Das in Kapitel 31.2.2 EBM enthaltene Erfordernis einer histologischen Untersuchung entnommenen Materials und/oder einer Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes bei dermatochirurgischen Eingriffen ist nicht verfassungswidrig; im Zuge eines praktisch verstärkten Verlangens nach ästhetischer Veränderung im Genitalbereich, welches auch mit den Mitteln der plastischen Chirurgie bedient wird (Stichwort: "Intimästhetik/Intimchirurgie für den Mann", "Intimkorrektur"), erscheint es nicht unvertretbar, die medizinische Notwendigkeit mittels Fotodokumentation des OP-Gebietes zu belegen.
Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 6. Dezember 2017 wird geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 25. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2015, dieser in der Fassung des Änderungsbescheids vom 9. Juni 2016, verurteilt, dem Kläger für das Quartal II/2012 31 Mal die GOP 26340 nachzuvergüten.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens tragen die Beklagte zu einem Viertel und der Kläger zu drei Viertel.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine von der Beklagten vorgenommene sachlich-rechnerische Richtigstellung im II. Quartal 2012.
Der Kläger ist Facharzt für Urologie und in S zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Honorarbescheid vom 25. Oktober 2012 gewährte die Beklagte für das II. Quartal 2012 ein Bruttohonorar in Höhe von 108.265,57 Euro und nahm sachlich-rechnerische Richtigstellungen vor. Unter anderem strich sie folgende Gebührenordnungspositionen (GOP) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM):
- 32 Mal die GOP 26340 (Kalibrierung/Bougierung der Harnröhre)
- viermal die GOP 31102 (dermatochirurgischer Eingriff der Kategorie A2) und damit im Zusammenhang zweimal die GOP 31503 (postoperative Überwachung im Anschluss) und viermal die GOP 31609 (postoperative Behandlung im Anschluss).
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2015 zurück. Die Streichung der GOP 26340 begründete sie damit, dass ein zusätzliches Abrechnen der Kalibrierung/Bougierung (Vermessung/Aufdehnung) der Harnröhre neben der Zystoskopie (Blasenspiegelung, GOP 26310/26311) eine eigene Indikation der Kalibrierung/Bougierung erfordere, die der Dokumentation nicht zu entnehmen sei. Bezüglich der GOP 31102, 31503 und 31609 verwies die Beklagte darauf, dass diese nicht abrechnungsfähig seien, da der Leistungsinhalt der GOP nicht vollständig erbracht worden sei. Die Abrechnung dermatochirurgischer Eingriffe setze nach Nr. 1 der Präambel zum Kapitel 31.2.2 EBM eine histologische Untersuchung und/oder eine Fotodokumentation voraus. Beides sei vom Kläger nicht vorgelegt worden.
Hiergegen hat der Kläger am 10. August 2015 Klage erhoben. Die Kürzungen seien rechtswidrig. Es gebe keinen Ausschlusstatbestand für eine gleichzeitige Abrechnung der GOP 26340 und 26310/26311. Eine Kalibrierung müsse auch zur Abklärung und zum Ausschluss bei Verdacht einer Harnröhrenenge oder anderen Verdachtsmomenten möglich und abrechenbar sein. Sonst würden die notwendigen Dokumentationsvoraussetzungen überzogen werden. In allen Fällen habe aus verschiedenen Gründen eine medizinische Indikation zur Bougierung bestanden, die auch in den Karteikarten – auf die verwiesen wird – dokumentiert worden sei. Die Patienten hätten sich mit Beschwerden vorgestellt, die abzuklären gewesen seien.
