L 4 AS 55/20

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 24 AS 1322/18
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 AS 55/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die Aufteilung einer einmaligen Einnahme gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II auf sechs Monate erfolgt auch dann, wenn dadurch in diesen Monaten die Hilfebedürftigkeit insgesamt entfällt. Der Anrechnungszeitraum endet grundsätzlich nicht deswegen vorzeitigm weil der Bewilligungszeitraum abläuft.

 

2. Steht nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes die einmalige Einnahme infolge Verbrauchs vor Ablauf des Anrechnungszeitraumes tatsächlich nicht mehr zur Verfügung und beantragt der Hilfebedürftige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, so hat der Leistungsträger seit dem 01.01.2017 gemäß § 24 Abs. 4 Satz 2 SGB II eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob er die beantragten Leistungen als Darlehen oder als Zuschuss erbringt.

 

3. Der Verbrauch einer einmaligen Einnahme ist auch dann vorzeitig i.S.d. § 24 Abs. 4 Satz 2 SGB II, wenn die einmalige Einnahme "sozialadäquat" verwendet wird. Der Verwendungszweck und alle damit zusammenhängenden Umstände sind in die Ermessenserwägungen des Leistungsträgers einzustellen.

 

4. Der Erwerb eines Fahrzeuges und die damit verbundenen Kosten für Anmeldung, Haftpflichtversicherung und Kfz-Steuer dienen in der Regel nicht der Existenzsicherung.

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 24. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
  1. Der Beklagte hat dem Kläger 1/5 seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
  1. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Bescheids des Beklagten vom 27.12.2017 in der Fassung dessen Darlehensbescheids vom 13.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.03.2018, soweit er den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 30.04.2018 betrifft.

 

Der 1984 geborene Kläger bezog seit dem Jahr 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er ist wegen mehrerer Krankheiten unbefristet schwerbehindert. Einer diagnostizierten Spielsucht stellte sich der Kläger mit zwei Entwöhnungsbehandlungen im Juni 2016 und März 2017. Er war jedoch in der Lage, mindestens drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen wurden dem Kläger im streitigen Zeitraum nicht erbracht.

 

Am 10.01.2017 zeigte die Berufsbetreuerin, Frau Y...., beim Beklagten ihre gerichtliche Bestellung vom 03.01.2017 unter anderem für die Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden und Versicherungen an. Sie musste bei allen Willenserklärungen des Klägers zur Vermögenssorge einwilligen.

 

Mit Bescheid vom 24.05.2017 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 01.07.2017 bis 31.12.2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II i.H.v. monatlich 659,00 EUR. Neben dem Regelbedarf i.H.v. 409,00 EUR berücksichtigte er Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. 250,00 EUR entsprechend der tatsächlichen Aufwendungen. Die Leistungen für Oktober bis Dezember 2017 wurden dem Kläger zum jeweiligen Monatsbeginn ausgezahlt.

 

Mit Schreiben vom 06.11.2017 wurde dem Beklagten angezeigt, dass der Kläger einen Gewinn i.H.v. 6.500,00 EUR erzielt habe. Er habe für 4.500,00 EUR ein Auto bar gekauft. Die Kriminalpolizei ermittle gegen ihn wegen des Umtauschs von 500,00 EUR-Scheinen. Mit Schreiben vom 29.11.2017 forderte der Beklagte den Kläger deshalb auf, den Kaufvertrag seines Fahrzeuges vorzulegen, seine Vermögensverhältnisse zu erklären und Nachweise für den Zufluss eines Geldbetrages i.H.v. 6.500,00 EUR vorzulegen.

 

Mit am 14.12.2017 beim Beklagten zugegangener Erklärung gab der Kläger an, er habe – ohne Belege vorlegen zu können – am 16.10.2017 ca. 2.800,00 EUR in der Spielothek X...., A.... und am 17.10.2017 ca. 3.700,00 EUR in der Spielothek W...., A.... gewonnen. Er habe das Geld durch den Autokauf, den Abschluss der Kfz-Versicherung und durch Verspielen ausgegeben. Er habe kein Bargeld mehr. Auf der „Anlage VM“ zum Vermögen gab er an, Eigentümer eines PKW Passat, Erstzulassung 17.02.2009 zu sein. Ausweislich des vorgelegten Kaufvertrages erwarb der Kläger das Fahrzeug am 17.10.2017 zu einem Gesamtpreis von 3.900,00 EUR. Aus dem aktenkundigen Kontoauszug vom 07.12.2017, der ebenfalls am 14.12.2017 beim Beklagten einging, ergibt sich zudem, dass der Kläger am 06.12.2017 mit einem Los der V.... 48,00 EUR gewann.

 

Mit Bescheid vom 19.12.2017 verfügte der Beklagte gegenüber dem Kläger, im Zeitraum vom 01.01.2018 bis 31.03.2018 werde eine Minderung des Arbeitslosengeldes II monatlich um 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs, höchstens jedoch in Höhe des dem Kläger zustehenden Gesamtbetrages festgestellt. Er sei trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zum Meldetermin am 21.11.2017 ohne wichtigen Grund nicht erschienen.

 

Mit hier streitigem Bescheid vom 27.12.2017 lehnte der Beklagte im Zeitraum vom 01.01.2018 bis 30.04.2018 die Leistungsgewährung ab. Für die Zeit vom 01.05.2018 bis 30.06.2018 bewilligte er dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II i.H.v. 666,00 EUR monatlich. Neben dem Regelbedarf i.H.v. 416,00 EUR berücksichtigte der Beklagte wiederum Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. 250,00 EUR entsprechend der tatsächlichen Aufwendungen. Die Leistungsablehnung begründete der Beklagte mit dem Zufluss von Einkommen im Oktober 2017. Die Einnahme werde gemäß § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II ab dem 01.11.2017 für die Dauer von sechs Monaten aufgeteilt und angerechnet, sodass erst ab dem 01.05.2018 eine Leistungsgewährung wieder stattfinde.

