1. Es bestehen keine Hinweise auf die Notwendigkeit einer stationären Behandlung; Lipofilling wird aufgrund der verhältnismäßig geringfügigen Eingriffe in den Körper regelmäßig ambulant durchgeführt.
2. Für eine ambulante Behandlung liegt das erforderliche positive Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses nach wie vor nicht vor.
3. Es handelt sich vorliegend nicht um einen Fall der Nachkorrektur , da im Rahmen der Erstoperation eine DIEP-Lappen-Rekonstruktion vorgenommen worden war.
4. Ein Anspruch auf Kostenübernahme für die Methode des Lipofillings ergibt sich ferner auch nicht aus § 137 c SGB V.
5. Auch ein Anspruch bei grundrechtsorientierter Leistungsauslegung im Sinne von § 2 Abs. 1 a SGB V oder ein Systemversagen scheiden aus.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 8. Juni 2020 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin und Berufungsklägerin begehrt eine angleichende Brustoperation mittels Lipofilling (Eigenfetttransfer) als Sachleistung.
Bei der 1964 geborenen Klägerin besteht ein Zustand nach Mammaablatio links nach Mammakarzinom mit anschließender DIEP-Lappen-Rekonstruktion (April 2018); es liegt eine Größenasymmetrie der Brüste vor. Sie beantragte am 22.11.2018 unter Vorlage eines Attestes der Gemeinschaftspraxis H/F, Ästhetische und Plastische Chirurgie, vom 16.11.2018 bei der Beklagten und Berufungsbeklagten die Kostenübernahme für eine angleichende Brustoperation mittels Lipofilling in der Klinik. Danach bestehe nach einer DIEP-Lappen-Rekonstruktion eine gute Projektion der Brust; allerdings liege eine Asymmetrie zur gesunden Gegenseite vor. Die Klägerin wünsche zur Beseitigung der Asymmetrie eine weitere Füllung der rekonstruierten Brust. Dies sei aufgrund der Asymmetrie medizinisch indiziert. Als Therapieempfehlung wurde ein Lipofilling der rekonstruierten Seite unter stationären Bedingungen vorgeschlagen.
Nach einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK, jetzt Medizinischer Dienst) besteht keine Indikation für die beantragte Maßnahme. Die Beklagte lehnte dementsprechend mit Bescheid vom 21.12.2018 die Kostenübernahme ab.
Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte ein Gutachten des MDK vom 15.01.2019 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass eine medizinische Notwendigkeit zum Ausgleich der Brustasymmetrie nicht nachvollziehbar sei. Eine Entstellung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liege nicht vor. Bei dem Lipofilling handele es sich um eine sog. neue Behandlungsmethode. Eine solche könne erst nach einer positiven Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden. Eine solche liege nicht vor. Eine medizinische Notwendigkeit zur stationären Durchführung bestehe nicht. Ein Ausnahmetatbestand zu dem Bewertungsverfahren des G-BA sei nicht ersichtlich. Insbesondere handele es sich nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung. Die aktuelle Datenlage sei nicht ausreichend, um den Nutzen der Methode Lipofilling im Rahmen der Brustrekonstruktion nach Mammakarzinom für die klinische Krankenversorgung nach evidenzbasierten Kriterien zu belegen. Zudem werde die Unbedenklichkeit des Lipofillings in Bezug auf die onkologische Sicherheit nach wie vor in der Literatur unterschiedlich bewertet.
Die Klägerin legte ein Attest der Frauenärztin S vom 25.02.2019 vor, aus dem hervorgeht, dass sie durch die Brustasymmetrie massiv psychisch belastet sei. Aufgrund dieser psychischen Belastung werde eine Angleichung der linken Brust mittels Lipofilling empfohlen.