Auch die GOP 31102 und die damit zusammenhängenden GOP 31503 und GOP 31609 seien korrekt abgerechnet worden. Der Kläger habe ambulante Zirkumzisionen (Beschneidungen) zur Behebung von Phimosen (Vorhautverengung) durchgeführt, welche über die GOP 31102 abrechenbar seien. Histologische Untersuchungen seien medizinisch nicht erforderlich gewesen, da in den abgerechneten Fällen Vorhautplastiken aufgrund einer Verengung durchgeführt worden seien, bei denen Gewebeuntersuchungen nutzlos seien. Die medizinisch nicht indizierte Fotodokumentation hätten die betroffenen Patienten zudem aus persönlichen Gründen zur Wahrung ihrer Intimsphäre abgelehnt, und der Kläger habe sie daher aufgrund ethischer Bedenken nicht vorgenommen. Es wäre sinnvoller gewesen, die Zirkumzision in das Kapitel der Urologie einzuordnen und nicht in das Kapitel der dermatochirurgischen Eingriffe. Denn bei Hauterkrankungen sei häufig entweder eine histologische Diagnose und/oder eine Verlaufsbeobachtung medizinisch notwendig, bei Zirkumzisionen sei dies hingegen die absolute Ausnahme. Die Dokumentation sei nicht medizinisch indiziert, sondern werde aus rein fiskalischem Interesse der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) gefordert, die nicht für kosmetische Operationen aufkommen wollten. Zudem sei eine Phimose nicht abbildbar. Schließlich sei die Regelung 31.1.1 verfassungswidrig. Aufgrund der fehlenden Differenzierung und der fehlenden Normierung einer Ausnahme insbesondere für dermatochirurgische Eingriffe im Genitalbereich liege ein Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Patienten vor. Ein Eingriff in die Intimsphäre sei stets unzulässig. Sofern man eine Abwägung für möglich halten sollte, überwiege das höchstpersönliche Recht der Versicherten auf Wahrung ihrer grundgesetzlich geschützten Intimsphäre gegenüber dem rein fiskalischen Prüfinteresse der KV. Auch habe in der Heranziehung der schriftlichen vertragsärztlichen Dokumentation sowie des Operationsberichts bzw. der Aufklärungsdokumentation ein milderes Mittel zur Verfügung gestanden. Die Rechtswidrigkeit der Dokumentationspflicht zeige sich auch durch einen Vergleich zu den diagnostischen und therapeutischen GOP aus dem frauenärztlichen Bereich, wo eine Fotodokumentation nicht gefordert werde.
Die Beklagte hielt dem bezüglich der GOP 26340 entgegen, dass eine routinemäßige Abrechnung der Kalibrierung/Bougierung der Harnröhre neben der Zystoskopie nicht zulässig sei. Die Prüfung der Harnröhrenglätte und –enge durch eine Kalibrierung (Vermessung) vor einer Zystoskopie sei obligater Leistungsbestandteil der „vorbereitenden Maßnahmen“ einer Zystoskopie und nicht gesondert abrechenbar. Erst wenn bei dieser Vorprüfung eine behandlungsbedürftige Enge der Harnröhre festgestellt werde, komme eine gesondert abrechenbare Leistung in Form der GOP 26340 wegen der insofern vorzunehmenden Bougierung in Betracht. Dann liege der Behandlungsschwerpunkt auf der Beseitigung der Harnröhrenenge. Andernfalls stelle die Kalibrierung der Harnröhre zur Prüfung der Durchgängigkeit und Glätte bei einer Zystoskopie keinen eigenständigen Behandlungsschwerpunkt dar und werde von der höherwertigen GOP im Rahmen der obligaten vorbereitenden Maßnahmen als mitvergütete Teilleistung konsumiert. Das Vorhandensein einer solchen Enge müsse in der Patientenakte nachprüfbar dokumentiert sein.
