1. Eine 6-wöchige Vakanzvertretung ist auch bei angestellten Psychotherapeuten nur anzeigepflichtig.
2. Die Vertretung kann - sofern nicht entsprechende Genehmigungen vorliegen - aufgrund des Grundsatzes der persönlichen Leistungserbringung keine genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen nach Kapitel 35 EBM umfassen.
1. Es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 12.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2022 insoweit rechtswidrig ist, als die Vertretung für nicht genehmigungspflichtige Leistungen durch die Beklagte versagt wurde.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte trägt 40% der Gerichtskosten, die Klägerin 60%. Die Beklagte trägt 40% der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten rückwirkend über die Zulässigkeit einer Vertretung von genehmigungs- und nicht genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen.
Die Klägerin nimmt als Medizinisches Versorgungszentrum, das überwiegend psychotherapeutische Leistungen erbringt, an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Frau M.Sc.-Psych. L. D. war bis zum 18. November 2021 als angestellte Ärztin bei der Klägerin beschäftigt. Im Hinblick auf das bevorstehende Ausscheiden aus dem MVZ beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 20. Oktober 2021 die Genehmigung zur Beschäftigung einer Vertretung gemäß § 32b Abs. 6 Ärzte-ZV i.V.m. § 32 Abs. 2 Satz 5 Ärzte-ZV. Als Vertretung ab dem 19. November 2021 bis zum 31. Dezember 2021 wurde Frau M.Sc.-Psych. R. H. (approbierte Psychologische Psychotherapeutin mit Vertiefungsrichtung Verhaltenstherapie) benannt. Es sei geplant, dass Frau H. ab dem 1. Januar 2022 als angestellte Psychotherapeutin tätig werde. Zudem beantragte die Klägerin die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung psychotherapeutischer Leistungen im Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie für eine angestellte Psychologische Psychotherapeutin.
Mit Bescheid vom 12. November 2021 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab und führte zur Begründung an, dass nach § 32 Abs. 1 und § 32b Abs. 6 Ärzte-ZV zwar eine Vertretung eines angestellten Arztes im Fall der Beendigung des Anstellungsverhältnisses möglich sei. Diese Regelung werde jedoch durch § 14 Abs. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) eingeschränkt, weil eine Vertretung bei genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen einschließlich der probatorischen Sitzungen grundsätzlich unzulässig, d.h. in jedem Fall ausgeschlossen sei. Eine adäquate Vertretung für eine psychologische Psychotherapeutin ohne die Erbringung genehmigungspflichtiger Leistungen durch die Vertretung sei nicht darstellbar.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Dezember 2021 Widerspruch ein. Die Vertretung sei wie geplant und angezeigt von Frau H. übernommen worden. § 32b Abs. 6 Ärzte-ZV gelte auch für die Vertretung von angestellten Psychotherapeuten. Es läge ein Vertretungsfall im Sinne von § 32b Abs. 6 S. 2 Ärzte-ZV vor, die Beschäftigung sei für die Dauer von 6 Monaten zulässig. Es würde sich um eine nur anzeigepflichtige Vertretung handeln, eine Genehmigungspflicht gemäß § 32 Abs. 2 durch die Beklagte bestünde nicht, weil § 32b Abs. 6 S. 1 Ärzte-ZV ausdrücklich nicht auf Satz 2 verweise. Nach dem Wortlaut in § 32b Abs. 6 Satz 1 Ärzte-ZV betreffe die Verweisung nicht den Fall der gegenseitigen internen Vertretung (B 6 KA 9/18 R). Vorliegend handele es sich um eine externe Vertretung, weil die Anstellungsgenehmigung durch den Zulassungsausschuss erst mit Wirkung zum 1. Januar 2022 erfolgt sei.