 

Dagegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 03.01.2018. Der Prozessbevollmächtigte verwies auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 29.11.2012 – B 14 AS 33/12). Der Kläger habe den Gewinn bereits im Jahr 2017 verbraucht. Da präsente Mittel nicht zur Verfügung stünden, müsse der Beklagte im Zeitraum vom 01.01.2018 bis 30.04.2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gewähren. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen der Anrechnung nicht vor. Einmalige Einkommen seien im Monat des Zuflusses bzw. wenn die Leistung schon gewährt sei, im Folgemonat anzurechnen. Sinn der gesetzlichen Verteilungsregelung sei, dass ein Leistungsanspruchsentfall vermieden werde. Eine Verteilung des Einkommens mit der Folge, dass in allen sechs Monaten kein Anspruch bestehe, widerspreche Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung.

 

Mit Bescheid vom 12.01.2018 minderte der Beklagte im Zeitraum vom 01.02.2018 bis 30.04.2018 das Arbeitslosengeld II des Klägers erneut monatlich um 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs, mithin 41,60 EUR. Der Kläger sei trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen auch zum Meldetermin am 05.12.2017 ohne wichtigen Grund nicht erschienen.

 

Die Sanktionsbescheide vom 19.12.2017 und 12.01.2018 wurden nicht der Betreuerin übersandt. Rechtsbehelfe gegen die mit Rechtsbehelfsbelehrungen versehenen Bescheide wurden nicht erhoben.

 

Am 18.01.2018 stellte der Kläger beim Sozialgericht Chemnitz (S 35 AS 150/18 ER) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, ihm vorläufig für die Zeit ab Antragstellung bis zum 30.04.2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe, also im Umfang von 666,00 EUR zu gewähren.

 

Mit Bescheid vom 13.02.2018 bewilligte der Beklagte dem Kläger aufgrund eines richterlichen Hinweises für die Zeit vom 01.01.2018 bis 30.04.2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II als Darlehen. Hierbei erkannte er wiederum Kosten der Unterkunft und Heizung im Umfang der tatsächlichen Aufwendungen von 250,00 EUR an. Der Regelbedarf wurde unter Berücksichtigung der Minderungsbeträge aus den Sanktionsbescheiden bestimmt. Folglich bewilligte der Beklagte für Januar einen Regelbedarf von 375,10 EUR, für Februar bis März von 333,50 EUR und für April von 374,40 EUR. Das Darlehen sei ab dem 01.05.2018 mit dem jeweiligen Leistungsanspruch im Umfang von monatlich 41,60 EUR aufzurechnen. Der Beklagte erteilte zugleich den Hinweis, dass der Kläger während der Zeit der Darlehensgewährung nicht krankenversichert sei. Auf Antrag könnten die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung ebenfalls als Darlehen gewährt werden.

 

Daraufhin wurde das einstweilige Anordnungsverfahren für erledigt erklärt.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2018 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die dem Kläger am 16.10.2017 und 17.10.2017 zugeflossenen Gewinne habe er nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts eingesetzt, sondern er habe seine Notsituation schuldhaft weiter herbeigeführt. Es habe sich bei den im einstweiligen Rechtsschutzverfahren benannten Käufen nicht um notwendige Aufwendungen gehandelt, auch wenn er damit habe nachweisen wollen, dass der Gewinn verbraucht sei. Namentlich der Ankauf des Pkws habe nicht der Herstellung der Mobilität für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gedient, da der Kläger Meldetermine beim Beklagten nicht wahrgenommen habe und Arbeitsversuche gescheitert seien. Er habe den Gewinn unvernünftig verbraucht. Es bestehe kein Anspruch auf Zuschuss zur Sicherung des Lebensunterhalts. Mit der Darlehensbewilligung nach § 24 Abs. 4 Satz 2 SGB II sei sein Bedürfnis, am Leben erhalten zu werden, ausreichend gedeckt.

 

Mit weiterem Bescheid vom 12.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.07.2018 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung aus dem ursprünglichen Bescheid vom 24.05.2017 für die Zeit vom 01.11.2017 bis 31.12.2017 auf und verlangte vom Kläger die Erstattung der gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i.H.v. 1.318,00 EUR einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. monatlich 114,00 EUR, mithin insgesamt 1.546,00 EUR. Die dagegen erhobene Klage zum Sozialgericht Chemnitz (S 24 AS 2517/18) wurde abgewiesen. Die Berufung gegen das Urteil hat das Sächsische Landessozialgericht mit Urteil vom 06.12.2022 – L 4 AS 56/20 – rechtskräftig zurückgewiesen und unter anderem ausgeführt, Rechtsgrundlage für die Aufhebung bilde jedenfalls § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Der Kläger habe einmaliges Einkommen erzielt, das gemäß § 11 Abs. 3 Sätze 1, 3 und 4 SGB II im Rahmen der Aufhebungsentscheidung trotz Verbrauchs unter anderem in den Monaten November und Dezember 2017 anzurechnen sei. Bei der gebotenen Verteilung des Einkommens aufgrund des Glücksspielgewinnes i.H.v. insgesamt 6.500,00 EUR auf sechs Monate ergäbe sich ein monatlicher Betrag von 1.083,33 EUR. Der monatliche Bedarf des Klägers i.H.v. jeweils 659,00 EUR sei damit auch unter Abzug der Pauschale i.H.v. 30,00 EUR i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung in der ab dem 01.08.2016 geltenden Fassung (ALG II-V) gedeckt gewesen. Der Kläger sei deshalb gemäß § 40 Abs. 6 Satz 1 SGB II i.V.m. § 50 SGB X verpflichtet, die ihm gewährten Leistungen für den Zeitraum vom 01.11.2017 bis 31.12.2017 zu erstatten. Dies gelte gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB II i.V.m. § 335 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 SGB III zudem für die vom Beklagten im vorgenannten Zeitraum geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. monatlich 114,00 EUR.