Bezüglich der dermatochirurgischen Leistungen führte die Beklagte aus, dass der vom Kläger angesetzte Vergleich mit den GOP aus dem frauenärztlichen Bereich nicht sachgerecht sei, da es sich dort um diagnostische und therapeutische Leistungen und nicht um operative Eingriffe handele. Die geforderte Fotodokumentation verletze auch nicht das Persönlichkeitsrecht der Patienten. Diese werde durch den behandelnden Arzt erstellt, zu dem ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehe und welcher der ärztlichen Schweigepflicht unterliege. Zudem genüge das Abbild des unmittelbaren Operationsbereichs. Die Fotodokumentation sei nicht generell, sondern nur auf Anfrage zur Prüfung der Abrechnung zu übersenden. Verweigere der Patient die Fotodokumentation, könne der Arzt die Leistung privatärztlich erbringen. Die Dokumentationspflichten dienten verschiedenen Interessen, deckten unter anderem auch strafrechtliche und zivilrechtliche Aspekte ab. Die medizinische Notwendigkeit der Zirkumzision sei zu dokumentieren, u.a. um eine unberechtigte Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen allein aus religiösen, kulturellen oder ästhetischen Gründen, also ohne medizinische Indikation, zu verhindern. Die Fotodokumentation sei auch medizinisch sinnvoll, um z.B. den Behandlungsverlauf zu dokumentieren. Sowohl die histologische Untersuchung als auch die Fotodokumentation stellten eine taugliche Dokumentationsmethode dar.
Die Beklagte hat mit Änderungsbescheid vom 9. Juni 2016 unter teilweiser Aufhebung des Widerspruchsbescheids dem Widerspruch insofern stattgegeben, als für eine Patientin die GOP 26340 in Höhe von 6,02 € nachvergütet wurde.
Mit Urteil vom 6. Dezember 2017 hat das Sozialgericht Potsdam die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe die GOP 26340 zu Recht gestrichen, wenn sie im Zusammenhang mit einer Zystoskopie abgerechnet worden sei. Die Kalibrierung sei nicht regelmäßig mit der Erbringung einer Zystoskopie notwendig, vielmehr setze sie eine Enge der Harnröhre voraus, die mit einer entsprechenden ICD-10-Nummer zu kennzeichnen sei. Allein die Kalibrierung der Harnröhre berechtige nicht zur Abrechnung der GOP 26340. Der Schrägstrich zwischen den Wörtern Kalibrierung und Bougierung in der GOP bedeute nicht und/oder. Gegenstand der GOP sei die Bougierung nach einer notwendigerweise vorausgegangenen Kalibrierung.
Auch die Streichung der GOP 31102 und damit einhergehend die Streichung der GOP 31503 und 31609 sei rechtmäßig gewesen. Die GOP 31102 sei im Abschnitt IV unter dem Kapitel 31.2., hier unter dem Abschnitt 31.2.2. geregelt, wo die Berechnung dermatochirurgischer Eingriffe die obligate histologische Untersuchung entnommenen Materials und/oder eine Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes voraussetzen. Eine vollständige Leistungserbringung sei in den gestrichenen Fällen nicht nachgewiesen worden, da die obligate Dokumentationspflicht nicht erfüllt worden sei. Die in der Überschrift zu einer GOP aufgeführten Leistungsinhalte seien Bestandteil der obligaten Leistungsinhalte. Insbesondere der Vergleich mit der GOP aus dem frauenärztlichen Bereich stehe dem Kläger nicht zu, da es sich dort um diagnostische und therapeutische Leistungen handele und hier um operative Eingriffe. Zu Unrecht berufe sich der Kläger auf einen Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte der Patienten. Die vom Bewertungsausschuss vorgenommene Regelung sei sachgemäß. Die Aufnahmen seien nur vom Operationsherd zu fertigen und grundsätzlich auch nur für die Unterlagen des Klägers selbst. Nur im Falle einer Abrechnungsprüfung seien die Bilder der Beklagten als Nachweis der vollständigen Leistungserbringung zu übermitteln. Im Vordergrund der Beurteilung, dass die geforderte Fotodokumentation sachgerecht sei, stehe für die Kammer, dass es sich hier um einen operativen Eingriff am menschlichen Körper handele, der medizinisch notwendig sein müsse. Daher sei die behauptete Weigerung der Patienten bezüglich der Fotodokumentation nicht nachvollziehbar. Es sei nach dem Vorbringen des Klägers im Verwaltungsverfahren eher davon auszugehen, dass er selbst sie aus ästhetischen Gründen ablehne. Letztlich schütze die Dokumentation als Leistungsnachweis auch den Kläger selber, falls es zu Beschwerden von Patienten komme.