Die Beklagte holte eine ergänzende Stellungnahme des MDK vom 18.04.2019 ein. Für die psychiatrischen Probleme stünden Methoden der Psychiatrie zur Behandlung zur Verfügung. Körperlich stünden allein kosmetische Aspekte im Vordergrund. Eine Entstellung im Sinne der Rechtsprechung des BSG liege nicht vor. Eine Leistungspflicht der Beklagten für die beantragte Brustangleichung mittels Lipofilling sei weiterhin zu verneinen.
Die Kläger legte ein weiteres Attest - der Allgemeinmedizinerin P vom 17.05.2019 - vor. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2019 zurück; sie verwies im Wesentlichen auf die Ausführungen des MDK.
Hiergegen hat die Klägerin durch die Prozessbevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben und auf die Therapieempfehlungen der behandelnden Ärzte verwiesen. Es stehe auch noch die Rekonstruktion der Brustwarze aus, dies sei aber erst nach Abschluss des Brustaufbaus sinnvoll. Ferner hat sie eine Stellungnahme der ärztlichen Psychoonkologin S1 vom 07.11.2019 vorgelegt. Diese hat bestätigt, dass die Klägerin durch die verbliebene Brustasymmetrie massiv psychisch belastet sei. Der Klägerin sei die Kostenübernahme eines angleichenden Eingriffs in die gesunde rechte Brust zugesagt worden. Dies lasse die Klägerin zutiefst verzweifeln. Aus psychoonkologischer Sicht werde daher die finanzielle Unterstützung des Lipofillings auf der erkrankten Brustseite empfohlen.
Nach Ansicht der Beklagten werde die medizinische Notwendigkeit für eine brustangleichende Operation nicht in Zweifel gezogen. Jedoch könne die beantragte Operationsmethode mittels Lipofilling aufgrund fehlender Anerkennung durch den G-BA nicht übernommen werden. Von ihrer Seite sei zu keinem Zeitpunkt empfohlen worden, einen angleichenden Eingriff an der gesunden Brustseite vorzunehmen.
Die Kammer hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt. Nach dem ärztlichen Reha-Entlassungsbericht aus dem Reha-Zentrum H, Klinik W, vom 14.02.2020 wurden regelmäßig onkologische Nachsorge, eine Psychotherapie, eine Korrektur-OP linke Mamma und Mamillenrekonstruktion sowie das regelmäßige Durchführen der erlernten gymnastischen Übungen empfohlen. Auf psychologischem Fachgebiet sind eine depressive Episode und eine anhaltende Erschöpfung beschrieben worden, ferner eine Körperbildstörung durch asymmetrische Mammae.
Einen Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf vorläufige Kostenübernahme hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 09.10.2019 abgelehnt (S 13 KR 489/19 ER). Die Beschwerde hat das Bayer. Landessozialgericht mit Beschluss vom 09.12.2019 zurückgewiesen (L 5 KR 582/19 B ER).
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 08.06.2020 abgewiesen. Die Kammer hat es dahinstehen lassen, ob der auch nach der DIEP-Lappen-Rekonstruktion verbliebenen Größenasymmetrie noch ein Krankheitswert zukommt. Denn selbst bei Anerkennung eines Krankheitswertes der Brustasymmetrie habe die Klägerin keinen Anspruch auf die konkret beantragte Brustangleichung mittels Lipofilling, da diese Behandlungsmethode nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) falle. Es handele sich um eine neue Behandlungsmethode (§ 135 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch - SGB V); der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V setze eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode voraus. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V werde der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt. In Bezug auf die Behandlungsmethode Lipofilling gebe es noch keinen positiven Beschluss des G-BA. Damit sei die Methode Lipofilling noch nicht in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen.
Anhaltspunkte für eine Ausnahme von dem Empfehlungsvorbehalt seien nicht ersichtlich. Insbesondere könne sich die Klägerin nicht auf § 2 Abs. 1 a SGB V stützen, der nur lebensbedrohliche bzw. regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankungen erfasse. Dies sei in Bezug auf die beantragte Brustangleichung jedoch nicht der Fall.