 

Bereits am 13.04.2018 hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage gegen die hier streitigen Bescheide zum Sozialgericht Chemnitz erhoben und dabei an seinem bisherigen Vorbringen festgehalten. Er hat im Anschluss an seinen Vortrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausgeführt, er habe zur Herstellung seiner Mobilität neben dem PKW, für den er 3.900,00 EUR gezahlt habe, einen Satz Sommerreifen mit Felgen zum Preis von 600,00 EUR erworben, woraus der Gesamtpreis von 4.500,00 EUR folge, den der Kläger bar entrichtet habe. Ferner habe er den Gewinn durch weitere Aufwendungen verbraucht:

 

Anmeldung und Zulassung des Fahrzeugs                                                            58,50 EUR

Kfz-Versicherungen                                                                                              582,35 EUR

Einkauf Marktkauf A.... am 17.10.2017                                                                635,60 EUR

(Hygieneartikel, DVD-Player, Heimkinoanlage, Fernseher)

Aral Tankstelle U.... am 17.10.2017                                                                       56,00 EUR

(Stange Zigaretten)

Tankstelle T.... am 11.11.2017                                                                             160,07 EUR

(Tanken + Stange Zigaretten)

 

Die Kfz-Versicherung habe der Kläger bar gegen Einzahlungsquittung an den Versicherungsmakler gezahlt. Einen Versicherungsschein hat der Kläger nicht vorgelegt. Er führt zudem aus, er habe mit seinem Vortrag den Verbrauch von 5.952,52 EUR dezidiert dargelegt. Den restlichen Betrag von 507,48 EUR habe er noch im Oktober und November 2017 verspielt bzw. auch teilweise für Lebensmittel ausgegeben. Am 01.01.2018 habe der Gewinn somit nicht mehr zur Verwendung für den Lebensunterhalt zur Verfügung gestanden.

 

Mit Bescheid vom 22.10.2018 hat der Beklagte gegenüber dem Kläger gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II festgestellt, dass dieser dem Grunde nach zum Ersatz der für die Zeit vom 01.01.2018 bis 30.04.2018 erbrachten Geldleistungen verpflichtet sei. Auch dagegen hat der Kläger am 14.11.2018 Widerspruch erhoben, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2019 als unbegründet zurückgewiesen hat. Die Klage ist unter dem Aktenzeichen S 24 AS 425/19 beim Sozialgericht Chemnitz anhängig.

 

Mit Beschluss des Amtsgerichts A.... vom 16.09.2019, Az.: …. wurde die Betreuung des Klägers aufgehoben und das Betreuungsverfahren eingestellt, da der Kläger in der Lage sei, seine Angelegenheiten selbst zu regeln.

 

Das Sozialgericht hat die auf Abänderung der hier streitigen Bescheide und Zuerkennung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II i.H.v. monatlich 666,00 EUR für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 30.04.2018 als Zuschuss gerichtete Klage mit Urteil vom 24.10.2019 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei im streitigen Bewilligungszeitraum nicht hilfebedürftig gewesen. Der im Dezember 2017 zugeflossene Gewinn von 48,00 EUR sei im Januar 2018 als Einnahme zu berücksichtigen gewesen. Sie habe die Hilfebedürftigkeit des Klägers in dieser Höhe gemindert. Daneben sei nach § 12 Abs. 1 SGB II ab dem 01.01.2018 auch Vermögen zu berücksichtigen gewesen. Als Vermögen seien alle geldwerten Mittel zu berücksichtigen, die der Hilfebedürftige zu Beginn eines Zahlungszeitraums bereits habe. Mit Beginn des neuen Bewilligungszeitraums habe der Beklagte das Vermögen des Klägers neu zu prüfen und entsprechend zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung seines Alters sei ein Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs. 2 SGB II von 4.950,00 EUR und 750,00 EUR für notwendige Anschaffungen zu berücksichtigen, dem Vermögenswerte gegenüberzustellen seien. Nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II sei als Vermögen nicht zu berücksichtigen ein angemessenes Kraftfahrzeug mit seinem Verkehrswert für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person. Dabei seien nach Satz 2 für die Angemessenheit die Lebensumstände während des Bezugs der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende maßgebend. Unter Berücksichtigung der Spielsuchterkrankung des Klägers bei fortdauernder Beschäftigungslosigkeit und den fehlenden konkreten Angaben, auch der Betreuerin, nach Erzielung der Gewinne (fehlende Angaben zu Höhe, Zeitpunkt usw. aller erzielten Gewinne bis zum Ende des vorhergehenden Leistungszeitraums am 31.12.2017) sei das Kraftfahrzeug mit dem nachgewiesenen Kaufpreis von 3.900,00 EUR am 17.10.2017 als Vermögen nach § 12 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen, da dem Verhalten des Klägers seit 2014 nicht zu entnehmen sei, dass er tatsächlich ein Kraftfahrzeug benötige, um eine Beschäftigung von üblichem Umfang und Dauer aufzunehmen. Jedenfalls sei dem Akteninhalt nicht zu entnehmen, dass er mit dem nunmehr vorhandenen Fahrzeug unter Berücksichtigung der aktuellen Situation auf dem Arbeitsmarkt auch für ungelernte Arbeitnehmer aus dem Leistungsbezug ausgeschieden wäre. Nach Kauf des Kraftfahrzeugs im Oktober 2017 seien dem Kläger bei einem Gewinn von 6.500,00 EUR noch 2.600,00 EUR verblieben, die er bis 31.12.2017 nicht zur Beseitigung seiner Hilfebedürftigkeit habe ausgeben müssen, da der Beklagte an ihn Leistungen bis zu diesem Zeitpunkt zur Beseitigung der Hilfebedürftigkeit erbracht habe. Der Kläger habe auch nicht nachgewiesen, dass er 2.600,00 EUR bis zum Beginn des neuen, hier streitigen Leistungszeitraums ab 01.01.2018 verbraucht habe. Die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorgelegten Kassenbelege seien nicht persönlich zuzuordnen und zur Überzeugung der Kammer sei die Vorlage von Kaufbelegen nachträglich im Verfahren erst mit Schriftsatz vom 07.02.2018 kein Beleg dafür, dass der Kläger die Gewinne bis zum 31.12.2017 verbraucht habe. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Beweislastregeln habe er nachzuweisen, dass er i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II hilfebedürftig sei. Folglich habe der Kläger im streitigen Zeitraum übersteigendes Vermögen besessen.