Eine genehmigungsfreie Vertretung sei zulässig, wenn der Vertreter die gleiche Qualifikation aufweise wie der Vertretene. Der vertretene Arzt habe sich lediglich zu vergewissern, dass die Qualifikationsvoraussetzungen von dem Vertreter erfüllt würden (§ 14 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä). Der Vertreter müsse nicht über die Abrechnungsgenehmigung verfügen, sondern nur die Qualifikationsvoraussetzungen erfüllen. Dies sei bei Frau H. der Fall.
§ 14 Abs. 3 BMV-Ä schließe die Vertretung bei genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen nicht generell aus, denn es könnten nicht genehmigungspflichtige Leistungen durch einen Vertreter erbracht werden. Eine Vertretung sei sowohl bei genehmigungspflichtigen als auch bei nicht genehmigungspflichtigen Leistungen möglich. Auch ein Therapeuten-Wechsel während der laufenden Behandlung sei möglich, wie sich aus § 20 Abs. 4 Muster-Berufsordnung Bundespsychotherapeutenkammer ergäbe. Auch nach § 11 Abs. 7 Psychotherapie-Richtlinien sei ein Therapeuten-Wechsel zulässig. § 14 Abs. 3 BMV-Ä stünde einer Vertretung nicht entgegen, wenn sich an die Vertretung zeitnah ein Therapeutenwechsel anschließe und der übernehmende Therapeut die Therapien über den Vertretungszeitraum hinaus fortsetze. Denn dadurch würden therapieschädliche Unterbrechungen vermieden.
Mit Bestandskraft des angefochtenen Bescheides über die Ablehnung der Genehmigung einer Vertretung für den Zeitraum vom 19. November 2021 bis zum 31. Dezember 2021 würde auch der Anspruch auf Vergütung verloren gehen. Die Klägerin hätte daher ein berechtigtes Interesse an der Aufhebung des Bescheides und Klarstellung, dass die Vertretung berechtigt war. Aufgrund des fortbestehenden Rechtsverhältnisses in Form des Vergütungsanspruchs habe sich der Verwaltungsakt nicht durch die Anstellungsgenehmigung ab dem 1. Januar 2022 erledigt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2022 zurück. Der Widerspruch sei bereits unzulässig, da ein Fortsetzungsfeststellungswiderspruch nicht vorgesehen sei. Grundsätzlich gelte auch für Psychotherapeuten die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung nach § 32 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 1 der Ärzte-ZV. Als gesetzlich geregelte Ausnahme von dieser Pflicht könne ein Psychotherapeut gemäß § 32b Abs. 1, Abs. 2 Ärzte-ZV i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 1 der Ärzte-ZV einen angestellten Psychotherapeuten beschäftigen. Als weitere Ausnahme von der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung sehe § 32b Abs. 6 Ärzte-ZV die Beschäftigung eines Vertreters für einen angestellten Arzt vor. Zwar verweise § 32b Abs. 6 Satz 1 auf § 32 Abs. 1 und 4 Ärzte-ZV. Dies bedeute jedoch nicht, dass es sich hierbei um eine abschließende Verweisung auf § 32 Ärzte-ZV handele. Vielmehr gälten neben § 32 Abs. 1 und 4 Ärzte-ZV (Verweis auf die Gründe für Vertretungen, Verweis auf die auch für den Vertreter geltenden vertragsärztlichen Regelungen wie persönliche Leistungserbringung, Mindestqualifikation, Bindung an vertragsärztliche Pflichten) auch weiterhin die Regelungen aus § 32 Abs. 2 Ärzte-ZV. Denn die Absätze 1, 4 sowie 2 des § 32 Ärzte-ZV hätten unterschiedliche Regelungsgegenstände, die sich nicht ausschließen, sondern ergänzen würden. § 32 Abs. 1 und 4 regele die materielle Ausgestaltung der Vertretung. § 32 Abs. 2 Satz 5 ff Ärzte-ZV bestimme hingegen das formale Verfahren für die Genehmigung der Vertretung. Aus der Vorgabe zur Anzeigepflicht in § 32 Abs. 1 Satz 4 Ärzte-ZV folge im Umkehrschluss, dass eine über eine Woche hinausgehende Vertretung oder eine Vertretung aus anderen Gründen gemäß § 32 Abs. 2 Satz 5 Ärzte-ZV genehmigungspflichtig sei.