Ferner hat sich das Sozialgericht den Ausführungen des MDK angeschlossen, dass die aktuelle Datenlage bisher nicht ausreichend sei, um den Nutzen der Methode Lipofilling im Rahmen der Brustrekonstruktion nach Mammakarzinom für die klinische Krankenversorgung nach evidenzbasierten Kriterien zu belegen. Überzeugend führe der MDK darüber hinaus aus, dass die Unbedenklichkeit des Lipofillings in Bezug auf die onkologische Sicherheit dieser Behandlungsmethode nach wie vor in der Literatur unterschiedlich bewertet werde (so auch Hessisches Landessozialgericht, Beschluss v. 31.10.2014 - L 1 KR 197/14 - juris).
Die Klägerin könne das beantragte Lipofilling vorliegend auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer notwendigen Krankenhausbehandlung beanspruchen. Wie der MDK für die Kammer überzeugend ausgeführt habe, werde ein Lipofilling regelmäßig ambulant durchgeführt. Dies sei für die Kammer vor dem Hintergrund des relativ geringen Aufwandes schlüssig (vgl. auch Hessisches Landessozialgericht, a.a.O., juris Rn. 22). Das Sozialgericht hat dargelegt, dass es auch im konkreten Fall der Klägerin keinerlei Hinweise auf die Notwendigkeit einer stationären Behandlung gebe.
Da die Behandlungsmethode Lipofilling nicht in den Leistungskatalog der Beklagten falle, könne die Klägerin einen entsprechenden Anspruch auch nicht unter dem Gesichtspunkt ihres psychischen Leidensdrucks bzw. dem Gesichtspunkt einer Entstellung begründen. Nur ergänzend hat die Kammer darauf hingewiesen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine psychische Belastung nicht mit einem chirurgischen Eingriff in eine an sich gesunde Körperstruktur, sondern ausschließlich mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln sei (vgl. BSG, Urt. v. 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R; Urt. v. 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R - juris). Ausgehend von der Fotodokumentation der Praxis H/F sei die Asymmetrie der Brüste auch nicht derart schwer ausgeprägt, dass hier von einer Entstellung auszugehen wäre. Im Fall einer Brustasymmetrie, die im Alltagsleben durch Kleidung verdeckbar bzw. durch entsprechende Einlagen ausgleichbar ist, sei das nicht der Fall (vgl. BSG, Urt. v. 28.02.2008, a.a.O.).
Die Klägerin hat gegen das am 25.06.2020 zugestellte Urteil am 02.07.2020 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Gemäß den vorgelegten ärztlichen Unterlagen und Attesten ergebe sich ein Anspruch auf Kostenübernahme für die Brustoperation mittels Lipofilling im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung. Die Erkrankung der Klägerin sei in der GKV zu berücksichtigen. Hierzu sind Lichtbilder vorgelegt worden.
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Sie hat u.a. vorgetragen, es sei vorliegend nicht ersichtlich, dass die Behandlungsmethode die Kriterien nach § 137 c Abs. 3 SGB V für das Vorhandensein des Potentials einer erforderlichen Behandlungsalternative erfülle. Es lägen keine ausreichenden wissenschaftlichen Studien zum Lipofilling vor.
Der Vorsitzende hat darauf hingewiesen, dass von der Beklagten nicht die medizinische Notwendigkeit für eine brustangleichende Operation in Zweifel gezogen worden sei; abgelehnt werde die OP-Methode mittels Lipofilling, da es sich hierbei um keine vom G-BA anerkannte Behandlungsmethode handele.