 

Gegen das Urteil, das dem Kläger am 19.12.2019 zugestellt worden ist, richtet sich seine Berufung vom 15.01.2020, mit der er zum einen an seinem Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Klageverfahren weiterhin festhält. Zum anderen wendet er sich gegen die Annahme des Sozialgerichts, dass er im streitigen Zeitraum über Vermögen verfügt habe, das seine Hilfebedürftigkeit ausschließe.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 24.10.2019 aufzuheben und Bescheide des Beklagten vom 12.01.2018 und 13.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2018 abzuändern und dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 30.04.2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von monatlich 416,00 EUR für die Regelleistung und in Höhe von 250,00 EUR für Kosten der Unterkunft und Heizung als Zuschuss zu gewähren.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Auf richterlichen Hinweis hat es der Beklagte mit Schriftsatz vom 27.01.2023 und zuletzt in der mündlichen Verhandlung anerkannt, die im Zeitraum vom 01.01.2018 bis 30.04.2018 entstandenen monatlichen Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers i.H.v. jeweils 184,73 EUR als Zuschuss gemäß § 26 Abs. 2 SGB II zu gewähren. Der Kläger hat das Anerkenntnis angenommen.

 

Im Übrigen verteidigt er die Entscheidung des Sozialgerichts und die von ihm erlassenen Bescheide.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 136 Abs. 2 Satz 1 SGG auf den Inhalt der Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und des Protokolls der mündlichen Verhandlung verwiesen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers (§§ 143, 151 SGG) ist zulässig, jedoch unbegründet.

 

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben der vorinstanzlichen Entscheidung der Bescheid des Beklagten vom 27.12.2017 in der Fassung des Darlehensbescheids vom 13.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.03.2018, soweit er den Leistungszeitraum vom 01.01.2018 bis 30.04.2018 betrifft. Der Beklagte hat dem Kläger nach anfänglicher Ablehnung der Leistungsgewährung mit dem gemäß § 86 SGG zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gewordenen Bescheid vom 13.02.2018 im streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II als Darlehen gewährt. Der Kläger verfolgt sein Begehren auf Zuerkennung von Grundsicherungsleistungen als Zuschuss insofern zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG). Nicht streitgegenständlich ist damit, ob dem Kläger weitere darlehensweise zu gewährende Leistungen zugestanden haben oder noch zustehen. In selber Weise muss nicht streitig entschieden werden, ob der Beklagte in Anwendung von § 26 SGB II verpflichtet ist, dem Kläger Leistungen zur Finanzierung seiner freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung als Zuschuss zu gewähren, nachdem dieser Anspruch vom Beklagten anerkannt worden ist und der Kläger dieses Teilanerkenntnis angenommen hat.

 

Ausgehend davon ist die Berufung unbegründet, denn die auf Zuschussgewährung gerichtete Klage ist vom Sozialgericht im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden.

 

Dabei kann der Senat zugrunde legen, dass der Kläger tatsächlich – wie von ihm vorgetragen – am 01.01.2018 die Glücksspielgewinne aus Oktober und Dezember 2017 vollständig ausgegeben hatte und deshalb im Grundsatz hilfebedürftig i.S.d. § 9 Abs. 1 SGB II war. Keiner Entscheidung bedarf es zudem darüber, ob die beiden Sanktionsbescheide ordnungsgemäß bekanntgegeben worden sind und deshalb den Regelbedarf des Klägers gemindert haben.

 

Wie der Senat in dem zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil vom 06.12.2022 – L 4 AS 56/20 – bereits ausgeführt hat, stellen zufließende Glücksspielgewinne nach der Rechtsprechung des BSG Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar. Sie sind als einmalige Einnahmen auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts anzurechnen, ohne dass hiervon vergebliche Spieleinsätze abzuziehen sind (vgl. BSG, Urteil vom 15.06.2016 – B 4 AS 41/15 R – juris). Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Der Kläger hat nach eigenen Angaben am 16.10.2017 2.800,00 EUR in der Spielothek X...., A.... sowie am 17.10.2017 3.700,00 EUR in der Spielothek W...., A.... gewonnen und bar ausgezahlt bekommen.

