L 8 SO 24/21

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 SO 74/17
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 24/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Auch nach den Regelungen zur Eingliederungshilfe im SGB XII vor Inkrafttreten des BTHG bestand keine Verpflichtung für den Hilfebedürftigen, vom Sozialhilfeträger für geeignet gehaltene stationäre Eingliederungshilfe bei nachgewiesenem Bedarf der Hilfe zur Pflege in Anspruch zu nehmen (hier: ein vom Sozialhilfeträger gegen amtsärztlichen Rat eingeleiteter Umzug von einem Pflegeheim in eine Einrichtung der Eingliederungshilfe für einen Hilfebedürftigen mit einer Alkoholkrankheit im Endstadium).

 

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. März 2021 wird zurückgewiesen.

 

            Der Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.

 

            Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten über die Kosten der stationären Betreuung des am 22. Juli 2017 verstorbenen D.M. im SWP in T1 (im Weiteren: SWP), dessen Trägerin die Klägerin ist, für den Zeitraum vom 1. bis zum 31. März 2015 in Höhe von 2.114,19 €.

 

D.M., geboren am ... 1968, brach - bei langjähriger Alkoholabhängigkeit mit Alkoholkonsum seit der Kindheit (erster Rausch im Alter von zwölf Jahren, Konsum im Maximum später von zwei bis drei Flaschen Schnaps pro Tag) - eine Maurerlehre nach neun Monaten ab und verrichtete bis 1990 ungelernte Tätigkeiten in einer Brauerei. Seit 1991 war er arbeitslos. Der genaue Ort des gewöhnlichen Aufenthalts von D.M. im Jahr 2005 ist nicht mehr feststellbar, lag nach den Angaben von D.M. zu seinen sozialen Kontakten aber nach Aktenlage im Landkreis S. (im Folgenden: Landkreis). D.M. befand sich von 2003 bis 2004 und 2006 bis 2007 insgesamt ein Jahr und neun Monate in Haft und wurde im Jahr 2008 in eine Obdachlosenunterkunft in S. aufgenommen.

 

Nach einer erneuten stationären S 4-Behandlung (einer Langzeitbehandlung für chronisch mehrfach beeinträchtigte Alkoholabhängige) seit dem 3. August 2010 in der Klinik für Psychosomatik, Psychotherapie und Suchtmedizin am S. Klinikum U. befürworteten die Fachärztinnen für Psychiatrie und Psychotherapie Dipl.-Med. U. und A., Chefärztin bzw. Abteilungsleitende Ärztin dieser Klinik, in ihren Stellungnahmen vom 23. August und 1. September 2010 die Kostenübernahme für die Unterbringung von D.M. im Heim für suchtkranke Menschen „Haus L“ in T2 (im LK H.). Im Vordergrund der Beschwerden stehe eher ein durch den langjährigen Alkoholkonsum bedingtes hirnorganisches Psychosyndrom mit Kritikminderung, Bagatellisierungstendenzen, Urteils- und Kritikschwäche, mangelnder Fähigkeit, sich auf Wesentliches zu konzentrieren, sowie erheblichen Beziehungs- und Kontaktstörungen. Auch körperlich befinde sich der Kläger in einem deutlich reduzierten, ungepflegten Allgemeinzustand bei ausreichendem Ernährungszustand. Der körperliche Status sei im Wesentlichen intakt. Lediglich beim Gangbild zeigten sich Gangstörungen im Sinne einer alkoholtoxischen Polyneuropathie.

 

In der amtsärztlichen Stellungnahme vom 7. September 2010 kamen die Amtsärztin Dr. S. und Dipl.-Soz.-Arb. L. zu dem Ergebnis, ausgehend von den Diagnosen einer chronischen Alkoholabhängigkeit, eines hirnorganischen Psychosyndroms und einer Alkoholpolyneuropathie liege bei D.M. eine wesentliche seelische Behinderung in Folge Sucht im Sinne des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) vor. D.M. sei krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage, an einer von Rentenversicherung oder Krankenkasse getragenen Entwöhnung teilzunehmen. Er sei gewillt, zukünftig ohne Alkoholkonsum zu leben. D.M. benötige in allen Lebensbereichen mindestens Anleitung und teilweise stellvertretende Ausführung. Pflegerische Hilfe bzw. Assistenz benötige er in den Bereichen Körperpflege, Kleidung und äußeres Erscheinungsbild.

 

Nach Aufnahme im Übergangswohnheim am Haus L am 13. September 2010 und Umzug in ein ambulant betreutes Wohnen am 1. Juni 2011 befand sich D.M. im Juni 2011 wieder mehrfach in stationärer psychiatrischer Behandlung. In der amtsärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie G.. vom 28. Juli 2011 wurde die vorausgehende amtsärztliche Einschätzung bestätigt und um die Diagnose einer alkoholtoxischen Leberschädigung ergänzt. Für D.M. sei unbedingt eine stationäre Betreuungsform erforderlich. Befürwortet werde eine Aufnahme im Haus L. Dem Entwicklungsbericht dieser Einrichtung für den Zeitraum vom 22. Juli 2011 bis zum 9. Januar 2012 ist allerdings im Wesentlichen zu entnehmen, D.M. sei dort „grundsätzlich überfordert“. Die Frage der Abstinenzmotivation müsse täglich neu gestellt werden.

 

Vom Haus L. zog D.M. am 1. März 2012 in ein 22 m² großes Zimmer in der Obdachlosenunterkunft „Haus D. “ in S., das im Zuständigkeitsbereich des Landkreises liegt, um. Dem lag ein „Mietvertrag über Wohnraum im Gemeinschaftshaus S.“ zugrunde, der im Wesentlichen wie ein üblicher Wohnraummietvertrag ausgestaltet ist. In der sozialmedizinischen Stellungnahme für die Agentur für Arbeit S. vom 5. Juni 2012 wurde nach ambulanter Untersuchung ein Leistungsvermögen von D.M. von täglich weniger als drei Stunden, voraussichtlich länger als sechs Monate, aber nicht auf Dauer, festgestellt. Eine Motivation zur Änderung seiner Lebensweise sei bei D.M. nicht erkennbar. Die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung auf den von D.M. am 2. Juli 2012 gestellten Antrag lehnte der zuständige Rentenversicherungsträger mit Bescheid vom 6. Juli 2012 wegen der fehlenden besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab.