Gemäß klägerischem Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein Gutachten des B1, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im Klinikum L, vom 16.03.2021 eingeholt. Auch dieser hat bestätigt, dass eine Brustangleichung medizinisch notwendig sei. Es bestehe eine Differenz der Brüste von über 300 ccm von rechts zu links. Es kämen zwei Behandlungsmöglichkeiten in Betracht: ein Ausgleich der Brustasymmetrie durch die Verkleinerung der rechten Seite (Reduktionsplastik) oder durch autologe Fetttransplantation (AFT bzw. Lipofilling) an der linken, kleineren, rekonstruierten Seite. Die Klägerin wolle sich aber auf keinen Fall an ihrer gesunden und intakten rechten Brust operieren lassen. Der Ausgleich durch Silikonimplantate unter die Haut des DIEP-Lappens seien als Möglichkeit nach Eigengewerbsrekonstruktion nicht sinnvoll. Es bestehe eine Indikation für das Lipofilling gemäß der deutschen S2K-Leitlinie zur autologen Fetttransplantation nach Wiederaufbau im Zustand nach brustkrebsbedingter Mastektomie.
Lipofilling werde als neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode aufgrund seines Wirkprinzips und der bisher vorliegenden Erkenntnisse zwar bisherige Methoden nicht ersetzen, aber die Möglichkeiten der Optimierung der Rekonstruktionsoperationen erweitern. Es sei zu erwarten, dass die Methode entsprechend der genannten Indikationen ihren Stellenwert erhalten werde. Es sei deshalb auch zu erwarten, dass das Lipofilling als zusätzliche Methode in der S2k-Leitlinie zukünftig aufgewertet werde.
In Bezug auf potentielle Nebenwirkungen sei keiner der o.g. Operationsmethoden der anderen über- oder unterlegen. Jedenfalls hinterließen die Prozeduren des Lipofilling nahezu keine sichtbaren Narben.
Der Gutachter hat Studien zum Krebsrisiko nach Lipofilling dargelegt. Danach war das Auftreten von Brustkrebsrezidiven in der AFT-Gruppe niedriger bzw. nicht erhöht (Metaanalyse aus 2018). Bestätigt werde das durch eine 2019 veröffentlichte Studie (veröffentlicht in Pub Med). Die AFT hatte in der multivariaten Analyse keinen Einfluss auf das brustkrebsfreie Überleben und auf die brustkrebsbedingte Sterblichkeit. In der S2K-Richtlinie aus 2016 heiße es: "Bislang erscheint die autologe Fetttransplantation mit zusätzlicher Injektion von Stammzellkonzentraten als sicher." (Zitatquelle: Gutachten S. 18).
Die Klägerin hat sich auf die Ergebnisse des Gutachtens bezogen. Die Beklagte hat hierzu zwei Stellungnahmen des MDK vom 11.06.2021 und 02.07.2021 eingeholt. Es ist von der Beklagten hierzu vorgetragen worden, dass die Mammaasymmetrie keine Erkrankung im Sinne des § 27 SGB V sei. Auch der Sachverständige B1 habe nicht bestätigt, dass die Asymmetrie der Brust bei der Klägerin entstellend wirke. Im Übrigen käme als alternative Behandlungsmethode ein Silikonimplantat zum Ausgleich der Asymmetrie in Betracht. Der Gutachter lege keine Gründe dar, warum diese Behandlungsform nicht auch bei der Klägerin möglich und sinnvoll sei.
Beim Lipofilling handele es sich grundsätzlich um eine neue Behandlungsmethode, denn sie sei weder als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM-Ä enthalten noch bereits vom G-BA anerkannt worden. Es ergebe sich kein Anspruch aus § 137 c Abs. 3 SGB V. Zwar sei nach der geänderten Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil v. 25.03.2021, B 1 KR 25/20 R - juris) zu den Regelungen nach § 137 c Abs. 3 SGB V über Ansprüche auf Leistungen, die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative haben, nicht mehr der volle Nutzungsnachweis für die eingesetzten Methoden im Sinne eines evidenzgestützten Konsenses der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute zu verlangen (sog. Potentialmaßstab). Dieses abgesenkte Qualitätsgebot betreffe aber vor Erlass einer Erprobungsrichtlinie einen Anspruch auf eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode nur dann, wenn es um innovative Methoden der Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung gehe, für die im Einzelfall keine andere Standardbehandlung verfügbar sei. Unstreitig stelle der Befund der Brustasymmetrie keine schwerwiegende Erkrankung im Sinne der BSG-Rechtsprechung dar, was auch von B1 bestätigt werde. Im Übrigen stehe eine Standardtherapie (Silikonimplantat) zur Verfügung.