 

Dieses Einkommen war ab dem 01.11.2017 für die Dauer von sechs Monaten auf den Leistungsanspruch des Klägers anzurechnen. Gemäß § 11 Abs. 3 Sätze 1, 3 und 4 SGB II sind einmalige Einnahmen in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen. Sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, werden sie im Folgemonat berücksichtigt. Entfiele der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen.

 

Die Anrechnung ist damit zutreffend ab dem 01.11.2017 erfolgt, weil vom Zufluss des Gewinnes i.H.v. insgesamt 6.500,00 EUR am 16./17.10.2017 auszugehen ist und weil zu diesem Zeitpunkt die ursprünglich bewilligten Leistungen für Oktober 2017 vom Beklagten bereits ausgezahlt waren.

 

Das Einkommen überstieg der Höhe nach den Bedarf des Klägers i.H.v. 659,00 EUR im November 2017, sodass eine Verteilung auf sechs Monate zu erfolgen hatte.

 

Der Kläger erfüllte die Grundvoraussetzungen hinsichtlich des Alters, der Erwerbsfähigkeit und des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland, um Arbeitslosengeld II zu erhalten (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011; BGBl. I S. 2854). Auch lag kein Ausschlusstatbestand vor. Der Beklagte ist ferner zutreffend von einem monatlichen Regelbedarf des Klägers i.H.v. 409,00 EUR entsprechend der Regelbedarfsstufe 1 gemäß § 20 Abs. 1a SGB Il i.d.F. des Neunten Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und Zwölften Gesetzbuches vom 22.12.2016 (BGBl. I S. 3159) i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz - RBEG) ausgegangen. Anhaltspunkte für die Zuerkennung eines Mehrbedarfs wegen Schwerbehinderung i.S.d. § 21 Abs. 4 SGB II ergeben sich mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nicht. Der Beklagte hat aber zutreffend entsprechend der tatsächlich entstehenden Aufwendungen Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.H.v. 250,00 EUR berücksichtigt.

 

Da Abzugsbeträge i.S.d. § 11b SGB II bzw. der ALG II-V im Umfang von mehr als 5.841,00 EUR greifbar nicht bestehen und somit der Bedarf des Klägers im November 2017 als gedeckt galt, kommt § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II zur Anwendung. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift den Verteilungszeitraum zwingend auf sechs Monate festgelegt (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 89/12 R – juris Rn. 23). Ein Ermessen ist dem Beklagten nicht eröffnet, selbst dann nicht, wenn der Leistungszeitraum zunächst nur für einen kürzeren Zeitraum besteht. Dies gilt entgegen der Auffassung des Klägers auch dann, wenn bei Verteilung des Einkommens auf sechs Monate die Bedürftigkeit insgesamt entfällt (so ausdrücklich BT-Drucksache 17/3404 S. 94; vgl. zudem Geiger in LPK-SGB II, 7. Aufl., § 11 Rn. 77; Schmidt in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl., § 11 Rn. 42; zudem zur Vorgängerregelung des § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V bereits BSG, Urteil vom 10.09.2013, a.a.O., Rn. 22). Dies folgt daraus, dass § 11 Abs. 3 Sätze 3 und 4 SGB II nicht etwa als Einkommen zu bewertende, den Bedarf von sechs Monaten übersteigende Zuflüsse im Wesentlichen in Vermögen umwandeln will, was wohl Auffassung des Klägers ist. Vielmehr wollte der Gesetzgeber erreichen, dass Zuflüsse, die den Bedarf im ersten Anrechnungsmonat übersteigen, über die Dauer von sechs Monaten weiterhin als Einkommen berücksichtigt werden. Es mag eine Folge sein, dass aufgrund der Aufteilung auf sechs Monate häufig der Wegfall der Hilfebedürftigkeit vermieden wird. Voraussetzung für die Anwendung von § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II ist diese Wirkung aber nicht. Insofern widerspricht die Verteilung auf sechs Monate nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift, wie der Kläger meint.

 

Ausgehend von diesen Erwägungen führt zudem der Umstand, dass der Bewilligungszeitraum vor Ablauf des gesetzlich normierten Verteilungszeitraums abläuft, nicht dazu, dass die Anrechnung vorzeitig endet und Reste der Einkünfte nur als Vermögen zu berücksichtigen wären. Vielmehr findet eine Anrechnung des Einkommens bis zum Ende des gesetzlich bestimmten Anrechnungszeitraum grundsätzlich auch im anschließenden Folgebewilligungszeitraum statt (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.2020 – B 4 AS 9/20 R – juris Rn. 26 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 29/07 R – juris Rn. 26 ff.).

 

Demnach galt der Bedarf des Klägers nicht nur im verbliebenen Bewilligungszeitraum vom 01.11.2017 bis 31.12.2017, sondern auch in den anschließenden vier Monaten bis zum Ablauf des 6-Monatszeitraums i.S.d. § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II am 30.04.2018 als gedeckt.

 

Für den Monat Dezember 2017 ergibt sich dieselbe Bedarfslage wie im November 2017. Für die Zeit ab dem 01.01.2018 war – unter Außerachtlassung der verfügten Sanktionen –davon abweichend ein um monatlich 7,00 EUR höherer Regelbedarf i.H.v. 416,00 EUR gemäß § 2 der Verordnung zur Bestimmung des für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach den §§ 28a und 134 SGB XII maßgeblichen Prozentsatzes sowie zur Ergänzung der Anlage zu § 28 SGB XII für das Jahr 2018 (Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2018 - RBSFV 2018) zu berücksichtigen, sodass sich ab 01.01.2018 insoweit ein monatlicher Gesamtbedarf von 666,00 EUR ergäbe.