Gegen das ihm am 5. Januar 2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1. Februar 2018 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor: Die Notwendigkeit der Bougierung (GOP 26340) ergebe sich nicht nur bei einer zuvor (durch Kalibrierung) festgestellten Enge der Harnröhre, sondern auch beim Verdacht auf eine Enge der Harnröhre, eine Abwinklung der Harnröhre durch Senkung, Fistelbildungen, etc., außerdem als diagnostisches Verfahren zum Ausschluss pathologischer Veränderungen unterhalb der Blase. Nach dem Wortlaut enthalte die GOP die Bougierung sowohl mit als auch ohne eine zuvor durch eine Kalibrierung festgestellte Enge. Die Beklagte habe außerdem schon deshalb die Abrechnung nicht verweigern dürfen, weil sie den Kläger zuvor nicht auf die fehlende Dokumentation bestimmter vertragsärztlicher Leistungen hingewiesen habe (LSG Niedersachsen Bremen, Urteil vom 6. September 2017 - L 3 KA 108/14).
Hinsichtlich der GOP 31102 trägt der Kläger vor, die Patienten hätten eine Fotodokumentation abgelehnt. Gewebematerial für eine histologische Untersuchung habe er schon aufgrund der Struktur der OP (Einschnitte und Vernähungen) nicht entnehmen können. Die ergänzende Abrechnungsbestimmung sei verfassungswidrig und könne daher nicht zur Anwendung gelangen. Die Fotodokumentation des Genitals stelle einen unzulässigen Eingriff in die nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Intimsphäre der betroffenen Patienten dar. Eine Rechtfertigung sei nicht gegeben. Es fehle bereits an einem legitimen Zweck, weil keine Gefahr bestehe, dass rein religiös oder kosmetisch begründete Eingriffe mit der GOP fälschlicherweise abgerechnet würden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 6. Dezember 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 25. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2015, dieser in der Fassung des Änderungsbescheids vom 9. Juni 2016, zu verurteilen, dem Kläger für das Quartal II/2012 31 Mal die GOP 26340, viermal die GOP 31102, zweimal die GOP 31503 und viermal die GOP 31609 nachzuvergüten,
hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bzgl. der GOP 31102, 31503, 31609 nach Vorliegen einer Neuregelung durch den Bewertungsausschuss neu zu bescheiden sowie
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor: Durch die Dokumentationspflicht bei dermatochirurgischen Eingriffen sei der Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt, daher bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Dem Kläger gehe es nur um die Durchsetzung seiner Vergütung und nicht um eine Grundrechtsverletzung der Patienten. Der Kläger trage die objektive Beweislast für die ordnungsgemäße Abrechnung der GOP 26340. Das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O. finde für die quartalsgleiche sachlich-rechnerische Richtigstellung keine Anwendung.
Das Gericht hat ein urologisches Sachverständigengutachten eingeholt von dem Facharzt für Urologie Dr. E. Auf das Gutachten vom 3. Oktober 2021 wird verwiesen (Fragen Bl. 248R GA II, Gutachten Bl. 359 GA II).
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 6. Dezember 2017 ist zulässig und teilweise begründet.
Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG, da der Kläger sich gegen sog. quartalsgleiche Richtigstellungen wendet, nämlich gegen sachlich-rechnerische Richtigstellungen, die die Beklagte sogleich im Zusammenhang mit der Erteilung des Quartalshonorarbescheids vornahm (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2012, B 6 KA 5/12 R, zitiert nach juris, Rn. 9).