Für die Klägerin hat der Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 13.08.2021 die Berufung aufrecht erhalten. Auf das Gutachten des B1 ist verwiesen worden. Mit den Einschätzungen des MDK bestehe "kein Einverständnis". Auch die Entscheidung des BSG vom 25.03.2021 stehe dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegen; entscheidend sei der konkrete Einzelfall.
Der Senat hat die Beteiligten auf das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11.10.2021 (L 4 KR 417/20 - juris) hingewiesen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat erklärt, dass die beantragte Maßnahme noch nicht durchgeführt worden sei. Auf die Niederschrift der Sitzung vom 25.11.2021 wird verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 8. Juni 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten einer stationären Brustangleichung mittels Lipofilling zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, der Akten des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes sowie die Klage- und Berufungsakte hingewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf die Übernahme der Kosten für eine stationäre Brustangleichung mittels Lipofilling nicht zu.
Eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a SGB V scheidet hier bereits aufgrund der zeitlichen Ablaufes (Antragstellung 22.11.2018, Mitteilung der Beurteilung durch den MDK vom 28.11.2018, Bescheid vom 21.12.2018) aus. Im Übrigen handelt es sich nicht um ein Verfahren der Kostenerstattung (vgl. hierzu die Urteile des BSG vom 26.05.2020, z.B. B 1 KR 9/18 R - juris); die Behandlung ist bislang nach klägerischen Angaben nicht durchgeführt worden.
Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Ablehnung des Antrags auf Kostenübernahme für die Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB V in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus zu Recht bestätigt. Der Senat vermag bereits die Notwendigkeit des Lipofillings im Rahmen einer - hier beantragten - stationären Behandlung nicht zu erkennen. Im Fall der Klägerin gibt es keine Hinweise auf die Notwendigkeit einer stationären Behandlung. Krankenhausbehandlung ist im Sinne von § 39 SGB V konform mit dem Regelungssystem grundsätzlich nur dann erforderlich, wenn die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und notwendig ist (st. Rspr; vgl. z.B. BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr.4, RdNr.14). Lipofilling wird aufgrund der verhältnismäßig geringfügigen Eingriffe in den Körper regelmäßig ambulant durchgeführt. Auch aus dem dem Antrag beigefügten Attest der Gemeinschaftspraxis H/F ergibt sich nicht, dass eine Krankenhausbehandlung notwendig ist. Es wird lediglich ohne nähere Begründung eine entsprechende "Empfehlung" ausgesprochen. Auch aus den Stellungnahmen des MDK und dem Gutachten des B1 ergibt sich nicht, dass insoweit eine stationäre Maßnahme erforderlich ist. Vielmehr wird vom MDK darauf hingewiesen, dass die Notwendigkeit einer stationären Behandlungsform nicht gegeben ist. Nicht zulässig ist eine Beantragung einer stationären Maßnahme zur Umgehung des Erfordernisses der positiven Äußerung des G-BA bei ambulanter Behandlung (siehe unten).