 

Bei der gebotenen Verteilung des vom Kläger im Oktober 2017 erzielten Einkommens auf sechs Monate ergibt sich demgegenüber ein monatlicher Betrag von 1.083,33 EUR. Abzugsbeträge von mehr als 424,33 EUR (bis 31.12.2017) bzw. 417,33 EUR (01.01.2018 bis 30.04.2018) ergeben sich nicht.

 

Auch wenn der Kläger im Oktober 2017 an zwei aufeinanderfolgenden Tagen einmalige Einnahmen, mithin gleichartige Einkommen, aus Glücksspielgewinnen erzielt hat, sind die davon möglichen Abzüge nach § 11b SGB II i.V.m. § 6 ALG II-V nur einmal vom Gesamtbetrag zulässig. Bei der Verteilung einer einmaligen Einnahme nach § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II sind gemäß § 11b Abs. 1 Satz 2 SGB II die auf die einmalige Einnahme im Zuflussmonat entfallenden Beträge nach den Nummern 1, 2, 5 und 6 vorweg abzusetzen, somit nur einmal zu berücksichtigen. Solche Abzugsbeträge hat der Kläger aber nicht geltend gemacht. Er war insbesondere nicht erwerbstätig, sodass ein Freibetrag nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 3 SGB II ausscheidet. Aus § 11b Abs. 1 Satz 2 SGB II folgt im Übrigen, dass Beträge im Sinne der weiteren Nummern, insbesondere nach § 11b Abs. 1 Satz 1 SGB II in jedem Anrechnungsmonat berücksichtigt werden können.

 

In jedem Anrechnungsmonat abzugsfähig war insoweit die Versicherungspauschale i.H.v. 30,00 EUR für die Beiträge zu privaten Versicherungen nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II, die nach Grund und Höhe angemessen sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V), ohne dass es eines Nachweises darüber bedarf (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 – B 14 AS 55/07 R – juris Rn. 34 und Urteil vom 13.05.2009 – B 4 AS 39/08 R – juris Rn. 22).

 

Die zudem gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II grundsätzlich abzugsfähigen Kfz-Haftpflichtversicherungsbeiträge hat der Kläger nicht nachgewiesen. Denn die allein dargelegten jährlichen Kfz-Versicherungskosten enthalten auch Kosten für die Kaskoversicherung, die gesetzlich nicht vorgeschriebenen und damit nicht abzugsfähig ist. Soweit gesetzlich vorgeschriebene und nachgewiesene Kraftfahrzeugversicherungskosten zu berücksichtigen wären, würden diese monatlich mit einem Betrag in Höhe 1/12 der zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Leistungsanspruch nachgewiesenen Jahresbeiträge in Abzug gebracht werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 ALG II-V). Ausgehend von den Gesamtkosten i.H.v. jährlich 582,35 EUR, die aber nicht abzugsfähige Kaskoversicherungskosten enthalten, entspräche dies weniger als 48,53 EUR monatlich.

 

Auch unter weiterem Abzug der (ggf. fiktiven) Kosten für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. monatlich 184,73 EUR gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 a) SGB II in jedem Monat des Anrechnungszeitraums hätte damit das Einkommen des Klägers bei bedarfsgerechter Verwendung für die Dauer von sechs Monaten zur Bedarfsdeckung ausgereicht.

 

Der Umstand, dass der Kläger die Einkünfte noch im Jahr 2017 verbraucht hat, führt nicht dazu, dass ihm für die Zeit ab dem 01.01.2018 bis zum 30.04.2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II als Zuschuss zu gewähren sind.

 

Zwar hat das BSG im Urteil vom 29.11.2012 (B 14 AS 33/12 R – juris vgl. insbesondere Rn. 14) klargestellt, dass wenn die einmalige Einnahme, deren Berücksichtigung als Einkommen in Betracht kommt, tatsächlich nicht (mehr) uneingeschränkt zur Verfügung steht, ein Leistungsanspruch nicht ausgeschlossen ist. Denn die Verweigerung existenzsichernder Leistungen aufgrund einer unwiderleglichen Annahme, dass die Hilfebedürftigkeit bei bestimmtem wirtschaftlichen Verhalten – hier dem Verbrauch der einmaligen Einnahme in bestimmten monatlichen Teilbeträgen – (teilweise) abzuwenden gewesen wäre, ist mit Art. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 GG nicht vereinbar. Damit ist auch bei der Berücksichtigung einmaliger Einnahmen über einen Verteilzeitraum hinweg auf entsprechenden Vortrag des Leistungsberechtigten hin zu überprüfen, ob die auf diesen Zeitraum bezogene Durchschnittsbetrachtung die tatsächliche Einnahmesituation im Bedarfszeitraum zutreffend widerspiegelt.

 

Auf die Feststellung des BSG in der vorgenannten Entscheidung, dass in Fällen, in denen „verfügbare Mittel“ vor Ablauf des Anrechnungszeitraumes nicht mehr zur Verfügung stehen, mangels einer gesetzlichen Grundlage Leistungen als Zuschuss zu gewähren seien (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2012 – B 14 AS 33/12 R – juris Rn. 19), hat der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 24 Abs. 4 Satz 2 SGB II zum 01.01.2017 reagiert (vgl. BT-Drucksache 18/8041, S. 42). Hiernach ist den Jobcentern nunmehr die Möglichkeit eröffnet, zur Bestreitung des Lebensunterhaltes Arbeitslosengeld II und Sozialgeld als Darlehen zu erbringen, soweit Leistungsberechtigte einmalige Einnahmen nach § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II vorzeitig verbraucht haben. Da Satz 2 ausdrücklich auf die Ermessensnorm des § 24 Abs. 4 Satz 1 SGB II verweist, hat der Beklagte im Fall des vorzeitigen Verbrauchs von einmaligen Einnahmen eine Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. auch Bender in BeckOGK, Kommentar zum SGB II, Stand: 01.03.2020, § 24 Rn. 71a).