Die Regelung in § 32b Abs. 6 Satz 2 Ärzte-ZV über den zeitlichen Maximalumfang einer Vertretung im Fall der dort genannten Gründe enthalte gerade keine Aussage zur Genehmigungsfreiheit.
Die von Frau H. erbrachten Leistungen (28 Fälle) wurden durch die Beklagte im Honorarbescheid 4/2021 vollständig abgesetzt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 5. Mai 2022 zum Sozialgericht Marburg erhobene Klage.
Die Klägerin trägt ergänzend vor, dass sich der streitgegenständliche Sachverhalt bei der Klägerin regelmäßig wiederhole, wenn es zu Kündigungen durch die angestellten Therapeuten käme. So träten immer wieder Vakanzen von einigen Wochen auf. In der Vergangenheit seien diese Situationen durch einen Antrag auf Sicherstellungsassistenz gelöst worden. Aus der sich daraus ergebenden Wiederholungsgefahr folge das qualifizierte Feststellungsinteresse.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2022 aufzuheben und festzustellen, dass die streitgegenständliche Vertretung zulässig gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt auf die Gründe des Widerspruchsbescheides Bezug und führt ergänzend aus, dass Leistungen, die einer besonderen Qualifikation bedürften, nur erbracht und vergütet werden könnten, wenn auch der Vertreter die erforderliche Qualifikation nachgewiesen habe. Von Vertretern seien grundsätzlich alle Regelungen in den Abrechnungsbestimmungen zu beachten, die die Fachgebietsgrenzen und die gesetzlich vorgesehene Trennung der Versorgungsbereiche in die hausärztliche und fachärztliche Versorgung umsetzten. Seien diese Qualifikationsvoraussetzungen nicht erfüllt, dürften die Leistungen, die eine besondere Qualifikation erforderten, nicht erbracht werden.
Die Genehmigung für Frau H. zur Ausführung und Abrechnung psychotherapeutischer Leistungen — konkret für die Verhaltenstherapie — sei erst durch Bescheid der Beklagten zum 1. Januar 2022 erteilt worden, so dass im Vertretungszeitraum keine Genehmigung und damit auch nicht die notwenige Qualifikation vorgelegen habe.
Darüber hinaus sei § 32 b Abs. 6 Ärzte-ZV gemäß § 14 Abs. 3 BMV-Ä nicht für die Vertretung bei genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen einschließlich der probatorischen Sitzungen anwendbar. Der Ausschluss der Vertretung bei genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen einschließlich der probatorischen Sitzungen sei ohnehin lediglich deklaratorischer Art, da er sich bereits aus der höchstpersönlichen Natur dieser Behandlungsmethodik ergebe. Deshalb sei nach der Rechtsprechung des BSG bei der Beendigung der vertragspsychotherapeutischen Behandlung insbesondere von Kindern und Jugendlichen eine geräumige Auslauffrist zu gewähren. Damit solle die einmal begründete Patienten-Therapeuten-Beziehung bis zu ihrem Abschluss geschützt werden.
Selbst wenn man der Auffassung der Klägerin folge und dem Wort „grundsätzlich" die Bedeutung zumesse, dass es dazu diene, einen Grundsatz zu kennzeichnen, der Ausnahmen zulasse, so läge vorliegend eine Ausnahmekonstellation nicht vor. Zwar entspreche es dem Patientenwohl, wenn die Vertretung von einem Vertragspsychotherapeuten übernommen werde, der die Patienten nach dieser Zeit auch als Vertragspsychotherapeut weiterbetreue. Jedoch habe zum Zeitpunkt der geplanten Vertretung noch gar nicht festgestanden, ob der Zulassungsausschuss Hessen dem Antrag der Klägerin vom 5. Oktober 2021 auf Anstellung der Psychologischen Psychotherapeutin R. H. M. Sc. mit dem Anrechnungsfaktor 0,25 gem. §§ 95 Abs. 1, 2 und 103 Abs. 4 a SGB V zum 1. Januar 2022 stattgegeben würde.
