vom 18.06.2013 a. a. O., BSG vom 02.12.2008, B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 28 RdNr. 30 f; 21 m. w. N.).
Für die Tätigkeit im Haushalt des Versicherten im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 3 SGB VII ergibt sich dabei aber Folgendes: Grund der Einfügung des Satzes 3 in § 8 Abs. 1 SGB VII war, dass die bisherige Rechtsprechung (als Ausnahme vom Grundsatz, dass Unfälle infolge persönlicher Verrichtungen am Arbeitsplatz unversichert sind, auch wenn betriebliche Ursachen zu ihnen beitragen) bestimmte an sich eigenwirtschaftliche Tätigkeiten nur im Betrieb nicht aber im häuslichen Bereich für versichert angesehen hat, weil die Versicherten bei ihnen betrieblichen und daher dem Grunde nach anderen Gefahren ausgesetzt waren als im vertrauten häus-lichen Bereich und daher zuhause unversichert bleiben sollten (Ricke in Kasseler Kommentar § 8 SGB VII Nr. 193 unter Hinweis auf Urteil des BSG vom 05.07.2016 a. a. O.). Dies betraf Wege zur Versorgung mit Nahrungsmitteln und Getränken und zur Toilette, welche auch die Gesetzesbegründung BT-Drucksache 19/29819 S. 17 f. ausdrücklich anspricht, weitere aber mit einem "etc." nicht ausschließt. Dies wurde als Versicherungslücke angesehen, die mit Satz 3 des § 8 Abs. 1 SGB VII geschlossen werden soll (Ricke in Kasseler Kommentar § 8 SGB VII Nr. 194).
Nach der Gesetzesbegründung betrifft die Gleichbehandlung der Tätigkeit im Haushalt oder einem anderen Ort auch das Holen von Getränken (BT-Drucksache a. a. O.); im Entwurf eines Gesetzes zur mobilen Arbeit, aus dem Abs. 1 Satz 3 des § 8 SGB VII unverändert übernommen wurde, werden zusätzlich Wege zur Nahrungsaufnahme, zum Toilettengang etc. genannt. Diese Wege wurden bisher (bei Tätigkeitsort eigene Wohnung - Homeoffice -) als unversichert gewertet, weil - anders als bei Wegen innerhalb einer Betriebsstätte - die Nahrungsaufnahme weder durch den Betriebsort vorgegeben (Aufnahme der Tätigkeit außerhalb des gewohnten häuslichen Bereichs) noch innerhalb eines zeitlichen Rahmens zu erledigen ist (BSG, Urteil vom 05.07.2016 a. a. O.). Der Unfallversicherungsschutz auf dem Betriebsgelände findet seinen Grund darin, dass es sich um Wege in einer fremden Umgebung mit einem entsprechenden Verletzungsrisiko handelt.
Hiervon erfasst werden aber nur die Wege im häuslichen Bereich (Betriebswege) nicht aber Wege zur oder von der Nahrungsaufnahme (oder der Besorgung von Nahrungsmitteln) die aus der Wohnung herausführen (Bereiter-Hahn/Mehrtens a. a. O. § 8 Nr. 7a. 12; Keller SGb 2021, S. 738 (742), Ricke a. a. O. Nr. 199; 212, Vorauflage Ricke a. a. O. Nr. 129 k).
Da sich Satz 3 des § 8 Abs. 1 SGB VII nur auf versicherte Tätigkeiten nach Satz 1 des § 8 Abs. 1 SGB VII bezieht (so auch Keller a. a. O. S. 742/743, Ricke a. a. O. Nr. 199, 212) kann er keine außerhäuslichen Wege zur Versorgung mit Essen und Getränken unter Versicherungsschutz stellen wie bei betrieblicher Arbeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII (Ricke a. a. O. Nr. 199; Bereiter-Hahn/Mehrtens a. a. O. § 8 Nr. 7a. 12). Hierfür spricht auch die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 19/29819 S. 18), die als Gegenstand der Gesetzeserweiterung des § 8 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur Wege im eigenen Haushalt anführt. Wege zur Nahrungsaufnahme bzw. zur Versorgung mit Nahrungsmitteln außerhalb des häuslichen Bereiches unterfallen daher nach herrschender Meinung weiterhin nicht dem Schutz der Wegeunfallversicherung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII (Bereiter-Hahn/Mehrtens a. a. O. Nr. 7a. 12; Ricke a. a. O. Nr. 199, 212, Keller SGb 2021 a. a. O.).
Für die Wege außerhalb des häuslichen Bereiches ergibt sich hierbei keine Rechtfertigung diese unter den Versicherungsschutz des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zu stellen (indem man § 8 Abs. 1 Satz 3 SGB VII auch auf Abs. 2 Nr. 1 des entsprechenden Paragraphen bezieht), weil der Weg außerhalb des häuslichen Bereiches bei Homeoffice-Tätigkeit in seinem Ausgangs- und Zielpunkt nicht durch die Notwendigkeit geprägt ist, persönlich im Betrieb anwesend zu sein und dort betriebliche Tätigkeiten zu verrichten bzw. keine Verrichtungen im betrieblichen Umfeld unter betrieblichen Gegebenheiten mit möglichen besonderen Gefahrquellen vorgenommen werden müssen.
So hat auch das BSG in seiner vor Einführung des § 8 Abs. 1 Satz 3 SGB VII (in Kraft treten am 18.06.2021 durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz vom 14.06.2021, BGBl. I 1762) erfolgten Rechtsprechung diesen Gesichtspunkt der Betriebstätigkeit des Weges als mitausschlaggebend für die Bejahung des Versicherungsschutzes bei der Besorgung von Nahrungsmitteln an einem vom Betriebsort verschiedenen Ort erachtet. Dieser Aspekt (der Betriebsbedingtheit des Weges) ist aber bei der Besorgung von Nahrungsmitteln außerhalb des häuslichen Bereichs nicht gegeben.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.