 

Der Kläger hat im hier streitigen Fall einmalige Einnahmen i.S.d. § 24 Abs. 4 Satz 2 SGB II vorzeitig verbraucht.

 

Nach Wortsinn und allgemeinem Verständnis ist ein Verbrauch i.S.d. Vorschrift jedenfalls dann gegeben, wenn der Leistungsempfänger durch aktives Tun eine eigenmächtige Verfügung über die zugeflossenen Einkünfte trifft (vgl. Geiger, ASR 1/2017, S. 3).

 

Dies ist vorliegend geschehen. Denn der Kläger hat das im Oktober 2017 erhaltene Bargeld noch im selben Monat bzw. im November 2017 für den Kauf eines Kraftfahrzeuges einschließlich Sommerreifen, für die Anmeldung, Versicherung und Besteuerung des Fahrzeuges, für dessen Treibstoffe sowie für den Kauf diverser Güter wie Hygieneartikel, Heimelektronik und Tabakwaren ausgegeben. Er hat zudem einen Teil der Gewinne wieder verspielt.

 

In selber Weise erfolgte der Verbrauch vorzeitig, da die Einkünfte nicht über den gesamten, gesetzlich vorgesehenen Verteilungszeitraum von sechs Monaten zur Deckung von Ausgaben i.S.d. §§ 20 bis 22 SGB II zur Verfügung standen.

 

Soweit in der Literatur dazu einschränkend vertreten wird, bereits der Begriff „vorzeitig“ sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass hierbei auch weiterhin im Einzelfall die Sozialadäquanz der Verwendung des Einmaleinkommens zu prüfen sei, hat der Senat an dieser Auslegung auf Tatbestandseite Zweifel. So wird etwa ausgeführt, nur wenn und soweit sozialadäquates Verhalten nicht gegeben ist, sei es gerechtfertigt, von einem vorzeitigen Verbrauch zu sprechen (so Münder in: Geiger, Kommentar zum SGB II, § 24 Rn. 43, beck-online unter Hinweis auf Geiger, ASR 1/2017, S. 2 ff.). Eine derartige Auslegung ist nach Ansicht des Senats zur Wahrung der verfassungsrechtlichen Ansprüche auf Gewährleistung des Existenzminimums nicht geboten.

 

Der gesetzgeberischen Entscheidung in § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II, einmalige Einnahmen in einem Verteilzeitraum von sechs Monaten anzurechnen, ist zu entnehmen, dass ein abweichendes Ausgabeverhalten dem Grundsatz der Eigenverantwortung vor Inanspruchnahme der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuwiderläuft (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 24.06.2020 – B 4 AS 9/20 R – juris Rn. 31). Zur Überzeugung des Senats ist es in diesem Fall unabhängig vom Maß des Verschuldens des Leistungsempfängers von Verfassung wegen nicht geboten, zur Sicherung des Existenzminimums die Gewährung von Leistungen als verlorenen Zuschuss zwingend vorzusehen. Vielmehr ist dem Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums nach Art. 1 GG i.V.m. Art. 20 GG auch mit einer Darlehensgewährung genüge getan.

 

Mit dem Begriff der Vorzeitigkeit kann insofern jedenfalls nicht verbunden werden, dass der Leistungsempfänger den Verbrauch durch sozialwidriges, mithin vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten i.S.d. § 34 SGB II bewirkt hat. Die Jobcenter sollten vielmehr durch die Regelung des § 24 Abs. 4 Satz 2 SGB II gerade von der aufwändigen Prüfung der Ersatzpflicht befreit werden (vgl. BT-Drucksache 18/8041, S. 42).

 

Weder aus dem Gesetz selbst, noch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich zudem, dass der Begriff der Vorzeitigkeit einer wertenden Betrachtung auf Sozialadäquanz zugänglich sein soll. Vielmehr knüpft § 24 Abs. 4 Satz 2 SGB II nach Sinn und Zweck, der auch in der Gesetzbegründung zum Ausdruck kommt, ausschließlich an § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II an. Damit beinhaltet der Begriff eine rein zeitliche Komponente, die sich am gesetzlich vorgesehenen Verteilungszeitraum orientiert. So versteht der Senat im Übrigen auch die Ausführungen des BSG im Urteil vom 24.06.2020 (B 4 AS 9/20 R – juris Rn. 31). So spricht Vieles dafür, Erwägungen zur Ursache des vorzeitigen Verbrauchs im Bereich der Ermessensausübung zu fordern.

 

Einer abschließenden Entscheidung zur in der Literatur vertretenen Einschränkung auf Tatbestandsseite bedarf es vorliegend aber nicht. Denn der Kläger hat die einmalige Einnahme nicht ausschließlich für seinen Lebensunterhalt verwendet. Dies folgt hinsichtlich der Ausgaben für Heimelektronik und Tabakwaren bereits aus der deutlichen Überschreitung der monatlichen Regelbedarfssätze und der für die jeweiligen Güter im Regelsatz vorgesehenen Bedarfsanteile. Dass der Kläger die Gewinne des Weiteren für erneutes Glücksspiel anstelle der Sicherung des Lebensunterhaltes eingesetzt hat, erweist sich als nicht sozialadäquat.