 

Nach der Ablehnung des am 1. September 2012 von D.M. gestellten Antrags auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II, Bescheid des Jobcenters vom 5. September 2012) bewilligte der Landkreis D.M. im November 2012 rückwirkend ab dem 1. Juli 2012 Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII (nicht feststellbar, ob nach dem Dritten oder Vierten Kapitel). In den Verwaltungsakten befindet sich ein von D.M. im Juli 2012 (Tagesstempel nicht vollständig leserlich) gestellter Antrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

 

Vom 14. Mai bis zum 3. Juni 2014 und vom 1. bis zum 8. Juli 2014 wurde D.M. wieder stationär im Krankenhaus behandelt, zunächst auf der chirurgischen und dann auf der inneren Abteilung des Diakonissenkrankenhauses Seehausen. Anlass der Krankenhausaufnahme waren ein Dekubitusulcus am Gesäß und ein ausgeprägtes Impetigo (eine ansteckende Hautkrankheit, sog. „Borkenflechte“) im perinealen Bereich (Region zwischen After und Skrotum). Im Übrigen wurde bei D.M. - neben den amtsärztlich festgestellten Vordiagnosen - eine beginnende Muskelkontraktur der unteren Extremitäten festgestellt. Zwischen diesen beiden Krankenhausaufenthalten befand sich D.M. wieder in der Psychiatrie in U.. Im Entlassungsbericht des Diakonissenkrankenhauses vom 7. Juli 2014 heißt es: „Wir empfehlen die Unterbringung in einem Pflegeheim zur besseren Pflege“.

 

Die Pflegekasse lehnte mit Bescheid vom 2. Juli 2014 den dort an demselben Tag gestellten Antrag auf Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung für D.M. ab, da bei D.M. nur eine Auftragsversicherung in der Krankenversicherung als Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII vorliege.

 

Am 8. Juli 2014 wurde D.M. ausgehend von einer Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe II zunächst zur Kurzzeitpflege bis zum 4. August 2014 im SWP - der circa 60 km südlich von S. liegt - aufgenommen.

 

Die AOK-Sachsen-Anhalt lehnte mit Bescheid vom 31. Juli 2014 eine Leistung der medizinischen Rehabilitation für D.M. ab, da auf Grund seiner Erkrankung bei ihm hierfür derzeit keine ausreichende Belastbarkeit und Motivation bestehe. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens stellte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) fest, dass auf Grund schwerer, vorbestehender Gesundheitsschäden bei D.M. kein wesentliches Rehabilitationspotential und Einschränkungen der Rehabilitationsfähigkeit bestünden. Empfohlen werde eine S4-Behandlung.

 

Am 5. August 2014 wurde D.M. im SWP, nun mit der vorläufigen Pflegestufe I, vollstationär aufgenommen. Das zeigte die Einrichtung dem Landkreis an demselben Tag an und dies akzeptierte nach einem Gesprächsvermerk vom 23. September 2014 der Landkreis. Ausweislich des Gesamtplans vom 19. August 2014 für die Zeit vom 20. August 2014 bis zum 31. März 2017 war D.M. dort in einem Zweibettzimmer von insgesamt 16 m² untergebracht. Der Wohn- und Betreuungsvertrag vom 4. September 2014 sieht in § 15 Abs. 1 vor, dass der Bewohner den Vertrag spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats für den Ablauf desselben Monats kündigen kann. Zu dem Vertrag wird im Übrigen auf Blatt 88 bis 108 Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen.

 

Amtsärztin Dr. S. und Dipl.-Soz.-Arb. L.  führten in ihrer weiteren amtsärztlichen Stellungnahme vom 6. August 2014 in Beantwortung der Anfrage des Landkreises unter dem 30. Juli 2014 „zur Eingliederungshilfe für Behinderte gem. den §§ 53, 54, 56 SGB XII“ auf der Grundlage eines Hausbesuchs im SWP aus, D.M. habe angegeben, sehr unter der bei ihm vorliegenden Gehunfähigkeit zu leiden. Mit der Hoffnung, nach einer Rehabilitationsmaßnahme wieder selbstständig laufen zu können, akzeptiere er die Betreuung im Pflegeheim. D.M. sei fast kachektisch und befinde sich in einem reduzierten Allgemein- und Ernährungszustand. Er habe eine Kontraktur in den Kniegelenken und eine allgemeine Muskelatrophie. Eine vollständige Streckung der Beine sei nicht möglich. D.M. sei steh- und gehunfähig und bewege sich mit einem Rollstuhl fort. Er habe einen Dekubititusulcus an der rechten Hüfte. In der Obdachlosenunterkunft in S. habe D.M. täglich getrunken und sein Bett nicht mehr verlassen, weder zur Körperpflege noch zu Toilettengängen. Mit dem Ziel, wieder laufen zu können, bleibe er in der beschützten Umgebung der Einrichtung abstinent. D.M. sei im Ergebnis der Untersuchung weiterhin wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt. Im Anschluss an einer weitere S4-Behandlung sei davon auszugehen, dass der Wille ohne Alkohol zu leben, gefestigt sei. Zu einer Entwöhnungsbehandlung sei D.M. auf Grund der kognitiven Einschränkungen nicht mehr in der Lage. D.M. sei infolge der behinderungsbedingten Einschränkungen auf Eingliederungshilfe in Form eines Wohnheims für Erwachsene mit seelischer Behinderung infolge Sucht nach der S4-Behandlung angewiesen. Zu einer eigenständigen Lebensplanung und -führung werde er auch dann nicht mehr befähigt sein. Weiter heißt es dort:

 

„Hierbei ist zu beachten, dass von einer Aufnahme in das Sozialtherapeutische Zentrum G. abgesehen wird. Neben der örtlichen Nähe zu seinem letzten Wohnort spricht auch die Tatsache, dass Bewohner des „Hauses D“ eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung in dieser Einrichtung ausführen, dagegen. Im beschützendem Rahmen eines Wohnheimes und mit Hilfe und Unterstützung des betreuenden Personals kann Herr […= D.M.] abstinent leben. […]. Die Pflegebedürftigkeit des Herrn […= D.M.] ist zum derzeitigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilbar. Aktuell erhält er bei der Körperpflege Hilfestellung durch die Pflegekräfte. Es ist jedoch davon auszugehen, dass er die Handlungen zur Körperpflege nach der S4-Behandlung wieder selbstständig ausführen kann. Eine Pflegestufe liegt nicht vor. […] Herr […= D.M.] ist nach einer S4-Behandlung auf Eingliederungshilfe in Form des Wohnheims für Erwachsene mit wesentlicher seelischer Behinderung infolge Sucht angewiesen. […]“

 

In dem von der Ärztin im Gesundheitsamt Dipl.-Med. S. und der Dipl.-Soz.-Arb. A..  auf die entsprechende Anfrage des Landkreises unter dem 8. August 2014 erstellten Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 10. September 2014 wird nach ambulanter Untersuchung am 10. September 2014 eine deutlich eingeschränkte Alltagskompetenz von D.M. angegeben. Dieser habe bei dem Hausbesuch keine differenzierten Auskünfte zu seiner sozialen, biografischen, schulischen und medizinischen Anamnese geben können. Er befinde sich in einem reduzierten Allgemein- und Ernährungszustand. D.M. sei steh- und gehunfähig und benötige zur Mobilität einen Rollstuhl. Der Dekubitusulkus an der rechten Hüfte sei fast geschlossen und benötige weiterhin eine Versorgung. Interesse, Antrieb und Affekt seien reduziert. Eine Tagesstruktur sei erforderlich. Kognitive Einbußen und eine deutliche Urteils- und Kritikminderung seien ebenfalls vorhanden. Es liege eine Pflegebedürftigkeit gemäß den §§ 61 ff. SGB XII im Umfang der Pflegestufe I im grundpflegerischen und hauspflegerischen Bereich vor. Derzeit benötige D.M. vordergründig Hilfe zur Pflege. Die derzeitige Einrichtung (Alten- und Pflegeheim) entspreche aus sozialmedizinischer Sicht nicht dem Förderbedarf. Da D.M. erhebliche körperliche und psychische Folgeschäden infolge seines Alkoholabusus aufweise, benötige er zusätzlich suchtherapeutische und sozialpädagogische Begleitung. Da der therapeutische Zugang nur eingeschränkt möglich sei, könne eine Förderung und Motivation zur Abstinenz und der sozialen Kompetenz nur niederschwellig erfolgen. Eine adäquate Hilfeform könne hier die Therapiegemeinschaft Suchthilfezentrum Haus Wulkau vorweisen. Hier seien sowohl Pflegeeinrichtung als auch weiterführende Wohnformen für depravierte alkoholkranke Menschen mit entsprechenden Therapieangeboten vorhanden. D.M. gehöre zum Personenkreis gemäß § 2 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) mit einem Bedarf der Eingliederungshilfe gemäß den §§ 53 und 54 SGB XII auf Grund einer wesentlichen Behinderung infolge Sucht. Ziel sollte nach weiterer Pflegebetreuung die Übernahme ins Wohnheim für mehrfach geschädigte Suchtkranke sein.

 

Der Landkreis informierte die Klägerin mit Schreiben vom 23. September 2014, dass D.M. im Namen des im vorliegenden Rechtsstreits beklagten überörtlichen Sozialhilfeträgers stationäre Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII im SWP für den Zeitraum vom 8. Juli 2014 bis zum 28. Februar 2015 bewilligt werde. Die Kostenübernahme erfolge auf der Grundlage der Pflegestufe I (Pflegesatz pro Tag 69,57 € sowie monatlich dem Barbetrag (105,57 €) und der Bekleidungsbeihilfe (21,30 €). D.M. wurden mit Bescheid des Landkreises vom 25. September 2014 im Namen des Beklagten für die Zeit vom 8. Juli 2014 bis zum 28. Februar 2015 Hilfe zur Pflege in Einrichtungen nach der Pflegestufe I im SWP (monatlich 1.473,32 €), Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (monatlich 643,00 €), Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen (monatlich 126,87 €) und Bekleidungsbeihilfe (21,30 €) bewilligt.

 

Die Klägerin rechnete gegenüber dem Beklagten mit Rechnung vom 1. Oktober 2014 für den Zeitraum von Juli bis Oktober 2014 7.970,16 € (8.541,84 € abzüglich des Investitionsanteils von 571,68 €) ab. Der Monatsbetrag belief sich danach auf 2.114,19 € (657,98 € - 150,88 € Investitionskostenanteil, 504,06 € Unterkunft und Verpflegung, 1061,66 € Pflegeentgelt Stufe I, 41,37 € Ausbildungsumlage). Die Rechnung wurde vom Landkreis beglichen.

 

Mit Beschluss vom 6. Oktober 2014, dem Landkreis am 26. November 2014 angezeigt, bestellte das Amtsgericht S. (Az. ..... ]) eine Betreuerin für D.M. mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten sowie Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten.

 

Die Gutachterin Dipl.-Med. S., Reha-pädagogischer Fachdienst des Beklagten, teilte dem Landkreis unter dem 8. Januar 2015 mit, hinsichtlich der stationären Form der Eingliederungshilfe für D.M. bestünden nach Aktenstudium keine Bedenken.