Das Urteil des Sozialgerichts ist teilweise aufzuheben, da der Honorarbescheid vom 25. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2015 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 9. Juni 2016 teilweise rechtswidrig ist und den Kläger insofern in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Vergütung der in dem Honorarbescheid gestrichenen GOP 26340 (1.), aber nicht auf die Vergütung der GOP 31102, 31503 und 31609 (2.).
Rechtsgrundlage der von der Beklagten durch den angefochtenen Bescheid vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellung ist § 106a Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der ab dem 1. Juli 2008 geltenden Fassung. Danach stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts – mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots –, erbracht und abgerechnet worden sind (BSG, Urteil vom 28. August 2013, B 6 KA 50/12 R, zitiert nach juris, dort Rn. 17).
Bei Ermittlung des Bedeutungsgehalts der GOP 26340 berücksichtigt der Senat, dass der Auslegung von auf dem SGB V basierenden Vertragswerken durch die Sozialgerichte enge Grenzen gesetzt sind. Es entspricht ständiger Rechtsprechung zur Auslegung von Leistungsbestimmungen des EBM, dass in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 28. April 2004, B 6 KA 19/03 R, zitiert nach juris, Rn. 18; Urteile des Senats vom 1. August 2012, L 7 KA 73/09, zitiert nach juris, Rn. 33 und vom 26. September 2012, L 7 KA 150/09, zitiert nach juris, Rn. 63). Dies gründet sich im Wesentlichen darauf, dass das Vertragswerk als abschließende Regelung dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen der Vertragspartner dient und es vorrangig deren Aufgabe ist, Unklarheiten zu beseitigen. Grundsätzlich dürfen daher Leistungsbestimmungen des EBM weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden.
1. In Anwendung dieser Maßstäbe hat die Beklagte zu Unrecht die GOP 26340 im Honorarbescheid 31 Mal gestrichen. Die enge Interpretation der Beklagten, dass die GOP nur abrechenbar ist, wenn eine Harnröhrenenge festgestellt und dokumentiert wurde, wird nicht vom Wortlaut gedeckt.
Die GOP 26340 lautete im streitgegenständlichen Quartal:
„Kalibrierung/Bougierung der Harnröhre
obligater Leistungsinhalt
- Kalibrierung/Bougierung der Harnröhre,
- Patientenaufklärung zur Untersuchung und zu den möglichen therapeutischen Maßnahmen in derselben Sitzung in angemessenem Zeitabstand,
- Information zum Ablauf der vorbereitenden Maßnahmen vor dem Eingriff und zu einer möglichen Sedierung und/oder Prämedikation,
- Nachbeobachtung –und betreuung.
Fakultiver Leistungsinhalt
- Prämedikation/Sedierung
Die Gebührenordnungsposition 26340 ist nicht neben den Gebührenordnungspositionen 02300 bis 02302, 26321 und 26350 bis 26352 berechnungsfähig. Die Gebührenordnungsposition 26340 ist im Behandlungsfall nicht neben der Gebührenordnungsposition 26313 berechnungsfähig.“
Der Senat teilt nicht die Auffassung des Sozialgerichts, dass sich aus dem Schrägstrich zwischen den Wörtern Kalibrierung und Bougierung ergibt, dass beide Leistungen durchgeführt werden müssen (im Sinne eines „und“), um abrechnen zu dürfen. Vielmehr wird der Schrägstrich im allgemeinen Sprachgebrauch (vgl. www.duden.de/sprachwissen/rechtschreibregeln/schraegstrich) im Sinne eines „und/oder“ oder „beziehungsweise“ genutzt und gibt Alternativen an (z.B. Kollegen/Kolleginnen, Wir begrüßen sie/Sie); der Schrägstrich dient dann dazu, mehrere gleichberechtigte Möglichkeiten platzsparend zusammenzufassen. In anderen Fällen steht er für „und“, wenn er Personen, Institutionen oder Orte (z.B. CDU/CSU; Berlin/Brandenburg) verbindet. Hätte der Bewertungsausschuss die Abrechnung des GOP 26340 nur zulassen wollen, wenn der Vertragsarzt kalibriert und bougiert, ist davon auszugehen, dass er dies durch zwei eigene Spiegelstriche oder durch ein „und“ als obligaten Leistungsinhalt klargestellt hätte.