Es besteht aber auch kein Anspruch der Klägerin auf eine ambulante Behandlung. Nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Der Senat lässt offen, ob im Falle der Klägerin grundsätzlich eine derartige medizinische Notwendigkeit für den Ausgleich der noch bestehenden Asymmetrie der Brüste gegeben ist (vgl. hierzu die unterschiedlichen Ansichten des MDK und des Sachverständigen B1). Dies betrifft zum einen die streitige Frage, ob ein Anspruch im Rahmen der Nachbehandlung der vorangegangenen Wiederherstellung der Brust mittels DIEP-Lappen-Rekonstruktion nach Mammaablation links nach Mammakarzinom besteht. Das BSG hat nämlich im Urteil vom 08.03.2016 (B 1 KR 35/15 R - juris) festgehalten, dass der Anspruch auf Krankenbehandlung durch ärztliches Handeln vorrangig darauf gerichtet ist, Erkrankte unter Wahrung ihrer körperlichen Integrität zu heilen; wird zur Behandlung in den Körper eingegriffen - wie nach einer Mastektomie -, ist dieser möglichst - als Teil der einheitlichen ärztlichen Heilbehandlung - wiederherzustellen, sei es mit körpereigenem oder mit körperfremdem Material (BSG, a.a.O., juris Rn. 18). Zum anderen, ob bei der Klägerin psychische Leiden oder orthopädische Beeinträchtigungen einen Anspruch auf eine Brustkorrektur-Operation begründen oder eine `Entstellung´ vorliegt.
Dies kann offenbleiben, da jedenfalls - zumindest derzeit - ein Anspruch auf Behandlung mit der Methode des Lipofillings rechtlich nicht zuzubilligen ist, da das für eine ambulante neue Behandlungsmethode erforderliche positive Votum des G-BA nach wie vor nicht vorliegt (§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V). Gemäß § 153 Abs. 2 SGG wird auch hierzu auf die Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen.
Ergänzend ist unter Berücksichtigung des Berufungsverfahrens Folgendes auszuführen:
In der mündlichen Verhandlung vom 25.11.2021 hat sich gezeigt, dass die Klägerin ihren Berufungsantrag ausdrücklich auf die Behandlungsmethode des Lipofilling beschränkt haben will. Andere Behandlungsmethoden, insbesondere auch einen Ausgleich durch Silikon-Implantate, lehnt sie ab bzw. hat sie nicht beantragt. Das beantragte Lipofilling stellt eine neue Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V dar. Wie oben dargelegt, ist zum einen hierfür regelmäßig eine ambulante Behandlung ausreichend, zum anderen fehlt es an der notwendigen positiven Empfehlung des G-BA. Insoweit ist eine Aufnahme der Methode Lipofilling in den Leistungskatalog der GKV (zumindest bislang) nicht erfolgt; sie ist weder als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM-Ä enthalten noch bereits vom G-BA anerkannt worden.
Der vorliegende medizinische Sachverhalt ist auch nicht mit dem vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen entschiedenen Fall (Urteil vom 11.10.2021, L 4 KR 417/20 - juris) vergleichbar; das dortige Landessozialgericht hatte einen Anspruch auf Lipofilling als "Nachkorrektur" zugesprochen. Vorliegend war die Klägerin aber nicht bereits im Rahmen des Sachleistungsprinzips mit der Methode des Lipofillings behandelt worden wie im Fall des vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen entschiedenen Verfahren. Vielmehr wurde bei der Klägerin im Rahmen der Erstoperation eine DIEP-Lappen-Rekonstruktion vorgenommen.
Ein Anspruch auf Kostenübernahme für die Methode des Lipofilling ergibt sich ferner nicht aus § 137 c SGB V. Zum einen steht grundsätzlich eine Standardtherapie in Form eines Ausgleichs der Differenz durch ein Silikonimplantat zur Verfügung. Wie der MDK ausführt, handelt es sich hierbei um die Methode, die regelmäßig nach einer Mammaablatio nach Mammakarzinom zur Anwendung gelangt. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass diese Methode bei der Klägerin ausgeschlossen ist - der MDK verweist mehrfach auf diese Behandlungsmethode; der Gutachter B1 hat nicht darlegt, warum diese im Falle der Klägerin "nicht sinnvoll" ist. Dies konnte vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung vom 25.11.2021 nicht z.B. durch Vorlage ärztlicher Bescheinigungen belegt werden.