 

Am 13. Januar 2015 informierte der Landkreis die Betreuerin von D.M., dass dem „Umzug in eine Einrichtung der Eingliederungshilfe stattgegeben“ worden sei. Ein formloser Antrag auf Umzug sei zum 1. März 2015 „bei Fr. H.. “ zu stellen. Am 11. Februar 2015 teilte eine Mitarbeiterin des Sozialtherapeutischen Zentrums P.  (im Folgenden: P. ) dem Landkreis mit, D.M. zum 1. März 2015 aufnehmen zu können. Die Betreuerin von D.M. verwies in einem Gespräch an demselben Tag darauf, dass die Klägerin auf einer Kündigungsfrist bis zum 31. März 2015 bestehe. Entsprechend beantragte die Betreuerin am 16. Februar 2015 für D.M. die Verlängerung des Kostenanerkenntnisses für den SWP bis zum 31. März 2015.

 

Der Landkreis informierte das P. mit Schreiben vom 17. Februar 2015, dass D.M. im Namen des Beklagten stationäre Hilfen nach den §§ 53, 54 und § 67 SGB XII in dieser Einrichtung für den Zeitraum vom 1. März 2015 bis zum 29. Februar 2016 erhalte. Die Kostenübernahme erfolge auf der Grundlage der mit dieser Einrichtung vereinbarten Vergütung in Höhe von 55,36 € sowie monatlich dem Barbetrag (107,73 €) und der Bekleidungsbeihilfe (21,30 €). D.M. wurden vom Landkreis im Namen des Beklagten mit an die Betreuerin von D.M. adressiertem Bescheid vom 17. Februar 2015 mitgeteilt, er erhalte für die Zeit vom 1. März 2015 bis zum 29. Februar 2016 Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form von Leistungen zur Teilhabe am Leben im  P.  (monatlich 1.019,05 €), Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (monatlich 665,00 €), Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen (monatlich 129,03 €) und Bekleidungsbeihilfe (21,30 €).

 

Am 19. Februar 2015 erkundigte sich die Betreuerin von D.M. beim Landkreis nach der Verlängerung des Kostenanerkenntnisses bis zum 31. März 2015. An diesem Tag, d.h. nach Erlass des Bescheides vom 17. Februar 2015, wurde ihr telefonisch eine Ablehnung angekündigt. Sie wurde gleichzeitig auf eine noch ausstehende Antragstellung von D.M. für die „Umverlegung“ verwiesen. Mit Bescheid vom 24. Februar 2015 lehnte der Landkreis im Namen des Beklagten den Antrag vom 12. Februar 2015, d.h. die Verlängerung des Kostenanerkenntnisses für Hilfe zur Pflege vom 25. September 2014 für den Zeitraum bis zum 31. März 2015 ab. Die Pflegebedürftigkeit sei bis zum 28. Februar 2015 befristet gewesen, da absehbar gewesen sei, dass sich diese verringern werde. Die Voraussetzungen einer Pflegebedürftigkeit seien ab dem 1. März 2015 nicht mehr gegeben. Für die Leistungen der Eingliederungshilfe ab dem 1. März 2015 ergehe ein gesonderter Bescheid.

 

Diplom-Sozialarbeiterin A.  verwies in einer ergänzenden Stellungnahme vom 24. Februar 2015 im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in dem Gutachten vom 8. August 2014. Da nun das P.  D.M. aufnehmen könne und somit der sozialmedizinischen Empfehlung des Gesundheitsamtes folge, könne die Begutachtung in der adäquaten Wohnform für mehrfach geschädigte Suchtkranke erfolgen.

 

D.M. selbst, d.h. nicht seine Betreuerin, kündigte den Vertrag mit der Klägerin schriftlich zum 31. März 2015 (Kündigungsschreiben ohne Datum) mit der Bitte um Prüfung, ob das Vertragsverhältnis bereits zum 27. Februar 2015 unter Verzicht auf die Kündigungsfrist beendet werden könne. Mit Schreiben vom 25. Februar 2015 bestätigte die Klägerin den Eingang der Kündigung, bestand aber auf der Einhaltung der Kündigungsfrist zum 31. März 2015.

 

Die Betreuerin von D.M. legte - in anwaltlicher Vertretung - am 28. Februar 2015 Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. Februar 2015 ein und machte geltend, D.M. benötige weiter Hilfe zur Pflege. D.M. werde erst am 1. April 2015 im P.  einziehen. Als er am 11. Februar 2015 die Zusage für die andere Einrichtung erhalten habe, sei eine Kündigung für den Platz im SWP nicht mehr möglich gewesen. Würde er zum 1. März 2015 umziehen, würden doppelte Kosten entstehen.

 

Am 1. April 2015 zog D.M. vom SWP in das G.P. um mit einer Bestätigung durch den Einrichtungsträger für die Aufnahme ab diesem Datum. In dem „Förderprogramm“ dieser Einrichtung vom 16. April 2015 ist zu einem von Mitarbeitern der Einrichtung mit D.M. - noch im SWP geführten - Gespräch wiedergegeben: „Erst nach langem Zeitfenster und deutlich dominanter Aufklärung des realen und aktuellen klinischen Status lenkte Herr […= D.M.] bedingt in die Aufnahme hier ein.“

 

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2017 als unbegründet zurück. Eine geeignete Einrichtung der Eingliederungshilfe habe ab dem 1. März 2015 zur Verfügung gestanden. Entscheidend sei hier in Bezug auf die Abgrenzung zur Pflege gewesen, welches Ziel bei der Maßnahme im Vordergrund gestanden habe.