Die Argumentation der Beklagten, dass die Kalibrierung obligater Leistungsbestandteil der „vorbereitenden Maßnahmen“ einer Zystoskopie und daher nicht gesondert abrechenbar sei, findet sich ebenfalls nicht im Wortlaut des EBM. Die Kalibrierung wird weder als obligater noch als fakultativer Leistungsinhalt in den die Urethro(-zysto)skopie regelnden GOP 26310 und 26311 genannt. Auch als „Exklusivum“, das nicht neben den genannten GOP abgerechnet werden darf, wird die GOP 26340 nicht aufgeführt. Im medizinischen Sprachgebrauch umfasst die Zystoskopie die Harnröhren- und Blasenspiegelung (vgl. nur http://www.gesundheits-lexikon.com zum Begriff), hingegen nicht die Kalibrierung der Harnröhre. Auch in der Beschreibung der Urethro(-zysto)skopie durch den Sachverständigen Dr. E wird die Kalibrierung nicht als üblicher Bestandteil genannt. Dass Dr. E es zur Vermeidung von Verletzungen medizinisch für sinnvoll hält, die Harnröhre stets vor der Zystoskopie zu kalibrieren, führt nicht dazu, dass die Kalibrierung - über den Wortlaut der GOP 26310 und 26311 hinaus – von der Zystoskopie abrechnungstechnisch konsumiert wird. Dies hätte der Bewertungsausschuss als Exklusivum regeln müssen.
Ob eine medizinische Indikation für eine Bougierung vorlag, ist im Rahmen der sachlich-rechnerischen Prüfung nicht relevant, da diese nur auf die Korrektheit der Abrechnung der Leistungserbringung und ihre Zuordnung zu den Leistungspositionen des EBM gerichtet ist. Die Prüfung, ob die Behandlungs- und Verordnungstätigkeit des Arztes sich auf das medizinisch Ausreichende, Zweckmäßige und Notwendige beschränkt oder ob sie nach ihrem Umfang darüber hinausgeht und insofern unwirtschaftlich ist, ist dem Rechtsinstitut der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106a SGB V zu überlassen (Clemens, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 106d SGB V [Stand: 24.10.2022], Rn. 47).
2. Soweit die Beklagte die GOP 31102 (Dermatochirurgischer Eingriff der Kategorie A2), 31503 (postoperative Überwachung im Anschluss) und 31609 (postoperative Behandlung im Anschluss) gestrichen hat, ist der Honorarbescheid rechtmäßig und der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat die streitigen dermatochirurgischen Leistungen zwar erbracht, aber den Leistungsinhalt der GOP 31102 und der darauf aufbauenden GOP 31502 und 31609 nicht vollständig erfüllt.
Gemäß Kapitel 31.2.2 EBM ("Definierte operative Eingriffe an der Körperoberfläche") setzt die Berechnung dermato-chirurgischer Eingriffe „die obligate histologische Untersuchung entnommenen Materials und/oder eine Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes voraus“.