 

Dasselbe gilt im Übrigen auch für den Erwerb des streitigen PKW sowie die Kosten für dessen Anmeldung, Versicherung, Versorgung mit Treibstoff sowie Besteuerung. Aus der Nichtberücksichtigung der Aufwendungen für ein Kraftfahrzeug innerhalb der Abteilung 07 der Festlegungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) folgt, dass die Aufwendungen für den Erwerb und die Haltung eines Kraftfahrzeugs nicht zu den von der Regelleistung umfassten Bedarfen rechnen (vgl. BSG, Urteil vom 01.06.2010 – B 4 AS 63/09 R – juris Rn. 16). Sowohl in seiner Entscheidung vom 09.02.2010 als auch vom 23.07.2014 hat es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für vertretbar gehalten, dass der Gesetzgeber ein Kraftfahrzeug im Grundsicherungsrecht als nicht existenznotwendig bewertet (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 – juris Rn. 179 und Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/121 BvL 12/121 BvR 1691/13 – juris Rn. 114). Auch im Fall des Klägers liegen keine Umstände vor, die es geboten erscheinen lassen, ausnahmsweise den Erwerb eines Kraftfahrzeugs als objektiv sozialadäquat zu bewerten.

 

Das dem Beklagten eingeräumte Ermessen war hinsichtlich der Gewährung eines Zuschusses nicht auf Null reduziert, sodass die Leistungsklage schon deshalb scheitert. Es besteht auch kein Anlass, die angegriffenen Bescheide des Beklagten im streitigen Umfang aufzuheben und ihn zu verpflichten, über eine Leistungsgewährung als Zuschuss neu zu entscheiden. Denn es liegt weder ein Ermessensausfall noch ein relevanter Ermessensfehlgebrauch vor.

 

Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie gemäß § 39 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X muss die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

 

Bezogen auf den Fall des Klägers bedeutet dies, dass der Beklagte unter anderem schriftlich abwägen muss, ob aufgrund des konkreten Sachverhaltes Leistungen als Darlehen oder als Zuschuss zu erbringen sind. Denn unabhängig von der Frage, ob Erwägungen zur Sozialadäquanz des Verbrauchs bereits im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Vorzeitigkeit angestellt werden müssen, sind insbesondere in Fällen des Zusammenlebens in Bedarfsgemeinschaften Sachverhaltskonstellationen denkbar, aufgrund derer beispielsweise minderjährige Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Leistungen als weiteren Zuschuss erhalten sollten, während der erwerbsfähige Leistungsberechtigte, der das Einkommen (allein) vorzeitig verbraucht hat, die Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums als Darlehen erhält (vgl. zu den verschiedenen Sachverhaltskonstellationen Geiger, ASR 1/2017, S. 2 ff.).

 

Ausgehend davon lässt der Darlehensbescheid vom 13.02.2018 zwar die Ausübung eines Ermessens nicht erkennen. Jedoch kann die Ermessensausübung grundsätzlich auch noch im Widerspruchsverfahren erfolgen (vgl. Mrozinisky, Kommentar zum SGB I, 6. Aufl. 2019, § 39 Rn. 31; Spellbrink in: BeckOGK, Kommentar zum SGB I, Stand: 01.12.2018, § 39 Rn. 4 m.w.N.). Insofern ist der Senat im Rahmen der gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG eingeschränkten Überprüfungsbefugnis der Überzeugung, dass der Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid vom 23.03.2018 sein Ermessen ausgeübt hat, das weder die gesetzlichen Grenzen überschreitet noch in einer Weise erfolgt ist, die dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprach.

 

Der Beklagte hat hierbei insbesondere das Ausgabeverhalten des Klägers im Kontext der gesetzlichen Bestimmungen des SGB II analysiert und die Gründe des vorzeitigen Verbrauchs wertend herangezogen. Zugleich hat er in die Ermessensentscheidung einbezogen, dass auch durch die Zuerkennung des Darlehens bis zum Ende des Anrechnungszeitraumes die Gewährung des Existenzminimums für den Kläger sichergestellt ist. Dies genügt den Anforderungen, die an eine Ermessensentscheidung vorliegend zu stellen sind.

 

Folglich besteht für den streitigen Zeitraum weder ein Anspruch auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach SGB II als Zuschuss, noch ein Anspruch auf Verpflichtung zur Neuverbescheidung. Nachdem die Aufrechnungsentscheidung im Darlehensbescheid zutreffend auf § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II gestützt ist und zudem die Zuerkennung weiterer Darlehensleistungen schon nicht beantragt wurde, ist die Berufung zurückzuweisen, ohne dass es auf die rechtliche Einordnung des im Dezember 2017 zugeflossenen, weiteren Gewinnes i.H.v. 48,00 EUR und die Frage der Wirksamkeit der Sanktionsentscheidungen noch ankommt.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und orientiert sich am Verfahrensausgang im Ganzen. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Beklagte schriftsätzlich und zuletzt im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 14.02.2023 seine Verpflichtung zur zuschussweisen Gewährung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung im Umfang von monatlich 184,73 EUR anerkannt hat. Diese Verpflichtung bestand bereits im erstinstanzlichen Verfahren und war im Übrigen auch nicht von einem expliziten Antrag des Klägers abhängig. Der rechtliche Hinweis im Darlehensbescheid, wonach die Kosten der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung nur als Darlehen übernommen werden können, war rechtlich unzutreffend. Dies hat der Beklagte mit dem erklärten Teilanerkenntnis korrigiert.

 

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe i.S.d. § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.

 

Rechtskraft
Aus
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