 

D.M. hat am 22. Juni 2017 vor dem Sozialgericht Magdeburg Klage erhoben, mit dem Ziel der Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Kosten der Hilfe zur Pflege vom 1. bis zum 31. März 2015 entsprechend der Rechnung der Klägerin Nr. 30810248/2 vom 20. Februar 2015. Seine Pflegebedürftigkeit habe im März 2015 unverändert fortbestanden. Das P. habe ihm nach zwei Abmahnungen zum 30. September 2015 gekündigt. Hierzu ist auf den Abschlussbericht vom 30. September 2015, Blatt 19 der Gerichtsakten, Bezug genommen worden, in dem ausgeführt wird, er - D.M. - sei zu keinem Zeitpunkt zur Therapie bereit gewesen und habe sich „vollständig in allen Items der Eingliederungshilfe“ verweigert. Seither wohne er wieder in der Obdachlosenunterkunft in Seehausen mit diversen Krankenhausaufenthalten auf Grund des fortgesetzten Alkoholkonsums. Eine ambulante ärztliche Versorgung finde nicht statt, die ambulante Pflege sei unzureichend. Das G. P.  sei nicht in der Lage gewesen, den extrem hohen Versorgungsbedarf zu erfüllen. Es bestünden dauerhaft die Voraussetzungen stationärer Hilfe gemäß § 61 SGB XII und der stationären Unterbringung im SWP. Im Übrigen seien die Kosten bis zum 31. März 2015 vertraglich zwangsläufig die Folge der vorausgegangenen Kostenübernahme. Zu der Rechnung über 2.114,19 € für den Monat März 2015, die inhaltlich den vom Landkreis ausgeglichen Rechnungen für die Monate bis März 2015 entspricht, wird auf Blatt 27 RS Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen.

 

Die Klägerin hat dem Sozialgericht den Tod von D.M. am 22. September 2017 angezeigt und die übergangenen Ansprüche mit ihrer Klage weiterverfolgt.

 

Das Sozialgericht hat den Beklagten mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 24. März 2021 unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2017 verurteilt, der Klägerin 2.114,19 € Kosten der Hilfe zur Pflege des D.M. für den Zeitraum vom 1. bis 31. März 2015 zu zahlen. Die Klägerin sei nach dem Versterben von D.M. als Sonderrechtsnachfolgerin unmittelbar kraft Gesetzes nach § 19 Abs. 6 SGB XII in das Verfahren eingetreten. Der Anspruch von D.M. ergebe sich für den Zeitraum vom 1. bis zum 31. März 2015 weiterhin aus den § 19 Abs. 2, 41, 42 SGB II (gemeint ist: SGB XII) in Verbindung mit § 27b SGB XII und § 61 SGB XII. Die Unterbringung von D.M. im SWP sei im Ergebnis auf Grund der seelischen Behinderung von D.M. nicht die richtige Wohnform gewesen. Dafür, dass der Beklagte D.M. jedenfalls für den Monat März 2015 weiterhin die Leistungen hätte bewilligen müssen, spreche bereits das Datum des Bescheiderlasses. Es sei nicht erkennbar, woher D.M. bzw. die ihn vertretende Betreuerin vor diesem Datum Kenntnis davon hätte erlangen können, dass ab dem 1. März 2015 nicht mehr die zuvor bewilligten Leistungen gewährt würden. Selbst nach den tatsächlichen Abläufen sei diese Kenntnis jedenfalls nicht vor dem 11. Februar 2015 vorhanden gewesen. Der Beklagte hätte sich schlicht nicht auf die im amtsärztlichen Gutachten geäußerte Ansicht, dass sich die Pflegebedürftigkeit (wohl) verringern werde, verlassen dürfen. Selbst wenn D.M. mit dem 12. Februar 2015 die Einrichtung hätte wechseln können, wären ihm die Leistungen, ggf. dann parallel, noch bis Ende März 2015 zu gewähren gewesen. Denn D.M. wäre auf Grund seines mit der Klägerin geschlossenen Vertrages gehindert gewesen, diesen „über Nacht“ zu beenden. Der Kündigungszeitpunkt sei am 12. Februar 2015 abgelaufen gewesen, sodass D.M. aus rechtlichen Gründen eine Vertragskündigung erst zum Ende des Monats März 2015 möglich gewesen wäre. Eine andere Entscheidung würde den Leistungsberechtigten generell in eine nicht von ihm zu vertretende Schuldensituation bringen.

 

Der Beklagte hat gegen das ihm am 30. März 2021 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 30. April 2021 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Die Betreuerin von D.M. habe es verabsäumt, sich rechtzeitig um eine andere Unterbringung für D.M., vor allem eine bedarfsgerechte, zu kümmern. Dies sei dann durch das Sozialamt erfolgt. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb der Betreuerin dies nicht selbst rechtzeitig möglich gewesen sei. Allein dadurch sei die Situation entstanden, dass die Kündigungsfrist nicht eingehalten worden sei. Zudem sei die Betreuerin vom Sozialamt daran erinnert worden, dass sie eine andere Einrichtung habe suchen müssen. D.M. müsse sich das Handeln seiner Betreuerin zurechnen lassen. Sie habe gerade nicht davon ausgehen können, dass die Hilfe trotz der Befristung weiter gewährt werde. Es sei kein Grund ersichtlich, ihm - dem Beklagten - die Kosten hierfür aufzuerlegen. Auch der Klägerin sei die Befristung der Kostenübernahme bekannt gewesen. Es sei auch nicht die Frage nach der Einhaltung der Kündigungsfrist zu stellen, sondern maßgebend sei allein die Befristung des Kostenanerkenntnisses. Ein darüber hinaus gehender Anspruch der Klägerin bestehe nicht. Soweit der Vertrag von D.M. im G. P.  gekündigt worden sei, ergebe sich daraus nicht die Schlussfolgerung, dass die Einrichtung ungeeignet gewesen sei. Die Klägerin habe nicht auf der Kündigungsfrist nach dem Heimvertrag bestehen dürfen. Die Klägerin müsse ihre Forderung gegenüber der Betreuerin von D.M. geltend machen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. März 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Selbst wenn im Zeitpunkt des Bewilligungsbescheides vom 25. September 2014 Hintergrund der Befristung ein Wegfall der Voraussetzungen der Hilfe zur Pflege zu einem späteren Zeitpunkt ggf. erwartbar gewesen sei, sei nicht erkennbar, dass sich die durch amtsärztliche Begutachtung im Jahr 2014 festgestellte Tatsachengrundlage, wie sie der im vorgenannten Bescheid anerkannten Anspruchsberechtigung des D.M. zugrunde gelegt wurde, für den Zeitraum März 2015 geändert habe. Von einem Wegfall der Voraussetzungen der Hilfe zur Pflege durch Zeitablauf gehe auch das amtsärztliche Gutachten vom 8./10. September 2014 keinesfalls aus. Vielmehr sei dort der Februar 2015 für eine Wiederbegutachtung festgelegt worden. D.M. habe auf Grund der Gesetzesbindung der Verwaltung darauf vertrauen können, dass ihm auch nach dem 28. Februar 2015 Hilfe zur Pflege nach § 61 SGB XII gewährt werde, soweit hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen weiter vorgelegen hätten und insbesondere eine zwischenzeitliche Wiederholungsbegutachtung mit anderem Ergebnis als im September 2014 nicht stattgefunden habe. Nachdem seit dem Jahr 2010 die Anfragen von Krankenhäusern nach Pflegeplätzen zur Betreuung/Versorgung suchtkranker Menschen gestiegen seien, sei schon im streitigen Zeitraum ein Wohnbereich auf dieses Krankheitsbild zugeschnitten gewesen.