Die GOP 31102 fällt unter dieses Kapitel, so dass diese Vorgaben den obligaten Leistungsinhalt der GOP darstellen. Die Gewährung der Vergütung setzt voraus, dass die Leistungslegende vollständig erfüllt ist (BSG, Beschluss vom 16. Mai 2001, B 6 KA 30/01 B, zitiert nach juris, Rn. 6). Der Kläger hat unstreitig in den gestrichenen Leistungsfällen weder eine histologische Untersuchung durchgeführt noch eine Bilddokumentation angefertigt. Die Beklagte musste den Kläger vor der sachlich-rechnerischen Richtigstellung auch nicht auf die fehlende Dokumentation bestimmter vertragsärztlicher Leistungen hinweisen. Anders als in dem Fall des vom Kläger zitierten Urteils des LSG Niedersachsen Bremen vom 6. September 2017, L 3 KA 108/14, ergibt sich die Dokumentationspflicht hier bereits aus dem einschlägigen Kapitel im EBM.
Der EBM ist insoweit auch rechtmäßig.
Die gerichtliche Kontrolle des EBM als untergesetzliche Norm hat den dem Bewilligungsausschuss (BewA) als Normgeber nach § 87 Abs. 2 S. 1 SGB V zukommenden Gestaltungsspielraum zu beachten. Das vom BewA erarbeitete System autonomer Leistungsbewertung kann seinen Zweck nur erfüllen, wenn Eingriffe von außen grundsätzlich unterbleiben. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich daher darauf zu prüfen, ob die äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtsetzungsbefugnis durch den Normgeber überschritten wurden. Dies ist erst dann der Fall, wenn die getroffene Regelung in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist. Die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen des BewA ist somit im Wesentlichen auf die Prüfung beschränkt, ob sich diese auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen können und ob die Grenzen des Gestaltungsspielraums eingehalten sind. Sofern eine Norm tatsächliche Umstände zur Grundlage ihrer Regelung macht, erstreckt sich die gerichtliche Überprüfung insbesondere darauf, ob der BewA seine Festsetzung frei von Willkür getroffen hat (BSG, Urteil vom 24. Oktober 2018, B 6 KA 42/17 R, zitiert nach juris, Rn. 13 m.w.N.).
Der Senat ist der Überzeugung, dass die Vorgaben des BewA in Kapitel 31.2.2 EBM und GOP 31102 im Rahmen der gesetzlichen Grenzen ergangen sind und in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung weder unvertretbar noch unverhältnismäßig sind. Der BewA hat seine Bewertungskompetenz nicht missbräuchlich ausgefüllt und auch keine willkürliche Festsetzung getroffen.
Die Kompetenz des BewA für die im EBM getroffenen Festlegungen folgt aus § 87 Abs. 2 S. 1 SGB V. Danach bestimmt der EBM den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen. Gemäß § 87 Abs. 2d S. 1 SGB V ist sicherzustellen, dass die Leistungsinhalte vollständig erbracht werden, die notwendigen Qualitätsstandards eingehalten und die abgerechneten Leistungen auf den medizinisch notwendigen Umfang begrenzt werden. Zweck der Vorschrift zu Nr. 1 in Kapitel 31.2.2 ist es, für sämtliche dermatochirurgischen Eingriffe die Abrechnung von solchen Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu verhindern, die nicht medizinisch notwendig sind. Dieser Zweck ist legitim und entspricht dem Normsetzungsauftrag in § 87 Abs. 2d S. 1 SGB V. Für operative Veränderungen der Vorhaut kommt nicht nur eine Abgrenzung zu rituell- und religiös-motivierten Eingriffen in Betracht, sondern auch zu (bloß) ästhetischen Eingriffen.