Aber auch die weitere Voraussetzung des § 137 c Abs. 3 SGB V ist nicht gegeben. Nach der Änderung in der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil v. 25.03.2021, B 1 KR 25/20 R - juris) ist im Rahmen des § 137 c Abs. 3 SGB V hinsichtlich des Potentials der Behandlungsmethode nicht mehr der volle Nutzungsnachweis für die eingesetzte Methode im Sinne eines evidenzgestützten Konsenses der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute zu verlangen. D.h., gegenüber der vorangegangenen Rechtsansicht ist das Qualitätsgebot (§ 2 Abs.1 S. 3 SGB V) abgesenkt. Die Studienlage, wie sie kontrovers zwischen dem Gutachter B1 - mit Verweis auf eine Metaanalyse aus 2018, eine 2019 veröffentlichte Studie (veröffentlicht in Pub Med) sowie die S2K-Richtlinie aus 2016 - und dem MDK wird, der auf die Literatur verweist, die die Unbedenklichkeit des Lipofillings in Bezug auf die onkologische Sicherheit nach wie vor unterschiedlich bewertet (so auch Hessisches Landessozialgericht, Beschl. vom 31.10.2014, L 1 KR 197/14 - juris), kann daher dahingestellt bleiben.
Entsprechend der aktuellen Rechtsprechung verweist die Beklagte nämlich zutreffend darauf, dass ein Anspruch auf eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode vor Erlass einer Erprobungsrichtlinie nur dann besteht, wenn es um innovative Methoden der Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung geht, für die im Einzelfall keine andere Standardbehandlung verfügbar ist. So hat das BSG hinsichtlich des Widerstreits zwischen Innovation und Patientenschutz dargelegt, dass Potentialleistungen vor Erlass einer Erprobungsrichtlinie nur dann angewendet werden dürfen, wenn im einzelnen Behandlungsfall eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt, für die nach dem jeweiligen Behandlungsziel eine Standardtherapie nicht oder nicht mehr verfügbar ist (BSG, Urt. vom 25.03.2021, B 1 KR 25/20 R - juris Rn. 40). Dabei stellt aber zum einen auch nach Auslegung des Senats der Befund der Brustasymmetrie keine schwerwiegende Erkrankung im Sinne der BSG-Rechtsprechung dar; dies wird im Übrigen auch von B1 bestätigt, so dass § 137 c Abs. 3 SGB V auch in der geänderten Auslegung durch die Rechtsprechung des BSG nicht zum Zuge kommt. Zum anderen steht, wie oben dargelegt, eine Standardtherapie - zumindest in Form eines Silikon-Implantats - zur Verfügung, so dass ein Anspruch auch an der Erforderlichkeit der Behandlungsalternative fehlt (hierzu BSG, a.a.O., Rn. 42). Grundsätzlich ist der "Weg des gesicherten Nutzens" (BSG, a.a.O., Rn. 42) zu wählen. Wie dargelegt ist nicht ersichtlich, dass eine Kontraindikation für den Differenzausgleich durch ein Silikonimplantat besteht oder sich dies als unwirksam bei der Klägerin erwiesen hat.
Des Weiteren scheidet auch ein Anspruch bei grundrechtsorientierter Leistungsauslegung im Sinne von § 2 Abs. 1 a SGB V aus. Auch aus dem Gutachten des B1 ergibt sich, dass bei der Klägerin bezogen auf den Ausgleich der Brustdifferenz keine Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1 a SGB V vorliegt. Hierin liegt weder eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche noch eine hiermit wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung. Abzustellen ist dabei allein auf den Ausgleich der Brustdifferenz, nicht auf die vorangegangene Karzinomerkrankung. Es ergibt sich deshalb auch hieraus kein Anspruch auf eine Kostenübernahme.
Schließlich liegt auch kein sog. Systemversagen vor. Von einem Systemversagen kann ausgegangen werden, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungs- und Untersuchungsmethode durch den G-BA darauf zurückzuführen ist, dass das erforderliche Verfahren beim G-BA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde und dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist. Dies ist vorliegend nicht ersichtlich.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).