 

Der Vergleichsvorschlag des Gerichts im vorbereitenden Verfahren, dass der Beklagte der Klägerin entsprechend der Vergütung für die Einrichtung P.  (Kostenübernahme mit Bescheid vom 17. Februar 2015) zur vollständigen Erledigung aller Ansprüche 1.684,05 € zahlt, ist an dem Beklagten gescheitert.

 

Im Übrigen wird zu dem Sach- und Streitstand auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

 

Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid vom 24. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2017 ist rechtswidrig (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin hat als Sonderrechtsnachfolgerin von D.M. Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung der Kosten der vollstationären Pflege von D.M. vom 1. bis zum 31. März 2015 in Höhe von 2.114,19 €.

 

Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage der Klägerin zulässig. Der Anspruch des Hilfeberechtigten auf Leistungen für Einrichtungen steht, soweit die Leistung dem Berechtigten erbracht worden wäre, nach seinem Tode nach § 19 Abs. 6 SGB XII demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat. Es handelt sich hierbei um eine Sonderrechtsnachfolge, die kraft Gesetzes zur einer Beteiligtenänderung führt (vgl. u.a. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 8. März 2017 - B 8 SO 20/15 R -, juris, RdNr. 13). Die Klägerin kann damit im eigenen Namen die Klage gegen den Bescheid vom 24. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2017 weiterführen. Der Anspruch erfasst nach dem Gesetzeswortlaut die „Leistungen für Einrichtungen“. Das sind neben den Leistungen für den Lebensunterhalt nach § 27b SGB XII die im Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII geregelten Hilfen (vgl. Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider/Legros, SGB XII Kommentar, 19. Aufl., § 19 RdNr. 59 [die in der 20. Auf., RdNr. 49, geänderte Kommentierung bezieht sich auf die Ausgliederung der Eingliederungshilfe aus dem SGB XII]). Der Beklagte ist als überörtlicher Sozialhilfeträger bei den streitigen stationären Leistungen insoweit passivlegitimiert (§ 97 Abs. 2 SGB XII i.V.m. dem AG-SGB XII in sämtlichen seit dem Jahr 2005 geltenden Fassungen).

 

Der Hilfebedarf von D.M. wurde im März 2015 ausschließlich über den SWP in tatsächlicher Hinsicht abgedeckt. D.M. war pflegebedürftig im Sinne des Siebten Kapitels des SGB XII zumindest im Umfang der damaligen Pflegestufe I. Dass in der amtsärztlichen Stellungnahme vom 30. Juli 2014 angegeben ist, „eine Pflegestufe liegt nicht vor“, bezieht sich darauf, dass die Pflegekasse mangels einer Mitgliedschaft von D.M. in der sozialen Pflegeversicherung keine förmliche Feststellung einer Pflegestufe vorzunehmen hatte. Die Möglichkeit für D.M., sich um seinen pflegerischen Bedarf wieder weitgehend selbstständig zu kümmern, ist auch in dieser amtsärztlichen Stellungnahme von der - nicht eingetretenen - Bedingung einer (weiteren) S4-Behandlung abhängig gemacht worden. Im Ergebnis sind damit sämtliche eingeholten Gutachten und Stellungnahmen dahingehend zu verstehen, dass D.M. ohne eine vorausgehende Langzeitbehandlung einen Bedarf der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung hatte. Im Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 10. September 2014 ist entsprechend eine Pflegebedürftigkeit von D.M. im Umfang der Pflegestufe I mit einer deutlich eingeschränkten Alltagskompetenz angegeben.

 

Ob D.M. auch einen Bedarf der Eingliederungshilfe hatte, muss der Senat hier nicht beantworten, da eine geeignete Einrichtung für die Versorgung von D.M. im März 2015 nicht zur Verfügung stand.

 

Die Voraussetzung einer Eingliederung von D.M. durch eine S4-Langzeittherapie war im März 2015 nicht erfüllt. Die Kostenübernahme für eine S4-Behandlung war weder durch den Rentenversicherungsträger noch die Krankenkasse erklärt worden. Damit kann dahinstehen, ob D.M. zu der Teilnahme an einer solchen Maßnahme überhaupt noch - im Rahmen der ausschließlich zulässigen Beratung, d.h. ohne Zwang - hätte motiviert werden können.

 

Soweit der Landkreis eine Versorgung von D.M. im G. P.  initiierte, steht dieses Handeln im Widerspruch zu der eindeutigen Feststellung in der amtsärztlichen Stellungnahme vom 30. Juli 2014, nach der gerade diese Einrichtung für die Versorgung von D.M. ungeeignet war, da dort ein Kontakt zum Trinkermilieu stattfinden würde.