Der von Seiten der ehrenamtlichen Richter mit zwei Vertragsärzten besetzte Senat ist der Überzeugung, dass die Vorgabe der obligaten Histologie oder Bilddokumentation entgegen der Ansicht des Klägers nicht schlechterdings ungeeignet ist, um die Abrechnung medizinisch nicht notweniger Eingriffe zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu verhindern. Der Vertragsarzt hat die Möglichkeit, entsprechend der medizinischen Notwendigkeiten und Wirtschaftlichkeit zwischen der Histologie oder der Bilddokumentation zu wählen. Bei sekundären Phimosen empfiehlt die S2-Leitlinie "Phimose und Paraphimose bei Kindern und Jugendlichen" eine histologische Untersuchung des OP-Präparates aufgrund des Risikos für eine postoperative Progredienz und der höheren Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer postoperativen Meatusstenose (Verengung der Mündung der Harnröhre). Die Möglichkeit, die Dokumentation durch eine histologische Untersuchung zu erbringen, ist daher nicht schlechthin ungeeignet und weder willkürlich noch missbräuchlich (vgl. auch SG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Januar 2016, S 2 KA 380/15 ER, zitiert nach juris, Rn. 34). Dass der Kläger die Vorhautplastik nicht an Kindern vorgenommen hat, die Leitlinie daher bei den Eingriffen nicht einschlägig war, ist nicht relevant. Denn die Bestimmung des EBM ist aufgrund der Tatsache, dass zumindest in manchen Patientengruppen die Histologie medizinisch notwendig ist, nicht willkürlich. Dass der Kläger keine vollständige Zirkumzision, sondern nur eine Vorhautplastik durchgeführt hat und mangels Entfernung der Vorhaut daher kein Gewebematerial für eine histologische Untersuchung zur Verfügung steht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dem Vertragsarzt steht bei medizinischer Ungeeignetheit der Histologie mit der Fotodokumentation noch eine alternative Dokumentationsmöglichkeit zur Verfügung.
Die Fotodokumentation ist nach Überzeugung des Senats ebenfalls ein geeignetes Mittel, um die Abrechnung medizinisch nicht notwendiger Eingriffe zu verhindern. Es ist für den Senat nicht nachvollziehbar, warum die pathologische, behandlungsbedürftige Phimose nicht mit – gegebenenfalls mehreren – Bildaufnahmen dokumentierbar sein sollte. Der Senat hielt die Befragung eines Sachverständigen in diesen Fragen nicht für notwendig.
Der Senat hält die Regelung des 31.2.2 EBM auch nicht für schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig, unabhängig von der Frage, ob sich der Kläger im Rahmen der Prüfung der Anwendung des Regelwerks auf das Selbstbestimmungsrecht der Patienten berufen könnte. Die Präambel steht vor den dermatochirurgischen Eingriffen, also solchen an der Haut(-oberfläche). Dazu gehört nachvollziehbar auch die Vorhaut. Im Zuge eines praktisch verstärkten Verlangens nach ästhetischer Veränderung im Genitalbereich, welches auch mit den Mitteln der plastischen Chirurgie bedient wird (Stichwort: „Intimästhetik/Intimchirurgie für den Mann“, „Intimkorrektur“), erscheint es nicht unvertretbar, die medizinische Notwendigkeit mittels Fotodokumentation des OP-Gebietes zu belegen. Mit einer klaren örtlichen Begrenzung auf das OP-Gebiet kann dem Selbstbestimmungsrecht der Patienten zudem ausreichend Rechnung getragen werden.
Soweit der Kläger vorträgt, dass die streitgegenständlichen Eingriffe im Kapitel der urologischen Ziffern hätte verortet werden müssen, wo eine mit 31.2.2 EBM vergleichbare Vorschrift nicht existiert, rechtfertigt dies nicht, die Vorschrift unanwendbar zu lassen. Denn die Verortung bzw. der Aufbau des EBM liegt im Gestaltungsspielraum des BewA und ist nach Überzeugung des Senats nicht willkürlich. Dasselbe gilt für den Vortrag, dass ein milderes Mittel zur Verfügung gestanden hätte, um die medizinische Notwendigkeit zu dokumentieren (z.B. Patientenkarte, Operationsbericht). Der vom Kläger angestellte Vergleich mit den diagnostischen und therapeutischen GOP im frauenärztlichen Bereich trifft bereits deshalb nicht zu, weil es sich hier um operative Eingriffe handelt.
Dem Hilfsantrag war aus denselben Gründen nicht stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.