Denn tatsächlich sei erst mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 2. Dezember 2021, also zu einem Zeitpunkt als der Zeitraum der geplanten Vertretung bereits fast zu Ende war, der Klägerin mitgeteilt worden, dass dem Antrag stattgegeben werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richterinnen aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig.
Nach § 131 Abs. 1 S. 3 SGG, welcher nicht nur bei unzulässig gewordenen Anfechtungsklagen, sondern auch bei unzulässig gewordenen Verpflichtungsklagen oder kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen analog anwendbar ist (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, § 131, Rn. 7c) spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn sich dieser vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
Erledigung ist vorliegend eingetreten. Der Regelungsgegenstand des angefochtenen Bescheides vom 12. November 2021, nämlich die Ablehnung der Genehmigung für die Vertretung für den beantragten Zeitraum, hat sich ab dem 1. Januar 2022 zeitlich (sowie durch die Genehmigung der Anstellung von Frau H. zum 1. Januar 2022 auch inhaltlich) erledigt.
Die Klägerin hat darüber hinaus auch ein berechtigtes Interesse an der geltend gemachten Feststellung, da sie schlüssig dargelegt hat, dass eine Wiederholungsgefahr besteht. Die Klägerin hat Vertretungssituationen für bei ihr angestellte Psychotherapeuten in den letzten Jahren mehrfach erlebt und es ist in einem psychotherapeutisch tätigen MVZ auch plausibel, dass zukünftig weitere Vertretungssituationen durch Kündigungen oder sonstige Vakanzen bei Angestellten auftreten werden.
Die zulässige Klage ist auch teilweise begründet, jedenfalls soweit die Beklagte die Vertretung für nicht genehmigungspflichtige Leistungen versagt hat.
Zur Überzeugung der Kammer bestand für die streitgegenständliche Vertretung im Zeitraum vom 19. November bis 31. Dezember 2021 nur eine Anzeigepflicht.
Gemäß § 32 b Abs. 6 Ärzte-ZV ist die Beschäftigung eines Vertreters für einen angestellten Arzt zulässig; § 32 Absatz 1 und 4 gilt entsprechend. Die Beschäftigung eines Vertreters für einen angestellten Arzt ist für die Dauer von sechs Monaten zulässig, wenn der angestellte Arzt freigestellt ist oder das Anstellungsverhältnis durch Tod, Kündigung oder andere Gründe beendet ist. Hat der angestellte Arzt einen gesetzlichen Anspruch auf Freistellung, ist eine Vertretung für die Dauer der Freistellung zulässig. Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind erfüllt. Ein Vertretungsfall im Sinne von § 32b Abs. 6 S. 2 Ärzte-ZV liegt vor. Die Vertretung erfolgt wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Frau D. für die Zeit ab dem 19. November 2021 bis 31. Dezember 2021, mithin vorübergehend zur Überbrückung der Vakanz aus Anlass der Beendigung der Anstellung von Frau D. Gemäß § 32b Abs. 6 S. 2 Ärzte-ZV ist die Beschäftigung folglich für die Dauer von 6 Monaten zulässig.
Dauert die Vertretung länger als eine Woche, so ist sie der Kassenärztlichen Vereinigung mitzuteilen; § 32 Abs. 1 S. 4 Ärzte-ZV. Das ist unstreitig rechtzeitig vor dem Vertretungszeitraum geschehen.