 

Aus Sicht des Senats stand es vielmehr im März 2015 weiterhin im Vordergrund, in irgendeiner Form eine weitgehende Abstinenz von D.M. zu sichern, was nur zweimal gelungen ist: kurzfristig während der stationären Unterbringung im Haus L. und während der stationären Pflege im SWP, immerhin über einen Zeitraum von acht Monaten.

 

Es besteht im Übrigen für den Senat kein Zweifel, dass Zwang auf D.M. ausgeübt wurde, in das G.P. zu wechseln, was eine tatsächliche konstruktive Mitarbeit an einer Eingliederung von vornherein ausschloss. Die Vorstellung, einen Menschen in der Endphase der schweren Alkoholkrankheit zu einer aktiven Eingliederung zwingen zu wollen, statt die für die im Vordergrund stehenden erheblichen körperlichen Gebrechen notwendige Pflege zu leisten, entspricht weder dem Menschenbild des Grundgesetzes (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz) noch dem einfachgesetzlich verankerten Wunsch- und Wahlrecht (§ 9 Abs. 2 SGB XII). Eine Eingliederung kann dann nicht im Vordergrund stehen, wenn der Hilfebedürftige diese gar nicht in Anspruch nehmen will oder vielleicht sogar kann, was bei D.M. zumindest bis zu einer (dann ersten) erfolgreichen Langzeittherapie anzunehmen war. Ein deutlicher Hinweis auf eine fehlende Eignung einer Einrichtung der Eingliederungshilfe für eine Betreuung von D.M. ließ sich im Übrigen schon der Einschätzung vom Haus L. zu einer dort festgestellten „Überforderung“ von D.M. entnehmen. Wieso D.M. bei dem nach Beendigung der Betreuung im Haus L. weiter fortgeschrittenen körperlichen Verfall mehrere Jahre später in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe nun nicht mehr überfordert sein sollte, erschließt sich für den Senat nicht. Bei der Eignung von Hilfen der Sozialhilfe kommt es nicht darauf an, eine Diagnose mit der Leistungsvereinbarung einer Einrichtung zur Deckung zu bringen, sondern zu prüfen, wie der jeweilige Mensch sein Potential im Rahmen seiner Wünsche ausschöpfen will und kann, und ihn darin so weit wie möglich mit angemessenen Mitteln auch der Sozialhilfe zu unterstützen.

 

Der (vollen) Kostentragung für die vollstationäre Pflege von D.M. steht der Bescheid des Landkreises im Namen des Beklagten vom 17. Februar 2015 in mehrfacher Hinsicht nicht entgegen. Zunächst sprechen erhebliche Gründe dafür, dass dieser Bescheid von dem Widerspruch gegen den unwesentlich später erlassenen Bescheid vom 24. Februar 2015 miterfasst sein sollte, da D.M. darin klarstellte, Kosten für die Einrichtung im G. P.  für den Monat März gerade vermeiden zu wollen. Der Bescheid vom 17. Februar 2015 ist bereits deshalb als Bewilligungsbescheid offenkundig teilweise rechtswidrig, weil es für eine Vergütungsübernahme an der Vereinbarung zwischen D.M. und dem G. P.  für den Monat März 2015 fehlt (vgl. z.B. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Dezember 2005 - L 7 SO 4890/05 ER-B -, juris RdNrn. 13, 14, 28). Demgegenüber spricht sogar für eine noch nicht abschließende Entscheidung über die Eingliederungshilfe der Hinweis im Bescheid vom 24. Februar 2015, für die Leistungen der Eingliederungshilfe ab dem 1. März 2015 ergehe ein gesonderter Bescheid. In der zeitlichen Abfolge kann sich das nicht auf den Bescheid vom 17. Februar 2015 beziehen. Da der Landkreis im Übrigen noch am 19. Februar 2015 auf einen noch zu stellenden Antrag für die „Umverlegung“ verwies und ein Umzug von D.M. zum 1. März 2015 nicht erfolgte, ist die Regelung im Bescheid vom 17. Februar 2015 für den März 2015 in Bezug auf die Eingliederungshilfe als Zusicherung im Sinne des § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) auszulegen. Eine Bindung bestand hier in Bezug auf die Eingliederungshilfe nicht, da der Umzug schließlich nicht zum 1. März 2015 stattfand.

 

In Bezug auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 665,00 € sind die Ansprüche von D.M. aus dem Bescheid vom 24. Februar 2015 im Übrigen schon kraft der Sonderrechtsnachfolge in § 19 Abs. 6 SGB XII auf die Klägerin übergegangen, welche die Leistungen im Sinne von § 19 Abs. 6 SGB XII im Monat März 2015 erbracht hat. Insoweit besteht keine Bindung an die konkrete Einrichtung.

 

Andererseits führt die Zusicherung erst mit Bescheid vom 17. Februar 2015 - bei Berücksichtigung der Bekanntgabe erst mit dem dritten Tag nach der Bescheidaufgabe - mit Wirkung ab dem 20. Februar 2015 hier dazu, dass eine zuverlässige Grundlage für D.M. zum Abschluss eines Vertrages mit einer anderen Einrichtung erst neun Tage vor dem vom Landkreis geforderten Umzug vorlag.

 

Der Wohn- und Betreuungsvertrag, den D.M. mit der Klägerin geschlossen hatte, ist wirksam zu 31. März 2015 gekündigt worden.

 

Soweit der Beklagte meint, D.M. bzw. seine Betreuerin hätte einen Vertrag mit der Klägerin nicht für den Monat März schließen dürfen, D.M. sei nicht an den Vertrag für diesen Monat gebunden gewesen oder hätte den Vertrag zum 28. Februar 2015 beenden müssen, findet sich hierfür kein gesetzlicher Anknüpfungspunkt.

 

Die Klägerin musste D.M. nicht über den 4. August 2014 hinaus im Rahmen einer zeitlich offenen Kurzzeitpflege weiter betreuen. Eine Kurzzeitpflege wird regelmäßig nur erbracht, wenn die häusliche Pflege zeitweise nicht, noch nicht oder nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden kann und auch eine teilstationäre Pflege nicht ausreicht. Zum 5. August 2014 lagen diese Voraussetzungen bei D.M. nicht mehr vor. Dem entspricht auch die Bewilligung von Leistungen für die vollstationäre Pflege von D.M. mit Bescheid vom 25. September 2014 für den Zeitraum vom 8. Juli 2014 bis zum 28. Februar 2015.

 

Es bestand auch keine Möglichkeit für D.M., seine Betreuerin oder die Klägerin, den Vertrag über die vollstationäre Versorgung von D.M. ab dem 5. August 2014 in Anlehnung an die Kostenübernahme bis zum 28. Februar 2014 zu befristen. Eine Befristung wäre hier nach den maßgebenden Regelungen des Heimrechts nicht zulässig gewesen. Mit der Föderalismusreform wurde den Ländern, hier dem Land Sachsen-Anhalt, die Gesetzgebungskompetenz für das Heimrecht übertragen. Nach In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- und Betreuungsleistungen - WBVG) zum 1. Oktober 2009 (Art. 1 des Gesetzes vom 29. Juli 2009, BGBl. I, S. 2319) hat das Land Sachsen-Anhalt mit dem Gesetz über Wohnformen und Teilhabe des Landes Sachsen-Anhalt (WTG LSA vom 17. Februar 2011 (GVBl. LSA 2011, S. 136) von seiner Gesetzgebungskompetenz für die im vorliegenden Fall maßgebenden Fragen nur insoweit Gebrauch gemacht, als dem Einrichtungsträger im § 14 Abs. 1 WTG LSA die Erfüllung der Unternehmerpflichtigen aus dem WBVG auferlegt wird. § 4 Abs. 1 Satz 1 WBVG erklärt den Abschluss eines unbefristeten Vertrages über eine vollstationäre Pflege zur Regel. Die im Ausnahmefall zulässige Befristung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 WBVG) würde hier voraussetzen, dass D.M. im August 2014 eine gleichwertige oder bessere Versorgung ab dem 1. März 2015 hätte voraussehen können. Dafür ist nichts ersichtlich. Vielmehr bildete ein unbefristeter Vertrag mit einer Kündigungsfrist seine Interessen bei Vertragsschluss ab.

 

Eine Kostenpflicht von D.M. hätte hier nicht allein durch einen Auszug aus dem SWP bis zum 1. März 2015 geendet. Das Heimrecht sieht ein Ende der Pflichten aus dem Wohn- und Betreuungsvertrag über die vollstationäre Pflege nur im Falle des Todes vor (§ 4 Abs. 3 Satz 1 WBVG). Im Übrigen sind die im Heimrecht normierten Kündigungsfristen maßgebend: Der Verbraucher kann den Vertrag spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf desselben Monats schriftlich kündigen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 WBVG). Soweit das Vorbringen des Beklagten hier andeutet, dass er von einem wichtigen Grund für eine Kündigung des Vertrags ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist (§ 11 Abs. 3 WBVG) auszugehen scheint, entspricht dies nicht dem zutreffenden Verständnis dieses Rechts des Bewohners. Der Gesetzgeber wollte das Heimrecht mit dem WBVG weitgehend den Grundsätzen des Zivilrechts angleichen (vgl. Gesetzentwurf, Bundestagsdrucksache 16/12409, S. 10). Der Wunsch, einen Vertrag wegen einer besseren Alternative aufzulösen, erfüllt die Kriterien eines wichtigen Grundes im Zivilrecht nicht. Auch eine nicht gesicherte Finanzierung ist insoweit nicht ausreichend (vgl. zu § 8 Heimgesetz: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Dezember 2005, a.a.O., RdNr. 20).

 

Soweit der Beklagte von einer Verpflichtung zum Umzug zum 1. März 2015 ausgeht, steht ihm im Übrigen eine Entscheidungsbefugnis für den Hilfebedürftigen nicht zu. Die am 1. Januar 2023 in Kraft getretene Neufassung des § 1833 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) macht deutlich, dass dem Willen des Betreuten bei der Aufgabe von Wohnraum besondere Bedeutung zukommt. Für die im hier streitigen Zeitraum maßgebende Fassung des § 1907 BGB war streitig, ob es für die Aufgabe eines Heimplatzes der Genehmigung durch das Betreuungsgericht bedurfte (eine entsprechende Anwendung der Regelung bejaht z.B. Bienwald in J. von Staudinger, BGB Kommentar, Buch 4, Stand Mai 2017, § 1907 BGB RdNr. 27). Auch wenn diese Auffassung nicht durchgehend in Rechtsprechung und Kommentarliteratur geteilt wurde, durfte sich die Betreuerin von D.M. u.a. zum Ausschluss einer Haftung daran ausrichten. Unter welchen Umständen hier die Betreuerin von D.M. rechtssicher eine Kündigung für D.M. hätte vornehmen können, wenn das für eine weitere Versorgung nur zur Verfügung stehende G.P. nach der amtsärztlichen Stellungnahme vom 30. Juli 2014 insoweit von vornherein nicht in Betracht kam, erschließt sich für den Senat nicht. Eine Kündigung durch die Betreuerin wäre unter diesen Bedingungen von Seiten des Betreuungsgerichts nicht genehmigungsfähig, zumindest aber nicht mit den Pflichten einer ordnungsgemäß handelnden Betreuerin zu vereinbaren gewesen.

 

Die Kostenentscheidung beruht hier auch für das Berufungsverfahren auf § 193 SGG (vgl. BSG, Beschluss vom 1. September 2008 - B 8 SO 12/08 B -, juris).

 

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
Saved