Eine Genehmigungspflicht nach § 32 Abs. 2 besteht nicht, da § 32b Abs. 6 S. 1 Ärzte-ZV ausdrücklich nicht auf Absatz 2 der Vorschrift verweist.
Die Vertreterin R. H. hatte auch die für die Vertretung erforderliche Qualifikation, da sie approbierte psychologische Psychotherapeutin ist. § 14 Abs. 1 BMV-Ä bestimmt, dass sich der vertretene Arzt darüber zu vergewissern hat, dass der Vertreter die Qualifikationsanforderungen gemäß § 11 BMV-Ä erfüllt. Für die Leistungserbringung durch angestellte Ärzte in einer Vertragsarztpraxis oder in einem MVZ gilt dabei § 11 Abs. 1 S. 3 BMV-Ä. Ausreichend ist demnach, dass der Vertreter die Qualifikationsvoraussetzungen erfüllt.
Soweit die Beklagte einwendet, die Vertretung durch den Vertreter setze die gleichen Genehmigungen voraus, die auch der Vertretene innehabe, so entbehrt diese Interpretation jeglicher rechtlicher Grundlage.
§ 14 Abs. 1 BMV-Ä besagt Folgendes:
„Erbringen Vertreter Leistungen, für deren Erbringung eine Qualifikation gemäß § 11 dieses Vertrages Voraussetzung ist, hat sich der vertretene Arzt darüber zu vergewissern, dass die Qualifikationsvoraussetzungen erfüllt sind. Sind diese Qualifikationsvoraussetzungen nicht erfüllt, dürfen die Leistungen, die eine besondere Qualifikation erfordern, nicht erbracht werden… Für die Leistungserbringung durch angestellte Ärzte in einer Vertragsarztpraxis oder in einem Medizinischen Versorgungszentrum gilt § 11 Abs. 1 Satz 3. Sind die Qualifikationsvoraussetzungen nicht erfüllt, darf der angestellte Arzt diese Leistungen nicht eigenverantwortlich ausführen."
Diese Vorgabe gilt bereits nach dem Wortlaut ausschließlich für die Erbringung einzelner Leistungen und nicht für die Vertretung als solche. Es ist ausschließlich eine Frage der Erbringbarkeit und Abrechenbarkeit von Leistungen, ob eine entsprechende Genehmigung zur Leistung Abrechnung vorliegt. Für die fachkundig besetzte Kammer ist offenkundig, dass beispielhaft ein Facharzt für Innere Medizin mit Ultraschallgenehmigung durch einen Facharzt für Innere Medizin ohne Ultraschallgenehmigung vertreten werden kann. Der Vertreter darf dann zwar keine Ultraschallleistungen erbringen und abrechnen. Dies hindert aber nicht die Vertretung im Übrigen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Vertretung für genehmigungspflichtige psychotherapeutische Leistungen aufgrund der Ausschlussklausel des § 14 Abs. 3 BMV-Ä nicht möglich. Zwar folgt die Kammer der Klägerin insofern, als dass der Bundesmantelvertrag als rangniedrigere Vorschrift die Vorschriften der Ärzte-ZV nicht einschränken darf. Jedoch folgt bereits aus dem höherrangigen Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung, dass eine – genehmigungslose – Vertretung von genehmigungspflichtigen Leistungen nicht möglich ist. Der Grundsatz persönlicher Leistungserbringung hat im Vertragsarztrecht eine zentrale Bedeutung. Es besteht die Pflicht des zur Leistungserbringung Berechtigten, seine Leistungen persönlich zu erbringen, soweit nicht ein Ausnahmefall delegierbarer Leistungen vorliegt. Diese Pflicht dient der Sicherung der hohen Qualität der vertragsärztlichen Versorgung. Diese kann nur gewährleistet werden, wenn die Leistungen von demjenigen persönlich erbracht werden, der auf der Grundlage der Regelungen über die Zulassung oder Anstellung als befähigt angesehen worden ist, qualitätsgerechte Leistungen zu gewährleisten (BSG, Urteil vom 21. März 2012, B 6 KA 22/11 R). Diese Befähigung wird insbesondere durch die formale Erteilung entsprechender Genehmigungen sichergestellt. Im Bereich der psychotherapeutischen Behandlung ergibt sich die Beschränkung der Delegationsmöglichkeiten bereits durch das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Therapeut und Patient. § 14 Abs. 3 BMV-Ä hat insoweit nur deklaratorische Bedeutung (vgl. Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 95 SGB V).
Die Vertretung für die genehmigungspflichtigen Leistungen nach Kapitel 35 EBM durch Frau H. scheitert deshalb im vorliegenden Fall bereits an der fehlenden Abrechnungsgenehmigung.
Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass § 14 Abs. 3 BMV-Ä sich nicht auf die Abrechnungsgenehmigung durch die KV beziehe, sondern die Genehmigung der Therapie im Einzelfall durch die Krankenkasse in den Blick nehme, so kann diese Frage vorliegend offenbleiben, denn auch ein entsprechender Wechsel der Therapeutin war vorliegend von der Krankenkasse nicht genehmigt.
Gemäß § 11 Abs. 2a BMV-Ä bedarf die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 nach erfolgreichem Nachweis der Qualifikation einer Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung, sofern in den Anlagen zu diesem Vertrag nichts Anderes geregelt ist. Anlage 1 des Bundesmantelvertrages — die Psychotherapie-Vereinbarung — regelt in Teil B § 2 zunächst die Genehmigungspflicht für die Ausführung und Abrechnung von psychotherapeutischen Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung.
Die Erteilung einer Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von psychotherapeutischen Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durch die Kassenärztliche Vereinigung nach § 2 ff der Vereinbarung über die Anwendung von Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung (Psychotherapie-Vereinbarung), ist von der hier streitgegenständlichen Genehmigung einer Vertretung nicht umfasst und betrifft nicht die Praxisvertretung, sondern die Berechtigung zur Ausführung und insbesondere auch Abrechnung von Leistungen — hier im wesentlichen des 35. Kapitels des EBM, insbesondere die Leistungen nach GOP 35111 EBM Übende Interventionen (Autogenes Training, Relaxations-behandlung nach Jacobson) als Einzelbehandlung, GOP 35120 EBM Hypnose, GOP 35130 EBM Bericht oder Ergänzungsbericht an den Gutachter zum Antrag des Versicherten auf Feststellung der Leistungspflicht für eine Psychotherapie als Kurzzeittherapie 1 oder 2, GOP 35140 EBM Biographische Anamnese, GOP 35141 EBM Zuschlag zu der Gebührenordnungsposition 35140 für die vertiefte Exploration, GOP 35150 EBM Probatorische Sitzung, GOP 35151 EBM Psychotherapeutische Sprechstunde, GOP 35152 EBM Psycho- therapeutische Akutbehandlung, GOP 35421 EBM Verhaltenstherapie (Kurzzeittherapie 1, Einzelbehandlung) und GOP 35422 EBM Verhaltenstherapie (Kurzzeittherapie 2, Einzelbehandlung), für deren Durchführung Frau D. eine Genehmigung besitzt. Diese Leistungen dürfen nach der Präambel 35.1 und 35.2 EBM ausschließlich von Vertragsärzten bzw. -therapeuten, die über eine Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung psychotherapeutischer Leistungen gemäß der Psychotherapie-Vereinbarung verfügen, erbracht werden.
Die Vertretung war jedoch zulässig, soweit die Vertreterin H. Leistungen erbracht hat, die nicht einer Genehmigungspflicht unterliegen, namentlich die Leistung der GOP 23220 EBM (Psychotherapeutisches Gespräch als Einzelbehandlung). In diesem Umfang war der Klage deshalb stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO. Die ausgewiesene Kostenquote entspricht dem Verhältnis des Obsiegens/Unterliegens.